Home Raumfahrt Techn. Spinnereien Site Map counter

Moon- und Asteroid Express

Einleitung

2003 startete die ESA Mars Express. Als 1996 nach dem Start Mars-96 verloren ging, war dies auch das Ende für zahlreiche anspruchsvolle Experimente aus Westeuropa. Die Principal Investigators, also die für das Instrument Verantwortlichen und treibende Kraft für die Entwicklung der Experimente suchten nach einer neuen Fluggelegenheit und fragten auch die ESA. Dort fiel dies auf fruchtbaren Boden, machten die USA doch gerade vor wie sie mit dem Disocery Programm Raumsonden auf den Weg brachten, die viel preiswerter als herkömmliche Exemplare waren - NEAR, Pathfinder und der MGS waren unterwegs. Jede dieser Raumsonden kostete nur 200 bis 300 Millionen Dollar, anstatt einer halben Milliarde wie es vorher normal war.

Bedingt durch die Verwendung von Ersatz-Flugexemplaren der Mars-96 Experimente aber auch die Verwendung des Satellitengrundkörpers der Rosettasonde entstand so Mars Express. Er wurde in nur 4 Jahren für 300 Millionen Euro entwickelt. Weil Mars Express ein so erfolgreiches Projekt war, folgte zwei Jahre später der baugleiche Venus Express, natürlich mit an die Venus angepassten Experimenten. Venus Express war noch preiswerter und kostete nur 220 Millionen Euro.

Fast ganz an Europa vorbei geht dagegen der Run auf den Mond. Japan, China, Indien und die USA haben in den letzten Jahren Mondsonden gestartet und Europas einziger Beitrag war die Technologiemission Smart-1. Dabei wäre durchaus analog zu Mars- und Venus Express auch eine eigene Raumsonde möglich gewesen. Hier meine Vorstellung was ein "Moon Express" leisten könnte.

Wissenschaftliche Anforderungen

Die Untersuchungen von Venus- und Mars Express kann man in mehrere Gruppen zusammenfassen:

Von diesen Gruppen macht die zweite bei dem Mond keinen Sinn. Die Experimente der ersten Gruppe dagegen genauso gut wie beim Mars (bei der Venus gibt es keine Oberfläche zu beobachten) und bei der dritten Gruppe muss man genau hinsehen welche Experimente sinnvoll sind. Es gibt Bestimmungen die auch beim Mond sinnvoll sind , andere wie z.B. welche Ionen von der Atmosphäre abgegeben werden dagegen nicht. Das gilt auch für die letzte Gruppe.

Also sehen wir mal, welche Experimente es an Bord von Mars Express und Venus Express, aber auch anderen Raumsonden aus den letzten Jahren gibt die man auf Moon Express einsetzen könnte:

Wie sich also zeigt gibt es selbst wenn man nur Instrumente nachbaut die schon bei anderen Raumsonden eingesetzt werden durchaus genügend Auswahl. So gibt es drei Kameraysteme (HRSC, OSIRIS, Framing Camera), drei abbildende Spektrometer (Omega, SIR, VIR). Selbst wenn man alle Instrumente einsetzen würde, würden sie nur 154,1 kg wiegen und damit in einem tolerierbaren Bereich.

Die Raumsonde

Es bietet sich an, Mars oder Venus Express nachzubauen, wobei natürlich Anpassungen nötig sind. Sinnvoll ist wegen des geringeren Geschwindigkeitsbedarfs und des Strombedarfs der Nachbau von Mars Express. Doch sind noch Anpassungen nötig die ich hier besprechen will.

Die Kommunikation beider Raumsonden ist für interplanetare Distanzen ausgelegt. Venus Express nähert sich bis maximal 42 Millionen km an die Erde, Mars Express auf 56 Millionen km. Dagegen ist eine Raumsonde um den Mond weniger als 400.000 km von der Erde entfernt. Natürlich wird man dies nutzen um mehr Daten zu übertragen und nicht die großen 35 m Antennen des ESA Netzwerkes einsetzen, sondern normale Antennen wie sie für den Satellitenempfang eingesetzt werden, von 5 bis 12 m Durchmesser, doch selbst dann ist die 1,4 m Parabolantenne von Mars Express zu groß.

Auf der anderen Seite wird man für die Mondsonde auch eine kreisförmige Umlaufbahn anstreben, bei der die Raumsonde nicht wie bei Mars Express oder Venus Express im planetenfernsten Punkt der Bahn mehrere Stunden Zeit hat Daten zur Erde zu übertragen und sie sich an einer Position befindet, in der sich die Erde von der Sonde aus kaum bewegt. In einer kreisförmigen Umlaufbahn wird sich dagegen die Erde von der Sonde aus einmal in 100 Minuten um 360 Grad bewegen. Das bedeutet, dass man das Meßprogramm regelmäßig unterbrechen muss um die Antenne der Erde nachzuführen.

Es gibt nun zwei mögliche Lösungen für das Problem:

Diese letztere Option ist wegen der höheren Datenrate und des geringeren Aufwands vorzuziehen. Bei einer kleinen Antenne ist auch der Mast relativ klein und der konstruktive Aufwand geringer.

LRO OrbitDer Treibstoffbedarf um in einen 100 km hohen Mondorbit einzuschwenken beträgt rund 900 m/s. Er ist damit kleiner als für Mars Express und Venus Express (rund 1300 m/s). Es gibt aber eine Besonderheit: Mondumlaufbahnen sind auch über kurze Zeiträume nicht stabil. Der Mond ist ein kleiner Himmelskörper. Die Erde und Sonne stören durch ihre Anziehungskraft die Satelliten. Vor allem aber ist die Materie unter der Kruste nicht gleichmäßig verteilt, dadurch verändert sich die Umlaufbahn. Bei Umlaufbahnen wird die Exzentrizität immer größer, also das Aposelen wird höher und das Periselen sinkt ab. Erreicht es den Boden, so schlägt der Satellit auf. Das Diagramm links zeigt eine Simulation der Umlaufbahn des NASA Orbiters Lunar Reconnaissance Orbiters mit Korrekturen des Orbits (balu) und ohne (rot). Bei diesem Raumschiff rechnet die NASA mit einer nötigen Geschwindigkeitskorrektur um 150 m/s pro Jahr.  Es ist auch möglichen einen Orbit zu wählen der so ausgelegt ist, das er die Gravitationsanomalien aktiv nutzt, um möglichst wenig Korrekturen durchführen zu können. Ein solcher Orbit kann dann nicht kreisförmig sein. Der LRO befand sich während die Instrumente gecheckt wurden in einem "quasi-eingefrorenen" Orbit von 30 x 216 km Höhe mit dem Periselen über den Südpol. Ein solcher Orbit benötigt nur 5 m/s pro Jahr um ihn stabil zu halten. Kann man mit diesem wechselnden Abstand leben, so ist dies auch eine Lösung.

Eine dritte Lösung ist es ein Triebwerk einzusetzen, dass erheblich weniger Treibstoff benötigt. SMART-1 setzte ein Ionentriebwerk ein, dass den Treibstoff mit einer Ausströmgeschwindigkeit von 16,1 km/s ausstößt, verglichen mit 3,1 km/s beim Haupttriebwerk von Mars Express. Dafür benötigt es Strom. Daher auch die Verwendung der Solarpanels von Mars Express. Sie sind für den Betrieb beim Mars ausgelegt und liefern bei der Erde mehr Strom als die Raumsonde benötigt. Benötigt Moon Express wie Mars Express rund 500 Watt Strom benötigt, so steht genügend Leistung für das Ionentriebwerk zur Verfügung, denn in Erdnähe sollten die Panels 1600 Watt liefern. Das erlaubt das Triebwerk auf dem sonnenbeschienen Teil der Bahn mit einem Dauerschub von 0,06 N zu betreiben. Das erscheint nach wenig, doch es reicht aus pro Jahr bei einer 1000 kg schweren Sonde die Geschwindigkeit um 1135 m/s zu ändern - das bedeutet, schon der Betrieb über ein Siebtel der verfügbaren Betriebszeit reicht aus um den Orbit stabil zu halten.

Führt Moon Express soviel Xenon Treibstoff für das PPS-1350 Triebwerk wie SMART-1 mit (82,4 kg), so reicht dies bei einer 1000 kg schweren Sonde (nach dem Erreichen des Orbits) aus um die Bahn selbst bei 150 m/s pro Sekunde über 9 Jahre aufrecht zu erhalten.

Ziel wäre ein niedriger Orbit, da dieser höher auflösende Aufnahmen erlaubt und keines der Instrumente sehr stark vergrößert. Aus einem 250 km Orbit würde die HRSC z.B.  10 m Auflösung erreichen. Bei 10% Anteil am Datenvolumen und Komprimierung würde die Kamera bei 9 MBit/s und 6 Stunden Senden pro Tag in rund zwei Jahren den ganzen Mond in dieser Auflösung abbilden. Bei 30% und 5 Jahren Betrieb ist selbst ohne den Einsatz von Komprimierung eine Kartierung auf 4 m/Pixel möglich.

Insgesamt ist beim Mond die Lage relativ entspannt. Mars Express wog leer 680 kg. Dazu würden selbst bei maximaler Bestückung der Instrumente 40 kg Zusatzgewicht kommen. Die Tanks fassen maximal 600 kg Treibstoff, dazu kommt noch Helium für den Tankdruck. Zusammen kommt man so auf ein maximales Startgewicht von 1360 kg bei einem reinen chemischen Antrieb. Die Sojus 2a sollte 1.600 kg zum Mond befördern, das bedeutet, diese Nutzlast ist kein Problem. Bei dieser Treibstoffbeladung (der maximalen die mit den Treibstofftanks von Mars/Venus Express möglich sind), steht eine Geschwindigkeitsänderung von 1690 m/s zur Verfügung, davon werden nur rund 900 m/s für das Erreichen des Orbits benötigt. Selbst bei Einschlagen eines korrekturintensiven Orbits sollte so eine Betriebszeit von 5 Jahren möglich sein. Die Sojus 2A ist aber leistungsfähig genug um ein Ionentriebwerk mit Treibstoff zusätzlich mitzuführen. Diese Zusatzmasse von 110-120 kg erhöht zwar das Startgewicht auf 1480 kg, doch liegt dies noch immer unter den 1600 kg die möglich sind beim Start von Baikonur aus. Dann ist die Verweildauer praktisch unbegrenzt, auch weil Treibstoff für den chemischen Antrieb gespart wird.

Asteroid Express

Etwas anders sieht es bei der Reise zu einem Asteroiden aus. Vorbild für eine existierende Mission könnte hier die Raumsonde Near zu dem Planetoiden Eros sein. Hier ist Mars Express wegen der größeren Erdentfernung auf jeden Fall das wichtige Vorbild. Es kann sein, dass ja nach Entfernung noch etwas größere Solarpanels oder eine etwas größer Hauptantenne nötig ist. Bedingt durch die Bauform sind bei der Hauptantenne aber die Spielräume klein. Instrumentell wird man sich bei den abbildenden Instrumenten auf je eine Kamera und ein abbildendes Spektrometer beschränken. Magnetometer, Radar und Röntgenstrahlenspektrometer machen aber auch bei einem Asteroiden Sinn, sodass man in etwa bei der Experimentzuladung von Mars Express ist. (etwa 100 kg, 5-6 Experimente).

Ohne ein genaues Ziel ist eine Abschätzung der Datenrate und Anforderungen schwierig, aber zum Vergleich hier die Eckdaten von NEAR

Das eigene Geschwindigkeitskorrekturvermögen entspricht in etwa dem von Venus Express. Eine Raumsonde mit der Leermasse von Mars Express (680 kg, davon 116 kg Experimente) würde beim Start 1132 kg wiegen, wenn sie ihre Geschwindigkeit um 1.450 m/s ändern müsste (inklusive 30 kg nicht nutzbare Treibstoffreste). Eine Sojus 2B könnte beim Start von Kourou aus 1161 kg auf diese relativ hohe Endgeschwindigkeit beschleunigen. Das liegt also gerade noch im Bereich der Möglichkeiten. Es gibt aber einige Möglichkeiten den Spielraum zu erweitern.

Der naheliegendste ist es, die Tanks voll zu füllen und das Haupttriebwerk gegen eines mit einem leicht höheren spezifischen Impuls (EAM-500) auszutauschen. Bei einem Startgewicht von 1280 kg würde dann ein Asteroid Express seine Geschwindigkeit um 1882 m/s ändern können - davon verbraucht er dann schon 432 m/s direkt nach dem Start (lässt denselben Rest von 1450 m/s übrig). Die Trägerrakete muss ihn aber nur noch auf 11,722 km/s beschleunigen, Das erhöht den Spielraum, da eine Sojus 2b nun 1460 kg auf diese Geschwindigkeit transportiert, man also nun anstatt 30 kg nun 180 kg mehr Spielraum hat. Was allerdings noch immer nicht möglich ist, ist der Start mit dem kleineren Modell (Sojus 2a oder Sojus Fregat oder der Start von Baikonur aus (um 300 m/s niedrige Endgeschwindigkeit aufgrund der geographischen Lage). So wäre ein Asteroid Express auf den Start von Kourou aus angewiesen.

Andere Optionen die es immer gibt, sind Erd- oder Marsvorbeiflüge. Ein Erdvorbeiflug kann die Geschwindigkeit um 3 km/s erhöhen und z.B. erreicht werden wenn die Raumsonde auf eine Umlaufbahn mit 1 Jahr Umlaufsdauer geschickt wird, bei der sie nach einem Jahr die Erde erneut passiert, so wie dies Messenger tat. Ein Marsvorbeiflug bringt etwa 1 km/s. In beiden Fällen wäre dann die Raumsonde mit einer normalen Sojus-Fegat zu starten und dies auch von Baikonur aus.

Aufwendiger, aber vielleicht interessant, wenn es mehrere Missionen zu Asteroiden gibt, ist es dann auf den chemischen Antrieb zu verzichten und auf einen Ionenantrieb umzusteigen wie die NASA dies bei Dawn tat. Selbst wenn man die Nutzlast zuerst auf eine Fluchtbahn bringt, so erhöht sich die Startmasse auf 1,6 bis 2 t, wobei weniger Treibstoff als bei der chemischen Lösung benötigt wird. Dann sind auch weitere Ziele, wie Asteroiden des Hauptgürtels erreichbar. Dann sind aber größere Änderungen notwendig. Es muss ein viel größerer Solargenerator installiert werden, der die erforderliche Leistung liefern kann. Der chemische Antrieb ist durch Ionentriebwerke ersetzbar. Flüssiger Treibstoff durch Xenon-Hochdrucktanks. Dazu sind auch Veränderungen an der Stromversorgung (Generation von Hochspannung) nötig. Aufgrund der größeren Distanz könnte auch eine größere Kommunikationsantenne notwendig sein.

Ich halte dies nur für sinnvoll, wenn es mehrere Raumsonden gibt, wobei eine jede wie Dawn dann auch mehrere Ziele besuchen kann. Bei nur einer wäre der Aufwand auf ein völlig neues Antriebskonzept umzuschwenken wahrscheinlich zu stark kostentreibend. Mit Ionentriebwerken könnte eine Raumsonde aber auch einen niedrigen Venusorbit erreichen. Venus Express entfernt sich bis zu 66.000 km von der Oberfläche. Mehr erlaubt sein begrenzter Treibstoffvorrat nicht. Würde man Aerobraking einsetzen, so wäre bei der Venus aber auch ein niedriger Orbit erreichbar. Auf der anderen Seite gibt es für Europa auch Chancen - Chancen langfristig sich vom chemischen Antrieb zu lösen und so enorm bei den Startkosten sparen zu können. Sinn macht dies aber nur, wenn man dies als eine langfristige Technologie für die Zukunft sieht und es nicht eine Lösung für eine Mission ist.

Bücher vom Autor über Raumsonden

Lang Zeit gab es von mir nur ein Buch über Raumsonden: die beiden Mars-Raumsonden des Jahres 2011, Phobos Grunt und dem Mars Science Laboratory. Während die russische Raumsonde mittlerweile auf dem Grund des Pazifiks ruht, hat für Curiosity die Mission erst bekommen. Das Buch informiert über die Projektgeschichte, den technischen Aufbau der Sonden und ihrer Experimente, die geplante Mission und Zielsetzungen. Die Mission von Curiosity ist bis nach der Landung (Sol 10) dokumentiert. Einsteiger profitieren von Kapiteln, welche die bisherige Marsforschung skizzieren, die Funktionsweise der Instrumente erklären aber auch die Frage erläutern wie wahrscheinlich Leben auf dem Mars ist.

2018 wurde dies durch zwei Lexika, im Stille der schon existierenden Bücher über Trägerraketen ergänzt. Jedes Raumsonden Programm wird auf durchschnittlich sechs bis acht Seiten vorgestellt, ergänzt durch eine Tabelle mit den wichtigsten zeitlichen und technischen Daten und Fotos der Raumsonde, bzw., Fotos die sie aufgenommen hat. Ich habe weil es in einen band nicht rein geht eine Trennung im Jahr 1990 gemacht. Alle Programme vorher gibt es in Band 1. Die folgenden ab 1990 gestarteten dann in Band 2. In Band 2 ist ein Raumsonden Programm meist eine Einzelsonde (Ausnahme MER). In Band 1 dagegen ein Vorhaben das damals zumeist aus Doppelstarts bestand, oft auch mehr wie z.B. neun Ranger oder sieben Surveyor. Beide Bänder sind etwa 400 Seiten stark. In Band 1 gibt es noch eine gemeinsame Einführung für beide Bände über Himmelsmechanik und Technik der Instrumente. Beide Bände haben einen Anhang mit Startlisten, Kosten von Raumsonden und Erfolgsstatistiken. Band 2 hatte Redaktionsschluss im Januar 2018 und enthält die für 2018 geplanten Missionen über die es genügend Daten gab.

Hier eine Beschreibung des Buchs auf meiner Website für die Bücher, wo es auch ein Probekapitel zum herunterladen gibt. Sie können das Buch direkt beim Verlag kaufen (versandlostenfrei). Dann erhalte ich als Autor eine etwas höhere Marge, aber auch über den normalen Buchhandel, Amazon (obige Links) und alle anderen Portale wie Bücher.de oder Libri.