Home Raumfahrt Trägeraketen Amerikanische Trägerraketen Site Map counter

Die R-7 und die Atlas – ein historischer und technischer Vergleich

Die R-7 (Spitzname Semjorka = „sieben“) und die Atlas waren die ersten ICBM der beiden Nuklearmächte und sie wurden nahezu zeitgleich entwickelt. In diesem Artikel will ich sie mal vergleichen.

R-7Die Semjorka

Die R-7 (Raketa-7 = Rakete 7) war die siebte militärische Rakete, welche die Sowjet­union nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte und ihre erste Interkontinentalrakete. Gegenüber den vorherigen Mustern R-1 (A-4) bis R-5 war der Sprung enorm. Die R-5, als letzte tatsächlich gebaute Rakete, wog 28,6 t.

Doch die Sowjetunion brauchte die Rakete. Anders als die USA hatte sie keine strategische Bomberflotte, die nach Beginn des Koreakrieges noch modernisiert und ausgebaut wurde. Die UdSSR bauten sogar die B-29 „Superfortress“ als Tupolew TU-4 nach, was sie nach einem Abkommen, das während des zweiten Weltkriegs abgeschlossen wurde, auch legal tun dürften. Sowjetdiktator Josef Stalin fühlte sich bedroht. Russland war eingekreist von NATO-Staaten und US-Militärstützpunkten in Japan und im Pazifik. Die USA konnten mit in England stationierten Thor-Raketen und in der Türkei stationierten Jupiter dagegen Russland mit Mittelstreckenraketen erreichen. Die Thor und Jupiter waren Raketen, die man aus der A-4 ohne komplette Neukonstruktion entwickeln konnte.

Doch Bewegung in die Raketenentwicklung kam erst, als die UdSSR auch begann eine Wasserstoffbombe zu entwickeln, denn selbst für eine Atombombe war die Zielgenauigkeit damals zu gering. Nun musste eine Rakete konstruiert werden, die eine Wasserstoffbombe über interkontinentale Distanzen befördern konnte. Sie war verglichen mit den Entwürfen riesig. Einer Anekdote zufolge sollen Experten Stalin beschrieben haben wie groß und komplex eine solche Rakete sein würde. Er soll geantwortet haben „Was kümmert mich ihre Größe – baut Sie!“.

Doch zuerst versuchte Koroljow, der damit betreut wurde, das Problem ohne eine riesige Rakete zu lösen. Seine Ingenieure hatten einen Staubstrahlantrieb entwickelt. Das ist ein sehr vereinfachtes Strahltriebwerk bei dem die Luft alleine durch ein sich verjüngendes Rohr und die hohe Geschwindigkeit des Flugkörpers komprimiert wird. Treibstoff wird eingespritzt und entzündet und die 2.000 Grad heißen Abgase treiben dem Flugkörper an. Dieser Marschflugkörper hatte ein Rohr von 25 m Länge und 2 m Durchmesser, das 75 bis 100 kN Schub liefert. Ein Staustrahltriebwerk funktioniert aber nur in großer Höhe (die Flughöhe sollte zwischen 15 bis 25 km liegen) und bei einer hohen Startgeschwindigkeit – die Marschgeschwindigkeit sollte bei 3000 km/h liegen. Dafür war eine Rakete nötig, die mit 1.000 bis 1.600 kN Schub das insgesamt 40 t schwere Gefährt auf die Starthöhe und Startgeschwindigkeit bringt.

Einen ähnlichen Antrieb konzipierten auch die USA, bei ihnen war es das MX-774 Projekt mit dem Navaho-Flugkörper. Auch dieser sollte von einer Rakete gestartet werden, das A-7 Triebwerk der Redstone wurde ursprünglich für die erste Stufe der Navaho entwickelt. Wie in den USA fiel die Entscheidung gegen diesen Marschflugkörper, obwohl er technisch viel einfacher realisierbar war. Seine geringe Flughöhe und Geschwindigkeit machten ihn zu angreifbar für die Luftabwehr. Während die USA zumindest die Navaho entwickelten, dann aber einstellten, verwarf die UdSSR schon relativ bald das Konzept eines Marschflugkörpers und entschloss sich für den Bau einer ICBM.

Koroljow, der wie Wernher von Braun Raketen nicht primär als Waffen sah, sondern als Werkzeug um den Weltraum zu erreichen, machte einen Schwenk und schlug der russischen Führung – die bestand zu dem Zeitpunkt nur aus Stalin – eine Interkontinentalrakete zu bauen. Das war ein mutiger Schritt. Bis zu dem Zeitpunkt hatte Russland selbst nur die R-2 entwickelt. Die Entwicklung R-12 als Mittelstreckenrakete wurde erst nach der R-7 begonnen, aber wegen der geringen Komplexität vorher abgeschlossen. Zum Vergleich: Die USA hatten, obwohl die Atlas als erste ICBM der USA deutlich kleiner war als die R-7, die Zwischenschritte Redstone und Thor/Jupiter. Nach Ansicht des Autors lag es primär an Stalin der – egal was es kostet – mit den USA auch nuklear auf Augenhöhe sein wollte. Ob die Führung, die nach seinem Tod am 5.3.1953 an die Macht kam eine so riesige Rakete bewilligt hätte, kann angezweifelt werden.

Am 17.2.1953 wurde von der UdSSR die Entwicklung einer 170 t schweren Interkontinentalrakete be­schlossen, die einen 3.000 kg schweren Sprengkopf 8.000 km weit transportieren sollte. Später wurden die Anforderungen an die Wurfmasse auf 5.300 kg erhöht, weil die Wasserstoffbombe doch schwerer wurde. Entwickelt wurde die R-7 von 1954 bis 1957. Koroljow als Chefkonstrukteur hatte das Konzept der Bündelung von Stufen 1953 nach Untersuchung von 100 Vorschlägen angeblich selbst entwickelt und schlug es am 25.5.1954 vor. Am 9.7.1954 wurde es genehmigt und Koroljow zum verantwortlichen Leiter ernannt. Schon am 15.5.1957, also nur drei Jahre später, fand der erste Start statt. Der gängige Spitzname der Rakete ist „Semjorka“, russisch für „sieben“. Im NATO Code bekam sie die Bezeichnung „SS-6 Sapwood“ und der GRAU-Index, also das sowjetische System von Herstellercodes war „8K71“ für die erste Version mit der die Teststarts durchgeführt wurden.

Das Konzept der R-7 war aber nicht neu. Es basierte auf dem Konzept der Bündelrakete, das Helmut Gröttrup als Leiter der rund 3.500 deportierten Deutschen (mit ihren Familien) entwickelt hatte. Als Koroljow nun den Auftrag bekam, die R-7 zu bauen, erinnerte er sich an den Plan von Gröttrup, den für die G-5. Gröttrup hatte 1950 schon eine Rakete konstruiert die 3.000 kg über interkontinentale Distanzen bringen konnte, dabei aber nur Triebwerke der Schubklasse der A-4 (rund 300 kN Schub) benötigte. Dies erreichte er durch das Clustern von Triebwerken. In vier kegelförmigen Außenblöcken gab es je ein Triebwerk, in der Zentralstufe weitere zwei Triebwerke.

Koroljows OKB-1 kopierte den Entwurf, wandelte ihn aber ab. Anstatt vier Triebwerke sah er ein Triebwerk mit vier Hauptbrennkammern und zwei bzw. vier Nebenbrennkammern an einer gemeinsamen Turbopumpe vor. Turbopumpen waren zu dem Zeitpunkt schon ausgereift, sie basierten auf Kreiselpumpen, welche die Feuerwehr in Deutschland seit den Dreißiger Jahren einsetzte, dagegen waren Brennkammern noch schwer, das Kühlkonzept wurde seit dem zweiten Weltkrieg laufend verbessert. So war es sinnvoll, die Brennkammer nicht größer als die der A-4 zu machen, dafür leichter. Die zusätzlichen Steuertriebwerke wurden benötigt weil die Triebwerke, anders als in Gröttrups Konzept von 1950, nicht schwenkbar aufgehängt waren. Eine Leistungssteigerung war durch den Übergang von Alkohol auf Kerosin möglich. Viele andere Designprinzipien der A-4 wurden dagegen beibehalten, so der separate Gasgenerator, der Kaliumpermanganat mit Wasserstoffperoxid umsetzte, um Heißdampf zu gewinnen. In den USA ging man zu dieser Zeit schon dazu über, für den Gasgenerator die normalen Treibstoffe zu nutzen. Allerdings wurde zwar der Entwurf von Gröttrup kopiert, die Rakete diesmal aber ausschließlich von Russen konstruiert.

Atlas DAtlas

Die Entwicklung der Atlas begann im Juli 1955 mit einem Auftrag an General Dynamics. Doch reichen ihre Wurzeln länger zurück. Schon vorher hatte Convair im Projekt MX-774 mit drei Testflügen wichtige Neuerungen erprobt – schwenkbare Triebwerke, einen durch Druck versteiften Tank und einen abtrennbaren Sprengkopf. Zu der Stationierung von MX-774 kam es nie, weil sich das Verteidigungsministerium als alleinigen Besitzer der Atombombe wähnte. Convair unterbreitete schon 1951 dem US-Verteidigungsministerium einen Entwurf über eine Interkontinentalrakete, die schon damals „Atlas“ hieß. Sie wog 304.000 kg (noch mehr als die R-7 mit 280.000 kg) und verfügte über sieben Triebwerke.

Im Laufe der Zeit änderte sich die strategische Lage. Der Koreakrieg und die Zündung der sowjet­ischen Atombombe 1949, veränderte die Einschätzung über die Bedrohung durch die UdSSR. Bald darauf stellte die Sowjetunion erste strategische Bomber in Dienst. Amerika rüstete auf und vergrößerte Anfang der Fünfziger Jahre das atomare Arsenal. Fortschritte in der Nukleartechnik machten ICBM als Träger attraktiver. Die, 1952 zum ersten Mal getestete Wasserstoffbombe, hatte eine größere Sprengkraft als die Atombombe. So musste ein Ziel nicht mehr genau getroffen werden. Dies lockerte die Anforderungen für die Treffgenauigkeit einer ICBM von 500 m auf 4,5 bis 6 km. Bei großen Sprengköpfen würden sogar 8 km ausreichen. Die Streuung um den Zielpunkt war damals ein Problem. Mit den vorhandenen Steuerungen war die Zielgenauigkeit, die man für eine A-Bombe brauchte, nicht erreichbar, die für eine H-Bombe dagegen schon.

Auch die Sprengköpfe wurden kleiner. 1952 versprach eine neue Technik nur 3.000 Pfund schwere Sprengköpfe. 1954 war mit dem Einsatz von Lithiumdeuterid anstelle von flüssigem Deuterium absehbar, dass ein Sprengkopf nur noch 1.500 Pfund wiegen würde. Dieser hätte dann immer noch 500 kt Sprengkraft gehabt. Die Atlas musste für den Transport des neuen Sprengkopfes nur noch 109 t statt 304 t wiegen. Es gab dieselbe Entwicklung in der UdSSR, nur das sich dort Koroljow weigerte, seine rund 280 t schwere R-7 zu verkleinern – er misstraute den Atomforschern und ging davon aus, dass sie bald wieder größere Sprengköpfe planen würden. Das Resultat war, dass Russland mit der R-7 (Sputnik, Luna, Wostok, Sojus, Molnija Trägerrakete, je nach Oberstufe) eine leistungsfähigere Trägerrakete zur Verfügung stand.

Verbesserungen in der Steuerungstechnik versprachen auch die geforderte Genauigkeit. Inertialplattformen, in mit Flüssigkeit gefüllten Kanistern besser vor Stößen und Vibrationen geschützt, sollten eine Treffgenauigkeit von 1.000 – 1.500 m erreichen.

Die Entwicklungen führten dazu, dass 1954 das Verteidigungsministerium die Entwicklung der Atlas beschloss. Sie räumte ihr die höchste Priorität im Verteidigungsprogramm der USA ein. Ihre Entwicklung wurde als so wichtig eingestuft, dass nahezu alle Flugzeugbauer und Hersteller von Computern, Feinmesstechnik und Instrumententechnik an dem Programm beteiligt waren, insgesamt 220 Firmen. Es gab für jedes Bauteil/Funktion zwei Firmen, die es fertigten oder entwickelten und man verfolgte mehrere Wege gleichzeitig. So arbeiteten verschiedene Firmen gleichzeitig an der Steuerung vom Boden aus (Radiolenkung) und an einer Inertialplattform mit einem analogen Rechner in der Rakete. Es wurden bei Testflügen Kupferhitzeschutzschilde und Ablativschilde erprobt. Als 1955 die Entwicklung der Titan beschlossen wurde, konnte das Verteidigungs­ministerium die Firmen zwischen beiden Projekten aufteilen.

Die technischen Parallelen

Beide Nationen wollten eine „echte“ Zweistufenrakete vermeiden. Dafür gab es zwei Gründe: Der eine war das die Zuverlässigkeit von Triebwerken damals noch sehr schlecht war. Sehr oft zeigten sich Probleme schon beim Hochlaufen der Triebwerke. Ein damals häufiges Problem war die der Verbrennungsinstabilität. Ist die Verbrennung nicht in der ganzen Brennkammer gleichmäßig, so gibt es Druckschwankungen, die sich aufschaukeln, weil das Triebstofffördersystem gegen den Brennkammerdruck arbeitet. Steigt der Druck an, so sinkt die Treibstoffmenge, was zum Abfallen des Drucks führt, dann aber wird die Treibstoffmenge noch größer als im Normfall – eine verhängnisvolle sich aufschaukelnde Rückkopplung, die bis zur Explosion des Triebwerks führen kann. Triebwerke konnte man bei Bodentests und vor dem Start abstellen, untersuchen und das Problem lösen. Doch das ging nur bei der ersten Stufe, die man dafür einige Sekunden länger fixierte als eigentlich nötig.

Ein zweites Problem war, dass noch niemand Triebwerke in der Schwerelosigkeit gezündet hatte, die sich nach Brennschluss der ersten Stufe einstellt. Dann formen sich Flüssigkeiten zu Kugeln und an den Anschlüssen der Treibstoffleitungen kann Gas anliegen, mit fatalen Folgen für den Triebwerksstart.

Die Lösung bestand darin eine Paralellstufenrakete zu bauen. Bei dieser zünden erste und zweite Stufe nicht nacheinander, sondern gleichzeitig. Die Semjorka ist dabei die reinere Form. Die zweite Stufe ist der zylindrische Zentralblock, die erste Stufe die vier kegelförmigen Außenblöcke. Sie sind nach rund 120 Sekunden ausgebrannt, die Zentralstufe arbeitet dagegen 300 Sekunden lang. Durch Abwurf nach 120 Sekunden erleichtert sich die Rakete um 16 t, das sind 4/7 der Trockenmasse. Um die Tankmasse zu reduzieren, bestehen sie aus Aluminium.

Die Atlas hat dagegen abwerfbare Boostertriebwerke. Sie hat drei Triebwerke. Eines in der Mitte mit geringerem Schub und zwei an den Seiten mit hohem Schub. Alle zünden beim Start. Ein Sensor löst bei Erreichen einer bestimmten Beschleunigung das Schließen der Treibstoffversorgung und das Absprengen des Triebwerksblocks mit den Außentriebwerken aus. Das klingt riskant, klappte aber, soweit der Autor informiert ist, zumindest bei denen als Trägern eingesetzten Atlas in fast allen Fällen.

Dies geht, weil die in beiden Trägern verwendete Kombination von flüssigem Sauerstoff mit Kerosin eine hohe Dichte hat, Tanks also recht wenig wiegen, bei einer „normalen“ Rakete in etwa die Hälfte der Trockenmasse, auch so konnte die Trockenmasse reduziert werden. Doch das reichte nicht aus. Die Atlas wurde so konstruiert das man die hohe Zugfestigkeit von Edelstahl ausnutzte, die Hülle war so dünn, dass sie nur unter Druck stabil war, das sparte weiter Gewicht ein, sodass bei der Atlas der Triebwerksblock 3,05 t wog, die Tanks mit dem Marschtriebwerks nur 2,35 t, also sogar 5/7 der Trockenmasse bei Brennschluss abgetrennt wurden. Dieses System der dauernden Druckbeaufschlagung versagte aber öfters. Mindestens eine ICBM kollabierte während der Einsatzzeit und dasselbe passierte auch zwei Museumsexemplaren.

Heck R-7Bei den Triebwerken gibt es die auffälligsten Unterschiede. Die Semjorka steigerte den Schub der A-4 Triebwerke nicht, jede Brennkammer hat sogar einen geringen Schub als das der A-4. So hat die Semjorka pro Block vier Brennkammern, zusammen also 20. Je vier Brennkammern hängen an einer Turbopumpe. Diese versorgt auch zwei (Außenblöcke) bzw. vier Verniertriebwerke (Zentralblock). Die Triebwerke sind nicht schwenkbar eingebaut, alle Richtungsänderungen müssen daher durch die Verniertriebwerke erfolgen. Zählt man diese dazu, so gibt es 32 Brennkammern.

Die Atlas hat dagegen zwei schwenkbare Boostertriebwerke. Das zentrale Marschtriebwerk ist nicht schwenkbar. Es wird ebenfalls durch zwei Verniertriebwerke unterstützt, die sich aber an der Seite der Tanks der Atlas befinden und bei Startfotos den Eindruck erwecken, als würden aus dem Tank Stichflammen austreten.

Ebenso verwandte die Semjorka noch für den Gasgenerator Wasserstoffperoxid das mit Kaliumpermanganat katalytisch zersetzt wurde, eine Technologie die noch von der A-4 abstammt, während die Atlas dafür schon einen Teil der Treibstoffe nutzte.

Einsatz

Wie bekannt, startete die Semjorka den ersten Satelliten. Sie hatte vorher nur vier Testflüge absolviert, davon nur der letzte zu 100 Prozent erfolgreich. Das ging weil Koroljow den Satellitenstart als weiteren Test „verkaufen“ konnte. Der Start von Sputnik 1 löste ein weltweites Echo aus. Der einen Monat später erfolgte von Sputnik 2 mit der Hündin Laika den Sputnikschock. Insgesamt war die R-7 aber die Rakete, die länger brauchte um einsatzfähig zu sein, obwohl die Arbeit an ihr ein Jahr früher begann. Es zeigten sich bei den Tests gravierende Designmängel die erst gefunden und beseitigt werden mussten.

Die Atlas wurde dagegen inkrementell entwickelt:

Insgesamt gab es auch viel mehr Teststarts. Für die R-7 waren 12 Testexemplare geordert worden. Bei der Atlas gab es alleine 27 Testflüge der Atlas A-C und danach noch 51 Testflüge der Atlas D-F (dies schließt Flüge von Einsatzträgern ein, die die Bedienmannschaften für den Ernstfall schulten).

Von der R-7 gab es noch eine leicht verbesserte Version die R-7A die einen leichteren Sprengkopf aufnahm, und eine höhere Reichweite hatte. Auch die R-7 bekam während des Testprogramms Verbesserungen.

StationierungAtlas Versionen

Nikita Chruschtschow bluffte und verlautbarte öffentlich, man würde „Raketen wie Würstchen am Fließband produzieren“. In Wirklichkeit wurde die erste R-7 erst nach der ersten Atlas stationiert und es waren nie mehr als 6 Raketen gleichzeitig einsatzbereit. Der Grund waren neben Verzögerungen beim Bau des ersten Raketenstützpunktes in Plessezk auch das die R-7 extrem unhandlich war. Die Startvorbereitungen dauerten 8 bis 12 Stunden. Mehr als 30 Tage konnte sie nicht betankt in Bereitschaft gehalten werden. Die Atlas war etwas leichter handelbar und die Atlas E+F konnten zumindest in einem Silo stationiert werden – zum Start mussten sie aber mit einem Aufzug herausgefahren werden, was nach einem Erstschlag wohl kaum funktioniert hätte. Doch der laufend verdampfende Sauerstoff verursachte auch hier Probleme, sodass beide Nationen auf Träger mit lagerfähigen Treibstoffen übergingen (R-16 bzw. Titan II), übrigens ebenfalls mit einer echten Zweistufenrakete aber noch flüssigem Sauerstoff als Oxydator als kurzlebige Zwischenlösung (R-9 bzw. Titan I). Für Russland, das wusste das sie nach Anzahl der ICBM hinter den USA lagen, war dies so wichtig das dies zur Neddelin-Katastrophe führte, bei der man bei einem ICBM Test nach Problemen an einer vollgetankten startfähigen Rakete arbeitete, die explodierte. Deswegen wurde die R-7 trotz ihrer Nachteile auch drei Jahre länger als die Atlas stationiert.

Die USA waren ab September 1960 darüber im Klaren, dass es keine „Raketenlücke“ gab, denn am 18.8.1960 startete Discoverer XIV. Als erste Mission nach 13 Entwicklungsflügen und Fehlschlägen gelang es bei ihm den Film zu bergen und zu entwickeln. Diese Mission fotografierte ein Fünftel der Sowjetunion, darunter Plessezk und Baikonur und es war offensichtlich, dass Russland nur wenige Träger im Einsatz hatte. Dieser strategische Nachteil führte später zur Kubakrise da die UdSSR versuchte ihn durch die Stationierung von Mittelstreckenraketen auf Kuba auszugleichen.

Die folgende Tabelle informiert über die Unterschiede zwischen beiden Trägern. Der spezifische Impuls des RD-107/8 ist vergleichbar hoch. Dies liegt zum einen an der sehr langen Expansionsdüse, aber auch daran, dass die Treibstoffe für den Gasgenerator separat sind, also nicht wie bei der Atlas vom Treibstoffvorrat abgehen. Berücksichtigt man dies so liegen die spezifischen Impulse nahe bei denen der Atlas.


R-7

Atlas D

Höhe:

37,00 m

25,06 m

Maximaler Durchmesser:

10,30 m

4,90 m

Startmasse:

280,000 kg

116.100 kg

Trockenmasse:

22.300 kg

5.400 kg

Startschub:

4.085 kN

1.647 kN

Brennzeit:

300 s

303 s

Spezifischer Impuls Meereshöhe:

2.375 m/s

2.490 m/s

Spezifischer Impuls Vakuum:

2.943 m/s

2.765 m/s

Gewicht Sprengkopf:

5.300 kg

1.680 kg

Reichweite:

8.000 kg

14.500 km

Zielgenauigkeit:

2.500 bis 5.000 m

1.400 m

Nutzlastanteil

1,90 Prozent

1,45 Prozent

Baubeschluss:

17.2.1953

15.5.1954

Erster Teststart

15.5.1957

6.7.1957

Beginn der Stationierung:

16.7.1960

September 1959

Ausmusterung:

Ende 1968

1965

Sojus VersionenRaumfahrtträger

Beide Nationen setzten die Träger dann in der Raumfahrt ein. Ohne Oberstufe Russland die R-7 bei vier Starts für Sputnik 1 bis 3. Die USA eine Atlas B für den Start der nachrichtentechnischen Nutzlast SCORE und dann die Atlas D im Rahmen des Mercuryprogramms.

Russland baute aus der R-7 vier Trägerraketen:

Insgesamt wurden nach Einführung einer Version diese aber über Jahrzehnte nahezu unverändert produziert. Erst als nach 2010 der französische Konzern Starsem die Sojus vermarktete bekam sie z.B. ein rein digitales Steuersystem.

Aus der Atlas entstanden etliche Linien, die Atlas bzw. ihre Oberstufen wurden verlängert, Triebwerke im Schub gesteigert und schließlich sogar noch Feststoffbooster zur Startunterstützung hinzugenommen. Anders als bei der R-7 modernisierte man die Atlas bei jeder neuen Serie. Die vielen Versionen kann man aber in drei Hauptlinien einteilen:

Die Atlas mit Feststoffoberstufen: Nachdem die Atlas ausgemustert wurde, wurden vorhandene Feststoffoberstufen auf die frei werdenden ICBM gesetzt und die Atlas zum Start von kleineren militärischen Nutzlasten vor allem Wetter- und Navigationssatelliten genutzt. Die letzte startete vor der Jahrtausendwende.

Die Atlas-Agena Linie: Die Agena Oberstufe war eine vielseitig einsetzbare wiederzündbare Oberstufe mit lagerfähigen Treibstoffen, die auch auf der Thor und Titan III eingesetzt wurde. Mit ihr erfolgten sowohl militärische Starts wie auch zivile Starts z.B. der Raumsonden Mariner 1-5 und Ranger. Als Gemini Ziel war sie bemannten Raumfahrtprogramm wichtig. Die Linie lief 1978 aus.

Die Atlas Centaur: war das Rückgrat von zivilen Starts der NASA, beförderte daneben zahllose Kommunikationssatelliten. Auch das US-Verteidigungsministerium setzte ab den Achtziger Jahren auf die Centaur Oberstufe da sie mehr Nutzlast als die Agena bot. Ab 1990 wurden die Starts privatisiert und Lockheed Martin entschloss sich zuerst die Triebwerke der Atlas durch das russische RD-180 zu ersetzen. Daraus entstand die Atlas III. Als dann auch noch das Konzept der innendruckstabilisierten Hülle aufgegeben wurde, wurde daraus die Atlas V die nun aber technisch überhaupt nichts mehr mit der Atlas ICBM zu tun hat.

Artikel verfasst am 10.7.2023

Bücher des Autors über Trägerraketen

Wie man an dem Umfang der Website sieht, sind Trägerraketen eines meiner Hauptinteressen. Es gibt inzwischen eine Reihe von Büchern von mir, auch weil ich in den letzten Jahren aufgrund neuer Träger oder weiterer Informationen über alte Projekte die Bücher neu aufgelegt habe. Sie finden eine Gesamtübersicht aller Bücher von mir bei Amazon und hier beim Verlag.

Ich beschränke mich in diesem Abschnitt auf die aktuellen Werke. Für die in Europa entwickelten Trägerraketen gibt es von mir zwei Werke:

Europäische Trägerraketen 1 behandelt die Vergangenheit (also bei Drucklegung): Das sind die nationalen Raketen Diamant, OTRAG und Black Arrow und die europäischen Träger Ariane 1 bis 4 und Europarakete.

Europäische Trägerraketen 2 behandelt die zur Drucklegung 2015 aktuellen Träger: Ariane 5, Vega und die damaligen Pläne für Vega C und Ariane 6.

Wer sich nur für einen der in den beiden besprochenen Träger interessiert, findet auch jeweils eine Monografie, die inhaltlich identisch mit dem Kapitel in den Sammelbänden ist, nur eben als Auskopplung.

Weiter gehend, alle Raketen die es weltweit gibt, behandelnd, gehen zwei Bände:

US-Trägerraketen

und

Internationale Trägerraketen (im Sinne von allen anderen Raketen weltweit)

Auch hier habe ich 2023 begonnen, die Bände aufzusplitten, einfach weil der Umfang für eine Aktualisierung sonst weder handelbar wäre bzw. an die Seitengrenze stößt, die der Verlag setzt. Ich habe auch bei den Einzelbänden nochmals recherchiert und den Umfang erweitert. Bisher sind erschienen:

US Trägerraketen 1 mit den frühen, kleinen Trägern (Vanguard, Juno, Scout)

US Trägerraketen 2 mit der Titan-Familie

2023 wird noch die erste Auskopplung aus den internationalen Raketen über russische Träger erscheinen. Nach und nach werden alle Raketen dann in einzelnen Monografien geordnet nach Trägerfamilien oder Nationen dann aktualisiert auf den aktuellen Stand, so besprochen.

Für die Saturns gibt es noch einen Sonderband, den ersten in der Reihe über das Apolloprogramm.

Alle bisherigen Bücher sind gerichtet an Leute, die wie ich sich nicht mit oberflächlichen Informationen oder Zusammenfassung der Wikipedia zufriedengeben. Wenn sie sich nicht für Technik interessieren, sondern nette Anekdoten hören wollen, dann sind die bisherigen Bücher nichts für Sie. Für dieses Publikum gibt es das Buch „Fotosafari durch den Raketenwald“ bei dem jeder Träger genau eine Doppelseite mit einem Foto und einer Beschreibung hat. (Also etwa ein Zehntel der Seitenzahl auf den ich ihn bei den beiden obigen Bänden abhandelte). Das Buch ist anders als die anderen Bände in Farbe. Ab und an macht BOD als Print on Demand Dienstleister Mist und verschickt es nur in Schwarz-Weiß, bitte reklamieren sie dann, ich als Autor kann dies nicht beeinflussen.

Als Autor würde ich mich freuen, wenn sie direkt beim Verlag bestellen, da ich da eine etwas größere Marge erhalte. Dank Buchpreisbindung und kostenlosem Versand ist das genauso teuer wie bei Amazon, Libri und iTunes oder im Buchhandel. Über eine ehrliche Kritik würde ich mich freuen.

Alle Bücher sind auch als E-Book erschienen, üblicherweise zu 2/3 des Preises der Printausgabe – ich würde sie gerne billiger anbieten, doch da der Gesetzgeber E-Books mit 19 Prozent Mehrwertsteuer besteuert, Bücher aber mit nur 7 Prozent, geht das leider nicht. Ein Vorteil der E-Books - neben dem einfacher recherchierbaren Text ist, das alle Abbildungen, die im Originalmanuskript in Farbe, sind auch in Farbe sind, während ich sonst - um Druckkosten zu sparen - meist auf Farbe verzichte. Sie brauchen einen pdf-fähigen Reader um die Bücher zu lesen. Sofern der Verlag nicht weiter für bestimmte Geräte (Kindle) konvertiert ist das Standardformat der E-Books ein DRM-geschütztes PDF.

Mehr über meine Bücher finden sie auf der Website Raumfahrtbuecher.de und eine Liste aller Veröffentlichungen findet sich auch bei meinem Wikipediaeintrag.

 


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
Sitemap Kontakt Neues Impressum / Datenschutz Hier werben / advert here Buchshop Bücher vom Autor Top 99