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Wo endet das Sonnensystem? Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Früher endete das Planetensystem einfach beim letzten bekannten Planeten. lange Zeit war das Pluto, der sich bis auf 7.37 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt. doch seit Beginn der neunziger Jahren hat man immer weitere kleine Gesteinsbrocken gefunden, die jenseits von Pluto ihre Kreise ziehen. Mindestens einer ist auch größer als Pluto. Diese Grenze verschiebt sich also laufend nach außen.
Das Ende der gravitativen Einflusses markiert die Oortsche Wolke - Eine Kugel aus kleinen eisigen Kernen, die in etwa einem Lichtjahr unsere Sonne umkreisen und leicht durch gravitative Störungen aus ihrer Bahn geraten und dann ins Sonnensystem fallen. Diese Zone wird auf absehbare Zeit nicht für uns erreichbar sein. Mit den heutigen Teleskopen haben wir nicht einmal die Chance einen dieser Körper direkt zu erfassen, und sei es nur als Lichtpunkt. Dass es in dieser Region Körper geben muss wissen wir nur durch die Vermessung der Bahnen von Kometen, deren sonnenfernster Punkt dort liegt.
Die dritte Grenze ist interessanter: Sie sonne stößt laufend Teilchen aus, vor allem Protonen und Elektronen, aber auch Heliumkerne und in kleinem Maße schwere Atomkerne. Diese verlassen das Sonnensystem mit Geschwindigkeiten über 100 km/s und verdünnen sich dabei. Irgendwann ist die Dichte dieses Plasmas geringer, als die des umgebenden interstellaren Mediums und es kommt zu einer Schockfront, der Heliopause. Danach beginnt eine Turbulenzzone und noch weiter draußen das interstellare Medium.
Wo diese Grenze verläuft und was genau dort passiert, ist noch nicht geklärt und dies soll eine der aufgaben der Mission sein, darüber hinaus soll die Veränderung der Teilchenkonzentration, Geschwindigkeit und Plasmaphänomene auf dem Weg dorthin untersucht werden. Heutige Vorstellungen gehen davon aus, das die Heliopause in 100-150 AE Entfernung zu suchen ist, das sind 10-15 Milliarden Kilometer Entfernung von der Sonne (oder der Erde, der Unterschied macht definitionsgemäß nur 1 AE aus).
Um dorthin in absehbarer Zeit zu kommen, braucht man eine sehr hohe Geschwindigkeit. Voyager 1, die schnellste Sonde, die wir bislang gestartet haben, braucht annähernd 30 Jahre um in 100 AE Entfernung zu kommen. Für 150 AE sind es dann über 40 Jahre.
Dies führt zu der Überlegung, eine Sonde zu entwerfen, die sehr hohe Geschwindigkeiten erreichen kann.
Als ich in einem NASA Memorandum über die Möglichkeit las, mittels Ionentriebwerken und neuartigen RTG auf Basis von Sterling Motoren kleine Raumschiffe zu den äußeren Planeten zu senden, war ich davon fasziniert. Eine der Sonden war ein Pluto + Charon Orbiter. Unter der Annahme eines identischen Antriebs, aber unterschiedlichem Gewicht berechnete dieser Report folgende Daten:
Raumfahrzeug | 127 kg | 167 kg | 207 kg | 267 kg | 307 kg |
Antrieb Trockenmasse | 34 kg | 34 kg | 34 kg | 34 kg | 34 kg |
REP Trockenmasse | 134 kg | 136 kg | 137 kg | 138 kg | 139 kg |
Treibstoff | 218 kg | 232 kg | 244 kg | 257 kg | 262 kg |
Startmasse | 513 kg | 569 kg | 622 kg | 696 kg | 743 kg |
Geschwindigkeit c3 | 164 km²/s² | 158 km²/s² | 152 km²/s² | 145 km²/s² | 140 km²/s² |
Reisezeit | 12.3 Jahre | 13.0 Jahre | 13.7 Jahre | 14.7 Jahre | 15.3 Jahre |
spezifischer Impuls | 36000 | 35800 | 35800 | 36200 | 36600 |
Geschwindigkeitsänderung | 19.5 km/s | 18.5 km/s | 17.5 km/s | 16.3 km/s | 15.7 km/s |
Die Sonde verwendet einen standardisierten Antrieb, der von 5 RTG mit 750 Watt Leistung gespeist wird. Je nach
Sondergericht kann dann mehr oder weniger Treibstoff zugeladen werden, um
die Reisezeit zu verkürzen oder zu verlängern.
Nimmt man die Sonde in der letzten Spalte, so hat man ein Raumfahrzeug der New Horizons Klasse
vor sich, New Horizons wiegt etwa 340 kg ohne RTG und Antriebssystem. Mit RTG wären über 15 Jahre
etwa 15.7 km/s zu gewinnen. Anders als bei dieser Pluto Sonde, gäbe es jedoch keinen Grund einmal
abzubremsen. Im Gegenteil. Je länger man die Triebwerke betreibt, desto höhere
Geschwindigkeiten erreicht man. Dies führte mich zu der Idee eine Raumsonde zu skizzieren, die
auf diesen Daten basiert, aber so viel Treibstoff an Bord hat wie man mitführen kann -
irgendwann setzt natürlich die abnehmende Leistung der RTG dem Betrieb ein Ende.
Zuerst einmal möchte ich die Daten des TM der NASA übernehmen um das Grundkonzept der Sonde zu skizzieren:
Dieses Konzept kann man durchaus übernehmen. Sterling-RTG verlieren etwa 0.81 % an Leistung pro Jahr. Der minimale Verbrauch ist bei regulären Ionentriebwerken dann eher von der Raumsonde vorgegeben, die ja auch aktiv ist. Sie mag 150 Watt im inaktiven Modus und 250 Watt benötigen wenn Experimente und Sender aktiv sind. Dann braucht man über 80 Jahre um in einen Bereich zu kommen, bei dem man die Sonde nicht mehr betreiben kann. So lange wird man jedoch die Treibwerke sicher nicht betreiben. Beschränkt man die Treibstoffmenge auf 30 Jahre Betrieb so wird man zu diesem Zeitpunkt noch etwa 610 Watt Leistung zur Verfügung haben, man braucht also ein regelbares Ionentreibwerk mit 460-660 Watt Leistung.
Das Triebwerk kann man nicht dauernd betreiben, denn die Sonde soll ja auf ihrem Weg zur Heliopause auch messen. Wechselt man zwischen 8 Stunden Beobachtung und 16 Stunden Antrieb pro Tag, so hat man einen guten Kompromiss. Die erzielte Geschwindigkeit nimmt natürlich ab, bedingt durch den Verlust an verfügbarem Strom, allerdings wird das Raumfahrzeug auch leichter.
Die gesamte Treibstoffmenge hängt stark von dem spezifischen Impuls ab. Nimmt man einen von 40 000 m/s an so benötigt man in 30 Jahren insgesamt 265 kg Treibstoff. Damit hat man alle Daten zusammen um die Sonde zu skizzieren:
Raumfahrzeug | 307 kg |
Antrieb Trockenmasse | 34 kg |
REP Trockenmasse | 139 kg |
Treibstoff | 265 kg |
Startmasse | 746 kg |
Betriebszeit | 30 Jahre |
spezifischer Impuls | 400000 m/s |
Geschwindigkeitsänderung | 17.5 km/s |
Die Effizienz der Stromwandlung für die Hochspannungsversorgung der Ionentriebwerke wurde mit 60 % angenommen. Die 17.5 km/s kommen zu der solaren Geschwindigkeit hinzu. Diese hängt wiederum von der Startgeschwindigkeit ab und der Möglichkeit noch Schwung zu holen.
Raketenwahl
Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Sonde zu starten. Ich habe einmal 3 Typen aus dem US Arsenal, mit 2 russischen und der Ariane 5 verglichen. Mit Ausnahme der Delta 2 und Sojus schließt die Benutzung der anderen Typen eine weitere Oberstufe mit ein eine PAM-D für die 10 Millionen Dollar angesetzt sind. Unter Annahme der Startmasse von 763 kg kommt man auf folgende Geschwindigkeiten:
Träger | Startkosten | Geschwindigkeit | C3 |
Delta 7925H | 85 Mill $ | 12467 m/s | 34.4 km²/s² |
Atlas 401 | 146 Mill $ | 14759 m/s | 96.8 km/s² |
Atlas 551 | 229 Mill $ | 16085 m/s | 137.7 km²/s² |
Sojus 2B | 50 Mill $ | 13456 m/s | 60.0 km²/s² |
Proton M | 110 Mill $ | 15546 m/s | 120.6 km²/s² |
Ariane 5 ECA | 150 Mill $ | 15863 m/s | 130.6 km²7s² |
Die C3 Werte entsprechen der Energie im Unendlichen, die Quadratwurzel daraus ist die Geschwindigkeit relativ zur Erde. Keine der angegebenen Trägerraketen kann die Sonde aus dem Sonnensystem heraus befördern. Dazu müsste man ein C3 von 151.2 km²/s² erreichen. Man muss also in jedem Falle noch Jupiters Gravitationskraft nutzen.
Die Frage welche Trägerrakete man nimmt ist dann eher eine politische als eine wirtschaftliche. Jupiter kann die Sonde sehr stark beschleunigen. Nähert man sich ihm bis auf 20.000 km so sind durchaus 20 km/s Gewinn zu erhalten. im Vergleich dazu sind die 5 km/s Unterschied auf einer solaren Bahn zwischen einer Sojus und einer Atlas 551 recht klein.
Die Sojus kann die Sonde nicht zum Jupiter bringen. Doch es fehlen nur etwa 900 m/s, welche das Ionentriebwerk ohne Problem während der 2 Jährigen Reise zu Jupiter aufbringen kann. Jupiter wird dann in 2.000 km Höhe passiert und beschleunigt dabei die Sonde um 17.4 km/s auf 24.8 km/s. Im Unendlichen bleiben davon dann noch etwa 21 km/s übrig. Mit dieser Geschwindigkeit entfernt sich nun die Sonde aus dem Sonnensystem und Sie wird laufend schneller, weil ihr eigener Antrieb ja arbeitet und sollte am Ende der Betriebszeit etwa 37 km/s erreicht haben.
Bei einer mittleren Geschwindigkeit relativ zur Sonne von 29 km/s erreicht die Sonde nach 19 Jahren etwa 100 AE Entfernung und nach 30 Jahren etwa 188 AE. Sie ist dann fast doppelt so schnell wie Voyager unterwegs, wird diese jedoch durch Vorsprung durch den Start 1977 erst sehr spät überholen.
Es gäbe natürlich noch andere Szenarien. So könnte man die Sonde auch zuerst zur Venus schicken und dort Schwung holen und dann mit dem Ionentriebwerk noch mehr Geschwindigkeit aufbauen. Doch dies ist im inneren Sonnensystem nicht sehr effektiv, da man dabei heraufspiralt. Die Sojus ist preislich attraktiv und sie bringt das die Geschwindigkeit bis zu Jupiter auf. Jupiter selbst bringt noch viel mehr Beschleunigung als der antrieb über Jahrzehnte. Allerdings muss man ihn sehr nahe passieren um in den Genuss zu kommen. Immerhin: Eine Annäherung bis auf 130.000 km wie es Pioneer 10 tat liefert noch 13 km/s. Man könnte dies mit Saturn wiederholen, doch seine Gravitationskraft ist schon schwächer und durch das Ringsystem ist es schwer sich ihm richtig nahe zu kommen.
30-40 kg für Experimente sind nicht viel. Diese sollten wohl überlegt sein. Das wohl wichtigste Experiment ist eine Antenne zur Detektion von Plasmawellen, üblicherweise eine sehr lange Peitschenantenne. Gekoppelt an einen Empfänger tastet sie den Bereich von wenigen Herz bis einigen Megahertz ab. Bei Voyager wurde die Antenne für zwei Experimente mit unterschiedlichen Empfängern benutzt und wog 9 kg.
Ein Magnetometer ist notwendig um das interstellare Magnetfeld und den Übergang in dieses zu bestimmen. Magnetometer sind relativ leicht. 2.5 kg wog das von Voyager.
Plasmaspektrometer werden gebraucht um die Art, Energie und Richtung von Teilchen zu bestimmen. Gegenüber Voyager gab es vor allem im niedrigenergetischen Bereich große Fortschritte und dieser wird heute durch ein Flugzeitmassespektrometer abgedeckt. Hochenergetische Teilchen werden nach wie vor von elektrostatischen und Verzögerungspotentialanalysatoren bestimmt. Bei New Horizons wogen beide Experimente zusammen 5 kg.
Zuletzt sollten noch hochenergetische Teilchen und Strahlen bestimmt werden. Dies geschieht mit Oberflächenbarrierendetektoiren in denen diese langsam Energie verlieren. kosmische strahlen stammen wie der Name schon sagt vor allem von anderen Quellen aus der Milchstraße. Auch hier wäre es interessant festzustellen ob es einen Abschirmungseffekt im Sonnensystem gibt. Bei Voyager wog dieses Experiment 7.5 kg.
Zusammen sind dies 6 Experimente im Gesamtgewicht von 23.5 kg. Das erlaubt es ein weiteres Experiment mitzuführen: Die Kombination eines Vis/Nah-IR Spektrometers mit einer optischen Kamera. Ein solches Kombinationsinstrument gibt es an Bord von New Horizons und es gab eines an Bord von Deep Space 1. Dieses wog 12 kg bei New Horizons sind es nur 10.3 kg.
Dieses Experiment ist nicht notwendig für die interstellare Mission, es kann jedoch von Jupiter und seinen Monden Aufnahmen machen. Das Instrument von Deep Space 1 z.B. kann über 2 Monate lang Aufnahmen von Jupiter anfertigen. Eine zweite Möglichkeit wäre, anstatt eines einfachen Magnetometers ein komplexeres Instrument, wie es Cassini einsetzt zu verwenden. Dieses kann eine dreidimensionale Karte der Umgebung des Raumfahrzeugs anfertigen.
Eine dritte Möglichkeit wäre es einen Staubdetektor einzubauen, der jedoch nach den derzeitigen Erkenntnissen nicht viel Sinn macht, da Staub immer seltener wird je weiter man nach außen im Sonnensystem gelangt. Andererseits gibt es keine Sonde die jenseits von etwa 40 AE Entfernung Staubmessungen anfertigen wird. New Horizons soll bis in diese Entfernung operieren.
Missionasbaluf
Wählt man die Sojus so startet die Sonde in eine Bahn von 150 x 570 Millionen km Entfernung. Bevor sie das Aphel nach 1 Jahr, 294 Tagen erreicht hat, hat ihr eigener Ionenantrieb sie um weitere 0.9 km/s beschleunigt, genug um zu Jupiter zu gelangen. Diesen passiert sie nach etwa 2.5 Jahren. Er beschleunigt die Sonde auf einen Kurs heraus aus dem Sonnensystem. Etwa 30 Jahre lang wird der Ionenantrieb eingesetzt, dann ist der Treibstoff erschöpft. Die Endgeschwindigkeit die dann erreicht wird beträgt 37 km/s. Die Sonde entfernt sich dann mit 1.1 Mrd. km pro Jahr.
die Lebensdauer hängt dann von der Zuverlässigkeit der Systeme ab. Voyager 1+2 haben mit dem technischen Stand der siebziger Jahre, als Satelliten für einige Jahre Betriebsdauer ausgelegt wurden über 30 Jahre gearbeitet. Heute erwartet man von Kommunikationssatelliten 15 Jahre Betriebsdauer und bei entsprechend redundanten Systemen spricht nichts gegen einen viel längeren Betrieb. Strom steht genug zur Verfügung, denn nach Abschaltung der Ionentriebwerke steht der gesamte Strom der Raumsonde zur Verfügung. New Horizons - in dieser klasse bewegt man sich kommt mit 200 Watt aus. Braucht die Soden 300 Watt, so wird diese Schwelle erst nach über 70 Jahren unterschritten. Allerdings ist noch offen ob die Sterling Motoren, die ja bewegliche Teile beinhalten so lange werden arbeiten können.
Die Kostenabschätzungen sind nicht so schwierig. Es gibt New Horizons als Vorgabe. Diese Sonde kostete ohne Trägerrakete etwa 500 Millionen Dollar. Ein Nachbau würde nach Angabe einer Untersuchung für "New Horizons 2" etwa 380 Millionen kosten.
Dann kommt noch etwa 50 Millionen für die Sojus hinzu und etwa 100 Millionen die Missionsüberwachung über 30 Jahre, denn New Horizons arbeitet nicht so lange. Das macht kosten von 650 Millionen für die erste und 530 Millionen für jede folgende Sonde.
Es ist wünschenswert mehr als eine Sonde zu starten. Mindestens eine in die Bugschockrichtung
und eine senkrecht dazu. Die Heckrichtung ist zwar auch interessant (sie wird turbulent sein),
doch eine Sonde wird in planbarer Zeit nicht die Heliopause erreichen. Mehr Sonden um Asymmetrien
zu erkennen wären wünschenswert. Da der Ablenkwinkel bei Jupiter durch die Wahl der
Geschwindigkeit festliegt ergeben sich Bahnen in verschiedene Richtungen recht zwanglos wenn man
die Sonden über einen Jupiterumlauf hinweg startet - Das sind 11 Jahre, bei denen man vielleicht 5
dieser Exemplare alle 27 Monate startet.
© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur
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