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In diesem Artikel geht es um lebende Fossilien. Es werden aber nicht die Arten vorgestellt, sondern es dreht sich um die Frage warum es Arten gibt, die sich scheinbar der Evolution "entzogen haben", indem sie sich seit Jahrmillionen nicht verändert haben. Gründe dafür sollen exemplarisch an einigen Arten beleuchtet werden. Es ist keine Aufzählung aller als lebenden Fossilien aufgeführten Arten, zumal es hier auch bei zahlreichen Arten keinen Konsens gibt.
Man bezeichnet als ein lebendes Fossil eine Art die sich über längere Zeiträume nicht verändert hat. Die Einteilung kann natürlich nur an der Morphologie - der äußeren Erscheinung orientieren. Selten wird mehr von einer Art überliefert, als Knochen oder Panzer. Doch da sich Arten im allgemeinen weiterentwickeln und dies ihren Körperbau verändert, kann man davon ausgehen, das Arten, die sich äußerlich kaum weiterentwickelt haben auch in ihrem Verhalten, Lebensraum und ihrer Nahrung nicht wesentlich verändert haben.
Wann eine Art als lebendes Fossil gilt, ist unterschiedlich. Arten verschiedener Gattungen haben unterschiedliche Zeiträume, in denen wir keine äußere Veränderung sehen, also annehmen können, dass es keine Mutation oder Evolution zu einer neuen Art gibt. Bei Muscheln beträgt die Lebensdauer einer Art z.B. ca. 80 Millionen Jahre, bei Säugetieren weniger als 8. Unsere Art gibt es erst seit 35.000 Jahren und in der letzten Million Jahren gab es vier (Haupt) Arten des Homo. Ein lebendes Fossil muss sich also im Vergleich zu anderen Arten derselben Gattung kaum weiterentwickelt haben. So ist das Schnabeltier ein lebendes Fossil, obgleich es im Vergleich mit anderen lebenden Fossilien sehr jung ist.
Schon Darwin hatte Probleme mit den lebenden Fossilien, die man damals schon kannte. Sie passten nicht so richtig in seine Evolutionstheorie, die von einer dauernden Anpassung an die Umwelt und der Weiterentwicklung der Arten ausging. Er erklärte dies damit das sie irgendwann so gut ihrem Lebensraum angepasst waren, das jede weitere Änderung eine Verschlechterung bedeutete.
Doch damals schon und erst recht mit weiteren Erkenntnissen über die Klimageschichte, war klar, das dies nur ein Teilaspekt sein konnte. Nehmen wir an, eine Art hat sich ideal an ihren Lebensraum angepasst - was ist daran falsch?
Nun Klimabedingungen sind auch ohne Katastrophen wie Einschläge von Asteroiden an der Kreide-Tertiärgrenze nicht konstant. In Mitteleuropa hat sich in der letzten Million Jahre dreimal das Klima extrem geändert - Von Klimabedingungen wie in Sibirien oder Nordnorwegen in einer Eiszeit (Tundra, ausgedehnte Nadelwälder mit Mammuten, Rentieren, Höhlenbären, Riesenhirschen) bis zu Warmzeiten in denen das Klima in etwa wie im Mittelmeerraum oder Nordafrika war. (warm, subtropisch. Mit Löwen, Elefanten, Nashörnern und Flamingos). Fauna und Flora haben sich parallel geändert.
Dies gilt nicht nur für einen kleinen Bereich sondern auch global - Schwankungen der Neigung der Erdachse und die Wanderung der Kontinente führten in der Erdvergangenheit zu enormen Änderungen des Klimas. Im Karbon war die gesamte Landmasse um den Äquator konzentriert und im subtropischen Klimabereich. Es gab riesige Wälder die wir heute als die enormen Kohlevorkommen wiederfinden und keine Eiskappen. In der Trias bildete sich ein einziger Riesenkontinent aus, der nur an den Küsten Wasser aufwies. Im Innern der Kontinente bildete sich eine riesige Wüste aus.
Das gilt auch für die Meeresgebiete. Die meisten Organismen leben nicht in der offenen See sondern an den Kontinentalschelfen: Die Kontinente sind von einer Stufe umgeben die langsam bis auf 200 m Tiefe abfällt. Hier bilden sich die Riffe, hier leben die meisten Tiere, jenseits der Schelfe fällt der Grund rapide, fast senkrecht ab, bis zu den Ozeanböden von durchschnittlich 4500 m Tiefe.
Durch Schwankungen der Polgebiete können diese Gebiete sehr ausgedehnt oder sehr klein sein. In der Kreide gab es keine Polkappen - Der entstandene Meeresspiegelanstieg führte zu Flachwassermeeren, die mitten durch Amerika liefen und ganz Europa bedeckten. Umgekehrt gab es im Miozän eine Polarkappe die bis Südafrika reichte - Diesen Extremen entsprechen Meeresspiegelschwankungen von 130 m.
Zudem geht die Evolution weiter: Andere Arten werden sich weiter entwickeln und mit der ideal angepassten Art um Nahrung konkurrieren oder sie als Beutetier nutzen. So entwickelte sich in Südamerika eine Beuteltierfauna, die stark dezimiert wurde, als Südamerika durch die noch heute bestehende Landbrücke mit Nordamerika verbunden wurde und von dort neue Räuber einwanderten. Ein anderes Beispiel, wo bis heute eine eigene Fauna existier ist Australien und auch auf isolierten Inseln konnten Organismen eigene Arten ausbilden, wenn sie von dem "Rest der Welt" abgeschnitten waren.
Eine Art die perfekt an ihren Lebensraum angepasst ist, hat also eine Problem wenn sich dieser ändert. Sie muss aussterben, oder wird verdrängt oder muss sich anpassen. Trotzdem scheinen einige Arten es geschafft zu haben diesen Veränderungen zu trotzen - warum?
Eine der ältesten lebenden Fossilien sind die Brachiopoden. Brachiopoden sind äußerlich Muscheln ähnlich, jedoch eine ganz andere Gattung. Sie besetzten aber im Paläozoikum vom Kambrium vor 570 Millionen Jahren, bis zum Ende des Perm alle Siedlungsgebiete die heute die Muscheln inne hatten. Obgleich es schon zum Ende des Paläozoikums Muscheln gab. Diese konnten die Brachiopoden jedoch nicht verdrängen sondern waren auf Gebiete beschränkt, die nicht sehr vorteilhaft waren, die Brandungszone mit Wechseln von Wasser und Luft oder Brackwassergebiete.
Am Ende des Perm vor 250 Millionen Jahren gab es das größte bekannte Massesterben - zirka 85-90 % aller damals existenten Arten starben aus. Die Ursache ist noch unbekannt, doch denkt man an ein katastrophales Ereignis wie einen Asteroideneinschlag.
Was passierte damals mit den Brachiopoden? Nun sie starben nicht aus, aber ihre Artenzahl wurde wie die anderer Gattungen drastisch reduziert. Davon betroffen waren auch ihre Konkurrenten die Muscheln, doch schafften diese es schneller die nun verwaisten Lebensräume neu zu besiedeln. Als die Brachiopoden sich erholten waren die meisten Nischen schon besetzt und nun mussten Sie in Brackwassergebiete ausweichen, wo sie heute noch vorkommen.
Es ist, als wären die Karten neu gemischt und sich erst dadurch neuere Arten durchgesetzt haben. Dies gibt es auch bei anderen Masseaussterbewellen: Die Säugetiere entwickelten sich zusammen mit den Dinosauriern, blieben aber über 120 Millionen Jahre vom Beginn des Juras bis zur Ende der Kreide nur eine Randgruppe im Ökosystem Erde. Die meisten Säugetiere waren nur rattengroß und kleine Räuber, während Dinosaurier sich in vielen Gattungen entwickelten und die beherrschenden Landtiere waren. Erst mit dem Aussterben zur Ende der Kreidezeit konnten die Säugetiere iden Lebensraum der Saurier einnehmen. Nun entwickelten sie bedingt durch viel mehr ökologische Nischen eine größere Arrtenfülle.
Der Nautilus ist ein Tintenfisch, der in einem Gehäuse lebt und in Meerestiefen von 300-900 m vorkommt. Er hat sich in den letzten 400 Millionen Jahren kaum verändert. Kennzeichnend für den Nautilus ist, das er langsam wächst. Er braucht etwa 20 Jahre um ausgewachsen zu sein und die 30-35 Kammern auszubilden die er im Innern hat. Anders als viele Meerestiere investiert er auch sehr viel Arbeit in seine Nachkommen: Er legt nur ein Dutzend Eier, die jedoch 2.5 cm groß sind. Es dauert über ein Jahr bis sich aus einem Nautilusei ein kleiner Tintenfisch bildet. Der Nautilus ist nicht schnell und er ist verwundbar - Fische können seinen Panzer knacken, weshalb er nur nachts an die Oberfläche schwimmt. Mit dem Aufkommen der echten Knochenfische im Devon mit kräftigen Kiefern wurde die Artenvielfalt der Nautiliten rapide verringert. Der heutige Nautilus hat überlebt, weil er in der Tiefe lebt, wo die räuberischen Fische selten sind.
Zum Vergleich: Ein Krake lebt etwa zwei Jahre und seine Brutzeit beträgt nur 25 bis 65 Tage.
Doch dies ist nur ein Teil der Medaille. Aus dem Nautilus hat sich die erfolgreichste Kopffüßlergattung entwickelt, die Ammoniten. Ammoniten haben es fertig gebracht, anstatt glatter Zwischenwände im Nautilusgehäuse, gewellte auszubilden. Dadurch konnten sie mit viel weniger Baumaterial die gleiche Steifigkeit ausbilden wie glatte Wände. Sie wuchsen dadurch schneller und bildeten wahrscheinlich wie die meisten Tintenfische auch sehr viele Eier aus, die sich schnell entwickelten - die beste Strategie im Meer zum Überleben. Ammoniten waren anders als die Nautiliten fähig, in den oberen planktonreicheren Flachwasserschichten zu überleben. Ammoniten bildeten sehr rasch sehr viele Gattungen aus, die auch mehrere Aussterbeereignisse überlebten. Seit dem Perm bis Ende der Kreide waren sie die häufigste Weichtiergattung in den Weltmeeren. Neuen Räubern begegneten sie mit immer neuen Tricks - dickeren Panzern oder Riesenwuchs bis 2-3 m Größe. Demgegenüber blieb der Nautilus auf die Tiefsee beschränkt, während seine modernen Nachfahren die Ammoniten sehr erfolgreich waren.
Doch die Ammoniten hatten kein Glück. Egal was sie auch machten: in der Oberkreide gab es immer mehr Räuber die ihnen nachstellten. Die Artenzahl ging rapide zurück. Das Aus kam dann durch den Einschlag eines Asteroiden. Er verwüstete auch die oberen Wasserschichten, die Nahrung fiel weg und die Ammoniten starben aus. Der Nautilus in den tieferen Schichten war davon weit weniger betroffen und die großen Eier mit ihrem Nährstoffvorrat gaben ihm 1 Jahr Zeit, bis sich das Ökosystem wenigstens teilweise erholt hat und die Jungen schlüpften. Demgegenüber kamen die Ammoniten nach einigen Wochen zur Welt - in einer Wüste ohne Nahrung.
Der Quastenflosser lebt heute nur in einem kleinen Gebiet der Erde: In unterirdischen Höhlen in 600 m Tiefe auf den Kommoren und bei Madagaskar. Eine zweite Art wurde 1997 in Indonesien entdeckt, hat sich aber vor 10 Millionen Jahren von der des Coelacanthiformes, der ersten 1938 entdeckten Art getrennt. Der Quastenflosser ist der letzte einer Gattung von Fischen aus denen sich wahrscheinlich die Amphibien entwickelt haben. Charakteristisch sind für den bis 1-2 m langen Fisch fleischige, dicke Flossenansätze, die Flossen sind quastenförmig, nicht Strahlenförmig und es gibt mehr einen Schwanz als eine ausgeprägte Schwanzflosse sowie ein schuppiger Panzer.
Quastenflosser waren im Devon vor mehr als 400-360 Millionen Jahren sehr häufig, wurden dann aber von den modernen Fischen nach und nach verdrängt. Die letzten fossilen Funde sind 100 Millionen Jahre alt, und so galten diese Fische bis 1938 ausgestorben.
Dann fing man einen Quastenflosser und seitdem fängt man sie gezielt. Seit 1989 gibt es durch Tauchfahrten auch Einblicke in ihren Lebensraum und ihre Lebensweise. Quastenflosser sind behäbige Tiere, die offensichtlich mit wenig Nahrung auskommen. Sie würden in einem Riff wohl keine Beute machen und selbst zur leichten Beute von Jägern werden. Sie haben überlebt, weil sie eine Nische bewohnen: Ein Höhlensystem in dem sie die einzigen größeren Räuber sind, das ihnen aber auch Zuflucht bietet. Andere Fische finden hier zu wenig Nahrung, denn das Wasser in den Höhlen unterhalb von 300 m Tiefe ist durch Regenwasser brackig und planktonarm. In wieweit sie auch in der offenen See vorkommen ist umstritten. Auf jeden Fall scheinen die Höhlen eine größere Population als die freie See zu beherbergen.
Der Quastenflosser hat überlebt, weil er eine Nische gefunden die einzigartig ist und die auf der ganzen Erde nur selten ist. Er ist beschränkt auf ein kleines geographisches Gebiet bei den Kommore und Madagaskar. Die Lebensräume der indonesischen Art sind noch kaum erforscht.
Wir finden diesen Fall sehr häufig bei lebenden Fossilien. So kommt der Ginko - Eine Nadelbaumart mit lappigen Blättern natürlich nur in unzugänglichen Tälern in China vor - und wäre dort auch schon ausgestorben, hätten die Chinesen ihn nicht als Tempelbaum kultiviert. Heute ist der Ginko ein beliebter Baum in den Parks überall auf der Erde. Allerdings nur männliche Exemplare, denn weibliche bilden übel riechende Früchte.
Blaualgen sind die wohl ältesten lebenden Fossilien. Sie erfanden vor 3500 Millionen Jahren die Photosynthese (noch ohne Sauerstoff) und entdeckten vor 2500 Millionen Jahren auch die Nutzung von Sauerstoff für die Photosynthese. Im Erdaltertum wahren sie die beherrschenden Organismen, bildeten den ersten Sauerstoff in der Atmosphäre. Durch ihr Alter - Bildung als die Erde noch unwirtlich war - kommen Blaualgen mit widrigen Bedingungen zurecht: Sie sind Pioneerorganismen, die sich in Regentonnen zuerst ansiedeln in Geysirseen leben oder in Salzseen Kolonien bilden. Doch Blaualgen wachsen langsam, bilden nur schleimige Überzüge und keine morphologisch getrennten Organe wie Spross, Blatt und Wurzel. Mit dem Aufkommen von größeren Beutetieren am Ende des Archaikums setzte vor 800-900 Millionen Jahren das Aussterben der Blaualgen ein. Sie sind heute beschränkt auf die Nischen in denen es keine größeren Beutetiere wie Schnecken oder Fische gibt die den Algenrasen abweiden oder eben als Pioniere vor allem anderen Organismen.
Dazu kommen viele lebende Fossilien, die sich auf geographisch isolierte Gebiete zurückgezogen haben. So die Brückenechse, der letzte Archaesaurier. Er lebt auf einer Insel nahe Neuseeland, wo er keine Konkurrenz hat. Archaesaurier waren die Reptiliengruppe, aus der sich auch die Dinosaurier entwickelten. Sie ist über 220 Millionen Jahre alt.
Als Grund für die Bildung lebender Fossilien gilt heute die stabilisierende Evolution: wenn sich die Umwelt nicht ändert, dann gibt es keinen "Evolutionsdruck". Die Evolution is ja nicht zielgerichtet, sondern eine Folge von Mutationen. Verändert sich die Umwelt kaum, dann sind diese Mutationen nicht von Vorteil und die Tiere die Mutationen aufweisen vermehren sich weniger als die anderen, die keine Mutationen haben - die Art verändert sich nicht. Verändern sich die Umweltbedingungen, so kann die mutation einen Selektionsvorteil bringen und diese Individuen haben größere Chancen zu überleben oder mehr Nachkommen durchzubringen - es gibt Veränderungen.
Ist eine Population extrem klein, wie wir es von den Quastenflossern annehmen, dann gibt es auch einen zweiten Aspekt: die genetische Vielfalt nimmt ab. Die Tiere paaren sich immer mehr untereinander und die Nachkommen haben nahezu dasselbe Erbgut, also auch ein ähnliches Aussehen. Allerdings ist es dann sehr oft der Fall, dass die Art dann ganz aussirbt.
© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.Sitemap | Kontakt | Neues | Impressum / Datenschutz | Hier werben / Your advertisment here | Buchshop | Bücher vom Autor |