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Technische Spinnereien: Bumerang Sonden

Einleitung

So, heute mal wieder eine kurzweilige "technische Spinnerei". In Zeiten knapper Budgets wäre es interessant eine Raumsonde zu konstruieren die billig ist. Nun was ist teuer an einer Raumsonde?

Ich habe mir mal überlegt wie man eine Raumsonde - mit begrenzten Aufgaben - billig bauen könnte und bin auf folgende Idee gekommen (Rechenbeispiel für die NASA)

Ziel sollen die größeren Asteroiden sein z.B. Pallas (532 km), Hygia (407 km) oder Europa (307 km). Geplant ist nur eine Vorbeiflugmission. Da die Raumsonde klein sein wird wird auch die Antenne klein sein und die Sendeleistung. Um nun Kosten zu sparen und das Deep Space Network kaum in Anspruch zu nehmen habe ich mir einen Trick überlegt: Die Sonden werden auf Umlaufbahnen mit 2, 2,5 und 3 Jahren Umlaufszeit gebracht. Diese führen natürlicherweise nach zwei, fünf und drei Jahren zur Erde zurück. Wenn sie die Erde passieren, sind sie einige Tage bis Wochen in geringer Distanz und können die Daten mit hoher Datenrate übertragen. Asteroiden sind die letzten Himmelskörper, die noch nicht genauer untersucht sind und nur bei ihnen würden Vorbeiflugsonden neue Erkenntnisse bringen. Auf der anderen Seite gibt es nicht die Rechtfertigung für viele Orbiter zu den Asteroiden. Bisher gab es nur zwei Orbiter: Dawn und Near. Alle anderen wurden durch Vorbeiflüge untersucht, die allerdings nicht auf schnelle Datenaufnahme optimiert wurden. Hajabusa machte auch Untersuchungen, gewann aber vorwiegend Bodenproben. Für einen Vorbeiflug sind große Objekte (lange Beobachtungszeiten) besser als kleine schneller erreichbare erdnahe Objekte. Daher habe ich als Ziele die größten Asteroiden des Hauptgürtels herausgesucht, die noch nicht untersucht wurden.

Damit ist auch das Delta-V bekannt:

2 Jahre Umlaufbahn: Aphel in 325 Millionen Kilometer Entfernung, Startgeschwindigkeit 12146 m/s, 1918 m/s über GTO

2,5 Jahre Umlaufbahn: Aphel in 401 Millionen Kilometer Entfernung, Startgeschwindigkeit 12639 m/s, 2411 m/s über GTO

3 Jahre Umlaufbahn: Aphel in 443 Millionen Kilometer Entfernung, Startgeschwindigkeit 13025 m/s, 2797 m/s über GTO

Die erste Bahn erlaubt es alle Asteroiden zu erreichen, die ein Perihel von mindestens 2.172 AE haben, die zweite von 2,680 AE und die dritte alle Asteroiden mit 3.161 AE Entfernung. Das wären z.B

Pallas (2.132 AE), Hygia (2,776 AE), Europa (2.767 AE). Dies sind nur die drei größten Planetoiden. Daneben haben unter den 500 erstentdeckten Asteroiden 13 einen Durchmesser von größer als 200 km, die sich als Ziel eignen.

Sondenaufbau

Der ESPA-Ring setzte die Dimensionen der Raumsonde fest. Sie dürfen maximal 610 x 710 x 970 mm groß sein. Das Gewicht ist auf 180 kg beschränkt. Die meiste Masse dürfte auf den Antrieb entfallen. Bei dieser kleinen Masse reicht schon ein 220 oder 400 N Satellitenapogäumsmotor als Antrieb. Allerdings steigt die Effizienz bei höherem Schub an. Das Problem ist, das bei nur geringer Treibstoffzuladung ein Antrieb mit flüssigen Treibstoffen eine hohe Leermasse aufweist. Einsparen könnte man eine Druckgasflasche, indem man den Tank schon vor dem Start auf Flugdruck setzt und nur halb befüllt. Die Zündung würde sowieso bald nach dem Start (idealerweise beim ersten Durchlaufen des Perigäums erfolgen) und wäre die einzige während der Mission. Dimensioniert man die Tanks doppelt so groß wie nötig so fällt der Druck zum Brennschluss auf die Hälfte ab, aber immer noch auf ein Niveau das hoch genug ist. Trotzdem wiegen alleine die Tanks für maximal 37 kg MMH und 70 kg NTO 12,8 kg (zweimal 104 l Tank). Ein 440 N Antrieb addiert weitere 4,4 kg. Ein 637 N Antrieb mit bessere Performance 5,4 kg. Dazu kämen noch Leitungen und das Druckgas (1,5 kg), insgesamt sicher 20 kg. Das ist bei 107 kg Treibstoffzuladung recht viel. Somit bleibt im Worst Case (höchste Geschwindigkeit) noch 55 kg Nutzlast (=Raumsonde ohne Antrieb)

Eine Alternative wäre ein feststoffantrieb. Ein Star 17A Antrieb mit 112,26 kg Treibstoffzuladung wäre für eine maximale Geschwindigkeitsänderung von 2772 m/s ausreichend. Den Rest könnten die eigenen Triebwerke aufbringen. Durch Propellant Off-loading wäre er an die Geschwindigkeit anpassbar. Der Star 17A wiegt 126,2 kg. Das lässt noch 53,8 kg Nutzlast im Worst Case (3 Jashresumlaufbahn)

Hier ein vergleich beider Alternativen

Bahn Aerojet AMBR 623 N Antrieb Star 17A
2 Jahre Bahn 79 kg Nutzlast 76 kg
2,5 Jahre Bahn 65 kg Nutzlast 61 kg
3 Jahre Bahn 55 kg Nutzlast 53 kg Nutzlast

Die beiden Lösungen liegen dicht beieinander. Für den Apogäumsantrieb spricht, dass man etwas mehr Hydrazin als benötigt zuladen kann und dieses dann für kleine Kurskorrekturen nutzen kann, sonst braucht man einen zweiten Tank dafür. Für den Feststoffantrieb spricht, das er wahrscheinlich günstiger ist.

Die eigentliche Raumsonde darf nur noch rund 50 bis 75 kg wiegen, so wird auch die instrumentelle Nutzlast begrenzt sein. Eine mögliche Ausstattung wäre ein Kombinationsinstrument: eine Kamera mit Vis/IR Spektrometer, an einem gemeinsamen Teleskop. Ein Strahlteiler lenkt dabei einen Teil des Lichts zum Spektrometer. Als Vorbild für die Leichtbauweise können existierende Instrumente dienen. Die Kamera LORRI wiegt bei New Horizons rund 5,6 kg, hat aber keinen Shutter und keine Filter. Beides zum Gewicht addiert, sowie das Spektrometer und man ist bei etwa 8 kg. Diese Kamera kann wenn sie beugungsbegrenzte Detektoren einsetzt, aus 100.000 km Entfernung rund 300 m große Details abbilden.

Bei eisenhaltigen Asteroiden wäre ein Magnetometer sinnvoll. Dessen Sensoren sind leicht und wiegen unter einem Kilogramm. Andere mögliche leichtgewichtige Sesnoren könnten geladene Teilchen detektieren, und ihre Wechselwirkung mit dem Planetoiden. Die gesamte Instrumentierung wird maximal 10 kg wiegen. Zur Stromversorgung können zwei Solarpanels dienen. Bei der kleinen Sonde können sie aber im sonnenfernsten Punkt nicht ausreichen die komplette Stromversorgung zu sichern. Bei 300 Watt Strombedarf, 3,161 AE Maximaldistanz und Ga-As Zellen würden die Panels mit 29% Wirkungsgrad eine Fläche von 7,5 m² aufweisen. Das wiegt  selbst bei den leichtesten verfügbaren Zellen noch 25 kg. Sinnvoll ist daher ein Herunterstrippen des Strombedarfes. Juno hat z.B. nur eine Leistung von 140 Watt für die Experimente verfügbar, der Rest wird für die Heizung benötigt. Diese ist bei diesen Minisonden geringer, weil die Sonde nicht so weit ins All gelangt und kleiner ist. Hier sind kleine RHU-Elemente eine bessere Lösung. Sinnvoll ist es einen Strombedarf von 100 Watt über Solarzellen zu decken und für den Spitzenstrombedarf beim Vorbeiflug eine Batterie einzusetzen. Bei der 2,5 Jahresmission ist die Stromausbeute wegen des geringeren Abstandes um 39% höher und bei der 2 Jahresmission um 115% höher. Das erlaubt es bei diesen Missionen nur mit soalrer Energieversorgung auszukommen.

Bei der Kommunikation ist weder der Platz für eine große Antenne verfügbar, noch ist der Strom für starke Sender vorhanden bzw. starke Sender und große Antennen wären zu schwer. Zudem bräuchte man dann sehr lange das Deep Space Network, was die Mission stark verteuert. Eine 0,50 m große Parabolantenne und ein 5 Watt Sender könnten aus 320 Millionen km maximal 3 kbit/s zu einer der 35 m DSN Antennen senden. Sinnvollerweise nutzt man sie nur zum Übertragen von Telemetrie und stark komprimierten Vorausschaudaten. Für die Telemetrie reicht dann auch eine Empfangsantenne von 12 oder 26 m Größe. Das senkt die Kosten. Da die Sonde nach einem Umlauf (zwei Umläufen bei der 2,5 Jahresmission) sich wieder der Erde nähert ist es sinnvoller die Daten zwischenzuspeichern und dann erst übertragen. Nähert sie sich allerdings auf 6 Millionen km, so beträgt die Datenrate fast 8 Mbit. Fängt man nun erst an zu senden und stoppt in 2 Millionen km Entfernung (Datenrate dann 74 Mbit/s) so kann man in 4 Tagen bei kontinuierlichem Kontakt den Inhalt einer 1 Terabyte SSD übertragen. Bei 6 Stunden Sendezeit pro Tag ist es entsprechend weniger.

Zum Datenspeichern sollte man herkömmliche SSD einsetzen. Deren Kapazität ist mehr als ausreichend. Heute (Ende 2013) verfügbar sind SSD mit bis zu 1 TByte Kapazität. Bei 4 SATA Ports und Mirroring sowie 50% Extrakapazität für ausgefallene Blöcke und Fehlerkorrekturinformationen könnte man 1 Terabyte speichern. Benötigt werden erheblich weniger. Das zeigt ein Rechenbeispiel.

Bei der Annäherung an Pallas, dem größten Vertreter der Liste, auf einer 2 Jahresbahn mit einer verhältnismäßige niedrigen Relativgeschwindigkeit von 6,4 km/s dauert es von dem Zeitpunkt in dem Pallas 200 Pixel groß ist (üblicherweise als Grenze für den Beginn der Beobachtungen gesetzt) bis zum Vorbeiflug maximal 130.000 s. Doch den größten Teil der Zeit verändert sich wenig. Bei einem KAF-16081 Sensor mit 16 MPixeln wäre Pallas erst 6500 s vor der Ankunft bildfüllend. Vorher reicht ein Bild des Asteroiden im regelmäßigem Abstand um die Oberfläche abzubilden. Die Rotationsperiode von Pallas beträgt 7,8 Stunden. 4 Stunden vor dem Vorbeiflug (in 90.000 km Entfernung und 1100 km Bildgröße) sieht man die bei dem Vorbeiflug abgewandte Seite. Vorher sind alle Aufnahmen redundant.

Der KAF-16081 kann ein Bild in 0,2 s auslesen. Wenn Pallas in 6580 s das Bild komplett ausfüllt und man 12 Filter einsetzt, so hat man in 2,4 s je ein Bild durch jeden Filter gemacht. In 3950 km braucht man 4 Aufnahmen (20% Überlappung) die nun schon 0,8 s zum Auslesen brauchen. Es sind nun noch 617 s bis zur Passage. Das bedeutet die Daten werden in sehr kurzer Zeit gewonnen. Basierend auf diesem Chip habe ich eine Simulation gemacht, wenn das Datensubsystem die ganzen Daten ohne Verzögerung aufnehmen kann (Datenrate 120 MByte/s):

Teleskopbrennweite: 3102,00 mm
CCD Größe 4096 x 4096 Pixel
CCD Größe 36,7 x 36,7 mm
CCD Größe 0,68 x 0,68 Grad
Datenmenge 192,00 Mbit/Bild
Aufzeichnungszeit Massenspeicher 0,2 sec
zurückgelegte Strecke/Bild 1,25 km

Vor dem Vorbeiflug, Phase 1,00
Erfasste Fläche 0,25 Mill km²
1530 Bilder
Minimale Entfernung 501,25 km
Bildgröße dann 5,93 x 5,93 km
Auflösung dann 0,00 x 0,00 km
50 Prozent der Fläche erfasst bei 1920,00 km
Bildgröße dann 22,70 x 22,70 km
Auflösung dann 0,01 x 0,01 km
Fläche komplett erfasst bei 2412,50 km
Bildgröße dann 28,52 x 28,52 km
Auflösung dann 0,01 x 0,01 km
Verbleibender Massenspeicher 7898240 MBit

Die 1530 Bilder belegen bei 24 MByte pro Bild gerade mal 36.72 GByte wenn sie unkomprimiert gespeichert werden. So ist realistischerweise mit zusätzlichen Daten vor dem Vorbeilug und vom Spektrometer mit einer Datenmenge von 100-200 GByte zu rechnen, die ohne Probleme in wenigen Tagen in erdnaher Distanz übertragen werden kann.

Was man gewinnt ist eine Karte eines weiteren Asteroiden. Zusammen mit den spektroskopischen Daten auch genaue Informationen über seine Zusammensetzung. Das kann eine Kartierungsmission wie Dawn nicht ersetzen, auf der anderen Seite vergrößert das Teleskop auch stärker als bei Dawn. Es hat eine 30-mal höhere Auflösung, das heißt es macht aus 6000 km die Aufnahmen die Dawn aus ihrem 200 km Orbit anfertigen konnte - so gesehen ist der Verlust gering.

Ohne hohe Missionskosten und ohne Startkosten (Start asl Sekundärnutzlast) sollte eine solche Sonde deutlich billiger als bisherige Raumsonden fertigbar sein, speziell wenn man mehrere baut und zu unterschiedlichen Zielen schickt. Ich denke für 50 Millionen Dollar sollte die Mission möglich sein, das ist nur ein Zehntel dessen was heute eine "Discovery Class Mission" kostet. Wenn die Raumsonde die erde passiert kann man den Vorbeiflug nutzen sie erneut zu einem Ziel umzulenken. Das ist nicht einfach, weil wegen der Strategie das die Umlaufszeit ein vielfaches der Erdumlaufszeit sein muss nicht einfach, aber versuchen kann man es - es kostet ja nur wenig.

Allerdings gibt es einige Herausforderungen an die Leichtbauweise. Ein Start mit der Ariane 5 (Höchstmasse beim ASAP-5 Ring: 300 kg, mithin 50% höhere Sondenmasse) wäre vorteilhaft. Andrew Space arbeitet an einem erweiterten ESPA-Ring der ebenfalls 300 kg aufnehmen soll. Damit sinkt auch das Leergewicht beim Antrieb, da das Triebwerk gleich schwer bleibt. Mit einem Star-24 Antrieb steigt bei 300 kg Startmasse die Sondenmasse so von minimal 53 auf 82,6 kg. Bei  dem kleinsten Geschwindigkeitsbedarf sind es sogar 133,4 kg. Damit ist man in einem Bereich in der schon heute kleine Satelliten liegen.


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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