Die Sternstunde der NASA

Am Sonntag kam auf 3sat die Weiderholung von Apollo 13, die ich mir immer wieder gerne anschaue obwohl ich sie schon gut kenne. Berücksichtigt man die künstlerischen Freiheiten so orientiert sie sich ziemlich gut an Jim Lovells gleichnamigen Buch. Da fiel mir ein Spruch von Gene Kranz auf (Nein nicht das berühmte „Failure is not an option“, das auch seine Autobiographie ziert) sondern, als andere NASA Verantwortliche darüber debattieren wie die Mission gescheitert ist und welche Auswirkungen das auf das Apollo Programm hat. Da sagt der Schauspieler: „Meine Herren mit Verlaub, das ist eine der Sternstunden der NASA“.

Es ist in der Tat kein Zufall, dass Apollo 13 die bisher (in der Besetzung) hochkarätigste und erfolgreichste Verfilmung des Apolloprogrammes ist, oder wie schon während des Fluges von Apollo 13 eine Laufschrift auf dem Times Square lautete: „Moonshot life and Death Drama“. Die NASA konnte die Astronauten retten, auch wenn die Mission scheiterte. Continue reading „Die Sternstunde der NASA“

Die Frogs haben zugeschlagen!

Bitfehler 1986Voyager 2 befindet sich nach 33 Jahren Flug inzwischen 13,8 Milliarden km von der Erde entfernt. Längst haben die beiden Raumsonden, die im August und September 1977 gestartet sind, alle Rekorde gebrochen – nicht nur hinsichtlich der zurückgelegten Strecke, sondern vor allem hinsichtlich des Erkenntnisgewinns und ihrer Langlebigkeit (wie viele Geräte, deren Leistung vor allem auf Elektronik beruht, arbeiten nach 33 Jahren Dauerbetrieb noch?).

Nun hat es Voyager 2 erwischt. Die NASA kontaktiert die Sonde regelmäßig, aber nur mit geringer Priorität, schließlich benötigen die beiden Sonden aufgrund der Entfernung die großen 70 m Antennen des DSN. Etwa einmal pro Woche gibt es den Abruf der auf Band gespeicherten Messdaten. Am 22.4.2010 stellten Techniker erste Veränderungen in den Datenpacketen fest, wegen eines am 23.4.2010 geplanten Drehmanövers (für die Aufnahme eines 360 Grad Überblicks über die Plasmaumgebung) konnte man die Sonde aber erst wieder am 30.4.2010 kontaktieren. Nun gab es weitere Veränderungen in den Datenpacketen und die Daten waren unlesbar. Eine schnell durchgeführte Diagnose ergab am 1.5.2010, dass die Raumsonde prinzipiell gesund ist und sie wurde nun am 6.5.2010 angewiesen nur noch Telemetrie, also Daten über ihre Subsysteme, aber keine wissenschaftlichen Daten zu senden.

Das ist nichts besonderes. Doch welch skurrile Theorie entspannst sich nun über die unlesbaren Datenpackete? Aliens sollen die Sonde umprogrammiert oder entführt haben! Das erinnert mit an die erste Folge von „Raumpatrollie“, als die Frogs MZ4 besetzt und die Station Nonsens sendete! Wusste Commander Allister McLaine schon damals was und heute blüht? Und was ist mit den zahllosen unleserlichen Festplatten, Disketten und CD’s? Sind nicht die Alien unter uns und wollen die Macht übernehmen? Leute bewacht die Fernsehstationen, bald tauchen die Zylonen auf und wollen einen Funkspruch absenden! Wo ist der intergelaktische Sicherheitsdienst wenn man ihn braucht?

Nun die Erklärung ist sicher viel einfacher. Voyager hat zwei Sendesysteme im S-Band und X-Band. Weiterhin gibt es zwei Arten von Daten: Die sogenannte Telemetrie, das sind Statusinformationen über die Raumsonde selbst, wie Messwerte von Temperatursensoren, Auslastung der Bordcomputer, gelieferte Energie etc. Diese wird auf einem anderen Weg und anders kodiert (oder gar nicht, in dem Fall bin ich auch kein Experte) übertragen als die Daten der Experimente.

Das zweite sind die wissenschaftlichen Daten. Zur Fehlerkorrektur und Erhöhung der Datenrate werden diese kodiert übertragen, wobei die Sonde zwei Methoden als Hardware vorliegen hat: Den Reed-Solomon Code und den Golay Code. Der Golay Code wurde bis zum Uranus eingesetzt, er benötigte für ein Datenbit aber zwei Bits. Um die Datenrate zu erhöhen wurde ab Uranus der Reed-Solomon Code benutzt (der auch Basis für die Fehlerkorrektur von CD’s ist) der auf 6 Bits nur ein Zusatzbit benötigt. Continue reading „Die Frogs haben zugeschlagen!“

Voyager 2 bei Neptun

Triton über NeptunHeute vor 20 Jahren passierte Voyager 2 den letzten Gasriesen, Neptun. Damit ging eines der anspruchsvollsten und längsten Weltraumabenteuer zu Ende. Ich glaube die wenigsten Beteiligten haben tatsächlich beim Start daran geglaubt, das Voyager bei Neptun noch aktiv sein sollte. Dazu etwas Vorgeschichte: Schon Mitte der 60 er Jahre wusste das JPL, das zwischen 1976 und 1979 alle äußeren Planeten im selben Raumsektor standen, so dass eine Raumsonde ohne größere Zeitverluste alle nacheinander besuchen konnte, So wurde ein größeres Program, namens TOPS aus der Taufe gehoben, das rund 750 Millionen Dollar kosten. Doch TOPS war der NASA zu teuer und so genehmigte sie nur den Bau der beiden Voyager, die rund die Hälfte davon kosten sollten. Die Einsparungen kamen neben der Anzahl der Sonden vor allem durch die geforderte Lebensdauer zustande. Voyager sollten für 5 Jahre Betrieb ausgelegt werden – genug um den Saturn anzufliegen. Es wurden wie damals üblich (um Fehlstarts oder einen frühzeitigen Ausfall abzufangen) zwei Sonden gebaut. Voyager 1 hatte die primären Missionsziele zu erfüllen. Voyager 2 konnte bei Verlust von Voyager 1 diese nachholen (im Falle von Saturn war dafür eine größere Kurskorrektur notwendig um Titan zu erreichen). Bei einem erfolgreichen Verlauf konnte Voyager 2 Dinge genauer untersuchen, die Monate vorher bei Voyager 1 aufgefallen waren und andere Monde in der Nähe passieren, die Voyager 1 nur aus größerer Distanz aufnahm. Dies nutzte man aus um die Jupiter und Saturnmonde zwischen beiden Raumsonden aufzuteilen.

Voyager 2 hatte aber auch einen Kurs der sie zu Uranus und Neptun führte. Voyager 1 konnte nach Saturn keinen Planeten mehr passieren, weil die nahe Titanpassage eine Saturnpassage näher am Pol nötig machte und die Sonde so aus der Ekliptik herausgeschleudert wurde. Das JPL schlug noch während der Entwicklung vor, eine weitere Sonde zu bauen, die recht preiswert sein würde, da ja die Entwicklungskosten wegfielen. Sie wäre 1979 gestartet und hätte Jupiter 1981 und Uranus schon 1985 passiert, weil die Route kürzer war. Es gab ein fast fertiges Flugexemplar und Kopien der Instrumente, die später auf anderen Missionen zum Einsatz kamen (Magellan, Stardust, Galileo), und das Entwicklungsteam hätte nur die Sonde fertig stellen müssen. Doch der NASA waren die Kosten für Start und Missionsüberwachung zu hoch. Woran damals keiner dachte, was aber sicher auch interessant gewesen wäre, wäre die Route Jupiter-Saturn-Pluto, der bei einem Start im September 1977 im Februar-September 1986 erreicht werden würde. Continue reading „Voyager 2 bei Neptun“

Happy Birthday Voyager 2!

Heute vor 30 Jahren hob eine Titan 3E Centaur mit Voyager 2 vom Cape Canaveral ab. Und sie arbeitet heute noch. Und das ist mit Sicherheit das faszinierendste an dieser Raumsonde. Voyager 1+2 wurden für eine 4 Jahremission konzipiert. Schon dies macht bei einigen Teilsystemen Probleme. So gab es eine Thermoelemente für Radioisotopenelemente die nach dieser Zeit noch viel Strom liefern. Die hohe Temperatur führte zu Korrosion. Man löste das Problem und andere Missionen wie Viking und Pioneer 10+11 profitierten davon. Die Computersysteme zu jener Zeit waren nicht für eine solche Betriebsdauer ausgelegt. Die Bordrechner von Viking, von denen die Systeme abstammten waren nur einige Prozent der Missionszeit aktiv, wenn die Sonden nahe des Mars waren. Voyagers Computersysteme sollten 20-30 % der Missionszeit aktiv sein, während der Vorbeiflügen nahezu pausenlos. Man löste das Problem durch extensive Tests und Redundanzen verbunden mit Automatischen Umschaltungen wenn sich ein Computer nach einem bestimmten Zeitpunkt nicht meldete.

Voyagers Kommunikationssysteme waren 100 mal leistungsfähiger als die von Pioneer 10+11 und sie waren die bis zu diesem Zeitpunkt am besten ausgestatten Raumsonden mit jeweils 11 Experimenten die von visuellen Aufnahmen. Radiowellenanalyse, Magnetfeldmessungen, Spektroskopie im UV und IR Bereich, Teilchendetektion, Lichtmessungen bis hin zur Detektion von Teilchen verschiedenster Art reichten. Das einzige was fehlte war ein Staubdetektor. Daher kann New Horizons nun erstmals Staubmessungen jenseits von Saturn machen (in dieser Distanz fiel der letzte an Bord der beiden Pioneer Sonden aus).

Niemand rechnete beim Start damit wie viele Daten die Sonde von Uranus und Neptun senden würde. Zum einen setzte man die Wahrscheinlichkeit, dass die Sonde dann noch aktiv ist recht niedrig an. Zum anderen waren die Instrumente nicht für eine so große Distanz ausgelegt, vor allem ging die Helligkeit der Objekte zurück. Dass man bei Uranus und Neptun überhaupt so viele Daten bekam – Bei Neptun mit fast 9000 Bildern z.B. fast genauso viel wie bei dem Vorbeiflug an Jupiter – lag daran, dass man erstmals die Computer einer Raumsonde umprogrammierte, d.h. mit neuen Programmen versorgte, die es beim Start nicht gab und deren Einsatz man nie erwogen hatte, wie z.B. einem einfachen verfahren für die Datenreduktion. Dabei sind Voyagers Bordrechner nicht gerade besonders leistungsfähig. Der gesamte Speicher aller 6 Computer an Bord ist kleiner als der eines C-64, denn man 5 Jahre nach dem Start für knapp 1400 Mark kaufen konnte. Selbst wenn man Raumfahrzeuge als Vergleicher heranzieht so haben die Apollo Bordcomputer über mehr Speicher verfügt als Voyager. Allerdings funktionieren von 12 gestarteten Rechnern heute immer noch 11.

MirandaVoyager ist meiner Ansicht nach das erfolgreichste unbemannte Weltraumunternehmen. Die beiden Sonden haben 4 Planeten und etwa zwei Dutzend Monde besucht und zumindest grob photographiert. Von einigen wie den Jupitermonden oder Triton haben wir sogar so gute Fotos, dass es zum Erstellen mittelauflösender topographischer Karten reicht. Voyager hat uns eine neue Sichtweise des äußeren Planetensystems gebracht: Das es eben nicht eine tote Welt ist, erstarrt in Eis, sondern selbst dort es geologisch aktive Vorgänge gibt: Die Schwefelvulkane auf Io. Der Ozean unter der Eisdecke bei Europa. Plattenbewegungen bei Ganymed. Einen weitgehend kraterfreien Enceladus (der nach den Cassini Erkenntnissen ebenfalls Geysire aufweis) und Titan mit seiner Atmosphäre und Regen aus Methan. Noch weiter außen, in Neptunentfernung weist Triton Geysire auf und bizarre Landformationen aber kaum Krater.

Auch die Planeten gaben Überraschungen preis: Jupiters Bänder und Zonen waren viel komplexer als gedacht, mit Verwirbelungen an den Kontaktstellen und kleinen Wirbeln dies ich bildeten und verschwanden. Blitzentladungen und Nordlichter konnten nachgewiesen werden. Saturn wies ebenfalls kleinere Stürme auf, die Windgeschwindigkeiten warn sogar noch höher als bei Jupiter trotz geringerer Sonneneinstrahlung und die Ringe zeigten sich nicht als gleichmäßige Masse, sondern bestehend aus vielen kleinen Einzelringen in denen Speichen auftauchten und verschwanden.

Uranus zeigte sich dagegen völlig konturlos. Nur im IR hätte Voyager unter die Smogschicht sehen können, doch ihre Videoconröhren waren nicht empfindlich in diesem Spektralbereich. Dagegen konnte man auf Neptun einen Sturm sehen, der im Verhältnis zu der Größe des Planeten noch größer als der rote Fleck des Jupiters war.

Vier Planeten, Entdeckungen über 10 Jahre und dies alles nur mit 2 Sonden die bis zum Start etwa 500 Millionen US-$ kosteten, in etwa so viel wie heute der Unterhalt der ISS für ein Jahr (inflationskorrigiert) oder 1 Tag Irak Krieg. Wenn es einen Award gibt „Erfolgreichste Weltraummission aller Zeiten“ so verdient es Voyager, insbesondere Voyager 2.

Trotz allem gibt es alle Jahre wieder Pläne die Sonden abzuschalten. Sie werden pro Woche für einige Stunden kontaktiert und senden die auf Band zwischengespeicherten Daten zur Erde. Man muss nach und nach mehr und mehr Experimente abschalten, da der Strom langsam aber sicher abnimmt. Bis zum Jahr 2020 wird man mit Sicherheit noch die Experimente betreiben können, vor allem im Time-Sharing Betrieb, also nur eines zu einer bestimmten Zeit aktiv. Die Sonden sollen die Grenze der Heliosphäre erreichen, wo es einen Wechsel gibt von Teilchen die von der Sonne kommen und mit dem Sonnenwind weggeblasen werden zum interstellaren Medium. Mut etwas glück erreicht eine der Sonden diese grenze (man weis nicht wo sie genau liegt). Einige Anzeichen, dass sie nahe an ihr sind gab es schon in den letzten Jahren. Bislang konnte man dieses Schicksal abwenden, vor allem durch Proteste der wissenschaftlichen Gemeinde. Dabei sind die Sonden nicht teuer. Ihr Unterhalt kostet nun einige Millionen US-4 pro Jahr. Ein Klacks bei dem NASA Budget. Alleine mit den Kosten welcher die Verschiebung des Starts der Dawn Sonde von Juni auf September zusätzlich aufwarf könnte man die Sonden 6 Jahre lang weiter betreiben.

Es bleibt zu hoffen, dass sie noch weiter durchhalten und ich in 10 Jahren hier das vierzigjährige Jubiläum feiern kann.

Und hier noch ein link zu einem Buch, das vor allem die Vorgeschichte des Voyager Projektes gut beschreibt: