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ESC-B Plus: Eine bessere Ariane 5 Oberstufe

Die ESC-A Oberstufe stellt den bisherigen Negativrekord bei der Trockenmasse einer Oberstufe. Dies ist geschuldet der schnellen Entwicklung, die zu einem sehr massiven Design geführt hat. Da die Stufe ursprünglich nur von 2002 – 2006 im Einsatz sein sollte. Die Stufe hätte vielleicht 20 – 25 Flüge absolviert, daher ist dieser Ansatz verständlich. Die ESC-A besteht aus dem Schubgerüst der Ariane 4 Oberstufe (H10) mit dem verlängerten, aber im Durchmesser identischen Sauerstofftank. Das erlaubt es den unteren Teil der H10 Stufe weitgehend unverändert zu übernehmen. Neu ist nur der 5,40 m durchmessende Wasserstofftank. Die Verbindung besorgen massive Streben zwischen den beiden Tanks.

Nicht nachzuvollziehen ist es aber für die ESC-B dasselbe massive Design anzusetzen und nur graduell zu verbessern. Nun steigt der Durchmesser des Sauerstofftanks und er ist als kleinere "Blase" an den Wasserstofftank angebunden. Doch die Trockenmasse ist geblieben. Sie beträgt nach EADS Angaben 6.250 kg bei einer Treibstoffzuladung von 27.500 kg. Da die Oberstufe ebenfalls in den Orbit gelangt reduziert ihr Leergewicht die Nutzlast in gleichem Maße. Dazu kommt noch die VEB, die weitere 950 kg wiegt. Bei einer GTO Mission sollte die ESC-B 11.200 kg transportieren. So kommt man auf 7.200 kg Trockengewicht der ESC-B und die VEB. Das sind 39% des Gesamtgewichts und dieser Anteil ist zu hoch.

Die ESC-B wird nach den derzeitigen Planungen eine sehr konventionelle Stufe. Sie setzt keine Legierungen ein, die nicht schon vor 20 Jahren bekannt waren, sie nutzt keine CFK Werkstoffe oder das Prinzip der Innendruckstabilisierung. Die VEB wird übernommen, obwohl der Wasserstofftank oben kugelförmig endet und es am Außenring genug Platz gäbe die Elektronik und Batterien unterzubringen ohne die Struktur der VEB einzusetzen. Alle diese Maßnahmen haben Vorteile: Es gibt Synergien mit der EPC Stufe und es muss nur wenig neues entwickelt werden. So sind die Tankdome des LH2 Tanks der EPC Stufe und der ESC-B identisch und dadurch die Produktionsmengen größer. Doch der Preis des hohen Trockengewichts wiegt schwer.

Stattdessen sollte die europäische Industrie moderne Verfahren einsetzen wie leichte Lithium-Aluminium Legierungen (die Legierung AL 2195 senkt z.B. die Leermasse um etwa 25%), Druckstabilisierung, CFK Materialien bei den strukturellen Teilen der Stufe oder auch nur eine sphärische Tankform beim Wasserstofftank.

Wenn der Autor den Vergleich zu den schon existierenden Oberstufen der Delta 3 und Titan 4 zieht, die ebenfalls auf Trägern eingesetzt werden, die Feststoffbooster mit hoher Schubkraft einsetzen (dies macht eine strukturelle Verstärkung notwendig) und die noch keine leichten Li-Al Legierungen einsetzen, dann wäre für die ESC-A ein Trockengewicht von 1.900 kg angemessen und für die ESC-B eines von 4.000 kg. Anders ausgedrückt: Eine ESC-A mit einem Stufendesign, dass die europäische Industrie noch vor 30 Jahren bei der Ariane 1 beherrschte, hätte eine GTO Nutzlast von 11.400 kg aufgewiesen. Damit wäre die ESC-B die genau diese Nutzlast aufweisen soll, weitgehend überflüssig und die Entwicklungskosten für diese Stufe könnten eingespart werden.

Hier eine Aufschlüsselung der Subsysteme der ESC-A Stufe. Es ist anzunehmen, dass dies auch für die ESC-B zutrifft:

1.980 kg Wasserstofftank
920 kg Stufenadapter zur EPC
350 kg Schubgerüst
220 kg Sauerstofftank
190 kg Stufentrennungs- und Beschleunigungsraketen
180 kg Intertankverbindung
170 kg HM-7B Triebwerk
535 kg Sonstiges / Kleinteile

Die Gesamtmasse beträgt 4.545 kg. Nach Zündung und Abwurf des Stufenadapters und der Vorbeschleunigungsraketen sind es noch 3.300 kg. Von dieser Masse entfällt 60% nur auf den Wasserstofftank. Die genaue Aufschlüsslung der Masse der ESC-B ist unbekannt, aber basierend auf den Daten der ESC-B und der bekannten Daten des Triebwerks und des Schubrahmens kann man zu folgendem kommen:

3.200 kg Wasserstofftank
350 kg Sauerstofftank
610 kg Triebwerk (bekannt)
179 kg Schubrahmen (bekannt)
920 kg Stufenadapter (analog ESC-A)
940 kg Stufentrennungsraketen, Sonstiges / Kleinteile

Vor allem ist es unverständlich das die ESA dieses schwere Design des ESC-B der Industrie akzeptiert, anstatt auf einem anderen zu bestehen. Eine Oberstufe die rund 2-3 t mehr wiegt als Konkurrenzexemplare mit einem modernen Triebwerk auszurüsten ist wie in einen Rennwagen Blei einzulagern und so die Leistung des Motors auf den eines Sportwagens zu reduzieren. Bei einer Konstruktion nach dem Stand der Technik, den US-Oberstufen aufweisen, wären mindestens 2.200 kg mehr Nutzlast möglich. Mit dem Einsatz von Druckstabilisierung oder Lithium-Aluminium Legierungen sogar 3.000 kg. Einige Hundert Kilo könnten hinzukommen, wenn die Elektronik in die Oberstufe integriert wird (die durch die sphärischen Tankdome genügend Platz an der Wand zur Verfügung stellt) und die VEB entfällt. Bei Umsetzung all dieser Punkte wäre für eine „optimierte Ariane 5 ECB“ bei Beibehaltung der EPC und EAP ohne Modifikationen eine Nutzlast von 14-15 t in den GTO Orbit möglich – genauso viel wie die Ariane 2010 Initiative erreichen will.

Hier einige Erläuterungen zu den US-Stufen:

Centaur G1 auf der Titan: Sie hat mit demselben Problem wie die Ariane 5 zu kämpfen: Die beiden Booster führen zu starken Treibstoffschwappen. Die Centaur G hat Edelstahltanks die Innendruckstabilisiert sind. Nur der LH2 Tank wurde im Durchmesser vergrößert. Die Stufe wurde in den achtziger Jahren konstruiert, die Centaur selbst ist noch älter (Design aus den frühen sechziger Jahren).

Die Delta IV Zweitstufe: Sie ist in Treibstoffzuladung, Abmessungen und Schub am ehesten mit der ESC-B vergleichbar, zudem setzt sie auch keine leichten Legierungen und hat nur ein Triebwerk, das jedoch 300 kg leichter ist. Bei fast gleicher Treibstoffzuladung ist diese Stufe aber um 2,8 t leichter. (Trockenmasse)

In der folgenden Tabelle habe ich auch die zweite Stufe der Ares I aufgeführt: Sie reduziert die Schwingungen des Shuttle SRB Boosters durch ein Dämpfungssystem und setzt die Li-Al Legierung 2195 ein und entspricht dem aktuellen Stand der Technik. Die Tabelle enthält die wesentlichen Daten der ESC-A und B verglichen mit einigen Stufen. Vergleiche können insbesondere mit der Ares I Core 2 und Centaur G1 gezogen werden. Beide werden auf Raketen mit großen Feststoffboostern eingesetzt und daher sind die Belastungen vergleichbar. Die Centaur G1 ist innendruckstabilisiert und die Core II der Ares I setzt die moderne Legierung AL 2195 ein.

760 kg könnten alleine durch Einsatz der Legierung Al 2195 für den Wasserstofftank eingespart werden, dem schwersten Teil der Stufe. Diese Legierung ist 5,5% leichter als die vorgesehene 2219 und dazu stärker belastbar, sodass insgesamt die Struktur 26% leichter werden wird. Inzwischen sieht auch die ESA die Nachteile sehr deutlich erkannt und überlegt ihre Position, zumal die ESC-B Entwicklung recht teuer wird: Die Planungen von 2001 gingen noch von 700 Millionen Euro bis 2006 aus. Natürlich hat das Einfrieren der Entwicklung diese verteuert, aber die nun geschätzten 1,5 Milliarden Euro erscheinen doch deutlich mehr als nur der Ausgleich der Inflationsrate zu sein. Dafür erhält man nur eine Oberstufe mit 1.500 kg mehr Nutzlast und nicht einmal die gewünschten 12 t in GTO die mal projektiert waren werden erreicht - trotz Schubsteigerung beim Vinci Triebwerk von 150 auf 180 kN und Vergrößerung der Treibstoffmenge von 21 auf 28 t. Die Diskussionen ob man überhaupt noch die ESC-B bauen sollte und nicht gleich zu der Ariane 6 übergehen sollte, ist auch an EADS Astrium nicht vorbeigegangen. Hieß es vor 2009 noch die ESC-B sollte 11,2 t transportieren, so war nun von 11,5 t die Rede und die letzten Meldungen sprechen von 12 t. Astrium will dies durch stärkeren Einsatz von CFK-Werkstoffen erreichen. Schon dies zeigt, dass das Design nicht optimal war. Es ist nicht so, dass man in Europa die Bauweise nicht beherrscht. Die EPC ist eine viel leichtere Konstruktion, innendruckstabilisiert. Doch sie wird anders als die ESC-B von Frankreich in Mureaux gebaut, die ESC-B dagegen von Deutschland von Astrium Bremen, die offensichtlich nachdem sie bisher nur kleine Stufen mit lagerfähigen Treibstoffen bauten mit dieser Aufgabe überfordert sind oder sich das nötige Wissen nicht aneignen wollen.

Neben den beiden Möglichkeiten der Innendruckstabilsierung und der Verwendung einer leichten Legierung gäbe es als weitere Optimierungsmöglichkeit noch die Möglichkeit die VEB einzusparen. Die VEB beinhaltet Elektronik, Batterien und Verniertriebwerke mit Treibstoff. Sie sitzt zwischen ESC-B und Nutzlast und überträgt so die Lasten mit auf die Stufe. Von dem Gesamtgewicht entfällt so sehr viel auf struktur. So og eine Ariane 5G VEB 1.400 kg, da sie noch die Kräfte der EPS-Stufe übertragen musste. Die Version für ATV Einsätze ist mit 1.900 kg sogar noch schwerer, weil das ARV mehr als doppelt so schwer wie die bisherige Maximalnutzlast ist, dagegen konnte ohne die EPS tragen zu müssen die Masse bei der Ariane 5 EC-A auf 950 kg gesenkt werden. Die Batterien, Elektronik und Treibstoffe machen nur einen kleinen Teil dieses Gewichtes aus. der Großteil ist Struktur, ein 0,9 m hoher 5,4 m Ring aus CFK-werkstoffen. Da man bei der ESC-B genügend Platz im Außenring über dem LH2-Tank hat könnte man die VEB dort integrieren, die Struktur einsparen und so weitre 400 kg herausholen.

 

Nicht gefährdet scheint der Einsatz des Vinci zu sein. Die ESA wünscht dieses Triebwerk wegen der Wiederzündbarkeit die für ATV Missionen notwendig ist. Es ist für die GTO Missionen der Ariane 5 nicht notwendig und selbst eine leichtgewichtige ESC-B Oberstufe würde nicht bei einem Einschuss in den GTO Orbit die Nutzlast vergrößern. Zudem besitzen heute alle Satelliten eigene Antriebe. Die Möglichkeit des GSO Transports bei der Proton und Atlas V/Delta IV wird nicht bei kommerziellen Kunden genutzt. das Vinci ist zudem vor die Ariane 6 Zweitstufe vorgesehen.


Kenndaten verschiedener Oberstufen


H10

Titan Centaur G1

Atlas V
Centaur (DEC)

Delta 3 Zweitstufe

Delta 4 Zweitstufe

ESC-A

Ares I Core 2

ESC-B

Startgewicht:

13.260 kg

23.923 kg

22.278 kg

19.078 kg

30.710 kg

18.000 kg

156.000 kg

34.450 kg

Trockengewicht:

1.360 kg

2.775 kg

2.106 kg

2.476 kg

3.490 kg

3.300 kg

17.500 kg

6.250 kg

Treibstoff:

11.900 kg

21.148 kg

20.172 kg

16.602 kg

27.220 kg

14.700 kg

138.500 kg

28.200 kg

Voll/Leermasseverhältnis

9,75

8,62

10,57

7,70

8,37

5,45

8,91

5,51

Triebwerke:

1 x HM-7B

2 x RL-10A-3-3A

2 x  RL-10A-4-2

1 x RL-10B

1 x RL-10B

1 x HM-7B

1 x J-2X

1 x Vinci

Schub:

1 x 64,8 kN

2 x 83,2 kN

2 x 99,2 kN

1 x 110 kN

1 x 110 kN

1 x 67 kN

1 x 1.309 kN

1 x 180 kN

Spez. Impuls:

4365 m/s

4402 m/s

4422 m/s

4532 m/s

4532 m/s

4374 m/s

4395 m/s

4560 m/s

ESC-B Varianten


ESC-B

nur LH2 Tank in Legierung 2195

ESC-B

Strukturgewicht der  Centaur G1

ESC-B
Strukturgewicht der H10, zusätzliche Vibrationsdämpfer im Stufenadapter
optimierte ESC-B
VEB Strukturgewicht eingespart
MT Proposal einer Stufe mit Vinci Triebwerk auf einer Kerosin Stufe
(enthält auch VEB)

ESC-B

Startgewicht:

33.680 kg

31.900 kg

31.400 kg

32.300 kg 28.600 kg

34.450 kg

Trockengewicht:

5.480 kg

3.700 kg

3.200 kg

4.100 kg 3.715 kg

6.250 kg

Treibstoff:

28.200 kg

28.200 kg

28.200 kg

28.200 kg

24.885 kg

28.200 kg

Voll/Leermasseverhältnis

6,14

8,62

9,75

7,87

7,69

5,51

Nutzlastgewinn:

830 kg

2.550 kg

2.950 kg

3.100 kg

-

keiner

GTO Nutzlast:

12.030 kg

13.750 kg

14.150 kg

14.300 kg -

11.200 kg

Wahrscheinlich werden die hochoptimierten Varianten nicht kommen. Auch ist nicht denkbar, dass die VEB eingespart wird die zur Hälfte nur aus Struktur besteht. Aber der Einsatz leichterer Legierungen beiden Tank, CFK Werkstoffe für die Strukturteile, die nicht kryogene Flüssigkeiten aufnehmen und den Stufenadapter, sollte möglich sein. Das müsste mindestens 1 t mehr Nutzlast bringen. Realistisch sind 1.200 bis 1.300 kg Gewichtsreduktion. Noch mehr wären durch eine zusätzliche Innendruckstabilisierung möglich. Diers reduziert die Wandstärken, erhöht die Steifigkeit und senkt die Tendenz zum Treibstoffschwappen.

Eine alternative Möglichkeit besteht in dem bei der Ares I installierten Vibrationsdämpfungssystem. Wenn dessen Gewicht proportional zum Gewicht der Oberstufe mit Nutzlast ist, so würde ein solches bei der Ariane 5 die Erststufe um 1920 kg schwerer zu machen. Wenn es die Stufe um mindestens 520 kg leichter macht, dann ist es ein Gewinn. Wäre so z.B. das Voll/Leermasseverhältnis der H10 Oberstufe erreichbar (9,14) so wäre auch dies lohnend. Sofern das System leichter wird gibt es weitere Vorteile. Bei der derzeitigen Konfiguration senkt eine Erhöhung der EPC Trockenmasse um 3,6 kg die Nutzlast um 1 kg, sodass das 1.920 kg schwere System bei einer Reduzierung der Trockenmasse um mehr als 680 kg sich lohnen würde.

Immerhin: MT Aerospace rechnet für eine Oberstufe mit dem Vinci Triebwerk auf einer LOX/Kerosin Oberstufe mit einer Trockenmasse von 3,7 t bei 24,9 t Treibstoffzuladung. Dabei hat diese Stufe sogar getrennte Tanks für LOX/LH2, anders als bei der ESC-B vorgesehen. Übertragen auf eine Treibstoffzuladung von 28,2 t wären dies 4,2 t, also immerhin 2 t weniger als bei der derzeitigem Variante. Da die VEB schon integriert sind, sind es sogar fast 3.000 kg. Wäre es also möglich diese Stufe auf der Ariane 5 einzusetzen (auch wenn dafür auf dem Stufenadapter ein schweres Vibrationsdämpfungssystem benötigt wird), so bringt dies effektiv sicher 2 t mehr Nutzlast.


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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