Bernd Leitenbergers Blog

Warum IBM das Personalcomputergeschäft aufgab

Die Geschichte um die Entstehung des IBM PC ist legendär und wurde auch von mir schon auf der Website in zwei Artikeln gewürdigt. Doch heute stellt IBM keine PCs mehr her. Am 1.5.2005 verkaufte IBM seine PC-Sparte für 1,75 Milliarden Dollar an den chinesischen Hersteller Lenovo. Zu diesem Zeitpunkt hatte IBM nur noch einen Marktanteil von 6 Prozent am PC Markt. Am 23.1.2014 folgte die x86-Serversparte von IBM. Wie kam es zu diesem Abstieg vom Marktführer zu einem kleinen Anbieter?

Dazu müssen wir zuerst dann doch noch mal zum IBM PC zurück. Auch wenn ich dessen Geschichte nicht vollständig wiedergeben, hier die wesentlichen Punkte:

Der damalige IBM-CEO Frank Cary sah wie sich ein neuer Markt etablierte: ab Ende der Siebziger Jahre kamen die ersten Mikrocomputer auf den Markt und es wurden nicht nur schnell immer mehr Anbieter, sondern auch die Verkäufe stiegen fast exponentiell an. 1975 erschien der erste „PC“ der Altair 8800 – damals wurden 5.000 Geräte in diesem Jahr verkauft. 1980, als der Bau des IBM PC beschlossen wurde, waren es schon 724.000 und 1981 sollten es schon 1,4 Millionen sein.

IBM hatte schon mehrere Versuche unternommen, hier mitzumischen, war aber aus verschiedenen Gründen nicht richtig erfolgreich. Cary kannte die Firma gut und wusste, das IBM Jahre und Hunderte von Ingenieure für ein solches Projekt brauchte. Vor allem die Zeit hatte man nicht. In einigen Jahren wäre die Hardware von heute schon veraltet und vor allem IBMs Ruf würde leiden, wenn sie Nachzügler waren.

Ein zweites wichtiges Argument war das schon jetzt IBMs Ruf litt. IBM war Marktführer bei Großrechnern. Die Rechner kosteten fünf bis sechsstellige Summen und generierten enorme Verdienstspannen. IBM steckte einen Teil des Profits in einen hervorragenden Kundenservice und das begründete ihren guten Ruf. Nun stießen die Techniker immer öfters auf diese Kleinrechner. Sie waren noch selten, weil man sie selbst programmieren musste, was den möglichen Kundenkreis einschränkte. Doch wer einen hatte, der war von ihnen überzeugt und schlimmer noch, er betrachte die Großrechner bei denen er viel weniger machen dürfte, als Relikte einer ablaufenden Zeit. Es galt also Kunden wieder an IBM zu binden.

Bill Loewe, von der Abteilung „Einstiegssysteme“ in Bocca Raton (Florida) meinte, er könnte einen PC in einem Jahr bauen. Er bekam das Okay das Konzept auszuarbeiten und es wurde schließlich auch gebilligt. Es war für IBM revolutionär, barg aber schon den Keim des Niedergangs in sich. Damit dies überhaupt ging dürfte der PC keine IBM-Bausteine verwenden, sondern nur das was auf dem Markt verfügbar war. Der PC würde nicht an den normalen IBM-Support angebunden werden und wie Schreibmaschinen im Bürofachhandel verkauft werden, was bei Computern bei IBM vorher nie der Fall war. Selbst die Software würde IBM einkaufen.

Technisch basierte der IBM PC (offizielle Bezeichnung IBM Modell 5150) auf dem IBM System/23 Modell 5120. Dessen Entwicklung zog sich lange hin, was auch den Entschluss fördere möglichst viel einzukaufen. Da er aber den 8085 Mikroprozessor, den Vorgänger des 8088 des IBM PC verwandte, konnte man den Bus übernehmen.

Technisch war der IBM PC nicht wirklich progressiv. IBM hatte nur die 8088 CPU mit 8 Bit Datenbus verendet und diese nur mit 4,77MHz getaktet. Sie stammte von der 8086 CPU ab und die war mit 8 MHz Takt verfügbar, das kostete über die Hälfte der Geschwindigkeit. Das Betriebssystem PC-DOS war ein Klon von CP/M-86, was dann auch noch für Probleme sorgte. IBM hatte das Glück, das Gary Kildall, Chef von Digital-Research und Programmierer von CP/M mehr an technischen Projekten als an Geld interessiert war und Konflikte scheute, so konnten sie ihn ausbooten. Neben vielen Fehlern in der ersten Version nutzte es aber den Speicher nicht richtig: Die erste Version kannte nur das COM-Format für Programme, übernommen von CP/M. Programme konnten so maximal 64 KByte groß sein und maximal 64 KByte Daten nutzen, was auch den legendären Spruch („640 KByte sind genug für jedermann“ von Bill Gates aus der Zeit erklärt.

IBMs PC schlug trotzdem ein wie eine Bombe. Einfach wegen des Rufs der Firma. Dieser Ruf führte auch dazu das andere Firmen mehr Pcs verkauften, denn nun wurden viele Entscheider erst auf die Maschinen aufmerksam. IBMs Verkaufsprognosen für fünf Jahre wurde schon nach einem Jahr übertroffen. Dei Nachfrage war so groß, dass eine deutsche Version erst zwei Jahre nach der in den USA erschien, vorher hatte man auch nicht die Produktionskapazität den europäischen Markt zu bedienen.

IBM hatte damit gerechnet das man bei dem „offenen“ Konzept – es wurde auch der PC in allen Details dokumentiert, damit möglichst viele Firmen Zubehör entwickelten, für das IBM gar nicht die Entwicklungskapazität hatte – es bald Nachahmer geben würde. Das gab es schon, so hatte sich der ehemalige IBM Entwickler des System 360, Gene Amdahl selbstständig gemacht und IBMs Systeme nachgebaut und war damit erfolgreich. IBM meinte aber, weil sie größere Mengen aller Komponenten bezogen, würden sie billiger produzieren und so konkurrieren können. Die Firma hatte auch darauf geachtet und Intel musste damit ihr Prozessor verwendet wurde ihn lizenzieren, so an AMD, Harris und andere Halbleiterhersteller. In vielen IBM PC steckte auch ein 8088 von AMD.

Der einzige Knackpunkt war das BIOS. Zuerst überwand Compaq – damals eine neu gründete Firma – die Hürde. Sie programmierten es nach, verwandten aber nicht den originalen Code. Später wurde auch ein rechtlich einwandfreies Bios von Phoenix als Produkt angeboten.

Doch zuerst sah es nach einem Siegeszug aus: Zuerst erschienen MS-DOS kompatible Rechner, das heißt der Rechner verwandte auch einen 8086/88 Prozessor und das Betriebssystem MS-DOS (von IBM als PC-DOS verkauft), die Technik des Rechners war aber eine andere. Rechner dieser Art waren z.B. der Sirius Victor oder der Texas Instruments Rainbow. Sie hatten auf lange Zeit aber keine Chance. Zum einen, weil der PC zum Standard wurde, zum anderen, weil er so langsam war. Es bürgerte sich ein, am Betriebssystem vorbei zu programmieren und das BIOS anzusprechen oder direkt auf die Hardware zuzugreifen. Das klappte bei den MS-DOS kompatiblen nicht.

Es erschienen so auch bald Nachbauten. Zuerst von anderen etablierten Computerherstellern wie Wang, HP oder NCR. Preislich ähnlich wie der IBM PC angesiedelt, waren diese keine Bedrohung, Später folgten die „neuen“ Hersteller von Mikrocomputer, so fertigten auch Commodore, Tandy, Schneider oder Atari IBM PC Kompatible. Sie hatten zum einen den Zugang zu einem ganz anderen Markt – die Rechner wurden dort verkauft wo auch die anderen Rechner der Firmen verkauft wurden also über den Computerfachhandel. Ebenso wandten sie sich eher an Kunden, die sonst eher einen Rechner dieser Firmen gekauft hätten. Vor allem aber brachten diese Firmen ihre Erfahrung in die Fertigung der Rechner ein und diese Rechner wurden deutlich billiger als der IBM PC verkauft.

IBM senkte auch seine Preise relativ selten. Das war damals ungewöhnlich, weil die Preise für einen PC laufend sanken. Am extremsten war die 1982/83, bei den Heimcomputer als Commodore mit dem C64 einen Preiskampf lostrat und den preis für den Rechner innerhalb eines Jahres halbierte. Dazu kam eine Vertriebspolitik, die vor allem auf den Großkundenstamm ausgerichtet war und Händler bevorzugte die große Mengen abnahmen. Das führte dazu, dass diese oft zu viele PC bestellten um Rabatte zu erhalten, die sie dann nicht los bekamen. Michael Dell begann seine Karriere, indem er diese Restposten aufkaufte und weiter verkaufte.

Richtig bedrohlich wurden die Nachbauten aber erst zum Ende der Achtziger Jahre. Damals brachte die Firma Chips & Technologies den ersten Chipsatz heraus. Chips & Technologies produzierten fünf Chips, welche 63 Bausteine des Motherboards eines IBM-AT ersetzten. Sie kosteten nur 72,40 Dollar. Nun produzierten zahlreiche Firmen kompatible Hauptplatinen, die noch dazu, weil nur wenige Chips benötigt wurden, preiswerter als IBMs eigene Platinen waren. Vorher benötigte eine Computerfirma viel Erfahrung, um eine eigene Hauptplatine zu designen und Kapital um sie inm Großserie zu bauen, nun tauchten „kompatible Motherboards“ aus Taiwan auf. Es begann die Zeit der „No-Name“ Kompatiblen.

IBMs Marktanteilsverlust beruht aber mehr auf eigenen Fehlern, denn wie Apple bis heute beweist sind Benutzer durchaus bereit für das Image einer Firma einen deutlichen Mehrpreis zu bezahlen. Es waren zwei wesentliche Gründe: IBMs Trägheit und das Abrücken von „offenen Standards“. Die Trägheit zeigte sich daran, dass IBM zwar den ersten PC innerhalb eines Jahres fertigstellen konnten, sie aber zwei Jahre brauchten um den Nachfolger zu designen, der nun auf dem Intel 80286 basierte: Der IBM PC AT. Beim nächsten Prozessor – dem 1985 erschienen 80386 Prozessor – wartete nun die Konkurrenz nicht. Compaq brauchte im September 1986 den Compaq Deskpro 386 auf den Markt – neben dem neuen Prozessor 80386, war die einzige Änderung das zwei Busstecker verlängert waren um die zusätzlichen Signale des Prozessors bereitzustellen.

IBM kam ein PC mit dem neuen Prozessor erst ein Jahr später mit dem Modell 80 auf den Markt. Das war weniger eine wirtschaftliche Entscheidung – die meiste Kasse machte man mit der Plattform die etabliert und etwas älter war, auch weil ein PC mit der neuesten Technik 10.000 bis 20.000 DM kostete, inflationsbereinigt in etwa die gleiche Summe heute in Euro. Das konnten sich nicht viele leisten. Es war vielmehr ein Imageverlust: denn nun war nicht mehr IBM an der Spitze des Fortschritts.

Gravierender war, das IBM den offenen PC nun als Nachteil sah. Das betraf zwei Dinge: Zum einen die Steckplätze die dokumentiert waren, zum zweiten – eher unabsichtlich – das Betriebssystem, denn Bill Gates hatte beim Vertragsabschluss auf das Recht bestanden es an andere Hersteller zu lizenzieren. Beides sollte verschwinden. Mit dem PS/2 (Personal System 2) führte IBM etliche Hardwareneuigkeiten ein die das System lange überlebten wie den VGA Standard oder des PS/2 Anschluss für Mäuse oder Tastaturen. Kernpunkt war aber ein neues erheblich schnelleres und leistungsfähiges Bussystem der Microchanel und der war zum einen patentrechtlich abgesichert – wer eine Karte dafür entwickeln wollte, musste Lizenzgebühren zahlen. Karten für den alten – ISA Bus – funktionierten dort aber nicht, anders als bei der Erweiterung des Buses von Compaq. Zusammen mit Microsoft entwickelte IBM OS/2 – eigentlich wollten sie es alleine entwickeln, hatten jedoch die Befürchtung das sie es alleine nicht hinbekommen. Hier würde eine Basisversion von Microsoft vertrieben werden, eine leistungsfähigere Version gäbe es nur von IBM. Die Entwicklung von OS/2 verlief schleppend, zudem bestand IBM drauf, das man zuerst den 80286 als Codebasis nehmen würde – der war zwar zum Entwicklungszeitpunkt verbreiteter, aber als die erste Version erschien deckte der 386er in den meisten Rechner im Markt.

Das ganze ging schief. Microchannel konnte sich nicht auf dem Markt durchsetzen und selbst IBM kehrte zum alten Bus zurück. Bei OS/2 war die Konkurrenz Windows. Obwohl in Stabilität und Leistungsfähigkeit mit OS/2 nicht vergleichbar – Windows bis zum Ende der Neunziger Jahre war nur ein Aufsatz auf DOS, kein eigenständiges Betriebssystem – setzte es sich durch. Windows brauchte weniger Ressourcen und es gab von OS/2 zuerst nur eine textbasierte Version, wie MS-DOS. Nebenbei hatte Windows als DOS-Aufsatz den Vorteil das alle DOS-Programme, also das, was die Leute schon hatten, problemlos liefen, während die DOS-Emulation von OS/2 nur sehr schlecht funktionierte.

Das Signal, das beide Entscheidungen aussandte, war – IBM verabschiedet sich von dem Standard, den es selbst schuf. Das kostete am meisten Marktanteile. Diese Entscheidung war auch nicht wiedergutmachbar. Von nun an ging es noch rascher bergab. In den Neunzigern entwickelte Windows sich zum Standard, auch bei Firmen mit der Windows NT Linie. Ein Industriegremium unter der Leitung von Intel schuf nun die neuen Standards die man brauchte, weil alte Bussysteme auf dem Mainboard, dem Festplattenkontroller und zu Peripheriegeräten nicht genügend Geschwindigkeiten hatten. Der erste neue Standard waren die PCI-Steckplätze. Schlussendlich verkaufte IBM die PC-Sparte die immer weniger Marktanteile hatte an Lenovo und konzentrierte sich wieder auf die größeren Rechner.

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