Planetensonden als Piggyback-Nutzlast
Im letzten ESA Journal habe ich von Satelliten gelesen, die von Studenten gebaut werden und wie die ESA diese Projekte fördert. Darunter ist auch das Projekt eines Mondorbiters, als Sekundärnutzlast für eine Ariane 5. Das wäre wohl dann die erste Raumsonde, die nicht von einem staatlichen Institut gebaut wurde.
Dann habe ich noch beim Recherchieren über die Triebwerke des ATV bei EADS ein Triebwerk gefunden, das für Satelliten gedacht ist, und mit Wasserstoff/Sauerstoff arbeitet. Der spezifische Impuls ist nicht so groß, er liegt im Mittel bei 4060 m/s. Aber das ist immerhin noch ein Drittel mehr als bei Triebwerken mit MMH/NTO.
Da dachte ich mir: Könnte man diese Technologien nicht kombinieren um preiswerte Mond-, Venus- und Marssonden zu kreieren?
Am offensichtlichsten ist dies bei einer Mondsonde. Die Flugzeit von weniger als 4 Tagen zum Mond ist noch eine Zeit bei der man mit Isolation und räumlicher Ausrichtung der Sonde den Treibstoff Wasserstoff und Sauerstoff flüssig halten kann. Im geostationären Transfer-Orbit hat ein Satellit eine Geschwindigkeit von 10200 m/s. Mit 750 m/s mehr kommt man auf eine Transferbahn zum Mond. Dort braucht man weiteren Treibstoff um eine Mondumlaufbahn zu erreichen. Mindestens 700 m/s. Besser sind 800 m/s. Dann hat man Spielraum für eine etwas schnellere Ankunft und Verluste durch verdampfenden Treibstoff. Eine Raumsonde die beim Start 600 kg wiegt (Maximum für die zweite Version der ASAP), wiegt nach Verbrauch des Treibstoffs für 1550 m/s Geschwindigkeitsänderung noch 409 kg – Das ist ein Gewicht, das einige Möglichkeiten für die Instrumentierung lässt. Smart-1 wog mit 370 kg deutlich weniger. Die Aufrechterhaltung des Orbits müsste dann mit einem Ionenantrieb erfolgen.
Bei einem lagerfähigen Treibstoff (MMH/NTO) wäre das Trockengewicht mit 363 kg geringer, berücksichtigt man das die Tanks auch etwas größer sind, so resultiert ein Unterschied von 50 kg – nicht viel, aber nicht zu verachten. In etwa die gleiche Nutzlast resultiert auch für einen Flug zu Venus oder Mars. Das hängt von der Position ab. Dort müsste die Raumsonde dann noch konventionell abbremsen – mit Aerobraking und einem chemischen Antrieb. 800 m/s dafür würden immerhin noch etwa 320 kg in einem Orbit um Mars oder Venus platzieren. Das entspricht dann einer Trockenmasse von etwa 260-270 kg ohne Antriebssystem.
Das sind dann sicherlich keine Raumsonden mit 8-10 Instrumenten, doch 3-4 gut ausgewählte Instrumente wären dann noch drin. oder man nutzt sie nur als Relay für eine Landesonde wie das MSL oder Exomars.
Das attraktive sind die Startkosten: Wenn eine Sekundärnutzlast bei Arianespace genauso viel kostet (pro Kilo) wie die Hauptnutzlast, so müssten 600 kg für unter 8 Millionen Euro in den GTO Orbit gelangen. So billig ist keine russische Rakete (bei der man noch eine zusätzliche Oberstufe bräuchte, die natürlich zusätzliche Kosten aufwirft) . Bislang ist der preiswerteste verfügbare Träger eine Sojus mit 50 Millionen $ also etwa 35 Millionen Euro pro Start. Preiswertere Träger wie Dnepr, Rockot transportieren keine Nutzlast in planetare Umlaufbahnen oder die nötige Oberstufe frisst jede Einsparung ein. US Träger sind noch teurer. Bei den chinesischen Trägerraketen offeriert die LM-3/4 zwar etwa 1100-1400 kg in den GTO Orbit, aber auch zu preisen von 25-45 Millionen Dollar. Man mag es kaum glauben… Ariane 5 ist die billigste Möglichkeit des Transports!
Der niedrige Startpreis erlaubt es eine neue Kategorie von Raumsonden zu etablieren – klein und preiswert mit beschränkter Instrumentierung. Das ist ja so neu nicht. das Discovery Programm hatte ja auch die Zielsetzung. Doch da die USA niemals über einen Träger verfügten der unterhalb der Delta lag und fähig war planetare Umlaufbahnen zu erreichen blieb es bei einem Versuch: Lunar Prospektor: Obgleich nur 160 kg Trockengewicht kostete der Start dieser 20-25 Millionen Dollar. Das Gesamtprojekt hatte einen Umfang von 63 Millionen Dollar. Der Start macht alleine 40 % der Startkosten aus – recht viel für eine Planetensonde, bei der normalerweise nur etwa 20 % üblich sind. Das dürfte der Grund gewesen sein, dass es bei dieser einen Sonde bleib. Die Piggybacknutzlast offeriert hier mehr Möglichkeiten:
- Der Start ist billiger
- Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für den Start – immer dann wenn ein Ariane 5 Start unter 9000 kg Nutzlast erfolgt.
- Man kann mehr Risiken eingehen – Es wird nicht so viel Geld bei einer gescheiterten Mission kaputt gemacht.
Der preiswerte Start machte eine Wiederholung der Mission einfach möglich: Man kann bei der Entwicklung mehr Risiken eingehen oder einen Sondentyp entwickeln und diesen unterschiedlich instrumentiert zu Mars, Mond und Venus schicken. Andere denkbare Missionen wären Kurzzeitmissionen vor allem zur Venus. Ich habe vor einiger Zeit mal eine Venus Sonde skizziert, die vor allem beim Abstieg Bilder machen soll – damit man weiß wie die Venusoberfläche aussieht. Das ist ein typisches Projekt: Eine derartige Kapsel überlebt auf der Venus höchstens ein paar Stunden. Selbst wenn es möglich wäre sie billig herzustellen, so stehen dem die Startkosten entgegen. Kleine Überschlagsrechnung: Ein Start von der Erde auf eine Übergangsbahn zur Venus mit minimaler Bahnenergie (11.4 km/s) lässt noch 445 kg übrig. Davon entfallen etwa 420 kg auf den Bus mit der Sonde. Die große Pioneer Venus Sonde wog 317 kg. Das lässt nur etwa 100 kg für einen Bus übrig. Das ist wenig, aber es reicht doch für eine kleine 1 m Parabolantenne zum Empfang der Daten. Der Bus ist nötig zum Datentransfer, weil es auf der Erde nicht möglich ist große Datenmengen mit einer Rundstrahlantenne (und eine andere ist bei einer Abstiegssonde nicht möglich) zu empfangen.
Bei 3 Stunden maximaler Sendezeit und 25 Watt Sendeleistung im X-Band könnte die Abstiegssonde anfangs 14 KBit/s übertragen. Nach einer Stunde, wenn die Oberfläche erreicht ist wären es schon 24 KBit/s. Bei 30 Minuten nutzbarer Sendezeit bis zum Abstieg könnte man bei JPEG Komprimierung 1:8 etwa 36 Bilder im Format 1024 x 1024 S/W übertragen. Nach der Landung (wenn die Sonde sie überlebt) noch mehr, z.B. vorher gespeicherte Daten. Bei adaptiver Anpassung an die Entfernung wäre die Datenrate sogar noch höher. Nicht viel, aber Venera 13+14 machten auch nur einige Aufnahmen von der Venusoberfläche und das ist alles was wir heute haben. Alternativ kann man auch den Bus so verzögern, dass er nur wenige Minuten nach der Landesonde an der Venus vorbeifliegt. Man verschenkt dann zwar die Möglichkeit nach der Landung Daten zu übertragen (eventuell überlebt aber auch die Sonde das nicht), aber die Distanz wäre näher und die Datenrate würde bei 90 Minuten maximaler Sendezeit schon auf 90 KBit/s steigen.
Alternativ könnte man Ballone in der Atmosphäre aussetzen. Auch diese sind leichtgewichtig genug, um mit einer kleinen Sonde transportiert zu werden. Die VeGa Ballone wogen nur etwa 25 kg. Dazu käme noch ein Hitzeschutzschild, da diese sekundärnutzlast waren. Doch selbst bei 50 kg pro Ballon können so leicht 4 von einer kleinen Sonde transportiert werden. Eine Mail hat mich dann noch an das Marsnet erinnert – eine Kette von Penetratoren oder Landesonden auf dem Mars. Auch Penetratoren sind Kurzzeitmissionen. Die Deep Space Penetratoren wogen 3.6 kg, die von Mars 96 46 kg. Doch selbst bei 46 kg Gewicht könnte ein etwa 100 kg schwerer Bus immerhin noch etwa 4-5 dieser Penetratoren zum Mars transportieren. Mehrere diese einfachen Sonden ergäben dann ein Netzwerk über den Planeten mit meteorologischen und geochemischen Informationen von zahlreichen Stellen.
Klingt doch nach einer interessanten Idee oder?