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Der Ausfall des primären Empfängers von Voyager 2 (5.4.1978)

Dieser Artikel ist eine Kopie eines Blogs in der lockeren Reihe "Pannen in der Raumfahrt", in der Ereignisse beschrieben wurden die zurrst katastrophal waren, aber schlussendlich die Mission gerettet werden konnte. Er stammt vom 14.4.2023, das betrifft zwar nicht den Vorfall, aber die ebenfalls unten erwähnten "aktuellen" Ereignisse.

Die interplanetare Sonde Voyager 2 wurde vor ihrer Schwestersonde Voyager 1 am 20.8.1977 gestartet. Voyager 1 würde Voyager 2 durch eine höhere Startgeschwindigkeit überholen, daher die Benennung. Die beiden Voyagers sollten fünf Jahre lang funktionieren. Damit dies gelang, gab es zahlreiche Redundanzen an Bord. So waren die Computer, Sender und Empfänger jeweils doppelt vorhanden und es gab elektronische Schaltungen und Computerprogramme, genannt Fault Protection Algorithm (FPA), die Defekte erkennen sollen und dann automatisch die Reservesysteme aktiveren. Für den Ausfall des Empfängers war aber ein anderes Ereignis mitschuldig.

Schon vor dem Start der beiden Sonden, am 14.4.1977 gab die NASA intern die Entwicklung der Jupiter-Orbiter-Probe (JOP, später in Galileo umbenannt) in Auftrag. Im Oktober 1977 genehmigte das Repräsentantenhaus die Mittel für JOP. Dieses neue Projekt hatte gravierende Folgen für Voyager. Denn die für Voyager-Missions-Verantwortlichen arbeiteten nun zu 90 Prozent an JOP, bei dem in der ersten Projektphase die ganzen Anforderungen und Instrumente festgelegt wurde. Wer jetzt nicht dabei war, hatte später kaum noch Einfluss auf das Projekt. Um die beiden inzwischen zu Jupiter gestarteten Voyagers kümmerten sie sich kaum. Wie eine spätere Untersuchung zeigte, waren auch weitere zahlreiche Probleme, die es in der frühen Mission bei Voyager 1+2 gab, auf diese Vernachlässigung zurückzuführen.

Sende/EmpfangssystemWährend Voyager 1, die zuerst Jupiter erreichen sollte, noch genügend "Aufmerksamkeit" bekam, "vergaß" die Missionskontrolle Voyager 2 im April 1978 einfach und zwar über eine Woche. Sie sandte keine Kommandos zur Sonde. Das löste die Absicherungen gegen Ausfälle an Bord aus. Der Fehlerkorrekturalgorithmus des Bordcomputers CCS interpretierte eine Woche ohne Kontakt mit einer Bodenstation nach der implementierten Logik als Ausfall des Hauptempfängers in der Antenne. Ein FPA, (Fault Protection Algorithm) der Command Los Timer, schlug zu. Das CCS schaltete den Primärempfänger am 5.4.1978 in 2,81 AE Entfernung von der Erde ab und auf den Reserveempfänger um. Der Reserveempfänger hat jedoch einen fehlerhaften 75 µF Kondensator. Der Kondensator war verantwortlich, dass sich der Empfänger automatisch auf das stärkste Signal der Empfangsfrequenz einpendelt. Da die Frequenz durch die Bewegung der Sonde, der Erde und die Rotation der Erde durch die Dopplerverschiebung sich laufend ändert, kam keine Funkverbindung zustande. Das Funksignal von einer Bodenstation kann im S-Band beim Empfang um über 100 Kilohertz Abweichung von der Sendefrequenz schwanken, Voyager 2 konnte ohne den Kondensator nur noch auf einem Intervall von 30 bis 96 Hz um die Zentralfrequenz empfangen. Das CCS war so programmiert, dass es nach 12 Stunden ohne Funkkontakt wieder auf den Primärempfänger umschalten würde. Das war eine Absicherung gegen einen Fehlalarm wie dies auch einer war, denn der Primärempfänger war ja nicht defekt.

Das tat Voyager 2 am 6.4.1978. Das DSN sandte nun Kommandos zur Sonde, inklusive der wichtigsten Anweisung, dem Reset des Timers des FPA. Doch 30 Minuten nach dem Wechsel auf den Hauptempfänger fiel der primäre Empfänger aus, eine Sicherung war durchgebrannt. Die genaue Ursache ist bis heute unbekannt, vermutet wird eine zu hohe Stromaufnahme durch das Sende-/Empfangssystem. Erneut schaltete sie, allerdings erst wieder nach einer Woche - auf den Sekundärempfänger mit dem defekten Transistor um. Die Missionskontrolle achtete von nun an bei beiden Sonden darauf, beide Sender selten zusammen im höchsten Powermode zu betreiben.

Nun hatte Voyager 2 die volle Aufmerksamkeit, die sie vorher nicht bekam. Der wissenschaftliche Betrieb bei Voyager 1 wurde eingestellt und die 64 m Antenne bei Madrid sandte, als der Timer nach einer Woche am 13.4.1978 abgelaufen war, über neun Stunden lang Kommandos in einer langsam aufsteigenden Sendefrequenz. Um 3:30 kalifornischer Zeit empfing Voyager 2 eine Sequenz und antwortete - aufgrund der Signallaufzeit kam das Signal erst 55 Minuten später an.

Von nun an achtete die Missionskontrolle peinlich darauf, die Empfangsfrequenz, die vorher berechnet wurde, genau zu treffen. Das Intervall dafür betrug nur 50 Hz. Schon eine Erwärmung der Empfänger um 0,25 Grad Celsius an Bord reicht aus, die Empfangsfrequenz aus diesem Fenster zu verschieben. Neben der laufenden Anpassung der Sendefrequenz an die Relativgeschwindigkeit von Voyager 2 war es notwendig die Temperatur im Sende- und Empfangssystem konstant zu halten. Sind mehrere Sender in Betrieb, oder springen Heizelemente an, so erwärmt sich das System. Dann werden zwei bis drei Tage lang keine Kommandos gesendet, um dem Empfänger Zeit zum Abkühlen zu geben. Diese genaue Thermalkontolle musste während der ganzen folgenden Mission beibehalten werden, was vor allem bei den Near-Encounterphasen, also wenn die meisten Experimente aktiv sind, eine Beeinträchtigung war. Dann sollten die Sender mit hoher Leistung arbeiteten um viele Daten zu übertragen und auch um Radiobedeckungsexperimente durchzuführen, wenn zwischen Bodenstation und Sonde sich ein Ring oder die Atmosphäre eines Planeten schob und man die Signalveränderungen maß. Zudem war so auch es schwer möglich in das laufende Programm Korrekturen einzubauen, da man immer rechnen musste, das der Empfänger die Daten nicht empfängt.

In dem Jahr, das bis zum Jupitervorbeiflug am 9.7.1979 blieb, untersuchte das JPL diverse Szenarien, wie man die restliche Mission durchführen kann, auch wenn der Kommandoempfänger dauerhaft defekt war. Das Messprogramm von Voyager wurde an eines der drei Computersysteme, das CCS übermittelt. Das Arbeitsprogramm war nicht konstant. Während eines Vorbeiflugs, der einige Monate dauern konnte, waren mehrere Programme aktiv, die Dauer betrug anfangs einige Wochen bis hinab zu 1-2 Tagen vor der nächsten Begegnung. Ohne Kommandoempfänger konnte man diese Programme nicht mehr durch neue austauschen wie dies bei einer Begegnung vorgesehen war. Heute, in der interplanetaren Phase, deckt ein Programm einen Zeitraum von mehreren Monaten ab. Es wurde nun ein Programm entwickelt, das das schlimmste Szenario abdeckte, nämlich das man Voyager 2 nie mehr mit Kommandos würde versorgen können.

Am 26. Juni 1978 sandte das Deep Space Network (DSN) eine Backup-Sequenz zu Voyager 2. Dieses Programm enthielt nur die dringendsten Anweisungen, Bilder würde es bei dieser Sequenz von Jupiter nicht geben, aber von Saturn. Es würden nur drei Positionen auf der Scanplattform angefahren. Anstatt Tausende Positionen, wie sonst vorgesehen, aber mit diesem Backupmissionsprogramm könnte die Sonde autonom bis Saturn arbeiten, ohne Sie jemals wieder ein Kommando von einer Bodenstation empfing. Eingeschlossen war eine Kurskorrektur nach Passage von Jupiter damit sie überhaupt Saturn erreicht. Die Backup-Software belegte die Hälfte des Platzes für das Messprogramm. Noch traute sich das JPL nicht zu es nur in einem der beiden CCS-Computer unterzubringen, um gegen einen Ausfall des primären CCS gewappnet zu sein.

Es wurde untersucht, ob man über eines der Experimente, die Radioastronomieantenne, eine einfache Stabantenne, Kommandos schicken konnte. Am 13. September 1978 schickte die Stanford Universität von Palo Alto mit einer großen Antenne und 300 kW Sendeleistung bei 46,72 MHz Signale in einem Abstand von 6 Minuten zu Voyager. Das Radioastronomieexperiment hatte Empfänger, die eigentlich nur bis maximal 40,55 MHz arbeiten sollten, sie empfingen aber trotzdem noch ein Signal, das deutlich über dem Rauschen lag. So könnte das DSN mit geeigneten Sendern trotzdem noch mit Voyager 2 kommunizieren, wenn der zweite Empfänger ausfallen würde. Allerdings nur mit niedriger Bitraten, da PRA eine lange Integrationszeit hat. Voyager 2 müsste komplett umprogrammiert werden und die Messdaten als Kommandos interpretieren. Diese Idee wurde daher nicht weiter verfolgt.

Bei den Vorbeiflügen an Jupiter und Saturn wurden so Backup-Missionsprogramme hinterlegt. Sie würden es erlauben, die Mission von Voyager 2 bis Saturn durchzuführen, aber es musste so eben viel gestrichen werden. Beobachtungen der Monde würden so zum Beispiel fast vollständig entfallen. Ab Uranus wurde auf das Backup-Programm verzichtet, durch die geringere Datenrate dauerte das Überspielen der Programme nun so lange, dass man während der Nahbeobachtungsphase zu viel Zeit gebraucht hätte ein neues Programm zu überspielen. Der Backup-CCS hielt so die nächsten Programme vor, wenn das Aktuelle im primären CCS ablief. Zwischen den Begegnungen mit den Eisriesen wurden aber die Backup-Programme wieder hochgespielt. Noch heute haben beide Sonden diese Programme in ihren kleinen Speichern (das CCS hat einen Speicher von 16 KByte pro Computer).

Es gab immer wieder Probleme mit Voyager 2, aber auch ihrer Schwester Voyager 1. Voyager 2 verlor am 21.7.2023 für 14 Tage den Kontakt mit der Erde als ein fehlerhaftes Kommando die Antenne in eine falsche Richtung drehte. Voyager 1 hatte erst vor wenigen Tagen einen Defekt und übermittelte "Unsinn". Wie sich zeigte, war ein Chip im FDS, 1/32 des Gesamtspeichers defekt und dieser Bereich wurde nun gesperrt. Etwas Ähnliches mit gravierender Auswirkung erlebte auch Voyager 1 während sie sich Uranus näherte. Die Aufnahmen waren mit weißen und dunklen Linien durchzogen, weil ein Bit im FDS dauerhaft gekippt war.

Beide Sonden sind - nun fast 47 Jahre nach dem Start - immer noch aktiv und liefern noch Daten. Man musste wegen der abfallenden Leistung der RTG, die den Strom liefern die meisten Experimente abschalten, aber vier bzw. fünf (Voyager 1/2) Experimente die Daten über Wellen und Teilchen liefern sind immer noch aktiv. Die Raumsonden selbst sind heute 24,32 (Voyager 1) bzw. 20,27 (Voyager 2) Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt.

Der Schlüssel für den Erfolg von Voyager 2, trotz der Beeinträchtigungen durch den fehlerhaften Empfänger war, das sie Computersysteme hatte, die neu programmierbar waren. Sie waren noch relativ neu, erst eine unbemannte Mission - Viking - hatte Computersysteme. Die vorherigen Sonden hatten Sequenzer. Ein Sequenzer ist eine Art Zeitschaltuhr mit einem Programmspeicher. Zu einem bestimmten Zeitpunkt führte er vorher festgelegte Anweisungen aus. Er konnte so aber nicht auf Ereignisse reagieren die in diesen Programmen nicht vorgesehen waren.

Meiner persönlichen Meinung nach war im Rückblick der Zeitpunkt des Ausfalls ein glücklicher. Der Kondensator war ja schon beim Start defekt. Wahrscheinlich war auch die Sicherung vom Start weg vorgeschädigt. Früher oder später hätte man irgendwann auf den Reserveempfänger umgeschaltet und sei es nur zu Testzwecken. Ebenso hätte man spätestens beim Encounter die Sender mit der maximalen Sendestärke betrieben und so das Durchbrennen der Sicherung forciert. Durch den Ausfall ein Jahr bevor am 25.4.1979 die Encounterphase mit Jupiter begann, erfolgte er noch so rechtzeitig, dass man sich gegen die Folgen wappnen konnte und Voyager 2 stand so in den Ergebnissen ihrer Schwester nicht nach und wurde auch nicht von dem Ausfall gravierend beeinträchtigt.

Voyagers Grand TourDas Buch zu den Sonden

Nach vielen Jahren - mit den Voyagersonden fing mein Interesse an Raumfahrt an - habe ich mich 2022 zum 45-sten Jubiläum des Starts aufgerafft, doch ein Buch über die Sonden zu schreiben. Anfangs meinte ich, den doch sehr ausführlichen Artikeln auf der Website nicht mehr viel hinzufügen zu können, aber beim Stöbern in den NASA-Archiven und den Voyager-Messengern, von denen auch 100 erschienen, ist es doch ein ziemlich umfangreiches Buch geworden.

Auf 600 Seiten findet sich so ziemlich alles, was man zu den Sonden wissen muss, vielleicht sogar einiges was man nicht wissen muss. Es ist damit etwa dreimal umfangreicher als die Webaufsätze, besser gegliedert, mit mehr Bildern und ich hoffe auch leichter zu lesen.

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Artikel verfasst 14.4.2024, Artikel zuletzt modifiziert: 8.1.2025

Links

The Voyager Neptune Travel Guide

NSSC Informationen Voyager 1

NSSC Informationen Voyager 2

Voyager Atlas of Saturn NASA SP-474

Die Voyager Homepage des JPL informiert über die Mission und die Ergebnisse.
Die Projekt Voyager Homepage geht auf die Raumsonde selbst mehr ein und vor allem über die aktuellen und geplanten Aktivitäten. Dort finden Sie auch den Inhalt der Schallplatte die Voyager den Aliens bringt...


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.

Bücher vom Autor über Raumsonden

Lang Zeit gab es von mir nur ein Buch über Raumsonden: die beiden Mars-Raumsonden des Jahres 2011, Phobos Grunt und dem Mars Science Laboratory. Während die russische Raumsonde mittlerweile auf dem Grund des Pazifiks ruht, hat für Curiosity die Mission erst bekommen. Das Buch informiert über die Projektgeschichte, den technischen Aufbau der Sonden und ihrer Experimente, die geplante Mission und Zielsetzungen. Die Mission von Curiosity ist bis nach der Landung (Sol 10) dokumentiert. Einsteiger profitieren von Kapiteln, welche die bisherige Marsforschung skizzieren, die Funktionsweise der Instrumente erklären aber auch die Frage erläutern wie wahrscheinlich Leben auf dem Mars ist.

2018 wurde dies durch zwei Lexika, im Stille der schon existierenden Bücher über Trägerraketen ergänzt. Jedes Raumsonden Programm wird auf durchschnittlich sechs bis acht Seiten vorgestellt, ergänzt durch eine Tabelle mit den wichtigsten zeitlichen und technischen Daten und Fotos der Raumsonde, bzw., Fotos die sie aufgenommen hat. Ich habe weil es in einen band nicht rein geht eine Trennung im Jahr 1990 gemacht. Alle Programme vorher gibt es in Band 1. Die folgenden ab 1990 gestarteten dann in Band 2. In Band 2 ist ein Raumsonden Programm meist eine Einzelsonde (Ausnahme MER). In Band 1 dagegen ein Vorhaben das damals zumeist aus Doppelstarts bestand, oft auch mehr wie z.B. neun Ranger oder sieben Surveyor. Beide Bänder sind etwa 400 Seiten stark. In Band 1 gibt es noch eine gemeinsame Einführung für beide Bände über Himmelsmechanik und Technik der Instrumente. Beide Bände haben einen Anhang mit Startlisten, Kosten von Raumsonden und Erfolgsstatistiken. Band 2 hatte Redaktionsschluss im Januar 2018 und enthält die für 2018 geplanten Missionen über die es genügend Daten gab.

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