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Vanguard 1 und Explorer 1

Vanguard TV-3Dieser Artikel behandelt die Vorgeschichte des ersten Satellitenstarts der USA. Die Geschichte der ersten Satelliten der USA geht weit zurück. Schon 1952 schlug der US-Physiker Leo Berkner vor, im Rahmen des geophysikalischen Jahres (IGY, International Geophysical Year) einen Satelliten zu starten. 1954 folgte eine Empfehlung des Organisationskomitees für das IGY in Rom für einen Satellitenstart. Das Komitee sollte die Forschungsaktivitäten der an dem IGY beteiligten Nationen koordinieren. Vom 1.7.1957 bis 31.12.1958 lief das IGY. Es war mehr als ein Jahr, weil zahlreiche Phänomene eine längere Beobachtungsperiode erforderten. Es wurde die Erde untersucht – sowohl die Wechselwirkung mit der Sonne als auch irdische Phänomene wie Erdbeben, Gletscherbewegungen, Meteorologie und die Erforschung der Meeresböden. Die beiden Supermächte USA und UdSSR kündigten daraufhin an, Forschungssatelliten zu starten, die den erdnahen Raum erkunden sollten. Die Ankündigung der Sowjetunion wurde jedoch von vielen nicht ernst genommen.

Zuerst wurden in den USA die Satelliten vorgeschlagen. 1953 schlug Fred Singer das Projekt MOUSE (Minimum Orbital Unmanned Satellite of Earth) vor, im selben Jahr schlug Wernher von Braun das Projekt „Orbiter“ vor. Während für MOUSE keine Trägerrakete skizziert wurde, dafür aber der genaue Aufbau des 50 kg schweren Satelliten erläutert wurde, wollte Wernher von Braun Orbiter mit der Redstone und einem Bündel Loki Raketen als Oberstufe starten. Ein dritter Vorschlag kam von der Glenn L. Martin Company zusammen mit dem Navy Research Laboratory (NRL), welche ihre Höhenforschungsrakete Viking umbauen wollte. Von den drei Vorschlägen war das Projekt Orbiter am weitesten ausgearbeitet. Wernher von Brauns Team hatte sich schon eingehend mit der Aufrüstung der Rakete beschäftigt, die Raketen gab es, allerdings war die Nutzlast von 2 kg für einen 320 km hohen Orbit auch die kleinste der drei Vorschläge.

Die US-Administration untersuchte die Projekte. Am 22.3.1955 wurde Präsident Eisenhower über das Vorhaben informiert. Zu dem Zeitpunkt gab es drei Projekte, die auch die Rakete beinhalteten. MOUSE wurde ohne Trägerrakete und wegen der hohen Satellitenmasse nicht mehr weiter verfolgt. Das waren neben dem NRL-Projekt mit der Viking und Orbiter der Vorschlag mit der Atlas ICBM einen schweren Satelliten Ende 1958 zu starten. Beim Vanguard Vorschlag wurden die Kosten für zehn Satelliten und fünf Bodenstationen zum Empfang der Daten und Überwachen der Rakete auf 10 Millionen Dollar geschätzt, damals 40 Millionen DM, heute rund 100 Millionen Euro. Der Verantwortliche beim NRL, Milton Rosen hielt das aber für zu niedrig und beantragte 15 bis 20 Millionen Dollar. Im Weißen Haus entschied man sich am 29.7.1955 für die Vanguard. Die Leitung erhielt auf Regierungsseite das Naval Research Laboratory. Die Entwicklung der Vanguard wurde formell beschlossen am 9. September 1955 und das Satellitenprogramm am 29.9.1955 angekündigt. Die offizielle Entwicklung, verbunden mit der Finanzierung, begann am 25.1.1955. Sie wurde direkt von Präsident Eisenhower genehmigt. Die Vanguard erhielt mehr politische Unterstützung. So konnte sie den Auftrag gewinnen, den ersten Satelliten zu starten.

Letztendlich wurden alle drei Projekte durchgeführt. Die Redstone mit Oberstufen wurde zur Juno I. Sie konnte nach den ersten Planungen nur einen 2,2 kg schweren Satelliten starten, die Kosten wurden aber konkret zu 17,7 Millionen Dollar angegeben. Die Atlas-Lösung hatte mehrere Nachteile. Man befürchtete, dass dieser Start das Flugerprobungsprogramm der Luftwaffe stören könnte und die Atlas war noch in der Erprobung, ihre Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Performance unbekannt. Zuletzt wäre der Satellit erst zum Ende des geophysikalischen Jahres gestartet worden. Dieses Projekt sollte 16,35 Millionen Dollar kosten. Es gelangte am 18.12.1958 mit einer Atlas der 68 kg schwere Satellit SCORE in einen Erdorbit. Der Satellit war eine einfache funktechnische Nutzlast, die eine Weihnachtsgrußbotschaft von Präsident Eisenhower vom Band ausstrahlte. Er hatte nichts mit dem geophysikalischen Jahr zu tun.

Die Geschichte von Vanguard 1

Vanguard RaketeDie Regierung entschloss sich den ersten Satelliten ausgerechnet mit dem anspruchsvollsten Projekt zu starten. Die Glenn L. Martin Company meinte, für 13 Millionen Dollar und in 18 Monaten die Vanguard entwickeln zu können, selbst der verantwortliche NRL-Projektleiter Milton Rosen meinte, dass 30 Monate realistischer wären. Der Name Vanguard (Vorhut) stammt von Rosens Frau.

Ursprünglich sollte der erste Satellitenstart mit der Vanguard im Herbst 1957 erfolgen, doch der Zeitplan verzögerte sich. Es kam zu Bränden bei Testläufen. Der Stufentrennungsmechanismus versagte und musste neu konstruiert werden. Später kam es zu Problemen wegen der zu schnellen Entwicklung. Ein Dauerproblem war das die Nutzlast mit 10 kg minimal war. Sobald ein System nur leicht schwerer wurde oder eine etwas geringere Leistung entwickelte, nahm die Nutzlast rapide ab.

Ursprünglich war die Produktion von sechs Testexemplaren und drei Backup-Testexemplaren geplant. Letztere sollten nur eingesetzt werden, wenn es gravierende Havarien bei den Testflügen gab. Die Entwicklung der Vanguard war schwierig. Bei Testzündungen der Stufen gab es Ausfälle. Einige Starts mussten verschoben werden, als es Probleme mit verschiedenen Systemen gab. Das Entwicklungsprogramm wurde deutlich teurer als geplant. Ursprünglich waren 19,62 Millionen Dollar vorgesehen. Das waren immerhin zwei Drittel des Gesamtbudgets für die Forschung im IGY. Bald planten die USA dann den Start von mehrere Satelliten und die Kosten kletterten auf 63 Millionen Dollar.

Die ursprünglichen Pläne sahen vor, bei den ersten sechs Starts der Version mit drei aktiven Stufen einen Satelliten in den Orbit zu befördern. Vorher waren Tests mit weniger aktiven Stufen vorgesehen. Es war unsicher, ob die geplante Nutzlast erreicht wurde. Daher war vorgesehen, den Satelliten in eine exzentrische Bahn mit einem Perigäum von 300 nautischen Meilen (556 km) und einem Apogäum von 800 Meilen (1.287 km) zu befördern. Später wurde das Apogäum auf 2.252 km (1.400 Meilen) erhöht, als klar war, dass die Rakete dafür genügend Leistung hatte.

Der erste Testflug „TV-0“ fand am 8. Dezember 1956 statt. Es handelte sich um eine leicht modifizierte Viking Höhenforschungsrakete. Es ging darum, die Startanlagen des neuen USAF-Versuchsgeländes Patrick am Cape Canaveral zu erproben und den Minitrack-Sender für das Bahnverfolgungsnetz zu erproben. Die Viking erreichte eine Spitzenhöhe von 200 km und ging 290 km vom Cape entfernt im Atlantik nieder. Alle Testziele wurden erreicht. Die Startrampe für alle Starts war eine frühere Viking Startrampe. Sie wurde zum Launchpad LC-18A, von dem nach Ende des Vanguard-Programms bis 1965 Blue Scouts gestartet wurden.

Der zweite Testflug „TV-1“ fand zweistufig statt. Die zweite Stufe war aber noch nicht einsatzbereit, so wurde die dritte Stufe direkt auf die erste Stufe montiert. Der Test diente der Qualifizierung der dritten Stufe. Getestet wurden das Aufspinnen mit dem Dralltisch, die Stufentrennung und die Zündung der dritten Stufe. Auch dieser Test am 1. Mai 1957 verlief erfolgreich. Die Rakete erweichte eine Spitzenhöhe von 195 km und eine Weite von 726 km. Als am 4.10.1957 Sputnik 1 der erste künstliche Satellit wurde, überschlugen sich die Ereignisse. Nun wurde für den nächsten Start mit allen drei Stufen ein Satellitenstart angestrebt. Geplant war für den vierten Testflug eigentlich nur, dass die Oberstufe einen Orbit erreichen sollte. Nun wurde ein kleiner Testsatellit eigens für diesen Start gefertigt.

Der dritte Teststart TV-2 fand am 23.10.1957 mit erster Stufe und Attrappen von zweiter und dritter Stufe statt. Es sollte erprobt werden, ob die erste Stufe das zusätzliche Gewicht befördern konnte. Die ersten beiden Starts setzten noch unmodifizierte Vikings ein. Nun kam eine Vanguard Erststufe zum Einsatz. Außerdem wurde der Dralltisch für die Drittstufe erneut getestet. Neu war auch das Testen der Retroraketen der zweiten Stufe und ein C-Band Radarverfolgungssender. Die Rakete erreichte eine Spitzengeschwindigkeit von 6.840 km/h, eine Maximalhöhe von 175 km und landete 539 km vom Startort entfernt im Atlantik. Der Start musste mehrfach vom Juni in den Oktober verschoben werden, weil das Bodennetzwerk zur Bahnverfolgung Probleme hatte.

Nachdem auch der dritte Test erfolgreich war, sollte schon der nächste Start einen Satelliten transportieren. Es gelang der US-Regierung nicht, die Bedeutung dieses Ereignisses herunterzuspielen. Von offizieller Seite wurde der Flug lediglich als weiterer Test ausgewiesen. Als Testflüge (Trägerbezeichnung TV für „Testvehicle“) galten auch die nächsten drei Flüge. Die folgenden Träger erhielten die Bezeichnung SLV für Standard Launch Vehicle). Selbst der Satellit erhielt keinen eigenen Namen, sondern nur die Bezeichnung „Vanguard“. Erst der zweite Satellit, der einen Orbit erreichte, erhielt eine laufende Nummer.

Expkosioin von TV-3Nach einer Verzögerung um zwei Tage fand am 6. Dezember 1957 der erste Startversuch einer kompletten Vanguard mit TV-3 statt. Nutzlast war ein 1,5 kg schwerer Testsatellit mit lediglich 16,3 cm Durchmesser. Doch nach einer Sekunde versagte der Injektor des Triebwerks. Die Rakete verlor an Schub. Sie stürzte aus 1,20 m Höhe auf die Startrampe und explodierte. Der Start wurde live vom Fernsehen übertragen. In den US-Zeitungen wurde der Start als „Flopnik“, „Kaputtnik“, „Oopsnik“,„Dudnick“, „Stayputnik und „Explodenik“ hämisch verrissen. Heute ist er als „Four Food Flight“ bekannt.

Die genaue Ursache des Unfalls konnte aufgrund der begrenzten Telemetrie nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Glenn L. Martin kam zu dem Schluss, dass ein niedriger Druck im UDMH-Tank während des Startvorgangs dazu führte, dass ein Teil des brennenden Kraftstoffs in die Leitungen durch den Injektorkopf eindrang, bevor der volle Druck von der Turbopumpe erreicht wurde. General Electric meinte, dass das Problem eine lockere Verbindung der Leitungen zur Brennkammer sei. Im Nachhinein schien das erste Problem das zweite zu verursachen. Die Untersuchung ergab, dass der Druck etwas unter dem Nennwert lag, was zu einem unzureichenden Druck im Injektor führte. So staute sich heißes Verbrennungsgas im Injektorkopf und verursachte eine Druckspitze. Die Injektorringe brannten vollständig durch, gefolgt vom Bersten der Brennkammer. Bei T+1 Sekunde zerriss eine Stoßwelle eine Kraftstoffzufuhrleitung, wodurch der Schub auf Null abnahm. GE-Techniker hatten diesen Konstruktionsfehler während der Tests nicht entdeckt. Es wurde eine vorübergehende Lösung durch Erhöhen des Tankdrucks vorgenommen. Später wurde Ethangas verwendet, um den Druck im Tank zu erhöhen und einen rauen Start zu verhindern. Der X-405-Motor fiel bei nachfolgenden Starts und statischen Zündtests nicht mehr aus.

Der Satellit konnte nahe des Startpads geborgen werden, er funkte, aber war zu stark beschädigt um ihn erneut zu starten. Er ist heute im Smithsonian Museum ausgestellt. Für weitere Starts musste auch das Launchpad repariert werden, das durch die Explosion teilweise beschädigt war. Inzwischen hatte auch Wernher von Braun die Freigabe erhalten, seine Redstone für den Start von Explorer 1 vorzubereiten und er konnte so den ersten US-Satelliten starten.

Der nächste Start hieß nun nicht TV-4, sondern TV-3BU für TV-3 Backup-Unit. Heute ist erstaunlich, dass trotz der vielen Fehlschläge im frühen Raumfahrtprogramm man versuchte, Fehlschläge durch Neunummerierung „kleinzureden“, so erhielt die erste Pioneer-Sonde, als sie scheiterte, die Bezeichnung „Pioneer 0“ und als ein Mercury-Redstone Flug wiederholt werden musste, bekam er die Bezeichnung „MR-BD“, BD für Booster Development. Die Nutzlast von TV-3BU war erneut der 1,5 kg schwere Minisatellit. Am 5. Februar 1958, vier Tage nach dem Start von Explorer 1 hob TV-3BU ab. Zuerst sah alles gut aus, doch dann drehte sich nach 57 Sekunden in 6,1 km Höhe die Rakete abrupt um 45 Grad, was 62 Sekunden nach dem Start einen Bruch in der Struktur durch die aerodynamischen Kräfte auslöste. Nachfolgende Untersuchungen zeigten, dass elektrische Störsignale eine Bewegung des Triebwerks in der Nickebene erzeugt hatten.

Erst der dritte Start einer Vanguard mit allen aktiven Stufen am 31.3.1958 klappte. Der Start TV-4 beförderte den zweiten amerikanischen Satelliten ins All. Vanguard 1 (die beiden vorherigen Exemplare bekamen keine Bezeichnung) erreichte einen 654 km × 3.969 km × 34,25 Grad Orbit mit einer Periode von 135,5 Minuten. Vanguard 1 umkreist noch immer die Erde und ist der älteste künstliche Satellit im Orbit. Er wird noch mindestens 200 Jahre lang die Erde umkreisen, ursprünglich rechnete man mit einer Lebensdauer von 2.000 Jahren, doch wie stark die Atmosphäre Satelliten abbremst, war natürlich noch unbekannt. In den über 60 Jahren seit dem Start hat sich seine Umlaufbahn kaum verändert: 2023 betrugen die Bahndaten 649 × 3.831 km × 34,25 Grad.

Die Geschichte von Explorer 1

Juno I / Jupiter CDie US-Regierung, vertreten durch den stellvertretenden Verteidigungsminister Quarles legte wie schon erwähnt, fest, das das Navy Projekt Vanguard den Vorzug bekam. Das war auch die Mehrheitsmeinung des Steward-Ausschusses, dass die drei Vorschläge für einen Satellitenstart prüfen sollte, aber es war kein einstimmiges oder auch nur eindeutiges Urteil. Die US-Army für die Wernher von Braun arbeitete, war verärgert. Sein Vorgesetzter, General Medaris nannte die Entscheidung „Zeitverplemperei“, Kapitän Hoover verstand nicht, wie man „eine Blaupause eines bleistiftförmigen Fluggerätes“ den vollständig ausgearbeiteten Konstruktionszeichnungen, die er stapelweise einsehen konnte, vorzog.

Schon vorher, am 15.9.1954 informierte das Army Ordnance Missile Laboratories (Redstone Arsenal) das Verteidigungsministerium darüber, dass es die Redstone soweit umrüsten könnte, dass sie einen kleinen Satelliten in den Orbit befördern kann. Daraus wurde der gemeinsamer Army-Navy-Vorschlag „Project Orbiter“, der am 20.1.1955 vom Verteidigungsminister genehmigt wurde. Es unterlag im Mai aber im Ausschuss dem Vanguard-Projekt. Der Vorsitzende Homer J. Steward konnte sich in seinem eigenen Ausschuss nicht durchsetzen und suchte nach Wegen, trotzdem noch das unterlegene Orbiterprojekt umzusetzen. Wenige Tage später flog er mit dem JPL-Direktor William Pickering und JPL-Projektleiter Dr. Jack Froehlich zum Redstone Arsenal um sich mit Wernher von Braun zu besprechen. Es wurde vereinbart, im Verborgenen weiter an der Vorbereitung des Orbiter-Projektes zu arbeiten, damit wenn es doch eine Finanzierung gibt, es schnellstmöglich umgesetzt werden kann.

Die Redstone wurde für einen anderen Zweck zu einer mehrstufigen Rakete umgerüstet. Das Oberstufenbündel stammte vom JPL. Es entstand aus der Redstone die Jupiter-C (Jupiter Composite Test Vehicle). Sie hatte die Aufgabe ein kleines Modell der Sprengkopfattrappe der Jupiter auf die Geschwindigkeit der Jupiter-IRBM zu beschleunigen. Dieses Modell wurde dann geborgen. Es sollte die Form des Sprengkopfs und den Schutz vor der beim Wiedereintritt einwirkenden Energie erproben. Da nun schon fast der Orbit erreicht wurde, wurde erneut Project Orbiter vorgeschlagen. Die Jupiter-C müsste nur um eine weitere Rakete erweitert werden, um einen kleinen Satelliten zu starten. Erneut wurde das abgelehnt. Im Mai 1956 fiel erneut die Entscheidung gegen die Jupiter-C. Mehr noch, das Redstone Arsenal wurde informiert, dass man nicht plane, die Juno als Backup zur Vanguard einzusetzen und Starts der Jupiter-C müssten in jedem Falle Ballast mitführen, damit sie nicht „aus Versehen“ einen Orbit erreichten.

Am 20.9.1956, also ein Jahr vor dem Start von Sputnik 1, startete die erste Jupiter-C mit drei Stufen (die Juno I hatte dann vier) und erreichte auf Anhieb die vorgegebenen Ziele: Sie erreichte 1.000 km Höhe und 5.300 km Distanz. Die vierte Stufe wurde durch 38 kg Ballast ersetzt. Es gab eine schriftliche Weisung, dass die Stufe keinen Orbit erreichen dürfte. Der Start diente der Qualifizierung des Oberstufenkonzepts. Die Attrappe verfehlte ihren Zielpunkt nur um 360 m. Erneut wurde das ABMA vorstellig, doch einen Satelliten zu starten, erneut wurde dies abgelehnt. Ende 1956 informierte von Braun erneut die Führung, dass man mit den vom Projekt Orbiter übrig gebliebenen Teilen einen sehr kleinen Satelliten starten könnte. Erneut ohne Erfolg.

Am 15.5.1957 fand der erste Testflug der Jupiter-C mit der, auf ein Drittel verkleinerten, 140 kg schweren Spitze eines Nasenkonus der Jupiter statt. Er wurde in eine Höhe von 560 km und eine Weite von 1.100 km gebracht. Im April und September 1957 wurde erneut der Vorschlag eines gemeinsamen Satellitenprojektes von JPL und ABMA mit dem Bau von sechs Satelliten vorgebracht.

Am 20.7.1957 fand der zweite Testflug einer Jupiter-C, diesmal mit dem Modell des Wiedereintrittsschildes der mit Schmelzkühlung arbeitete. Er war auf ein Drittel verkleinert worden um eine höhere, realistischere Endgeschwindigkeit zu erreichen. Die Jupiter-C erreichte 965 km Höhe und flog 2.140 km weit. Nachdem Sputnik 2 gestartet war, präsentierte Präsident Eisenhower den geborgenen Nasenkegel am 7.11.1957 im Fernsehen, um zu demonstrieren, dass man nicht so weit hinter der UdSSR hinterherhinkte.

Bewegung in das Satellitenprojekt gab es erst, als die Sowjetunion den ersten Satelliten startete. 1957 war Wahljahr und am 4.10.1957, einen Tag nach Sputniks Starts besuchte der designierte neue Verteidigungsminister Neil McElroy das Redstone-Arsenal in Huntsville. Wernher von Braun war aufgeregt „Wir wussten das sie es tun würden!“ platze es aus ihm heraus und dann an McElroy gewandt: „Die Vanguard Rakete wird es niemals schaffen! Wir haben die Mittel. Mr. McElroy geben sie uns um Gottes Willen eine Chance, wir können einen Satelliten binnen 60 Tagen starten!“. General Medaris griff ein, „Neunzig Tage, Wernher, Neunzig!“.

Doch McElroy war noch nicht Verteidigungsminister und konnte nichts genehmigen, aber von Braun hinterließ bei ihm bleibenden Eindruck. Das ABMA darf nochmals ihren Vorschlag unterbreiten. 12,752 Millionen Dollar fordert sie für sechs Satellitenstarts. Am 8. Oktober wies Präsident Eisenhower den scheidenden Verteidigungsminister Wilson an, eine Redstone startbereit zu machen, falls der nächste Start einer Vanguard scheitert. Damit verbunden war eine Finanzierung mit 3,5 Millionen Dollar. Allerdings gab das Pentagon diese Information nicht weiter.

Am 3.11.1957 starteten die Sowjets Sputnik 2, sechsmal so schwer wie Sputnik 1, mit der Hündin Laika an Bord. Dies war der eigentliche Sputnikschock. Eine Nutzlast von 80 kg, wie bei Sputnik 1, war auch mit den Mittelstreckenraketen der USA erreichbar, doch der über 500 kg schwere Sputnik 2 war nur mit einer ICBM in einen Orbit beförderbar. Die USA hatten aber noch keine einsatzbereite ICBM und wähnten sich in der „Raketenlücke“ und verwundbar.

Erst jetzt bekam die Army vom Pentagon die Freigabe für den Satellitenstart nachdem dort die Militärs Eisenhowers Befehl einen Monat lang geheim hielten. Am 8.11.1957 bekam Wernher von Braun bei einem Spitzengespräch mit dem Verteidigungsminister die Erlaubnis, die Juno I startbereit machen. Die Vanguard hatte jedoch Priorität und die Jupiter-C war das Backup. Sechs Juno I und sechs Explorer-Satelliten sollten gefertigt werden. Von Braun sagte erneut einen Start innerhalb von 90 Tagen zu und hielt Wort: 84 Tage nach dem Gespräch beförderte die Juno I den ersten US-Satelliten, Explorer 1, am 1.2.1958 in den Orbit. Der Name Juno stammte von Pickering, nach der Gattin des römischen Gottes Jupiter. Jupiter-C hieß die Rakete bisher. Pickering schlug den Namen im November 1957 für Satellitenträger vor. Die Juno I sollte auf der Redstone basieren. Die Juno II auf der Jupiter. Deren Einsatz wurde auch beschlossen.

Explorer 1Trotz des Scheiterns des ersten Vanguard-Starts hatte die Vanguard noch Priorität. Anfang Januar traf Explorer 1 mit der Juno I am Cape ein. Dort wurde die Vanguard für den nächsten Start TV-3BU, der für den 23.1.1958 geplant war, vorbereitet. Da die Luftwaffenbasis damals nur eine Bahnverfolgungskamera und eine Serie von Empfangsstationen hatte, konnte sie nicht zwei Starts gleichzeitig handeln. Explorer 1 musste warten. Heftige Regengüsse führten zu Kurzschlüssen bei den Kabeln des Bodensegments von Vanguard, sodass erst Reparaturen nötig waren. Vanguard TV-3BU konnte nicht vor dem 3. Februar 1958 starten. Das gab ein kurzes Zeitfenster für Explorer 1. Anders als bei Vanguard wurde der Startversuch erst 24 Stunden vorher bekanntgegeben. Den ersten Starttermin am 29.1.1958 musste das ABMA aber verstreichen lassen, es gab zu starke Winde. Am nächsten Tag war das Wetter nicht besser. Erst am 31.1.1958 hatte sich das Wetter soweit beruhigt dass ein Start gewagt werden konnte. Es war der letzte Termin, am 1.2.1958 würde das Bodennetzwerk wieder für die Vanguard umgerüstet.

Der Countdown beginnt um 13:20 Ortszeit und muss wegen technischer Störungen mehrmals unterbrochen werden. Um 22:48 wird auf den Startknopf gedrückt und die Juno I hebt in die Dunkelheit ab. 404 Sekunden später, als klar ist, dass die Redstone die richtige Höhe erreicht hat, erfolgt ein erneuter Knopfdruck und das Oberstufenbündel zündet, der Rest erfolgt durch einen Zeitgeber automatisch gesteuert. Nun muss die Mannschaft im Startbunker warten – warten auf die Bestätigung, dass Signale vom Satelliten empfangen werden. Der Telefonanruf kommt 113 Minuten nach dem Start, die Bodenstation in Kalifornien hat Signale von Explorer 1 empfangen. Erst jetzt bricht Jubel aus. Kleines Detail am Rande: In den USA wird als Starttermin der 31.1.1958 genannt, im Rest der Welt, wo man bei weltweiten Ereignissen in UTC, der Zeitzone in der England liegt, arbeitet, startete Explorer 1 am 1.2.1958 um 3:47:56.

Explorer 1 lieferte Daten über die Dichte der Hochatmosphäre und erste Hinweise auf den Van Allen Gürtel (der Physiker Van Allen baute den Geigerzähler des Satelliten. Er entdeckte den Rückgang der gezählten Teilchen beim Durchqueren des Strahlungsgürtels auf Null. Er vermutete richtig, dass der Geigerzähler übersättigt war. Dies führte zum Einbau eines weniger empfindlichen Geigerzählers in Explorer 3, der dann den Gürtel nachweisen konnte).

Fazit

Juno IIDie Festlegung auf die „zivile“ Vanguard führte dazu das die UdSSR nicht nur den ersten Satelliten startete, sondern in der folge auch von vielen Drittweltländern und zweitweise auch der Politik der USA als technologisch fortschrittlich angesehenen. Für die Entscheidung sprach nicht nur der zivile Charakter der Vanguard, sondern auch das die wesentlichen für die Technik verantwortlichen im ABMA ehemalige Deutsche waren, auch wenn Wernher von braun mit vielen anderen „Raketenimmigranten“ am 14.4.1955 zu US-Bürgern wurden.

Dieses Szenario wiederholte sich aber: auch die erste Mondsonde sollte zuerst von der USAF gestartet werden, die dafür die Thor-Able eingesetzte. Ihre drei Sonden – Pioneer 0 bis 2 scheiterten alle. Erst danach durfte die Juno II, eine Jupiter-IRBM mit dem Oberstufenbündel der Jupiter-C/Juno I ran. Auch die Jupiter wurde wie die Redstone vom ABMA und damit „den Deutschen“ entwickelt. Auch hier scheiterte der erste Start von Pioneer 3, da die Jupiter zu früh abschaltete. Die Rakete erreichte so eine Spitzenhöhe von 19.000 km und fiel wieder zurück zur erde. Sie konnte aber wertvolle Messungen beider Van-Allen Gürtel machen, vorher war nur der innere bekannt. Pioneer 4 passierte den Mond, aber aufgrund einer zu hohen Geschwindigkeit in etwas größerer Entfernung als geplant.

Die Story geht noch weiter. Redstones – die Basis der Juno I – wurden auch für die suborbitalen Starts im Rahmen des Mercury-Programms durchgeführt und sei beförderten Amerikas erste Astronauten Alan Shepard und Gus Grissom über die 100 km Grenze als allgemein akzeptierte Mindesthöhe für den Weltraum.

Die von Wernher von braun und anderen Deutschen wie Amerikanern entworfene Saturn V brachte schließlich die Apolloastronauten zum Mond, starteten die erste amerikanische Dreimahnbesatzung (Apollo 7 mit der Saturn IB) und die erste und bisher einzige US-Raumstation Skylab, die noch dazu aus einer Saturn V Drittstufe durch Umbauten entstand.

Eine von US-Tests eines Raketenabfangsystems in Australien übrig geblieben Redstone wurde Australien überlassen, die sie zur Sparta-Redstone erweiterte und damit am 29.11.1967 den ersten australischen Satelliten Wresat startete. Eine beeindruckende Reihe von Erstleistung von Wernher von Brauns Raketen.

Artikel erstellt: 23.4.2023


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.

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