Nachdem ich mich in den ersten beiden Teilen damit auseinandergesetzt habe, dass es wahrscheinlich nicht möglich sein wird, die Atmosphäre soweit umzugestalten, dass der Mars bewohnbar wird und er dann auch noch recht wenig Wasser für ein gemäßigtes Klima hat, will ich heute noch einige Dinge ansprechen, die genauso wichtig sind.
Mars ist ein kleiner Planet, nahe Jupiter, und er hat noch kleinere Monde. Dies hat zwei Folgen. Zum einen stört die Anziehungskraft von Jupiter seine Umlaufbahn. Die Exzentrizität schwankt. Es gibt einen Zyklus, der eine Periode von 1,7 Millionen Jahre hat. Dazu kommt ein zweiter Zyklus. Mit einer Periode von 2,5 Millionen Jahren schwankt die Neigung der Rotationsachse. Unser Mond stabilisiert die Neigung der Rotationsachse der Erde. Die kleinen Marsmonde können dies nicht.
Heute hat der Mars eine Bahn mit einer Neigung von 1,85 Grad zur Ekliptik mit einer Exzentrizität von 0,0935. Innerhalb des ersten Zyklus kann die Bahnneigung zwischen 0 und 8 Grad schwanken und die Exzentrizität zwischen 0 und 0,12. Die Neigung der Rotationsachse zur Bahnebene beträgt heute 25,3 Grad. Hier sind die Schwankungen noch höher, mit Extremwerten von 0 bis 80 Grad. Überlagert sind diese langfristigen Perioden mit kleineren Schwankungen mit einer Periode von rund 50.000 Jahren. So kommt es dazu, dass bei günstiger Kombination beider Parameter alle paar Millionen Jahre eine Hemisphäre über Monate von der Sonne beschienen wird und gleichzeitig der Mars für diese Zeit nahe der Sonne ist. Das führt dazu, dass kurzfristig die Temperaturen soweit ansteigen, dass der Permafrost auftaut. Das freiwerdende Wasser bildet zusammen mit dem Boden Schlamm. Wird die Polkappe beschienen, verdampft das Kohlendioxideis und die Atmosphäre wird dichter. Das hebt den Sublimationspunkt von Wasser weiter an und steigert den Treibhauseffekt. Es gibt Überflutungen und Sedimentablagerungen. Erreicht der Mars das Aphel, so sinken die Temperaturen und das Wasser friert wieder aus. Damit können jüngere Überflutungsereignisse erklärt werden. (Bild links von: "A 1 Gyr climate model for Mars: new orbital statistics and the importance of seasonally resolved polar processes").
Für das Leben hätte dies gravierende Folgen. Es würde heißen, dass sich die Jahreszeiten und die Gebiete mit gemäßigtem Klima innerhalb von wenigen Millionen Jahren drastisch ändern. Im Extremfall (Neigung der Rotationsachse 80°, Exzentrizität 0,12, ist es so, dass die Pole und die polnahen Gebiete für ein halbes Marsjahr lang "Polartag" haben, also die Sonne nie untergeht. Der andere Pol liegt dagegen über diese Zeit im Schatten, diese Situation ist mit Uranus vergleichbar, der auch eine Neigung von 98° hat (entspricht 82° zur Senkrechten). Durch die hohe Exzentrizität nähert sich dieser eine Pol dann der Sonne auf 200 Millionen km, während der andere Pol, wenn er von der Sonne beschienen wird, 256 Millionen km von der Sonne entfernt ist. Es ist schwer vorstellbar, wie diese eine Zivilisation meistern kann. Am Pol im Schatten müssten die Temperaturen weit unterhalb der Werte in der Antarktis sinken. Wenn man vorher nur gemäßigtes Klima am Äquator hat, dann müsste am Pol, der der Sonne ausgesetzt ist, die Temperaturen auf das Niveau in Wüstengebieten steigen (die Aufschmelzvorgänge, die wir kennen bedingen, dass die Temperaturen um mindestens 55°C höher liegen als heute und diese kommen anscheinend regelmäßig vor). Schon jetzt sind die Jahreszeiten auf dem Mars sehr viel ausgeprägter als auf der Erde. Heute schwankt sogar durch das Ausfrieren der Atmosphäre der Luftdruck um 25%% (7-9 mbar am Viking 1 Landeplatz). Diese Schwankungen werden bei noch größerer Exzentrizität noch größer sein, schließlich erhält der Mars bei einer Exzentrizität von 0,12 im Aphel nur nur 62% der Energie des Perihels. (Auf der Erde betragen die Schwankungen nur 6,3% - dies bewirkt, dass die Sommer und Winter auf der Südhalbkugel etwas extremere Temperaturen haben, da die Erde am 3. Januar den sonnennächsten Punkt (Perihel) durchläuft).
Problem Nummer zwei ist das fehlende Magnetfeld. Die Erde hat einen flüssigen Erdkern, der durch die Gezeitenkräfte unseres Mondes flüssig gehalten wird. Er bewirkt Strömungen, Reibung und damit eine Verflüssigung und durch die Strömungen auch ein Magnetfeld. Das Magnetfeld lenkt geladene Teilchen wie die von der Sonne ausgehenden Protonen und Elektronen, den Sonnenwind um. Über den Polen, wo es sich öffnet da hier die Magnetfeldlinien senkrecht zur Oberfläche sind, können die Teilchen eindringen und sie werden dann in zwei Strahlungsgürteln (einen für Elektronen und einen für Protonen) gesammelt. Das Erdmagnetfeld schirmt uns aber auch vor kosmischer Strahlung von Galaxien und stellaren Quellen (Supernovae) ab. Das fehlende Magnetfeld kann praktisch nicht kompensiert werden. Die Atmosphäre schirmt zusätzlich ab, sodass die Strahlenbelastung auf der ISS höher als auf der Erde ist, verlässt man jedoch einen Erdorbit so steigt sie stark an. Wenn selbst die NASA, also nicht gerade fanatische Mars-Expeditionsbefürworter davon spricht, dass Astronauten zum Mars ihre Familienplanung abgeschlossen haben sollten und im mittleren Alter sein sollten, (wegen den zu erwartenden Genveränderungen und der Cancerogenität der Strahlung), dann dürfte klar sein, dass wir niemals auf dem Mars so leben, können wir auf der Erde, also ohne Schutz. Natürlich ist auch so keine Landwirtschaft möglich, denn auch bei den Pflanzen und Tieren würden bald Mutationen auftreten. Wenige Generationen auf dem Mars und die über Jahrtausende gezüchteten Kulturpflanzen wären nicht mehr wiederzuerkennen.
Das zweite ist, ob die Atmosphäre des Mars und damit auch die Bedingung, dass man überhaupt auf der Oberfläche leben kann, von Bestand ist. Darüber wissen wir zu wenig. Schon die Verlustrate der heutigen Atmosphäre ist unbekannt. Schätzungen aufgrund von Messungen der Ionen im Weltraum gehen weit auseinander. Eine Extrapolation von den jetzigen 6,1 mb Bodendruck auf 200 mb wie sie bei einer reinen Sauerstoffatmosphäre vorliegt sind daher eher spekulativ. Die Problematik ist folgende: Der Mars hat eine Fluchtgeschwindigkeit von 5 km/s, vergleichen mit 11 km/s bei Erde und Venus. Gase haben bei einer bestimmten Temperatur eine bestimmte mittlere Geschwindigkeit. Bei der Atmosphäre des Mars liegt diese im Mittel unter 1 km/s. Doch das ist nur die mittlere Geschwindigkeit. Ein kleiner Teil der Moleküle ist schneller und kann die Atmosphäre verlassen. Auf der Erde sind dies Wasserstoff und Helium. Beim Mars alle Gase. Das ist der Grund, warum die Atmosphäre so dünn ist und warum sie kaum Stickstoff enthält: Er ist mit Atommasse 28 noch leichter als das Kohlendioxid und leichte Moleküle sind schneller. Einen Teil der Moleküle verliert der Planet schon alleine durch die geringe Fluchtgeschwindigekit. Ein größerer Teil durch den Sonnenwind. Der Sonnenwind, das sind Protonen mit einer Geschwindigkeit von rund 400 km/s. Treffen sie auf ein Molekül oder ein Ion/Atom der Atmosphäre (in der oberen Atmosphäre sind Moleküle oft durch die UV-Strahlung ionisiert oder in Atome gespalten), so übertragen sie diese Energie auf das Molekül. Dieses hat nun einer höhere Geschwindigkeit als die Fluchtgeschwindigkeit und kann den Planeten verlassen. Der Sonnenwind bläst richtiggehend die Atmosphäre weg.
Der nächste Marsorbiter MAVEN wird genauere Zahlen über die Verlustrate der heutigen Marsatmosphäre liefern. Eine Interpretation auf die Vergangenheit ist daher hoch spekulativ. Was wir allerdings wissen, ist, dass in der Frühzeit des Mars es eine Atmosphäre gab, bei der Wasser flüssig über längere Zeit blieb. Das zeigen die Erosionsspuren aus der noachischen Periode. Es gibt kaum Krater aus dieser Zeit, die wie beim Mond "frisch" aussehen, sondern alle sind erodiert, mit Sedimenten aufgefüllt und abgeschliffen worden. So auch der Gale Krater in dem gerade Curiosity landete. Dazu müsste es auf dem Mars mindestens 55°C wärmer als heute gewesen sein, was eine erheblich dichtere Atmosphäre mit einem hohen Bodendruck und Treibhausgasen voraussetzt. Etwa vor 3,5 Milliarden Jahren fror das Wasser aus, weil die Temperaturen sanken, wahrscheinlich durch den Verlust der Atmosphäre. Die Frage ist nur, wie schnell dies geschah. Wenn wir von 100 Millionen Jahren reden, so ist das nichts, was eine Zivilisation kümmern müsste, wenn es nur um den Verlust der Atmosphäre geht. Es könnte aber auch in einer Million Jahre geschehen, was bedeuten würde, dass die gesamten Wasservorräte des Planeten bald verbraucht wären, um den so verlorenen Sauerstoff zu generieren. Vom Energiebedarf ganz zu schweigen.
Was auf Dauer problematisch wird ist die geringe Gravitation. Sie betrifft nicht nur die Fluchtgeschwindigkeit der Gase, sondern auch die Oberflächenschwerkraft. Bei uns beträgt diese Beschleunigung (Konstante g) 9,81 m/s². Auf dem Mars sind es 3,71 m/s² oder 0,376 des Erdwertes. Was das bedeutet, kennt man andeutungsweise von den Mondspaziergängen: Alles wiegt auf dem Mars nur 0,376 dessen wie auf der Erde. Was für eine bemannte Expedition von Vorteil ist (so können die Astronauten einen schweren Raumanzug mit Rucksack in dem das Lebenserhaltungssystem steckt tragen, auch wenn dieser auf der Erde zu schwer wäre), hat weitreichende Folgen für eine dauerhafte Siedlung. Die Evolution läuft zwar nicht zielgerichtet, jedoch haben Lebewesen, die besser an die Umwelt angepasst sind Vorteile. Das kann auch zur Rückbildung führen. So wissen wir, das Tiere die in Höhlen leben, oft blind sind - ihre Augen nützen ihnen nichts mehr. Bei Walen sind die Vordergliedmaßen zur Flossen geworden, aber die Hinteren Gliedmaßen sind verkümmert. Es ist nicht abwegig anzunehmen, dass Kolonisten auf dem Mars sich an die niedrige Schwerkraft anpassen werden. Das Skelett wird dünner werden, da es weniger tragen muss und der Muskelapparat wird verkümmern weil we weniger Gewicht bewegen muss. Wer nun meint, dass der Mensch weil er ja für die Sorge trägt, die in der freien Natur sterben würde, unter anderem auch Behinderte, von der Evolution abgekoppelt sei, der sei an zwei Beispiele erinnert: "Normal" in vielen Kulturen ist, dass Erwachsene keine Milch vertragen, da das Enzym Laktase nach der Säuglingsperiode kaum noch gebildet wird. In Mitteleuropa, aber auch anderen Teilen der Welt, wo Viehwirtschaft sehr wichtig ist, ist aber das genaue Gegenteil der Fall. Die meisten vertragen Milch. Genetische Untersuchungen zeigten, dass in Mitteleuropa diese Mutation innerhalb von 40 Generationen sich durchsetzte: Anstatt 5% vertrugen danach 90% der Bevölkerung Milch. Auch bemerken Anthropologen, dass der Kopfumfang bei Babys seit Jahrzehnten ansteigt. Früher starben Mütter mit den Kindern bei der Geburt, wenn der Kopf nicht mehr durch den Geburtskanal passte. Diese Mutation konnte sich so nicht durchsetzen. Danach kamen die Kinder per Kaiserschnitt zur Welt. Als Erwachsene zeugen sie weitere Kinder, die diese Mutation dann auch aufweisen. Die Folge ist, dass der Kopfumfang von Kindern seit Jahrzehnten in Deutschland ansteigend ist. Selbst wenn wir keine besonderen Maßnahmen treffen , könnten auf dem Mars Personen die leichtgewichtiger und filigraner sind, erfolgreicher in Sport sein, Idole werden und das allgemeine Schönheitsideal prägen und so langsam die Population sich ändern, weil diese mehr Chancen haben Kinder zu bekommen, als muskulöse Typen.
Die Folge könnte sein, dass in einigen Jahrzehnten die Marskolonisten nur noch auf dem Mars existieren können, aber nicht zurück zur Erde, weil sie der Schwerebeschleunigung nicht standhalten. Selbst wenn es keine Schäden wie Knochenbrüche gibt, so wäre ihre Kondition nicht ausreichend, denn ihre Leistung ist ja auf den Mars ausgerichtet und die viel geringere Beschleunigung = geringeres Körpergewicht (das Gewicht ist ja anders als die Masse von der Schwerkraft abhängig). Das wäre wie wenn auf der Erde jemand der 80 kg wiegt nun plötzlich 142 kg Gewicht zugeladen bekommt. Gleichmäßig verteilt hält das vielleicht noch das Skellet aus, aber man hat nicht mehr die Kraft sich damit zu bewegen oder Arbeit zu verrichten. Eine Rückkehr zur Erde wäre so unmöglich, aber vielleicht wären diese Kolonisten die besseren Astronauten für Langezeitflüge, weil die Differenz zwischen 0,376 g und 0 g kleiner ist als wie zwischen 1 g und 0 g.
Was bleibt? Der Mars wird nie wie die Erde werden. Selbst wenn man mit sehr hohem Aufwand eine atembare Atmosphäre erzeugt, dann ist dies eine fast reine Sauerstoffatmosphäre. Um die Temperaturen stabil zu halten, müsste man potente Treibhausgase ausstoßen, die nicht unproblematisch sind. Diese Atmosphäre ist dann jedoch sehr brandfördernd, weil der inerte Stickstoff fehlt und es gibt keine Ozonschicht, da auch Fluoridradikale Ozon zerstören, wenn auch nicht so stark wie Chlor, doch dafür benötigt man dieses Gas in viel höherer Konzentration. Ohne Schutz wird man die Marsoberfläche nicht betreten können und Landwirtschaft wird wohl eher unter Glas oder in Wasserbecken (Hydrokulturen) ohne Ozonschicht möglich sein.
Wasser gibt es auf dem Mars in zu geringer Menge für ein global gemäßigtes Klima. Nur kleine Regionen, wo sich das Wasser sammelt, wenn es mal so warm ist, dass es global taut, werden ein angenehmes Klima haben, der Rest des Planeten wird wüstenartig sein, mit extremen Temperaturschwankungen. Selbst dann aber bleibt dieser Zustand durch die Bahnveränderungen durch Jupiter und den Atmosphärenverlust nicht stabil. Gegen die Problematik, dass aber die Kosmische Strahlung auch bei einer dichten Atmosphäre bis zum Marsboden durchdringen würde, gibt es nach heutigem Stand kein Mittel. Wir können kein Magnetfeld der Größe, die dafür benötigt würde, induzieren. Der einzige mögliche Schutz (wenn wir einen wie die Erde ohne Schutzanzug bewohnbaren Mars haben wollen) besteht darin eine viel dickere Atmosphäre aufzubauen, die dann durch ihre Dicke eine entsprechende Schutzwirkung hat. Doch dann reden wir nicht mehr von 0,2 bar Bodendruck, sondern einigen Bar Bodendruck. Diesen zu erzeugen wird fast unmöglich sein, und ob der Mensch darin dauerhaft auf dem Mars leben kann, ist auch noch offen.
Links: Early Mars Climate Modells
Artikel erstellt am 10.9.2012
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