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Die Titan 1 sollte die Atlas als Trägerrakete für einen nuklearen Sprengkopf ergänzen und später auch ersetzen. Das amerikanische Militär war mit der Atlas schon während der Entwicklung nicht zufrieden. Der Grund lag an der mangelnden Zuverlässigkeit, und der nur beschränkten Fähigkeit aus einem Silo zu starten. Diese erreichten nur die letzten stationierten Atlas F Raketen. Die technische Auslegung der Atlas mit "eineinhalb" Stufen und extrem dünnen Tanks, machte schon bei der Erprobung Probleme. Das waren Punkte, die gegen eine militärisch genutzte Rakete sprachen. Es gab nicht wenige Bedenken, die Tanks könnten während der Jahre der Lagerung kollabieren, oder bei vielen Trägern könnte die Abtrennung der Boostertriebwerke scheitern. Die Militärs wollten daher ein zweites, robusteres und unkompliziertes Raketensystem, um von der Atlas unabhängig zu sein, es ging schließlich um die damals „ultimative“ Waffe die ICBM, gegen die es anders als gegen Bomber keine Abwehr gab. Wäre die Atlas gescheitert, so würden die Russen eine ICBM besitzen und Amerika wäre wehrlos.
Schon 1954, während der Konstruktion der Atlas holte das DoD Alternativvorschläge ein. Aus diesen resultierte die Entscheidung ein Backupsystem zur Atlas zu bauen. Im Oktober 1955 bekam Martin den Auftrag die SM-68 "Titan" Rakete zu entwickeln.
Die Titan I sollte einen nuklearen Sprengkopf von mit der Sprengkraft von vier Megatonnen TNT über eine Distanz von 14.800 Kilometer befördern. Die Reichweite der Titan war größer als der Atlas, wenn auch der Sprengkopf kleiner war. Eine wichtige Forderung war, dass die Rakete für das militärische Personal einfacher handhabbar war und schneller gestartet werden konnte. Das ursprünglich für die Titan vorgesehene, autonome, Lenksystem wurde auf die Atlas übertragen. Die Titan bekam dafür das Radiolenksystem der Atlas.
Gegenüber der Atlas wurde die Rakete als zweistufige Rakete ausgelegt. Da die zweite Stufe deutlich leichter war, als die Atlas nach Abwerfen der Boostertriebwerke vergrößerten sich die Nutzlast und Reichweite. Wie alle frühen US-Träger (Atlas, Thor, Jupiter) setzte die Titan I Kerosin und Sauerstoff als Treibstoff ein. Diese Mischung war schon erprobt und lieferte eine gute Energieausbeute. Jedoch beeinträchtigte diese Wahl die Einsatzfähigkeit der Rakete. Die Titan I sollte in Silos stationiert werden, durch den verdampfenden Sauerstoff mussten aber die Raketen vor dem Start aus dem Silo mit einem Aufzug herausgefahren werden. Sonst hätte es durch den hohen Sauerstoffgehalt der Luft bei der Zündung eine Explosion gegeben. Dies dauerte etwa 20 Minuten – eine Zeit, die bei einem Erstschlag nicht zur Verfügung stand. Zudem musste der Sauerstoff dauernd nachgefüllt werden, da er schon bei -182 Grad Celsius verdampft. Der verdampfende Sauerstoff führt zudem zu einer Atmosphäre, in der Brände beschleunigt werden. So erstickten im Mai 1962 in einem Silo 65 Arbeiter, als ein Dieselaggregat in Brand geriet, und der Brand außer Kontrolle geriet. Man konnte eine Explosion der Rakete nur durch Einleiten von Stickstoff in das Silo verhindern.
Der erste Testflug einer Titan I fand am 6.2.1959 statt, noch mit einer Dummy-Zweistufe. Der erste Test einer Zweitstufe am 15.5.1959 endete mit einer Explosion bei Prüfungen. Erst am 2.2.1960 fand der erste erfolgreiche Testflug statt. Die Stationierung der Titan I begann im April 1962. Die Air Force stationierte 54 Raketen, welche die 18 Atlas E und 36 Atlas D Raketen ersetzten. Insgesamt wurden 163 Titan I gebaut. Davon 62 Vorserienmodelle für Erprobungstests und 47 für Tests, um die Mannschaften mit dem Träger vertraut zu machen.
Die Teststarts waren wichtig. So tastete sich die USAF langsam an die Umsetzung der Technologie einer Mehrstufenrakete heran. Zuerst wurde nur die erste Stufe erprobt, dann vereinfachte Stufen 1+2, dann die Stufen 1+2 in der Produktionsausführung. Danach ging die USAF an die Erprobung der Steuerung, des Wiedereintrittskopfes und der Steigerung der Reichweite. Bei der Atlas ging man genauso vor, dort war nach den Entwicklungsversionen Atlas A-C erst die Atlas D reif für die Serienfertigung. Die zweite Stufe zündete 3,8 s nach Senden des Brennschlusssignals für die erste Stufe. 2,5 s nach Brennschluss wurde die erste Stufe abgetrennt und zeitgleich Vorbeschleunigungsraketen gezündet. Das verhinderte eine Kollision der Stufen nach der Trennung und sammelte die Treibstoffe am Boden der Tanks.
Die erste Stufe der Titan hatte wie die Atlas einen Durchmesser von 10 Fuß (3.05 m) und eine Länge von 16 m. Zwei Triebwerke des Typs Rocketdyne LR-87-3 verbrannten flüssigen Sauerstoff mit Kerosin im Verhältnis 1.91 zu 1. Es wurde eine konventionelle Konstruktion bei der Zelle eingesetzt. Die Tanks liegen in einer tragenden Struktur aus Schalen. 12 Schalen bilden die Zelle. Die Wandstärke liegt bei 6-9 mm. Obwohl die Wand damit dicker als die der Atlas war, erreichte die Titan dasselbe Voll-/Leermasse Verhältnis, weil von Nickelstahl auf Aluminium als Material übergangen wurde.
Die zweite Stufe verwandte ein Triebwerk des Typs Aerojet LR 91-3. Es hatte einen Schub von 357 kN und verbrannte ebenfalls Sauerstoff und Kerosin. Das Triebwerk war auf den Betrieb im Vakuum angepasst. Man sparte sich die Verniertriebwerke für die Rollachse ein und lenkte das Abgas der Turbine durch vier Düsen an der Außenseite ab. Sie hatten zusammen einen Schub von 2,68 kN. Andere Verniertriebwerke waren für die beiden anderen Achsen zuständig. Sie arbeiteten noch 10 s länger als das Haupttriebwerk. Bei der Stufentrennung zündeten zuerst 5 Retroraketen mit einem Schub von 41,4 kN danach gleichzeitig die zweite Stufe.
Die Titan I setzte eine Radiolenkung ein. Ein X-Band Sender in der Steuerung sandte mit einer Leistung von 250 kW Impulse von 0,25 µs Dauer aus, 99,2 Impulse pro Sekunde. Sie waren noch in 1.360 km Entfernung zu empfangen. Eine Parabolantenne von 2,4 m Durchmesser empfing die Reflexionen von der Rakete und maß die Dopplerverschiebung und Entfernung / Winkel zum Horizont. Ein Computer bestimmte die Daten für die Lenkung und übertrug diese zum Sequencer der Rakete. Es konnten fünf Kommandos und die Drehwinkel der Triebwerke übertragen werden. Das Steuersystem wog 68 kg und hatte einen Stromverbrauch von 220 W. Ein Inertialsystem war als Upgrade geplant, wurde aber wegen der kurzen Einsatzdauer niemals eingesetzt. Beim ICBM Profil, fand nach210 s ein Neigeprogramm statt, dass die Rakete bis 140 s nach dem Start vor der Zündung der zweiten Stufe in die horizontale umlenkte. Danach flog die zweite Stufe ein Profil bei dem die Höhe konstant gehalten wurden.
Nach dem Ausmustern war die Titan I vorgesehen zur Beförderung des bemannten Raumgleiters X-20A „Dyna Soar“. Mit ihr sollten die ersten Testflüge auf suborbitale Bahnen erfolgen. Aufgrund von Problemen bei der Entwicklung und drastischen Kostensteigerungen wurde das Projekt Ende 1963 jedoch gestrichen. Weitere Pläne, die Titan I als Erststufe für die Oberstufen der Juno zu benutzen gab es. Doch wurden diese nie umgesetzt. Anders als bei den ausgemusterten Titan 2 oder Atlas D-F wurde keiner der zwischen Januar und April 1964 ausgemusterten Titan I als Raumfahrtträger eingesetzt. Eine Titan I hätte ohne Oberstufe etwa 1.100 kg in eine Umlaufbahn tragen können. Da die Rakete schon in 90 km Höhe Brennschluss hatte, war ohne eine Oberstufe ihre Nutzlast nur klein. Die NASA untersuchte den Einsatz eines kleinen Feststoffantriebs von 95 kg Startmasse, davon 33 kg Treibstoff. Er hätte 4 kN Schub aufgewiesen und wäre im Apogäum der Bahn gezündet worden. Nach 10 s hätte er die fehlende Geschwindigkeit für eine Kreisbahn aufgebracht. Der kleine Antrieb hätte die Nutzlast auf über 1.700 kg erhöht, da er eine energetisch günstigere Aufstiegsbahn ermöglicht.
Das Schicksal der Titan I war es, dass sie zu einer Zeit gebaut wurde, als sich die Raketentechnik so schnell entwickelte, dass sie kurz nach dem Beginn der Stationierung schon veraltet war und von der Titan 2 abgelöst wurde.
Gewichtsbilanz Titan I (mit Reserven) |
|
---|---|
Stufe 1 |
|
Kerosin: |
24.333 kg |
LOX: |
53.544 kg |
Andere Flüssigkeiten und Gase: |
100 kg |
Davon nutzbare Sicherheitsreserve: |
204 kg |
Davon nicht nutzbare Reste: |
735 kg |
Treibstoff für Start/Stopp (oben nicht enthalten) |
1.798 kg |
Brennschlussgewicht: |
4.497 kg |
Trockengewicht: |
4.343 kg |
Startgewicht: |
78.055 kg |
Stufenadapter und Retroraketen: |
97 kg |
Zweite Stufe |
|
Kerosin: |
4.643 kg |
LOX: |
12.913 kg |
Davon für den Triebwerksstart vor der Trennung verbraucht: |
120 kg |
Verluste beim Starten und abschalten: |
9,1 kg |
Davon Sicherheitsreserve: |
50 kg |
Nicht nutzbare Reste: |
135 kg |
Davon für die Vernierphase: |
178 kg |
Brennschlussgewicht: |
2.259 kg |
Trockengewicht: |
2.186 kg |
Startgewicht: |
20.377 kg |
Referenzen:
NASA Agena D Mission Capabilities and Restraints Catalog Volume 2
Datenblatt Titan I |
|||
Einsatzzeitraum: Starts: Zuverlässigkeit: Abmessungen:
Startgewicht: Max. Nutzlast: Nutzlasthülle: Stufenadapter: |
1959 – 1965
keiner als Trägerrakete
26,40 m Höhe mit Sprengkopf
21,96 m nur Rakete
98.504 kg (ohne Nutzlast) 1.100 kg ohne Kickmotor 1.705 kg in einen 555 km hohen LEO Orbit mit Kickantrieb. 1,37 m Höhe, 98 kg Gewicht 2,90 m Länge, 159 kg Gewicht, Durchmesser von 3,05 m auf 2,41 m abnehmend. |
||
|
Core 1 |
Core 2 |
Kickantrieb |
---|---|---|---|
Länge: |
14,30 m |
7,62 m |
|
Durchmesser: |
3,05 m |
2,41 m |
|
Startgewicht: |
77.678 kg |
20.440 kg |
95 kg |
Trockengewicht: |
4.474 kg |
2.186 kg |
62 kg |
Schub Meereshöhe: |
2 × 667 kN |
- |
- |
Schub Vakuum: |
2 × 766 kN |
356 kN |
4 kN |
Triebwerke: |
1 × LR 87-3 |
1 × LR 91-3 |
|
Spezifischer Impuls
|
2447 m/s |
2060 m/s |
- |
Spezifischer Impuls
|
2804 m/s
|
3040 m/s |
2648 m/s |
Brenndauer: |
136,74 s |
158,47 s |
10 s |
Treibstoff: |
LOX / RP-1 |
LOX / RP-1 |
Fest |
Wie man an dem Umfang der Website sieht, sind Trägerraketen eines meiner Hauptinteressen. Es gibt inzwischen eine Reihe von Büchern von mir, auch weil ich in den letzten Jahren aufgrund neuer Träger oder weiterer Informationen über alte Projekte die Bücher neu aufgelegt habe. Sie finden eine Gesamtübersicht aller Bücher von mir bei Amazon und hier beim Verlag.
Ich beschränke mich in diesem Abschnitt auf die aktuellen Werke. Für die in Europa entwickelten Trägerraketen gibt es von mir zwei Werke:
Europäische Trägerraketen 1 behandelt die Vergangenheit (also bei Drucklegung): Das sind die nationalen Raketen Diamant, OTRAG und Black Arrow und die europäischen Träger Ariane 1 bis 4 und Europarakete.
Europäische Trägerraketen 2 behandelt die zur Drucklegung 2015 aktuellen Träger: Ariane 5, Vega und die damaligen Pläne für Vega C und Ariane 6.
Wer sich nur für einen der in den beiden besprochenen Träger interessiert, findet auch jeweils eine Monografie, die inhaltlich identisch mit dem Kapitel in den Sammelbänden ist, nur eben als Auskopplung.
Weiter gehend, alle Raketen die es weltweit gibt, behandelnd, gehen zwei Bände:
und
Internationale Trägerraketen (im Sinne von allen anderen Raketen weltweit)
Auch hier habe ich 2023 begonnen, die Bände aufzusplitten, einfach weil der Umfang für eine Aktualisierung sonst weder handelbar wäre bzw. an die Seitengrenze stößt, die der Verlag setzt. Ich habe auch bei den Einzelbänden nochmals recherchiert und den Umfang erweitert. Bisher sind erschienen:
US Trägerraketen 1 mit den frühen, kleinen Trägern (Vanguard, Juno, Scout)
US Trägerraketen 2 mit der Titan-Familie
2023 wird noch die erste Auskopplung aus den internationalen Raketen über russische Träger erscheinen. Nach und nach werden alle Raketen dann in einzelnen Monografien geordnet nach Trägerfamilien oder Nationen dann aktualisiert auf den aktuellen Stand, so besprochen.
Für die Saturns gibt es noch einen Sonderband, den ersten in der Reihe über das Apolloprogramm.
Alle bisherigen Bücher sind gerichtet an Leute, die wie ich sich nicht mit oberflächlichen Informationen oder Zusammenfassung der Wikipedia zufriedengeben. Wenn sie sich nicht für Technik interessieren, sondern nette Anekdoten hören wollen, dann sind die bisherigen Bücher nichts für Sie. Für dieses Publikum gibt es das Buch „Fotosafari durch den Raketenwald“ bei dem jeder Träger genau eine Doppelseite mit einem Foto und einer Beschreibung hat. (Also etwa ein Zehntel der Seitenzahl auf den ich ihn bei den beiden obigen Bänden abhandelte). Das Buch ist anders als die anderen Bände in Farbe. Ab und an macht BOD als Print on Demand Dienstleister Mist und verschickt es nur in Schwarz-Weiß, bitte reklamieren sie dann, ich als Autor kann dies nicht beeinflussen.
Als Autor würde ich mich freuen, wenn sie direkt beim Verlag bestellen, da ich da eine etwas größere Marge erhalte. Dank Buchpreisbindung und kostenlosem Versand ist das genauso teuer wie bei Amazon, Libri und iTunes oder im Buchhandel. Über eine ehrliche Kritik würde ich mich freuen.
Alle Bücher sind auch als E-Book erschienen, üblicherweise zu 2/3 des Preises der Printausgabe – ich würde sie gerne billiger anbieten, doch da der Gesetzgeber E-Books mit 19 Prozent Mehrwertsteuer besteuert, Bücher aber mit nur 7 Prozent, geht das leider nicht. Ein Vorteil der E-Books - neben dem einfacher recherchierbaren Text ist, das alle Abbildungen, die im Originalmanuskript in Farbe, sind auch in Farbe sind, während ich sonst - um Druckkosten zu sparen - meist auf Farbe verzichte. Sie brauchen einen pdf-fähigen Reader um die Bücher zu lesen. Sofern der Verlag nicht weiter für bestimmte Geräte (Kindle) konvertiert ist das Standardformat der E-Books ein DRM-geschütztes PDF.
Mehr über meine Bücher finden sie auf der Website Raumfahrtbuecher.de und eine Liste aller Veröffentlichungen findet sich auch bei meinem Wikipediaeintrag.
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