Das bedingungslose Grundeinkommen

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Ich habe es lange aufgeschoben, aber heute nehme ich es mal in Angriff, die Auseinandersetzung um das bedingungslose Grundeinkommen. Nun gibt es nicht „DAS“ Konzept, und selbst wenn man sich auf die Linke als einzige Partei bezieht, die das Modell in ihrem Wahlprogramm hat, so wird man unterschiedliche Diskussionsansätze finden. Für eine Berechnung braucht man aber einen Anhaltspunkt. Ich habe mich im folgenden auf dieses Dokument der Linken bezogen, das ein bedingungsloses Grundeinkommen in den von der Partei proklamieren 1000 Euro vorsieht. Für Kinder 500 Euro.

Kosten: Die Kosten sind relativ einfach zu übersehen. Man muss nur die Bevölkerungszahl (Erwachsene und Kinder getrennt) mit 1000 bzw. 500 Euro multiplizieren. Dann kommt man auf einen Finanzierungsbedarf von 914 Milliarden Euro pro Jahr. Derzeit nimmt der Bund 310 Milliarden Euro ein und gibt davon 119 Milliarden wieder für Sozialausgaben aus. Zieht man das ab, weil diese Ausgaben nun entfallen, so bleibt ein Nettofinanzierungsbedarf von rund 800 Milliarden Euro.

Die Gegenfinanzierung sieht so aus: Es gibt einen Zuschlag zur Einkommenssteuer von 35 %, die im Gegenzug gesenkt wird auf 7,5% Eingangssteuersatz. Ab dem ersten Euro über 1000 Euro monatlich zahlt man so 42,5% Steuern und das steigt an bis auf einen Steuersatz von 25%, der bei 60.000 Euro Jahreseinkommen erreicht wird. Wer 60.000 Euro verdient zahlt dann mit Sozialabgaben 60,7% Steuern. Das ist der größte Posten mit 638 Milliarden Euro

Es gibt dann noch andere Steuern. So meint die Linke weitere 70 Milliarden Euro mit einer Luxussteuer auf teure Produkte zu erhalten, will die Energie besteuern (nicht nur Strom), hat komischerweise aber nur die Belastung durch Strom berechnet, nicht aber durch Heizöl, Benzin und Verteuerung von Produkten. Wer eine Wohnung besitzt darf auch 0,7% des Verkehrswerts Steuern zahlen (bei einem Wert von 150.000 Euro also 1050 Euro) bei allen anderen Wertgegenständen 1,4%, für ein 20.000 Euro Auto also 280 Euro pro Jahr.

Einsparungen gibt es auch, so entfallen Sozialabgaben fast ganz, weil man kein ALG-II mehr braucht, keinen Rentenzuschuss etc.

Ich will gar nicht mal alle Rechenmodelle durchrechnen, sondern nur ein paar grundlegende Einwände machen.

Das Grenzproblem ist, das man einen Nettofinanzierungsaufwand hat und dieser bei einem Bruttosozialprodukt von 1900 Milliarden Euro einer Abschöpfungsquote von fast 50% entspricht, bezahlbar primär von den Personen, interessanterweise sieht auch das Linken-Konzept keine Belastung von Unternehmen durch Gewerbesteuer etc. vor, außer sie dehnen das Sachkapital auch auf Betriebsvermögen aus.

Mein Hauptkritikpunkt ist, das die Rechnung davon ausgeht, dass sich durch das Grundeinkommen nichts ändert. Doch das ist eine Illusion. Ich würde mal sagen, dass der größte Teil der Bevölkerung nicht zur Arbeit geht, weil das so viel Spaß macht, sondern weil man das Geld braucht um zu leben und seine Rechnungen zu bezahlen. Der Prozentsatz mag schwanken und dürfte bei Jobs mit längerer Ausbildungszeit höher sein (Niemand macht einen Doktor in Chemie, nur weil er dadurch mehr verdienen kann sondern würde Banker oder Mediziner werden), umgekehrt kann ich mir nicht vorstellen, das viele Leute gerne Müll wegfahren, kellnern oder putzen. Das hat eine Reihe von Folgen.

Mit einem gesicherten Grundeinkommen wird sich einiges ändern. Zum einen erlaubt es kinderreichen Familien ganz darauf zu verzichten arbeiten zu gehen. Schon die deutsche Durchschnittsfamilie mit 2 Erwachsenen und 2 Kindern erhält 3000 Euro, damit dies ein Elternteil heute durch Arbeit (wir reden von Nettoeinkommen) verdient, muss er schon einen wirklich gut bezahlten Job haben. Andere dürften auf die Idee kommen die Arbeit zu reduzieren. Wenn sie dasselbe Einkommen wie heute haben wollen, dann würde es bei vielen Gering- und Mittelverdienern reichen, die Arbeitszeit zu reduzieren. Ich verdiente bei meiner letzten Festanstellung knapp 1900 Euro netto, nach dem Modell würde es reichen meine Arbeitszeit von 39,5 auf 25 Stunden zu reduzieren um auf das gleiche Einkommen zu kommen. Da die Steuer progressiv ansteigt, so würde ich bei Beibehaltung der 39,5 Stunden z. B. nur 400 Euro mehr im Monat verdienen, also netto pro Stunde gerade mal 6,90 Euro dürfte sich Arbeit für viele kaum noch lohnen.

Das leitet zur zweiten Folge über. Wenn eine Leistung teuer wird, dann werden die Leute mehr und mehr dazu gedrängt die Steuer zu umgehen. Das bekannteste Phänomen das dabei entsteht ist Schwarzarbeit. Sie blüht heute schon im Handwerk, vor allem weil es einen enormen Unterschied zwischen dem Nettoverdienst eines Handwerkers und dem gibt was der Kunde zu bezahlen hat. Am Arsch werden die sein, die keine Leistung anbieten die Endverbrauchern nützt. Ich als Programmierer habe z.B. keine Möglichkeit schwarz zu arbeiten, weil kaum jemand sich privat ein Programm schreiben lässt. Ich vermute dann wird der Handel mit Sachleistungen laufen, also „Du reparierst das und bekommst dafür meine alte Stereoanlage“. Also Folge dürften die Einnahmen durch die Einkommenssteuer die der Hauptteil der Einnahmen sind wegbrechen.

Der zweite Punkt ist das die Rechnung davon ausgeht das sich nichts an den Preisen verändert. Die 1000 Euro die gefordert werden sind ja definiert als die Armutsgrenze in Deutschland (60% des Durchschnittseinkommens).  Wenn es nun die ganzen Steuern gibt wird das Leben daher teurer werden. Wer 0,7% pro Jahr für seine Immobilien zahlen muss, wird die Miete erhöhen, Unternehmen die Steuern bezahlen, werden Produkte teurer machen. Für Endverbraucher wird durch die Primärenergiesteuer ebenfalls alles teurer vom Strom über fossile Energie bis zu Produkten die auch unter energEeverbauch hergestellt werden. So werden die 1000 Euro wahrscheinlich nicht mehr das sein als was sie mal gedacht waren.

Vor allem verkennt es die gesellschaftlichen Folgen. Der hohe Steuersatz macht es schwer, Rücklagen zu bilden oder Schulden abzutragen. Nehmen wir mal an sie wollen eine Eigentumswohnung finanzieren und benötigen 100.000 Euro und haben 50.000 Euro Eigenkapital. Bei einem Zinssatz von 3% (und der ist ja derzeit niedrig) und einer Abzahlung über 25 Jahre sieht die Rechnung so aus:

  • Zinsen: 3333 Euro/Jahr
  • Abzahlung: 5000 Euro/Jahr
  • Rücklagen/laufende Kosten: 2000 Euro/Jahr
  • neue Steuer für Immobilien: 1050 Euro/Jahr
  • Gesamtbelastung:  10833 Euro
  • Gegenrechnung: Miete: 12 x 750 Euro = – 9000 Euro

So gesehen wäre die Eigentumswohnung nur 1833 Euro/Jahr teurer als eine Mietwohnung (die Zahlen sind real in der Umgebung von Stuttgart) um diese 1833 Euro zu erwirtschaften müsste jemand mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von heute 35,000 Euro aber nach der hohen Einkommenssteuer aber sein Einkommen auf 40.000 Euro, also um 5000 Euro steigern. Das ist irreealistisch. Die Alternative wäre das er erneut in die Armut rutscht – diesmal weil er Besitz hat!

Allgemein wird die hohe Steuerlast auf alle Einkommen Vermögen reduzieren und ganze Branchen werden darunter leiden. So die Baubranche. Betroffen sind ja nicht nur Häuslebauer sondern auch Vermieter, wenn von der Miete 60% als Steuer weggehen dann überlege ich mir ob ich vermiete, wo das Risiko der Beschädigung oder des Mietausfalls besteht. Wenn Luxusgüter 70 Milliarden pro Jahr einbringen sollen, dann wird das auch Folgen haben, zumal die die sie sich leisten können deutlich weniger werden. Doch nicht nur am oberen Ende des Einkommens wird es Veränderungen geben. Wer wird noch die Arbeit machen die unangenehm ist, eben so was wie Müllabfuhr, Telefonhotline, Kellnern etc.?

Die frage ist: wer wird noch bereit sein einen Beruf zu ergreifen indem er eine akademische Ausbildung hat, also 10 und mehr Jahre nach einem Hauptschulabschluss noch zur Schule/Uni muss, wenn er später dann netto wenn er 5000 anstatt 2000 Euro pro Monat brutto verdient, netto noch 925 Euro mehr verdient? Damit er die 10 Jahre Einkommensausfall überhaupt abfedern kann, müsste er weitere 10,5 Jahre arbeiten. Mit 46 wäre er dann am Break-Even Point, bis dahin wäre es lukrativer gewesen nach dem Hauptschulabschluss einen 2000 Euro Job anzunehmen. Wir werden daher gewaltige soziale Verschiebungen sehen. Ganze Systeme wie die Versorgung mit Ärzten könnten zusammenbrechen.

Vor allem ermutigt dieses System zur Steuerflucht. Wer an der Grenze wohnt, das trifft schon mal für einen Großteil der Bevölkerung des Ruhrgebietes zu, bei dem kann es sich schon bei heute mittleren Einkommen lohnen, seinen erst Wohnsitz nach Belgien, Holland oder Frankreich zu verlagern. In Süddeutschland dann nach Frankreich, Schweiz und Österreich. Wir können im Gegenzug darauf bauen das sich tausende Bürger aus den Nachbarländern gerne Deutsche werden wollen, primär die die Nettoempfänger sind.

Alle folgen dürften die Steuereinnahmen absinken, was zu einer noch höheren Steuer und noch massiveren Maßnahmen führt.

Das ganze ist meiner Ansicht nach eine Milchmädchenrechnung. Aber auch ohne es detailliert zu sehen, ist doch eines logisch, wenn nun die Zahlungen des Staates zur Unterstützung von sozial oder finanziell benachteiligten sich um den Faktor 7 erhöhen, dann muss das jemand bezahlen, und es muss eben jeder bezahlen der auch nur einen Cent über den 12000 Euro Grundeinkommen verdient, nicht nur wie die Linke meint die Reichen. So viele reiche gibt es nicht und so viel Geld haben die nicht um diese norme Summe aufzubringen. Nützen tut es vor allem denen. die heute schon Leistungen beziehen wie größere Familien oder ALG-II Bezieher, aber auch Rentner die weniger als 1000 Euro bekommen.

Was ist das bedingungslose Grundkommen unter diesem Aspekt? Nun es ist nichts so neues, es hat nur einen neuen Namen. Die Folgen sind wegen der hohen Steuerbelastung leicht auszumahlen:

  • wer gut verdient und Vermögen hat, der wird sukzessive enteignet, weil zu den hohen Steuern auf Einkünfte (auch aus Kapitalvermögen und/oder Immobilien) ja noch die Inflation kommt.
  • Wer gut verdient bekommt netto kaum mehr als jemand der wenig verdient, im Vergleich zu heute aber deutlich weniger
  • wer nichts verdient, erhält genügend zum Leben und keinen Anreiz etwas zu verdienen

Dieses Konzept gab es schon mal und nannte sich Kommunismus. Die Folgen waren, das der Staat überschildet war, die Wirtschaft lahmte, Häuser verfielen, nichts investiert wurde und Wohlhabende und Fachkräfte das Land verließen.

Ich will mich morgen nochmal mit dem Thema beschäftigen, etwas weiter gefasst und zwar um die Auseinandersetzung allgemein um ein Grundeinkommen bzw. Harz IV als heutigem Zustand.

8 thoughts on “Das bedingungslose Grundeinkommen

  1. An Deinem Vortrag ist nicht viel auszusetzen ausser den vielen Situationen die Du aus Deiner Perspektive übersehen musst (wenn man mal über die recht – ääh – sinnfreie kommunismus-analogie hinwegsieht).

    Bin gespannt auf Deine Hartz4-Recherchen (40 Jahre fürs Häusle billig Müll wegfahren, arbeitslos werden und mit extremen Abstrichen in Frührente statt Hartz4 gehen, damit man entweder das Haus oder das Leben behalten kann) und wie (und ob) Du dann die Enteignung umbewerten wirst.

    P.s. das BGE kann im Übrigen für viele „Faulpelze“ unter Umständen ein Rückschritt sein, da es Brutto=Netto ist. Auf gut deutsch: ich kann keine 1000,- jeden Monat versaufen, sondern ich muss meine Miete, Krankenkasse etc. selbst bezahlen und rutsche im Extremfall unter Hartz4-Netto-niveau. Auf Deutsch: Das BGE kann unter Umständen den „Anreiz“ vergrössern arbeiten zu gehen.

  2. Schöner Artikel.
    Was du allerdings verkennst ist das langfristige Potential. Es ist ein anderes Ziel. Arbeit soll nicht mehr künstlich am leben gehalten werden nur damit die Leute ein Einkommen haben. Es ist doch eigentlich der Traum der Menschheit (zumindest meiner) das die lästige Arbeiten durch Maschinen weg automatisiert werden. Das ist meiner Meinung nach genau der Punkt, an dem das BGE ansetzt.

    Du schreibst „Wer wird noch die Arbeit machen die unangenehm ist, eben so was wie Müllabfuhr, Telefonhotline, Kellnern etc.?“. Dann steigt eben der Automatisierungsdruck für solche Arbeiten. Wo eine Arbeit unbeliebt und trotzdem nicht automatisiert werden kann, muss eben der Lohn für eine solche Arbeit steigen. Es würde das erste mal ein wirklicher „Arbeitsmarkt“ entstehen.

    Stell dir eine Welt vor, in der der Profifussballer oder Fernsehmoderator mit nem ollen alten Golf zur Arbeit fahren muss weil die Arbeit so viele gerne machen wollen und es entsprechend keine Entlohnung dafür gibt. Dafür kommt die Putzkraft im Porsche vorgefahren!

    Im übrigen ist das Modell, dass BGE über die Lohnsteuer zu finanzieren denkbar ungeeignet. Denn dies würde den Maschinen einen unfairen Vorteil bringen. Da gab es auch andere Finzierungsmodelle über Mehrwertsteuer oder Besitz etc. Aber das ist auf jeden Fall noch ein ungelöstes Problem.

  3. Ich kann mich an Andys Meinung nur drannhängen. Im letzten Jahrhundert ist die Produktivität exterm angestiegen (auf einen genauen Zeitraum lege ich mich jetzt nicht fest). Nur was hat Ottonormalverdiener davon ? Nix. Dieses Planetenmordende Wachstumsdenken führt dazu das alle immer noch ein Leben lang arbeiten und wenige noch reicher werden.
    Wir müssen den technischen Fortschritt endlich mal für den Menschen ausnutzen. Und wenn die produzierten Dinge dann ausnahmsweise mal 20 Jahre statt 3 halten, oder auch durch Upgrades auf einen
    aktuellen Stand zu bringen sind, braucht man auch weniger Einkommen. Gibt es keine Übertriebene Werbung mehr um den Menschen nach einem Jahr z.B. schon wieder ein Neues (teures) Handy anzudrehen, dann werden auch die Produkte billiger.


    Hätte mir vor 25 Jahren jemand gesagt das Menschen in Deutschland mal fast alle 2 Jahre 1000 Mark für ein Telefon ausgeben, den hätte ich für bekloppt erklärt – nu gut, man wird älter.

    Und das ein paar Werbespezialisten sich einen neuen Job suchen müssen macht mir keine Bauchschmerzen.
    Das soll nicht im Kommunismus der „realexistierenden“ Art münden, aber ein wenig „noch nicht real existierend“ sozialistischer darf es gerne werden.

    Ausbau des Schienenverkehrs und Abbau des Individualverkehrs (was könnte der Staat sparen wenn nicht jedes Jahr nach dem Winter das halbe Strassennetz neu gemacht werden müsste.
    Erneuerbare Energien die, wenn die Anlagen erst mal bezahlt sind ohne teuren Brennstoff auskommen….
    Da ist viel drinn.

    Das ist wirklich ein Thema ohne Ende und mit vielen Verknüpfungen die bedacht werden müssen.
    Viele müßten umdenken und einigen würde es ein wenig weh tun, nur der Nutzen wäre gewalltig.
    Die Frage ist nur, wie erreicht man diese Wende möglichst „weich“ ?

  4. Mein Haupteinwand gegen die Maschinenhypothese ist etwas was Ulrich schon angeschnitten hat und was ja auch der Armutsdefinition zugrunde liegt:

    arm ist der der weniger als 60% des Durchschnittseinkommens hat.

    Was hat das mit der Produktivität zu tun? Nun mit mehr Maschinen steigen auch die Ansprüche. Ich habe noch von meiner Mutter Schilderungen wie „Flüchtlinge“ nach dem zweiten Weltkrieg leben musste und wie hoch der Lebensstandard damals bei ihr, gewiss nicht schlecht verdienender Familie war. Autos gab es in unserem Ort vier, Fleisch nur sonntags.

    So „arm“ wie damals ein Durschschnittsverdiener ist heute nicht mal ein ALG-II Empfänger. Stattdessen geben wir immer weniger Geld für absolut lebensnotwendige Dinge aus, der Wohnraum pro Person wächst dauernd an und wir leisten und Smartphones, Computer etc.

    Mehr Produktivität verschiebt nur die Grenzen ab der wir arm definieren. Eine der Folge des bedingungslosen Grundeinkommens wäre natürlich auch dass sich diese Grenze verschiebt. Wenn jeder 1000 Euro im Monat verdient dann kann nicht die Armutsgrenze wie heute bei 1000 Euro liegen.

  5. Daß der Traum der Linken immer schon der war, möglichst 100% Steuereinnahmen (woraus auch immer) zu generieren und dieses Geld dann „gerecht“ zu verteilen, ist ja nichts Neues und das bedingungslose Grundeinkommen liegt ja genau auf dieser Linie.

    Der libertäre Ansatz wäre das genaue Gegenteil: Beschränkung des Staats auf das absolut Notwendigste („Nachtwächterstaat“) und dafür minimale Steuersätze, also etwa so, wie viele Staaten im 19. Jahrhundert organisiert waren.

    Beides sind natürlich Extreme, die – wie jedes Extrem – zu ungünstigen Konsequenzen neigen: Beide Staat würden eine massive „Abstimmung mit den Füßen“ erleben: Im ersten Staat werden alle auswandern wollen, die sich selbst erhalten wollen und können, im zweiten Staat alle anderen.

    Deutschland neigt sich schon seit geraumer Zeit dem ersten Staat zu, daher auch die massive Einwanderung aus ärmeren Ländern und die tendenzielle Auswanderung der Gutausgebildeten bzw. Besserverdiener. Ob das langfristig eine sinnvolle Perspektive darstellt (aus staatlicher Sicht) ist natürlich sehr zu bezweifeln.

  6. Vielen Dank für den Beitrag. Ich bin zwar nicht für ein BGE von 1000€, denke aber es ist nötig auch über soziale Themen nachzudenken, da sie uns wesentlich direkter betreffen als z.B. eine Satellitenmission zum Uranus.

    Was mich ein bischen stört ist die einseitige Betrachtung des BGE (dasselbe gilt auch für die Diskussionen über Mindestlöhne) als Kostenfaktor. Bei den genannten Kosten von 800Mrd € wird z.B. nicht berücksichtigt, dass sich daraus automatisch Einnahmen durch die Umsatzsteuer von mindestens 173 Mrd € ergeben. Auch ist ein Wegfall des Kindergeldes/Steuerfreibetrages nicht mit berücksichtigt. Weitere Einnahmen können sich durch eine bessere Konjunktur ergeben.
    Auch bei Bernds Hauptkritikpunkt stimme ich zu. Es würde sich sicherlich durch die Einführung des BGE etwas ändern, die Frage ist nur was. Im folgenden tappt Bernd nämlich in dieselbe Falle, wenn er annimmt, das die Löhne gleich bleiben, oder Steuerflucht durch Wohnsitzwechsel stattfindet, oder die Schwarzarbeit stark zunimmt. Ich sehe auch nicht warum sich die Menschen automatisch von der Arbeit verabschieden sollten. Die Arbeit bleibt nämlich bestehen. Wenn man nämlich z.B. den auch geforderten Mindestlohn annimmt, dann ergibt sich ein Mindesteinkommen von 1600€ Brutto für den ungelernten, und ein höheres Einkommen für Facharbeiter. Eine Steuerflucht erübrigt sich z.B. bei Steuerberechnung nach Verdienstort. Gar nicht abzusehen ist die Auswirkung eines BGE auf die Alterssicherung, die im wesentlichen Beitragsfinanziert ist.

    Ich bin dafür erst mal einen Mindestlohn von 10€ einzuführen, und die Sanktionen für das ALG2 bei Ablehnung eines Arbeitsangebotes unterhalb dieser Schwelle abzuschaffen. Auch der Regelsatz sollte wesentlich erhöht werden (Vorschlag 450 €). Dadurch wird sich wieder ein sinnvolles Lohngefüge einstellen. Da kann man dann beobachten, ob wirklich die Mehrheit sich an den Strand legt, und ob gute Arbeitsangebote abgelehnt werden.

    Im übrigen ist der im Kommentar von Bernd gebrachte Vergleich der Lebensumstände nach dem Krieg und Jetzt der beste Beweis für die Steigerung der Produktivität durch Automatisierung. Man kann das gut an der Zahl der zu arbeitenden Stunden für die Anschaffung eins Produktes ablesen.

  7. @Tom Jericho
    Ich weiss nicht aus welcher persönlichen Erfahrung Ihre Einschätzung aller Linken kommt, aber überall kann nur das verteilt werden, was erwirtschaftet wird. Die Frage ist, wer was bekommt, und wer wieviel zur Gemeinschaft beitragen sollte.

    Die Belastungen sind seit Rot/Grün speziell für die Gutverdiener stark reduziert worden. Das hat dann allerdings nicht dazu geführt, dass diese mehr investiert hätten, oder dass diese dann mehr gearbeitet hätten. Sie haben bei gleicher Arbeit einfach mehr verdient, und die anderen bei gleicher Arbeit dann weniger.

    Beim geschilderten Libertären Staat hätten 1% der Bevölkerung Bibliotheken, Universitäten, Schwimmbäder und Theater, und die anderen hätten das Nachsehen.

    Ich kann nur persönlich feststellen, dass sich Deutschland diesem libertären Zerrbild einer Gemeinschaft immer mehr annähert. Reiche zahlen weniger Steuern, und die Leistungen für die Gemeinschaft werden aus Kostengründen immer mehr eingeschränkt. Unglücklicherweise vermindert diese Staatsausrichtung gleichzeitig die Investitionen in die Gemeinschaft und die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen im Inland, was die überbordenden Exportüberschüsse (bei gleichzeitiger Unterauslastung der Produktionsmittel) verursacht.

  8. Es wäre ja schon viel geholfen, wenn Arbeitslose nicht gezwungen würden, saumieß bezahlte Jobs anzunehmen. Auch der Staat hätte etwas davon, wenn er nicht für voll Arbeitende noch Zuschüsse zahlen muß.
    Ein anderer Mißstand: Wenn Arbeitslose eine Betriebskostenrückzahlung bekommen, wird ihnen dieser Betrag vom Arbeitslosengeld abgezogen. Ergebnis: Da es sich nicht lohnt zu sparen, wird eben nicht gespart. Das kostet den Staat unnötig Geld und schädigt dazu auch noch die Umwelt.
    Übrigend: Die gleiche SPD die unbedingt einen Mindestlohn von 8,50 durchdrücken wollte, hat mit der Einführung der 1€-Jobs massiv bezahlte Arbeit vernichtet. Und bis 2017 dieser Mindestlohn gilt, ist die Kaufkraft mal grob geschätzt schon wieder um 10% gesunken. Also schon wieder unter der Armutsgrenze.

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