Bernd Leitenbergers Blog

“Dragon 2 is designed to be able to land anywhere in the solar system”

Ach ja der gute Musk, er haut einen Witz nach dem nächsten raus. Der letzte ist der obige. Doch da es Leute gibt die nicht das technische Wissen haben den Witz als solchen zu erkennen, prüfen wir ihn mal auf die Wahrheit.

Da weder die NASA noch SpaceX ein bemanntes Programm jenseits des Erdorbits haben befasse ich mich nur mit unbemannten Missionen. Bemannt könnte man mit der Falcon 9 zwar den Mond erreichen – doch eine Falcon Heavy kann nicht so viel Nutzlast transportieren damit sie auch wieder zurückkommen. Die NASA selbst entwickelt mit der Orion aber ihr eigenes Raumschiff.

Auch bei unbemannten Missionen werden es SpaceX-Missionen sein, denn egal wie billig die Dragon ist, die NASA baut derzeit Raumsonden mit einer Trockenmasse von 0,5 bis 1 t und da eine 6 t schwere Dragon einzusetzen wäre ungefähr so als würde man mit dem Schwerlasttransporter den Einkauf erledigen der in zwei Einkaufstüten passt.

Also fangen wir mal an. Die Dragon 2.0 wiegt leer 6,0 t nach Spacex. Die Dragon 1 konnte maximal 1,2 t Treibstoff aufnehmen. Ich nehme an dass dies auch für die Dragon 2 zutrifft. Mehr Treibstoff erfordert weitere Tanks. Da diese wie die Super-Draco Triebwerke druckstabilisiert sind sind sie recht schwer. Nimmt man die Strukturfaktoren der EPS-Stufe so wiegen die Tanks für 1000 kg Triebstoff 100 kg inklusive des nötigen Druckgases und der Druckgasflasche. Von diesem Verhältnis gehe ich bei den folgenden Betrachtungen aus.

Merkur

Auch eine Falcon Heavy kann keine Dragon zu Merkur entsenden. Doch wie Messenger kann man sich dem Planeten über mehrere Vorbeiflüge nähern und zudem die Relativgeschwindigkeit verringern. Dazu muss man die Venus erreichen. Die Nutzlast zur Venus dürfte die gleiche wie zum Mars sein.  Das sind 13.600 kg. Das lässt dann noch 7.600 kg für Treibstoff und Tanks also 6900 kg für reinen Treibstoff übrig. Bei einem spezifischen Impuls von 3200 m/s (optimistisch angesetzt) kann man so die Geschwindigkeit um 2265 m/s abzubremsen. Die Kreisbahngeschwindigkeit in einem niedrigen Merkurorbit beträgt aber 3006 m/s und geringer wird die Geschwindigkeit nie sein. Auf dem Merkur kann eine Dragon 2 daher nicht landen.

Venus

Es steht außer Frage, dass die Dragon V2 auf der Venus landen kann, man braucht wegen der dicken Atmosphäre keinen Treibstoff zum Abbremsen. Die Nutzlast zur Venus liegt so hoch wie beim Mars, so hat man rund 7 t mehr Nutzlast als man benötigt. Doch das ist nicht das Problem. Die Kapsel wird kaum die 90 Bar Druck am Boden aushalten. So wird man sie während des Abstiegs belüften müssen also den Druck ausgleichen. So erwärmt sich aber auch das Innere der Kapsel und man würde Instrumente in einer zweiten, kleineren, voll isolierten Kapsel unterbringen, also eine Kapsel in der Kapsel. Der Nutzen dieser Kapsel ist aber gering. Sensoren sollten die äußere Atmosphäre vermessen. das Innere wird bei diesen Temperaturen ausgasen, sodass sich die Zusammensetzung vor allem bei den wichtigen Spurengasen unterscheidet. Ein Bildsensor muss am Fenster angebracht sein was schwer wird mit einer Kapsel in der Kapsel. Kurzum es macht wenig sinn. Ohne Druckausgleich wird die Kapsel aber schon in großer Höhe >50 km über dem Boden zerquetscht werden.

Mond

Die für Merkur errechneten 2265 m/s Abbremsvermögen können beim Mond knapp reichen. Die Fluchtgeschwindigkeit beträgt an der Oberfläche 2351 m/s. Dazu kommen noch Gravitationsverluste und eine Schwebephase. Eine Niedrigenergiebahn braucht zum Mond aber weniger Energie als zum Mars, sodass die Nutzlast in etwa zwischen GTO und Mars liegt. Mit der dadurch größeren Treibstoffzuladung dürfte eine Dragon komfortabel landen. Ich errechne 2940 m/s Korrekturvermögen für 17,8 t Startmasse, 7,1 t Trockenmasse und einem spezifischen Impuls von 3200 m/s.

Die Frage die sich nun bei allen Missionstypen stellt ist, wie sie nun arbeiten kann. Ich verweise hier mal auf meinen alten Blogeintrag. Das Problem ist das die Instrumente im inneren der Kapsel sind, aber auf die Oberfläche kommen müssen. Allenfalls Aufnahmen durch die Fenster sind unproblematisch. Für SpaceX dürfte dieses Szenario jedoch sehr interessant ein, denn der Mond ist in 4 Tagen zu erreichen. Eine weitestgehend unveränderte Dragon kann verwendet werden. Die Distanz ist so klein, das mit kleinen Datenraten ohne zusätzliche Ausrüstung kommuniziert werden und man kann damit angeben als erste private Firma (gibt es auch nicht private Firmen?) auf dem Mond gelandet zu sein.

Mars

Für den Mars gibt es die offizielle Nutzlastangabe von 13,6 t. Viel Treibstoff zum Landen braucht man nicht weil ein Fallschirm die Sonde auf moderate Geschwindigkeit abbremst, auch wenn die Restgeschwindigkeit zu hoch für eine weiche Landung hat. Der Phoenix hatte  67 kg Treibstoff bei einem Gesamtgewicht von 410 kg an Bord. Das sind knapp 20% der Masse und in etwa dieselbe Menge die auch ein ISS Transporter für Bahnanpassungen und Wiedereintritt braucht. Auf dem Mars ist eine Landung also problemlos möglich.

Über den Mars hinaus

Eine Dragon wiegt leer 6 t. Selbst wenn die interplanetare Dragon kein Mehrgewicht aufweist (z.B. für größere Solarpanels, Hochgewinnantenne, Instrumente) kann man sie auf maximal 13,5 km/s beschleunigen. Bei einer elliptischen Bahn reicht dies zu einem Aphel von 596 Millionen km Entfernung. Damit erreicht man nicht Jupiter, alle Körper jenseits von Jupiter sind also nicht erreichbar. Es reicht aber zu Asteroiden. Doch auf diesen muss man ja auch noch Landen, was ebenfalls Treibstoff kostet. Vor allem aber sind diese nicht so groß als dass sie die Bahn wirksam abbremsen können. Man muss daher das Perihel selbst anheben. Mit den rund 2200 m/s die man als Korrekturvermögen bei einer Transferbahn mit Nutzlast zum Mars hat ist so bei 210 Millionen km Entfernung Schluss, das ist gerade mal am Rande der Marsbahn. So bleiben als Asteroiden die Klasse der Apollo und Amurasteroiden, die erreichbar sind. Das sind die Asteroiden die die Erdbahn oder Marsbahn kreuzen.

Die sind aber zu klein, um auf ihnen landen zu können. Die meisten haben einen maximalen Durchmesser unter 10 km. Selbst wenn man die Super-Draco Triebwerke durch normale Draco mit 400 N Schub austauscht. Man braucht eigentlich gar keine Triebwerke um zu landen, sondern welche um die Sonde an der Oberfläche festzupressen bzw. andere Vorrichtungen um sie zu fixieren. Sowohl Phobos-Grunt wie auch Philae hatten keine Abstiegstriebwerke. Sie fielen auf die Oberfläche und sollten sich bei Kontakt mit Harpunen oder Andruck liefernden Triebwerken fixieren. Bei Philae klappte das nicht, bei Phobos Grund scheiterte die Sonde schon im Erdorbit. Ohne Umbauten wird eine Dragon auf keinem kleinen Himmelskörper landen können und wenn man bei Umbauteen ist dann ist es eben nicht mehr die Dragon 2. (Wenn ich damit anfange – wo ist da die grenze? ich interpretiere den Satz so, dass die Dragon 2 wie sie jetzt existiert überall landen kann, nicht ein Raumschiffe auf Basis der Dragon 2).

Fazit:

Überall im Sonnensystem – das ist bei Elon Musk gerade mal Venus, Erde, Mond, Mars. Ein kleines Sonnensystem. Vor allem würde ich sagen dass auch eine Orion oder Starliner auf den drei Himmelskörpern landen könnte. Ein Alleinstellungsmerkmal ist es also auch nicht.

Wie ich gerade beim Recherchieren feststelle, hat SpaceX wie von ihren Fanboys angekündigt die Daten aktualisiert – aber nicht so wie von denen gedacht. Nichts mit 70 t Nutzlast mit der Falcon Heavy, stattdessen wurde die der Falcon 9 angehoben. Zumindest ist es nun konsistent, denn vorher war es physikalisch unmöglich bei gleichen Voll/Leermassen und spezifischen Impulsen mit der 2,58-fachen Masse die 4,03-fache Nutzlast zu transportieren. Die 2,9 t zu Pluto sind aber so auch nicht möglich 2,9 t zu Jupiter (und dann über einen Swing-By zu Pluto) gehen. In jedem Falle ist es irrelevant, da ja keine Pluto-Mission geplant ist.

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