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Apollo: Program alarm!

1202 AlarmMit diesen Worten begann ein Vorfall bei der Apollo 11 Landung, den ich in meiner kleinen Serie "40 Jahre erste Mondlandung" besser beleuchten will. Fangen wir mal an mit der Sicht, welche die Öffentlichkeit mitbekam. Hier der Mitschnitt der Kommunikation:

102:38:26 Armstrong: (With the slightest touch of urgency) Program Alarm.

102:38:28 Duke: It's looking good to us. Over.

102:38:30 Armstrong: (To Houston) It's a 1202.

102:38:32 Aldrin: 1202. (Pause)

102:38:42 Armstrong (on-board): (To Buzz) What is it? Let's incorporate (the landing radar data). (To Houston) Give us a reading on the 1202 Program Alarm.

Erst rund 10 Sekunden später bekam Armstrong die Antwort mit dem Abstieg weiter zu machen (genauer gesagt: Zu diesem Zeitpunkt steuert der LGC (Lunar Module Guidance Computer, allgemeine Bezeichnung, da er auch im Raumschiff vorkam: Apollo Guidance Computer AGC) noch voll automatisch, die Crew kontrollierte nur die Ausgaben und verglich sie mit Landepunkten die sie zu einer bestimmten Zeit überfliegen sollte).

102:38:53 Duke: Roger. We got you...(With some urgency in his voice) We're Go on that alarm.

Dieser Alarm taucht später nochmal auf:

102:42:19 Aldrin: Program Alarm. (Pause) 1201

102:42:24 Armstrong: 1201. (Pause) (On-board) Okay, 2000 at 50.

102:42:25 Duke: Roger. 1201 alarm. (Pause) We're Go. Same type. We're Go.

Als bei

102:43:15 Armstrong (on-board): I'm going to...

Armstrong die Steuerung mit dem Einrasten des Programms eines Modes von P66 auf semiautomatisch umstellt (nicht, wie immer behauptet wird, auf manuell - keine der Mondlandungen benutzte diesen Modus) verschwinden die Programmalarme. Dafür hat die Besatzung nun das Problem, dass sie ihren Landeplatz um 4 Meilen verpasst hat und einer mit Felsen übersäten Gegend herunter kommt und der Treibstoff langsam zu Ende geht.

Im offiziellen Postflight Report stehen fünf Vorkommnisse vermerkt, die Besatzung fragte natürlich nur je einmal pro Fehlertype nach und quittierte dann stillschweigend, weshalb in Spielfilmen bis heute maximal zwei Alarme auftauchen.

Zeitpunkt seit Start Ereignis
102:33:05 Zündung des Abstiegstriebwerks
102:38:22 1202 Alarm
102:39:02 1202 alarm
102:41:32 Übergang in Programm P64 mit erster Einflussnahme durch die Besatzung. Höhe 2400 m
102:42:18 1201 Alarm
102:42:43 1202 Alarm
102:42:58 1202 Alarm
102:43:22 Übergang in Programm P66 für den Endabstieg.. Höhe 150 m
102:45:40 Landung

Soviel zu dem Vorkommnis selber. Nun die Einschätzung aus dem Kontrollzentrum. Dort hatte Steve Bales die Einschätzung weiter zu machen an den Capcom weiter gegeben. Er hatte vor sich eine Karte, in der stand welche Programm Alarme einen Abbruch bedeuten und welche nicht, soweit die Erklärung. Der 1201 und 1202 Programmalarame bedeuteten eine Überlastung des Bordcomputers, der nun neu startete und nieder priorisierte Tasks verwarf, darunter die Anforderung von Aldrin den DeltaH Wert auszugeben, die letzte Aktion, die diesen Alarm auslöste.

Steve Bales hatte diese Tafel geschrieben, nachdem einen Monat vorher bei einem Training der Flugkontrolleure die Programmalarme durchgespielt worden waren und Gene Kranz bei einem 1201 Fehler den Abbruch der Mission anordnete - zu Unrecht, wie er später von den SimSups erfuhr. Simsups waren die Leute die die Simulation steuerten und simulierte Probleme und Fehler einbauten. Was ihn (wie er in seiner Autobiografie schreibt) besonders ärgerte ist, dass er, der so viel Wert auf Missionsregeln legt, eine der grundlegenden Regeln gebrochen hatte: Es musste neben dem Alarm als Ausgabe auch eine Abweichung geben - also die Kontrolle musste verloren sein oder etwas musste nicht mehr funktionieren, damit die Landung abgebrochen wird. Darauf hin gab es eine Revision der Regeln, die auch in die Bücher wanderte.

Steve Bales hatte durch seine zusätzlich angefertigte Karte den schnellsten Zugriff, und konnte so als erstes die Antwort geben. Man wusste also in der Flugkontrolle, dass dieser Alarm nicht kritisch war. Bei dem nun folgenden Vorkommen des Alarms bzw. des 1201 konnte die Missionskontrolle dann auch schnell durchgeben, das die Astronauten weiter machen konnten. Für sie war der Alarm dennoch ein Problem, denn nun tauchte diese Fehlernummer auf und nicht die normalen Ausgabedaten des Computers. erst wenn sie den Alarm bestätigten erschienen diese wieder. Zeitgleich gab im Jack Garman im "Trench". der Verbindung zu den Herstellern der Hardware in den hinteren Räumen die Ursache durch. Beim ersten Fehler war Garman schneller als Bales nachsehen konnte, doch bei den folgenden Aufrauschen hatte Bales die Karte zu Hand und gab sofort das "Go".

Was jedoch unklar war, war die Ursache. Nach der Landung bekam das MIT IL, welches den LGC und seine Software entwickelte, einige Anrufe von der NASA, die sicher gehen wollte, dass der Fehler nicht nach der Landung beim Rückstart auftrat. Es zeigte sich, dass die primäre Ursache war, dass das Rendezvous Radar von Buzz Aldrin aktiviert worden war. Aldrin wollte sicher gehen, dass es funktionieren würde, wenn er es im Falle eines Abbruchs brauchte und hatte dies auch vorher mit dem MIT geklärt. Die Vorgehensweise stand auch im Buch für die Abstiegsprozeduren. Doch anders als im Simulator, wo der Switch keine Bedeutung hatte, wurde nun das Radar aktiviert. Das verursachte an und für sich auch nicht das Problem. Das Landeradar war auch zusammen mit dem Computer getestet worden. Er musste eigentlich in dem gewählten Modus die Daten nicht verarbeiten, sondern nur auslesen. Das Problem war, dass anders als beim MIT wo dies getestet wurde, Radar und Computer an einer Stromversorgung hingen und die Phasen dieser nicht abgestimmt worden waren. Das dies ein Problem bedeuten konnte, war schon 1968 bemerkt, aber nicht korrigiert worden. Das führte dazu, dass ein Zählregister im LGC unkontrollierbar inkrementiert und dekrementiert wurden, als er versuchte die einkommenden Daten zu synchronisieren. Das verursachte 15 % zusätzliche Last. Der LGC war ausgelegt für 85 % Maximallast - nun war er bei 100 %. Eine weitere Anforderung konnte nun zu einer Überlastung führen. In diesem Falle war es Aldrins Anweisung den DELTAH Wert auszugeben.

Doch war die Mission gefährdet? Nein. Der LGC war so programmiert worden, dass eine BAILOUT Routine nun aktiv wurde. Sie startet ihn neu und er verwarf dabei alle niedrig priorisierten Tasks - Der LGC war für seine Zeit extrem modern in der Programmierung: Er hat eine Prioritätensystem, das dafür sorgte, dass er niedrige priorisierte Aktivitäten erst nach den wichtigen Berechnungen ausführte. Weiterhin war eine Anforderung der NASA gewesen, dass man ihn im laufenden Betrieb jederzeit neu starten konnte und er an den Stellen weiterarbeitete, an denen er vorher war - das machte beim Softwaredesign einige Probleme - aber hier bewährte es sich. Der LGC (im heutigen Sinne vergleichbar mit einem Microcontroller) startete im Bruchteil einer Sekunde neu. Die Besatzung merkte keinerlei Beeinflussung des Kontrollverhaltens. Nur die Anzeige von (nicht für die Landung relevanten) Daten fror kurz ein. Die wichtigsten Angaben wie Höhe, Winkel, Geschwindigkeit wurden laufend aktualisiert. Nun ja, eine Einschränkung gab es: Die DELTAH Anforderung von Aldrin wurde ignoriert. Die Bodenkontrolle übermittelte ihm nun die Werte. Sobald Armstrong die Handsteuerung übernahm und den semiautomatischen Modus aktivierte, ging die Arbeitslast des Computers zurück und es gab keine Überlastung mehr.

So war die Lösung relativ einfach: Beim Aufstieg musste das Rendezvous Radar nur in den aktiven Modus gestartet werden, bei dem der Bordcomputer die Daten verarbeitete. Bei diesem konnte der Synchronisationsfehler nicht auftreten. Folgende Missionen sollten dann auch eine Synchronisation der Phasen der Stromversorgung bekommen. Im Prinzip brauchte man es aber bei einer Landung nicht, sondern erst nach einem Abbruch und da man das CSM selbst dann erst nach einigen Minuten, je nach Position auch erst nach einem Orbit erreichte hätte es ausgereicht es erst nach einem Abbruch zu aktivieren, das Landeradar war dann ja funktionslos. Buzz Aldrin sagte dann in späteren Interviews in denen er auf den Vorfall angesprochen wurde, das wäre sein Fehler gewesen.

Die gesellschaftliche Bedeutung des Vorfalls ist aber das genaue Gegenteil dessen, was tatsächlich passierte: Steve Bales bekam zusammen mit den Astronauten einen Tapferkeitsorden (stellvertretend für die Flugleitung) weil er die Mission vor dem Scheitern bewahrte. In der Folge erscheinen viele Artikel welche das eingreifen von Menschen rühmten der die Mission rettete, während Computerfehlern sie fast zum Scheitern brachten. (Wahlweise Steve Bales oder Armstrong). Dabei ist nichts weiter von der Wirklichkeit entfernt. Bis heute hält sich diese  falschen Vorstellung. Richtig ist vielmehr:

Da ganze hatte gesellschaftlichen Einfluss. Als ich meine ersten Computererfahrungen machte galten "Computerfehler" noch aus beleibte Ausrede. So nach dem Motto: Computer sind fehleranfällig, fallen aus und sind blöd. Meine Erfahrung ist eine andere und als ich selbst eine Vorlesung in der Programmiersprache Delphi hielt, brachte ich meinen Studenten bei: "Der Computer macht nicht was Du denkst, sondern was Du programmierst" und "Wer Blödsinn programmiert wird Blödsinn bekommen".

Bücher vom Autor

Es gibt von mir vier Bücher zum Thema bemannte Raumfahrt. Alle Bücher beschäftigen vor allem mit der Technik, die Missionen kommen nicht zu kurz, stehen aber nicht wie bei anderen Büchern über bemannte Raumfahrt im Vordergrund.

Das erste bemannte Raumfahrtprogramm der USA, das Mercuryprogramm begann schon vor Gründung der NASA und jährt sich 2018 zum 60-sten Mal. Das war für mich der Anlass, ein umfangreiches (368 Seiten) langes Buch zu schreiben, das alle Aspekte dieses Programms abdeckt. Der Bogen ist daher breit gestreut. Es beginnt mit der Geschichte der bemannten Raumfahrt in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg. Es kommt dann eine ausführliche technische Beschreibung des Raumschiffs (vor 1962: Kapsel). Dem schließt sich ein analoges Kapitel über die Technik der eingesetzten Träger Redstone, Little Joe und Atlas an. Ein Blick auf Wostok und ein Vergleich Mercury bildet das dritte Kapitel. Der menschliche Faktor - die Astronautenauswahl, das Training aber auch das Schicksal nach den Mercurymissionen bildet das fünfte Kapitel. Das sechs befasst sich mit der Infrastruktur wie Mercurykontrollzentrum, Tracking-Netzwerk und Trainern. Das umfangreichste Kapitel, das fast ein Drittel des Buchs ausmacht sind natürlich die Missionsbeschreibungen. Abgeschlossen wird das Buch durch eine Nachbetrachtung und einen Vergleich mit dem laufenden CCDev Programm. Dazu kommt wie in jedem meiner Bücher ein Abkürzungsverzeichnis, Literaturverzeichnis und empfehlenswerte Literatur. Mit 368 Seiten, rund 50 Tabellen und 120 Abbildungen ist es das bisher umfangreichste Buch von mir über bemannte Raumfahrt.

Mein erstes Buch, Das Gemini Programm: Technik und Geschichte gibt es mittlerweile in der dritten, erweiterten Auflage. "erweitert" bezieht sich auf die erste Auflage die nur 68 Seiten stark war. Trotzdem ist mit 144 Seiten die dritte Auflage immer noch kompakt. Sie enthält trotzdem das wichtigste über das Programm, eine Kurzbeschreibung aller Missionen und einen Ausblick auf die Pläne mit Gemini Raumschiffen den Mond zu umrunden und für eine militärische Nutzung im Rahmen des "Blue Gemini" und MOL Programms. Es ist für alle zu empfehlen die sich kurz und kompakt über dieses heute weitgehend verdrängte Programm informieren wollen.

Mein zweites Buch, Das ATV und die Versorgung der ISS: Die Versorgungssysteme der Raumstation , das ebenfalls in einer aktualisierten und erweiterten Auflage erschienen ist, beschäftigt sich mit einem sehr speziellen Thema: Der Versorgung des Raumstation, besonders mit dem europäischen Beitrag dem ATV. Dieser Transporter ist nicht nur das größte jemals in Europa gebaute Raumschiff (und der leistungsfähigste Versorger der ISS), es ist auch ein technisch anspruchsvolles und das vielseitigste Transportfahrzeug. Darüber hinaus werden die anderen Versorgungsschiffe (Space Shuttle/MPLM, Sojus, Progress, HTV, Cygnus und Dragon besprochen. Die erfolgreiche Mission des ersten ATV Jules Verne wird nochmals lebendig und ein Ausblick auf die folgenden wird gegeben. Den Abschluss bildet ein Kapitel über Ausbaupläne und Möglichkeiten des Raumfrachters bis hin zu einem eigenständigen Zugang zum Weltraum. Die dritte und finale Auflage enthält nun die Details aller Flüge der fünf gestarteten ATV.

Das Buch Die ISS: Geschichte und Technik der Internationalen Raumstation ist eine kompakte Einführung in die ISS. Es wird sowohl die Geschichte der Raumstation wie auch die einzelnen Module besprochen. Wie der Titel verrät liegt das Hauptaugenmerk auf der Technik. Die Funktion jedes Moduls wird erläutert. Zahlreiche Tabellen nehmen die technischen Daten auf. Besonderes Augenmerk liegt auf den Problemen bei den Aufbau der ISS. Den ausufernden Kosten, den Folgen der Columbia Katastrophe und der Einstellungsbeschluss unter der Präsidentschaft von George W. Bush. Angerissen werden die vorhandenen und geplanten Transportsysteme und die Forschung an Bord der Station.

Durch die Beschränkung auf den Technischen und geschichtlichen Aspekt ist ein Buch entstanden, das kompakt und trotzdem kompetent über die ISS informiert und einen preiswerten Einstieg in die Materie. Zusammen mit dem Buch über das ATV gewinnt der Leser einen guten Überblick über die heutige Situation der ISS vor allem im Hinblick auf die noch offene Versorgungsproblematik.

Die zweite Auflage ist rund 80 Seiten dicker als die erste und enthält eine kurze Geschichte der Raumstationen, die wesentlichen Ereignisse von 2010 bis 2015, eine eingehendere Diskussion über die Forschung und Sinn und Zweck der Raumstation sowie ein ausführliches Kapitel über die Versorgungsraumschiffe zusätzlich.

Das bisher letzte Buch Skylab: Amerikas einzige Raumstation ist mein bisher umfangreichstes im Themenbereich bemannte Raumfahrt. Die Raumstation wurde als einziges vieler ambitioniertes Apollonachfolgeprojekte umgesetzt. Beschrieben wird im Detail ihre Projektgeschichte, den Aufbau der Module und die durchgeführten Experimente. Die Missionen und die Dramatik der Rettung werden nochmals lebendig, genauso wie die Bemühungen die Raumstation Ende der siebziger Jahre vor dem Verglühen zu bewahren und die Bestrebungen sie nicht über Land niedergehen zu lasen. Abgerundet wird das Buch mit den Plänen für das zweite Flugexemplar Skylab B und ein Vergleich mit der Architektur der ISS. Es ist mein umfangreichstes Buch zum Thema bemannte Raumfahrt. Im Mai 2016 erschien es nach Auslaufen des Erstvertrages neu, der Inhalt ist derselbe (es gab seitdem keine neuen Erkenntnisse über die Station), aber es ist durch gesunkene Druckkosten 5 Euro billiger.

Mehr über diese und andere Bücher von mir zum Thema Raumfahrt finden sie auf der Website Raumfahrtbücher.de. Dort werden sie auch über Neuerscheinungen informiert. Die Bücher kann man auch direkt beim Verlag bestellen. Der Versand ist kostenlos und wenn sie dies tun erhält der Autor auch noch eine etwas höhere Marge. Sie erhalten dort auch die jeweils aktuelle Version, Bei Amazon und Co tummeln sich auch die Vorauflagen.


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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