Die Rekonstruktion der Ariane 6

Heute will ich mich der Nutzlast der Ariane 6 widmen. Bei der gibt es nämlich schon ein Paradoxon: Die neue Ariane 6 wird mit 860 t mehr wiegen als die Ariane 5 ME, die 800 Tonnen wiegen sollte. Diese sollte 12+ t transportieren, die Ariane 6 nur 10,5 t. Das verwundert doch etwas. Vor allem, wenn man sieht, dass nach etlichen Designänderungen die beiden Raketen wenig unterscheidet:

  • Ariane 5 ME: Zwei Booster mit je 241 t Treibstoff = 482 t Treibstoff
  • Ariane 65: Vier Booster mit je 132,6 t t Treibstoff = 530,4 t Treibstoff
  • Ariane 5: Eine Zentralstufe mit 174,5 t Treibstoff und Vulcain 2 Triebwerk
  • Ariane 6: Eine Zentralstufe mit 150 t Treibstoff und Vulcain 2.1 Triebwerk
  • Ariane 5 ME: Eine Oberstufe mit 28 t Treibstoff und Vinci Triebwerk
  • Ariane 6: Eine Oberstufe mit 30 t Treibstoff und Vinci Triebwerk

In der Summe hat also die Zentralstufe etwas weniger Treibstoff, die beiden anderen mehr. So gesehen ist der Verzicht auf 12% der Nutzlast nicht verständlich, die etwas geringere Treibstoffzuladung der Zentralstufe sollten durch die beiden anderen Stufen ausgeglichen werden. Noch rätselhafter wird es, wenn man die großen Nutzlastunterschiede zwischen Ariane 62 und 64 anschaut: In den GTO transportiert diese, obwohl sie nur zwei Booster weniger hat, nur noch 5,8 t, also gerade mal die halbe Nutzlast. Die Startmasse sinkt von 860 auf 530 t.

Ich will dem in diesem Blog nachgehen, indem ich die Rakete rekonstruiere. Continue reading „Die Rekonstruktion der Ariane 6“

„man rated“ – an den Triebwerktests festgemacht

Der Begriff „man rated“ ist nicht so fest definiert, wie man es gerne hätte und ich denke er hat sich auch im Laufe der Zeit geändert. So würde man wohl die Atlas D und Titan II die man für den Start von Mercury und Gemini benutzt hat sicher nicht mehr heute als „man rated“ bezeichnen. Weiterhin ist es natürlich ein Begriff, der eigentlich auf ein System als ganzes angewandt werden muss. Vereinfacht gesagt muss ein System als Ganzes sicher sein. Die schlechte Zuverlässigkeit früher Trägerraketen wurde durch den Fluchtturm ausgeglichen. Doch ich will mich mal auf etwas beschränken, von dem man relativ viel weiß, den Triebwerken.

Triebwerke werden ausführlich getestet bevor der erste Start ansteht. Es fängt an mit den Tests einzelner Komponenten wie Turbopumpen oder der Brennkammer, es geht weiter über Prototypen. Die Tests fangen an mit kurzen Zündungen an, dann folgen längere Tests. Schließlich welche über die nominelle Betriebsdauer hinaus und unter verschärften Bedingungen wie höhere, Schub als normal. Natürlich werden auch Störungen simuliert. Continue reading „„man rated“ – an den Triebwerktests festgemacht“

Wozu Feststoffbooster?

Heute mal wieder ein bisschen Raumfahrtgrundlagenwissen. Wozu verwendet man Feststoffbooster? Die Allgemeine Antwort ist: Sie sind viel billigere erste Stufen als Antriebe mit flüssigen Treibstoffen und die Rakete wird deswegen billiger. Das ist richtig, aber wie immer nicht automatisch immer gültig. Als erstes: Feststoffantriebe sind nicht automatisch billiger. Die IUS Oberstufe kostete schon in den 80 er Jahren rund 30 Millionen Dollar pro Exemplar, genauso viel wie damals eine Centaur Oberstufe. Die USRM der Titan 4B ließen der Preis auf fast das doppelte ansteigen und auch die Shuttle SRM kosten so viel wie eine Ariane 5 komplett. Auch reine Feststoffraketen wie die Pegasus oder Taurus sind nicht gerade preiswert.

Technisch gesehen spricht vieles gegen die Feststoffantriebe: Das Voll/Leermasseverhältnis ist bei vielen Typen schlechter als bei flüssigen Treibstoffen, die spezifischen Impuls sind schlechter als bei den meisten flüssigen Treibstoffen. Zumindest das erstere ist heute nicht unbedingt gegeben – siehe Vega. Das große Feststoffbooster so populär ist hat einen anderen Grund: Sie erlauben es die Zentralstufe viel preiswerter zu fertigen. Dazu ein konkretes Beispiel: Ariane 5 Continue reading „Wozu Feststoffbooster?“

Ariane 5 Erweiterung „on the cheap“

In meiner allseits beliebten Serie „Wir wissen es besser als EADS, ESA, NASA und Co“ will ich zum wiederholten Male auf die Erweiterung der Ariane 5 zurückkommen. Die ESC-B kommt nun ja erst mal nicht. Die Frage ist: Welche Möglichkeiten hat die Industrie mit etwas gutem Willen und Eigeninitiative selbst für Möglichkeiten?

Also hier die Ansatzpunkte:

  • Das Grunddesign der Rakete soll beibehalten werden
  • eine Oberstufe sollte möglichst viele Teile der Grundstufe wiederverwenden
  • Die Nutzlast sollte gesteigert werden bei mindestens gleichen Kosten pro Kilo, besser bei sinkenden Kosten.
  • Es sollte möglichst billig sein

Nun das schließt einiges aus:

  • So z.B. das Anbringen von mehr als zwei Boostern – sie sind so schubstark, dass sich das auf die ganze Struktur der EPC auswirkt die verändert werden müsste.
  • Eine größere Oberstufe mit mehreren HM-7B Antrieben: Sie steigern die Nutzlast nur geringfügig, verteuern die Rakete aber.

Was bleibt noch übrig? Eigentlich nur eines: Das Vulcain 2.

Daher dieser Vorschlag: Continue reading „Ariane 5 Erweiterung „on the cheap““

Gravitationsverluste

Eine Mail in der ich gebeten wurde, die Reisezeit mittels Ionentriebwerken von einer LEO Bahn in den Lagrangepunkt L2 zu berechnen und ich dies ablehnen musste, weil es nicht mit einer einfachen Formel getan ist, sondern über eine Simulation gelöst werden muss, hat mich zum heutigen Thema gebracht. Den verantwortlich dafür sind die Gravitationsverluste. Sie sind ja eigentlich keine Verluste in dem Sinne, das Energie verloren geht. Sie bedeuten aber, das Energie in eine Form umgewandelt wird, die nicht so nützlich ist, wie wir das gerne hätten.

Gravitationsverluste gibt es bei jeder Arbeit in einem Gravitationsfeld. Ich will das mal an zwei Beispielen verdeutlichen, die auch praktisch die wichtigsten sind. Das erste ist der Aufwand einen Orbit zu erreichen. Nehmen wir mal an, wir hätten eine Erde ohne Atmosphäre. Wir wollen auf dieser nun eine 200 km hohe Kreisbahn erreichen. Am geschicktesten ginge das mit einem Impuls: Eine Railgun beschleunigt z.B. einen Satelliten ganz schnell und er erreicht im Bruchteil einer Sekunde eine hohe Geschwindigkeit. Beschleunigen wir auf 7912 m/s, so haben wir eine Kreisbahn in 0 km Höhe. Da das wegen der Berge und Hügel hinderlich ist, beschleunigen wir auf 7967 m/s und erreichen eine elliptische Bahn mit einem erdfernsten Punkt von 200 km Höhe. Dort angekommen (nach einem halben Umlauf) haben wir nur noch eine Geschwindigkeit von 7724 m/s. Um eine Kreisbahn zu erreichen braucht man aber 7785 m/s – Beschleunigen wir um weitere 61 m/s, so haben wir die Geschwindigkeit die nötig ist, um eine 200 km hohe Kreisbahn beizubehalten.

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