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Diesen Beitrag habe ich zuerst für den Blog geschrieben, doch er passt auch für mich zum Nachschlagen besser in die Webseite. Im Blog erlaube ich mir mehr eine wertende Sprache als bei der Website wo ich nur die Fakten darstellen will, daher ist dieser Artikel sprachlich etwas anders als meine sonstigen Artikel.
SpaceX ist mit keiner Raumfahrtfirma zu vergleichen. Dem Spruch werden sicher viele Fans der Firma zustimmen. SpaceX ist aber auch deswegen nicht vergleichbar, weil sie aus Fehlern nicht lernen und ihr CEO es fertigbringt, nach zwei Jahrzehnten Chef einer Raumfahrtfirma immer noch Null Ahnung von Raketen zu haben.
Fangen wir mit Elon Musk an. Ich habe ja im letzten Blog das RDF erwähnt, das Steve Jobs gehabt haben soll. Ich glaube Leute, die die Realität nicht so sehen, wie sie ist, sondern wie sie sie wollen, machen sich auch nicht die Mühe Fachwissen anzueignen, denn das würde ja die eigenen Visionen einschränken. Ich muss immer an Trump denken und die vielen Dinge, die er rausgehauen hat und die es nur in seiner Vorstellung gab. Vielleicht ist das eine Eigenschaft von Narzissten ,wie es alle drei – Musk Trump und Jobs sind. Musk spart gerne am Material. Zwei Starts der Falcon 1 und 9 scheiterten daran, dass er Prallbleche wegließ und meinte Industriequalität reicht für eine Strebe, die in flüssigem Sauerstoff steckt, völlig aus. Gelernt hat er aus den Fehlschlägen nicht, denn er gab vor, das man das Starship aus Edelstahl konstruieren soll, weil das Material ungleich billiger als Kohlefaserverbundwerkstoff ist. Nur Stahl als gut Wärme leitendes Material für ein Raumschiff, das beim Wiedereintritt sich enorm aufheizt? Keine gute Idee. Und die regenerative Kühlung, die er sich vorstellt, scheint auch nicht zu funktionieren, denn die Prototypen sind wie das Shuttle mit Keramikkacheln überzogen, die eine miserable Wärmeleitfähigkeit haben und so ein aufheizen des Starships reduzieren. Besonders pikant: Die Materialkosten spielen beim normalen Raketenbau praktisch keine Rolle, die Arbeitskosten bestimmen den Produktionspreis. 28 t Silber, das ist etwa die Trockenmasse einer Falcon 9 kosten lange nicht so viel wie eine Falcon 9 – und das ohne Wiederverwendung. Bei einem Starship, das je nach Musks Laune, mal 100, mal 1.000-mal wiederverwendbar sein soll würden die Materialkosten sich auf die Flüge umlegen und wären noch unbedeutender. Dafür ist Stahl aber bei gleichen Belastungen erheblich schwerer als Aluminium oder CFK und senkt entsprechend die Nutzlast ab und damit die Einnahmen pro Flug.
Was aber erstaunlich ist, ist das SpaceX beim Starship offensichtlich bei Null anfängt. Nur zur Erinnerung: Als man mit der praktischen Erprobung des Starships geht hat die Firma über 100 Raketen gestartet, seit 2016 ohne Fehlstart, wenngleich nicht immer ohne Probleme. Man sollte also annehmen sie weiß wie man Raketen baut.
Der erste Test eines Starship Prototyps betraf nur die Tanks. Der erste Prototyp explodierte am 20.11.2019 bei einem Druckbelastungstest. Auch wenn SpaceX das abwiegelte, man hätte den Tests bis zum Maximum gefahren und die Explosion käme nicht völlig unvorbereitet, scheint das nicht die Wahrheit gewesen zu sein, denn genau dieses Vehikel sollte nach Musk die ersten Testflüge in niedriger Höhe durchführen. Das hat er dann aber nach der Explosion geändert.
Die nun folgenden Prototypen wurden neu konstruiert und erhielten nun SN-Prototypnummern. Am 28.2.2020 wiederholte man mit dem ersten SN-Prototypen den Drucktest bei dem Mark I vor drei Monaten durchfiel. Natürlich tat das auch SN1, er flog bei einer Beaufschlagung mit Stickstoff in die Luft. Warum erfuhr man nicht, dafür zeigte sich bei Musk Realismus: er meinte, man benötige wohl 20 Prototypen, bis man die endgültige Konfiguration habe. Immerhin: Es gab in der Geschichte einige Fälle in denen eine Atlas deren Hülle nur unter Druck stabil war kollabierte, aber keinen Fall in dem eine ungefüllte Stufe bei einer Druckbeaufschlagung explodierte. Wieder mal ein neuer Rekord für SpaceX!
Mit SN2 schaffte man den Drucktest, nun ging SpaceX an den Test den Tank nicht nur mit Druckgasen, sondern kryogenen Flüssigkeiten zu befüllen. Diesmal kippte der obere Teil der Stufe einfach um, nachdem es schon Falten im unteren Teil, wahrscheinlich dem Methantank gab. Musk schreibt. „“There are redundant pressure control valves. It’s a new system and SN3 was simply commanded wrong. … Not enough pressure in the LOX tank ullage to maintain stability with a heavy load in the CH4 tank. This was done with N2.”.
Also es gibt ein redundantes System, das ja eigentlich solche Dinge verhindern sollte, aber man ist bei SpaceX nicht fähig es auch korrekt zu bedienen. Die Frage ist nur: wie kann das bei einer Raumfahrtfirma mit qualifizierten Mitarbeitern passieren?
Nachdem man mit SN4 den Betankungstest wiederholte und erfolgreich durchführte. Testete man mit SN4 zum ersten Mal auch ein Raptor-Triebwerk. Das Raptor wurde kurz gezündet, dann gab es nach einer Minute eine Explosion. Schuld daran waren die Verbindungen der Treibstoffleitungen zum Starship. Diese sollten auch getestet werden und müssen schnell abziehbar sein, bei den meisten Raketen werden diese bis wenige Sekunden vor dem Start betankt. Das klappte nicht so gut, denn aus den Leitungen flossen danach noch Treibstoff, der sich dann entzündete und zur Explosion führte. Wieder mal ein neuer Rekord von SpaceX: diese Ursache einer Raketenexplosion gab es bisher noch nicht.
SN5 und 6 machten jeweils zwei 150 m hohe Aufstiege und Landungen mit einem Raptor Triebwerk. Von SN7 gibt es drei Prototypen. Sie bestehen aus einer neuen Stahllegierung und die ersten beiden Prototypen wurden bis zur Zerstörung (maximal 7,6 Bar) mit Druck beaufschlagt, dies allerdings absichtlich und der dritte SN 7.2 nach dem Test mit Normaldruck dann verschrottet.
Nun standen die Tests der Landung aus größerer Höhe an, die mit SN8 begannen. Schon im Vorfeld wurde die Höhe von 15 auf 12,5 km abgesenkt, wer das Video anschaut und sieht wie lange die Rakete braucht, um diese Höhe zu erreichen – normale Raketen erreichen sie in etwa 90 Sekunden, SN8 brauchte fast 5 Minuten dann wird auch klar warum man die Höhe absenkte. Dann folgte der freie Fall zurück zur Erde, wo sie in den letzten Sekunden dreht und weich landet – so war es zumindest vorgesehen. Doch bei der Landung schalteten sich zwei Triebwerke ab und im dritten wurde die Flammenfarbe grün – Kenner wissen, das diese Farbe davon kommt das Kupfer, daraus besteht das Innere einer Brennkammer wegen der guten Wärmeleitfähigkeit, verbrennt. Das heißt es brannte kein Treibstoff mehr, sondern die Brennkammer selbst. Durch den Schubverlust zerschellte SN8 auf der Startrampe. Immerhin diese war korrekt angesteuert worden. Als Grund gab Musk einen abfallenden Druck im Methantank an. Für ihn war es trotzdem ein erfolgreicher Test.
Der Nachfolger SN9 kippte schon zwei Tage später in seiner Montagehalle um, als der Stand unter ihm nachgab. Man ersetzte eine Finne und nach sechs Probezündungen der Triebwerke auch zwei Raptors. Der Test wurde dann am 3.2.2021 mit SN9 wiederholt. Die Gipfelhöhe sank auf 10 km, wahrscheinlich damit noch Treibstoff für die Landung vorhanden ist. Diesmal klappte noch weniger. In den letzten Sekunden ist nur noch ein Triebwerk aktiv, dessen Flammen an Intensität variieren. Diesmal schafft der Prototyp nicht mal eine vollständige Drehung, sondern schlägt schräg auf dem Boden auf. Später wurde bekannt, dass ein Triebwerk nach Problemen mit dem Vorbrenner abgeschaltet wurde und so SN9 seine Orientierung verlor.
Als Folge bekam die Startplattform eine Betondecke und die Zahl der Triebwerke, die bei der Landung aktiv sind, wurde von zwei auf drei erhöht. Trotzdem stufte Musk für den ja jeder Flug bisher erfolgreich war, die Chance einer erfolgreichen Landung nur zu 60 Prozent ein. Erneut musste man bei den statischen Brennversuchen ein Raptor auswechseln.
Beim Nachfolger SN10 lief bis zur Landung alles wie bisher. Diesmal klappte auch die Landung – zumindest oberflächlich. Doch der Prototyp landete mit zu hoher Geschwindigkeit (10 m/s, etwa doppelt so schnell wie eine Dragon am Fallschirm bei der Landung aufweist). Drei der Landebeine waren nicht eingerastet und zwei Beine brachen in der Folge ein. Austretendes Methan führte dann 8 Minuten nach der Landung zu einer Explosion. Verantwortlich soll ein zu geringer Heliumvorrat im Methan-tank gewesen sein.
SN11 bekam nun ein zusätzliches RCS (Reaction Control System) das die Steuerungsfähigkeit verbessern sollte. Erneut wurde bei den vorherigen statischen Brennversuchen ein Raptor ausgetauscht. Schon beim Aufstieg sah man ein Feuer bei einem der Triebwerke. Direkt nach der Zündung für die Landung, noch in fast 1 km Höhe, setzte die Telemetrie aus und SN11 schlug wie seine Vorgänger auf. Ein Methanleck führte zum Abschalten des Triebwerks beim Aufstieg und fror die Avionik ein. Das führte zu einem harten Start bei der Wiederzündung der Methan-Turbopumpe.
Als Folge ging SpaceX gleich an SN15, bei dem mehr Verbesserungen geplant waren, wie eine neue Architektur des Antriebs, verbesserte Raptors und Avionik. Mit ihm gelang dann endlich die Landung nach Plan. Sie verlief auch in der Endphase anders, viel langsamer als bisher. Die Drehung erfolgte viel früher, sodass die Treibwerke erst gezündet werden, wenn die Rakete wieder senkrecht steht. Es gab nach der Landung ein kleines Feuer an der Basis der Rakete, das jedoch nach SpaceX Angaben „nicht ungewöhnlich“ sein soll. Aber SN15 explodierte nicht. Die schon im Bau befindlichen SN16 bis 18 für weitere Landungstests wurden danach verschrottet. Mit SN20 und den folgenden soll nun die Phase der orbitalen Startversuche beginnen.
Angesichts der Probleme mit den Raptors, die bei den Tests ausgetauscht werden mussten und trotzdem ausfielen, verwundert es nicht, das Musk am 20.11.2021 eine Mail an seine Mitarbeiter schreibt. In der Mal er sie auffordert, auch am Wochenende zu arbeiten, weil sonst der Bankrott der Firma droht, wenn sie nicht nächstes Jahr (also 2022), einen Starship Flug alle zwei Wochen durchführt. Da ist SpaceX, da es ja noch keinen Start in diesem Jahr gab, in Verzug. Wir lernen auch aus der Mail, das das mit der Falcon 9 aufgebaute Starlink Netz finanziell „schwach“ wäre und nur das mit dem Starship aufzubauende Netz finanziell stark wäre.
Tests der ersten Stufe "Super Heavy" mit je nach Version bis zu 37 Raptor Triebwerken gab es bis zum Schrieben des Artikels nicht, es gibt auch in den USA keinen Teststand der für sie ausgelegt wäre. So wird man sie erst im Flug erproben können.
Selbst mich als SpaceX-Kritiker verwunderte die Zahl der Fehlschläge im Starship Programm. Es sind nicht weniger als acht Fehlschläge in weniger als einem Jahr, dazu ein Umkippen eines Prototyps und zahlreiche schon nach statischen Tests ausgewechselte Triebwerke. Das Raketen bei Druckbeaufschlagung versagen ist selten, vor allem das sie dabei explodieren. Dafür gibt es Überdruckventile, die völlig ohne Elektronik auskommen. Die Versager bei der Landung hatten alle nichts mit dem neuen Landeregime zu tun, sondern den Triebwerken bzw. dem Tankdruck was dann ebenfalls wieder zu den Druckproblemen führt. Lecks und nicht schließende Leitungen scheinen ebenfalls bei SpaceX normal zu sein. Doch wie ist diese Welle an Versagern erheblich mehr als bei der Falcon 1 erklärbar? Normalerweise ist es so das eine Firma, die völlig neu anfängt, mehr Rückschläge bei der Entwicklung hat, einfach, weil die Erfahrung in der Praxis bei den Mitarbeitern fehlt. Das sah man auch bei den ersten Starts von Astra, Firefly und LauncherOne. Das trifft aber auf SpaceX nach zwanzig Jahren nicht mehr zu. Meine Erklärung ist, das SpaceX mal mit wenigen alten Hasen und vielen unerfahrenen Technikern frisch von der Uni begann. Die mussten erst ihre Erfahrungen machen, was die Fehlschläge bei der Falcon 1 erklärt. Sie haben dazugelernt und die Falcon 9 Entwicklung verlief reibungsloser. Diese erfahrenen Leute scheinen inzwischen die Firma verlassen zu haben, denn erfahrene Leute verlangen mehr Gehalt. Die Falcons werden nun von angelernten Arbeitern nach Vorschrift zusammengebaut und es fehlt die Erfahrung wie man Raketen konstruiert, die nun eben wieder zu Fehlschlägen führt. Ähnliches passierte beim Space Shuttle Programm, als die NASA nach dem Apolloprogramm den Großteil ihrer Angestellten und Arbeiter entließ. So dürfen wir uns noch auf einige Versager gefasst machen. Bedenkt man die bisher hohe Ausfallrate der Raptors sehe ich da schwarz für die ersten orbitalen Startversuche bei denen bis zu 40 Raptors im Einsatz sind. Dessen erster soll nach Ankündigungen im Mai 2022 stattfinden.
Links:
https://en.wikipedia.org/wiki/SpaceX_Starship_development
https://www.youtube.com/watch?v=ap-BkkrRg-o
https://www.youtube.com/watch?v=_zZ7fIkpBgs&t=716s
https://www.youtube.com/watch?v=gjCSJIAKEPM
https://www.youtube.com/watch?v=ODY6JWzS8WU
https://www.youtube.com/watch?v=z9eoubnO-pE&t=850s
© der Bilder: SpaceX
© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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