Home Raumfahrt Trägeraketen Raketen anderer Nationen Site Map counter

Die A-4 (V2)-Rakete - Teil 2

Die Geschichte der ersten Großrakete der Welt, der A-4, ist sehr lang und beginnt mit ihren Vorläufern A-1,A-2,A-3 und A-5 und endet nicht nach dem Krieg, da die Rakete Basis für die Entwicklung weiterer Raketen in West und Ost wurde. Daher habe ich zwei Artikel zur Geschichte der A-4 geschrieben. Der erste Teil umfasst die Entwicklung von der A-1 zur A-4, bis zur Bombardierung von Peenemünde am 17/18. August 1943. Der Teil 2 umfasst die Produktion und den Einsatz der A-4, sowie die Ideen für weitere Raketen und den Einsatz der A-4 nach Kriegsende.

Die SS streckt ihre Krallen aus

Anfang April 1943 besuchte Himmler erstmals Peenemünde und machte Dornberger den Vorschlag, die Waffenentwicklung auf die SS zu übertragen, da sie doch über viel mehr Ressourcen als das Heereswaffenamt verfüge. Dornberger lehnte ab. Schon eine Woche später wurde Oberst Zanssen, der Leiter des Peenemünder Heereswaffenamtes, verhaftet. Angeblich sollte er sich in Briefen subversiv geäußert haben, doch diese Briefe konnte man Dornberger nicht vorlegen. Gleichzeitig lud Himmler von Braun vor und bot ihm an, zur SS zu wechseln. Von Braun lehnte ab und Dornberger konnte Zanssen wegen seiner Bedeutung für das Programm freibekommen. Es wurde jedoch weiter gegen ihn intrigiert und im August 1944 wurde er zur Front abkommandiert. Himmler schaffte es aber, einen Fuß in die Türe zu bekommen: Er wollte die Fertigung übernehmen. General Dr. Kammler, der ab 1943 zuerst die Fertigung der A-4 durchführen sollte, war von der SS. Nach dem Attentat auf Hitler gewann die SS noch mehr Einfluss und Kammler wurde Chef der gesamten Vergeltungswaffenentwicklung, -produktion und -einsatz.

Trotzdem arbeitete die SS weiter gegen die Führung von Peenemünde. In der Nacht zum 13. März 1944 wurden Wernher von Braun, sein Bruder Magnus, Klaus Riedel und Helmut Gröttrup von der GeStaPo verhaftet und in ein Gefängnis in Stettin gebracht. General Dornberger wurde von Feldmarschall Keitel vorgeladen. Als er von Braun und die anderen Peenemünder loseisen wollte, wurde ihm eröffnet, dass man auch über ihn und seine Aktivitäten, das A-4 Programm zu verzögern, schon eine dicke Akte habe, aber er zur Zeit noch für das Programm gebraucht werde. Der Grund für die Verhaftung: In einer privaten Runde hatte von Braun im Offizierscasino gesagt, er betreibe die gesamte A-4 Forschung nur, um seine Raumfahrtaktivitäten voranzutreiben und würde daher nicht zu 100 Prozent für das Heer arbeiten. Die SS hatte nach dem ersten Versuch Himmlers die Kontrolle zu erlangen, Spitzel unter der Zivilbevölkerung platziert. Nach 3 Tagen Haft war von Braun wieder frei.

Mittelbau Dora

Fertigung der A4Der Beschluss zur Verlagerung der Produktion in den Mittelbau Dora fiel im August 1943 nach dem Angriff der Royal Air Force auf Peenemünde. Übertragen wurde die Aufgabe dem SS-General Dr. Hans Kammler. Er suchte am 28.9.1943 das Wehrmachtstestgelände Heidelager auf und informierte sich über seine neue Aufgabe. Am 30.9.1943 befahl Hitler, technisch erfahrene Leute aus den Gefängnissen in einem "A-4 Konzentrationslager" zu sammeln.

Die SS plante den Bau der Rakete in zwei Stollen im Kohnsteinberg nahe Nordhausen, die jeweils eine Länge von 1,8 km hatten und 1.000 m voneinander entfernt durch den Berg getrieben wurden. Dort wurde seit 1880 Anhydrid abgebaut. Seit 1934 wurden dort Lager der IG Farben für Treibstoffe und Chemikalien angelegt. 1943 gab es schon 42 Hallen im Berg. Die Stollen wurden durch 47 Quergänge verbunden. Die verfügbare Fläche wurde von 98.000 m² bis zum Februar 1944 auf 111.000 m² vergrößert. Es wurden Betondecken an die Wände gezogen und Gleise verlegt. Am 28.8.1943 begann die Erschließung des Berges. Ab Oktober 1943 begann dort die Serienproduktion. Die ersten Raketen waren im Januar 1944 einsatzbereit. Dieses Produktionsgelände namens Mittelbau Dora wurde vom nahen KZ Buchwald und 20 weiteren Lagern in der Umgebung mit Arbeitern versorgt. Diese vegetierten dort unter unmenschlichen Bedingungen, viele starben durch Unterernährung und Infektionen. Schätzungen gehen von bis zu 20.000 Opfern unter den 60.000 KZ-Häftlingen aus. Sabotagetrupps unter den Häftlingen schafften es, dass eine große Zahl von Starts der A-4 misslangen.

Im Mittelbau Dora war die Raketenproduktion weitgehend sicher vor Bombardements. Erst im April 1945 erreichte die US Army das Gelände und befreite die noch verbliebenen Häftlinge. Eine Produktion von 500 Raketen pro Monat war geplant. Dieses Soll wurde nach Beginn des Einsatzes aber auf 900 erhöht. Die höchste Produktionsrate wurde im Januar 1945 mit 690 Stück erreicht. Dabei reduzierten die "preiswerten" Arbeiter die Produktionskosten von 119.600 Reichsmark auf 40.000 Reichsmark. Das Oberkommando des Heeres zahlte an die Mittelbau Dora GmbH insgesamt 4,8 Mrd. Reichsmark für die Fertigung von 12.000 Raketen. Geplant war, dass ab Exemplar 8.000 (zu dem es nie kam) eine Rakete nur noch 35.000 Reichsmark kostete. Ein Jagdflugzeug oder ein Panzer war etwa 10 mal teurer. Die recht langsame Absenkung der Produktionskosten hatte ihre Ursache in den zahlreichen Änderungen, die man bei der Rakete noch vornahm, selbst als die Serienproduktion schon lief. Trotzdem gab es, wie im ersten technischen Teil erläutert, noch viele Verbesserungsideen für die Rakete, vor allem bei der Steuerung, aber auch bei der Brennkammer, die während der laufenden Produktion eingeführt wurden. Hätte man darauf verzichtet, so hätte man die Produktionskosten sicher noch weiter absenken können. Bei einem Lernfaktor von 0,85 etwa auf 26.000 Reichsmark pro Stück.

Mittelbau Dora lieferte nach Anlauf der Produktion im Januar 1944 sowohl Geräte für die Front, wie auch für Versuchsabschüsse. Die Fertigungsstrasse war für 1.200 Raketen pro Monat ausgelegt, doch als die Produktion soweit eingespielt war, dass man die Stückzahl rasch steigern konnte, setzte Treibstoffmangel sowohl beim Sauerstoff als auch beim Spiritus der Produktion Grenzen. Es gab nicht mehr Treibstoff als für etwa 900-1.000 Raketen im Monat.

Der Einsatz

Operationeller Start der A-4Im September 1943 erhielt Dornberger den Befehl, mit einer neu aufgestellten Truppe des Heeres "Versuchsbatterie 444", Versuchsabschüsse vom Truppenübungsplatz Heidelager nahe Blizna in Polen vorzubereiten. Am 5.11.1943 begannen die ersten Abschüsse. Am 8.4.1944 konnten polnische Partisanen eine nur gering beschädigte A-4 bergen und nach London schmuggeln. Eine zweite A-4 gelangte später auch nach Moskau, doch diese war stark beschädigt. Danach waren die USA und die UdSSR auf der Suche nach den Erbauern dieser Waffe.

Bei der Erprobung der A-4 zeigte sich ein Problem: 70 Prozent der gestarteten Raketen desintegrierten vor dem Aufschlag (so genannte "Luftzerleger"). Nur 10-20 Prozent schlugen unbeschädigt auf. Das war bei den Tests in Peenemünde, wo die Rakete auf dem Meer aufschlug, nie beobachtet worden, da die Rakete versank. Man führte damals nur einen Farbstoffbehälter mit, der die Aufschlagsstelle mit grüngelber Farbe anzeigte. Ob die Rakete beim Aufschlag explodiert war oder der Farbstoff schon vorher freigesetzt wurde, konnte man so nicht feststellen. Es galt also, die Rakete zu verbessern und die Struktur nochmals zu verstärken. Glücklicherweise gab es auch Verbesserungen im Triebwerk (höherer Schub und größerer spezifischer Impuls), so dass man die höhere Konstruktionsmasse abfedern konnte. Der Fronteinsatz verzögerte sich dadurch aber weiter.

Zwei weitere Probleme traten nun auf: Es kam bei einigen Raketen zum Brennschluss nach wenigen Sekunden in etwa 20 m Höhe durch ein zurückfallendes Relais und es gab Explosionen im Heck in 1.000-3.000 m Höhe. Letzteres konnte man zuerst aufklären: Montagespannungen in den Rohren führten zur Rissen in den Leitungen durch die Erschütterungen beim Transport und Start. Da die A-4 vorher nicht über längere Strecken auf ruckeligen Gleisen transportiert wurde, war das Problem nie aufgetaucht. Man verbesserte den Herstellungsprozess und die Brände im Heck blieben aus. Später konnte man auch den Fehler am Relais beheben.

Bei den Luftzerlegern tappte man jedoch im Dunkeln. Man ersetzte die letzten Aluminiumteile der Außenhaut durch Eisen, um die Festigkeit zu erhöhen - ohne Erfolg. Man spekulierte, ob der Spiritustank trotz Überdruckregelung beim Wiedereintritt zerquetscht wurde und Spiritus explodiert war (Idee von Brauns) oder der Sauerstofftank durch verdampfen des -180 Grad Celsius kalten Sauerstoffs durch die Wiedereintrittshitze explodierte (Idee Dornbergers) und testete dies mit einer Serie von Raketen, die ihren Treibstoff vollständig verbrannten (normalerweise blieb ein Rest von etwa 500 kg übrig). Das war jedoch nicht die Ursache, es gab nach wie vor Luftzerleger. Schließlich isolierte man die Tanks zusätzlich mit Glaswolle und das half. Ob es an der Isolation lag oder der dadurch versteiften Mittelzelle, wusste man nicht, doch das Ergebnis zählte. Es gab nun nur noch 30 Prozent Luftzerleger, kurz vor dem Fronteinsatz wurde die Zuverlässigkeit durch eine Blechmanschette im Geräteteil auf nahezu 100 Prozent gesteigert. Allerdings war nun die Rakete schwerer geworden. Ursprünglich sollten in der Spitze 1.000 kg Sprengstoff transportiert werden, nun durfte die Spitze insgesamt nur 1.000 kg wiegen, wodurch maximal 750 kg für den Sprengstoff blieben..

A4-LOX TankerDie Erprobung der A-4 ging auch nach Einsatzbeginn weiter. Ziel war nun die Steigerung der Leistung. Durch Reduktion der Leermasse und des Resttreibstoffs konnte man die Reichweite von 250 auf 320 km steigern. Einige Exemplare, die mit etwas verlängerten Tanks hergestellt wurden, erreichten eine Reichweite von 480 km. Man arbeitete auch an verbesserten Zündern, die auch bei "Luftzerlegern" noch zündeten und an einem Bodenabstandszünder, der die Rakete in 20 m Höhe zur Explosion bringen sollte, dies erzeugt eine wesentlich stärkere Druckwelle. Beide Projekte kamen vor Kriegsende nicht zum Abschluss.

Ab Juli 1944 musste das Testgebiet Blizna wegen der vorrückenden sowjetischen Armee geräumt werden und die Starts fanden von nun an vom Truppenübungsplatz "Heidekraut" in der Tucheler Heide aus statt. Ab September 1944 gab es dort die ersten Erpobungsstarts.

Erst am 8.9.1944 wurde die erste A-4 Richtung London abgeschossen. Wenige Tage später wurde die Rakete von Göbbels propagandistisch als V-2 bezeichnet, V-2 steht für "Vergeltungswaffe 2". Die Vergeltungswaffe 1 (V-1) war die Fi-103, eine mit einem Staustrahltriebwerk angetriebene Flugbombe. Sie war nur so schnell wie ein Flugzeug und flog in niedriger Höhe, dadurch konnte sie leicht durch Flak oder Jagdflieger abgeschossen werden. Zuerst gab es auch beim Fronteinsatz Probleme, die vor allem am Transport und der Lagerung der Rakete lagen. Als man die Rakete nicht mehr in Munitionsdepots vorrätig hielt, sondern sofort an die Front brachte, gingen die Ausfälle zurück. Die Ursache konnte an den Lagerbedingungen oder einer geringen Lebensdauer von Teilen liegen.

No TextEs wurden mindestens 3.225 V-2 auf London und Antwerpen sowie andere Städte (da man bald die Stellungen wegen der vorrückenden Alliierten räumen musste und man so London nicht mehr erreichen konnte) abgefeuert. Die meisten V-2 schlugen in Antwerpen ein. Die Anzahl der Versager soll bei den 1.359 auf London abgefeuerten Raketen bei 169 nach dem Start und 61 Luftzerlegern gelegen haben. Dies lag vor allem an der Sabotage der Produktion im Mittelwerk. Bei den Starts, die für Probeschüsse gedacht waren und extra gekennzeichnet wurden, lag die Ausfallquote bei nur 4 %.

Es gab für die Rakete feste Abschussbasen an der Atlantikküste, doch diese musste man bald räumen. Teilweise wurden diese auch durch Angriffe mit bunkerbrechenden Bomben zerstört. In der Folge wurde die Rakete von mobilen Einheiten abgefeuert. Jede Batterie feuerte etwa 10-12 Raketen pro Tag ab und bestand aus einem Funkleitwagen mit der Startplattform, einem Tanker für Wasserstoffperoxid, Stickstoff und Kaliumpermanganat und einem Tanker für flüssigen Sauerstoff und Alkohol, was nach jedem Start von einem größeren Tank auf einem Güterwagon nachgefüllt wurde. Die Raketen wurden auf ziehbare Gestelle montiert und von Meilerwagen zum Abschußort gezogen.

No TextFür den Abschuss wurde die Rakete im Wald auf eine Lichtung gefahren und die Bäume über ihr zusammengebunden. Sie konnte so von Tieffliegern nicht entdeckt werden. Die Rakete wurde hydraulisch aufgerichtet und mittels eines elektrischen Kabels mit dem Funkwagen verbunden. Die Triebwerksverkleidung wurde entfernt und die Strahlruder installiert. Unter der Rakete wurde der Boden, sofern er nicht hart war, mit Bohlen befestigt. Danach wurde die Rakete betankt, zuerst mit Alkohol (Dauer zirka 10 Minuten), dann mit flüssigem Sauerstoff (maximal 1 Stunde vor dem Start). Gleichzeitig wurde die Kaliumpermanganatfüllung installiert und erhitzt und das Wasserstoffperoxid eingefüllt. Danach fuhr der Feuerleitwagen etwa 100-150 m von der Rakete weg. Nun erst, unmittelbar vor dem Start, wurde das Seil durchtrennt, das die Bäume zusammenhielt und die Rakete wurde gestartet. Dieses Tarnsystem funktionierte so gut, dass keine einzige A-4 vor dem Start beschossen wurde. Es gibt zwar einen dokumentierten Angriff eines Jagdfliegers (einer Typhoon) auf eine startende A-4, doch da die Rakete schon nach 8 Sekunden genauso schnell wie ein Jagdflugzeug war und viel schneller an Höhe gewann, war dieser nicht erfolgreich. Die ganze Prozedur konnte von eingespielten Teams in 12 Minuten absolviert werden.

A4 in einer LichtungInsgesamt wurden je nach Quelle 4.300-5.780 A-4 gebaut. Es gibt mindestens 3.225 verbürgte Einsätze als Waffe V-2, dazu Starts zur Vertrautmachung der Truppen mit dem Startablauf und 265 Entwicklungsflüge. Während des Fronteinsatzes gab es pro Tag 25-30 Starts und 5-7 Versuchsabschüsse zur Verbesserung der Rakete. Nach anderen Quellen soll die Rakete 4.400 mal als V-2 eingesetzt worden sein. Die Kosten pro Einheit sollen bei der Fertigung in Peenemünde bei 119.600 Reichsmark gelegen haben, etwa ein Drittel der Kosten eines Jagdflugzeuges. Die Mittelbau Dora GmbH bekam nur 40.000 Reichsmark pro Stück für die Fertigung mit KZ-Häftlingen. Dornberger sprach von 38.000 Reichsmark Fertigungskosten, "Tausende von Reichsmark billiger als ein Torpedo und ein dreißigstel der Kosten eines zweimotorigen Bombers".

Als Waffe war die V-2 weitgehend wirkungslos. Es gab zwar keine Abwehrmöglichkeit (die Rakete näherte sich mit drei-bis vierfacher Schallgeschwindigkeit und es gab den Einschlag vor dem Überschallknall) und der 975 kg schwere Sprengkopf mit 738 kg TNT riss ein riesiges Loch in die Erde und zerstörte auch umliegende Gebäude. Die Wirkung war in etwa vergleichbar der Bombenlast einer B-17, wenn sie auf einen Punkt konzentriert gewesen wäre. Aber es waren eben punktuelle Einsätze gegen zivile Ziele. Jeder Angriff der alliierten Bomberflotte, von denen es alleine 363 auf Berlin gab, war genauso effektiv, wie einige hundert V-2. Man schätzt, dass durch die V-2 etwa 6.000 bis 13.000 Personen getötet wurden. Für die 1.054 Stück, die auf London einschlugen, wurden nach englischen Quellen 2.754 Tote, 6.523 schwer und 9.277 leicht Verletzte genannt. Die letzte V-2 wurde am 27.3.1945 gestartet und die Produktion am 15.4.1945 eingestellt. Die V-2 hält heute noch einen unrühmlichen Rekord: Bei ihrer Herstellung starben mehr Menschen, als bei ihrem Einsatz.

Weitere Pläne

Raketenjäger und -werfer

Die A-4 war nicht das einzige Projekt, welches die Ingenieure um von Braun verwirklichten. Es war Krieg und von Braun wollte nicht riskieren, dass seine Leute ohne Arbeit waren und dann eingezogen wurden. Schließlich arbeiteten am Ende 40.000 Leute in 5.000-6.000 Instituten direkt oder indirekt am Raketenprogramm. Schon 1939 verbesserte er das Treibstoffförderungssystem der Heinkel 112, eines Raketenflugzeuges. Er ersetzte die Druckförderung durch eine Pumpenförderung und schuf so den Antrieb der Heinkel 176, eines Raketenjägers mit abwerfbarer Führerkabine. Er legte auch im Juli 1939 eine Denkschrift vor, in der er einen Raketenjäger propagierte - ein Projekt, das erst in der Endphase des Krieges in Form der Messerschnitt Me 163 und der Bachem-Natter Ba 349 angegangen wurde.

A-4 EntwicklungDie Entwicklung von Raketenjägern wurde jedoch später von der Luftwaffe und nicht vom Heer verfolgt. Die Gruppe um von Braun und Dornberger wurde nur zur Klärung von Detailfragen hinzugezogen.

Dafür war man beteiligt bei der Entwicklung eines schweren Raketenwerfers, der auf das Fahrgestell eines Panzers des Typs III montiert wurde. Der 28 cm-Raketenwerfer, bald in Anspielung auf Walter Dornberger nur "Do-Werfer" genant, schoss feststoffangetriebene Raketen mit jeweils 50 kg Sprengstoff ab.

Flugabwehrrakete "Wasserfall"

1943 fragte die Luftwaffe nach einer Rakete, um alliierte Bomber abzuschießen. Man entschied sich für eine 7,92 m lange und 3,5 t schwere Rakete als Kompromiss zwischen Größe und Reichweite. Die Rakete "Wasserfall" arbeitete mit den Treibstoffen Kerosin/Salpetersäure, die besser lagerfähig als der flüssige Sauerstoff der V-2 waren (schließlich wusste man nicht im voraus, wann ein Bombenangriff stattfinden würde). Die Rakete hatte zwei kreuzförmig angeordnete Flügel zur besseren Stabilisierung und konnte vom Boden aus mit einem Steuerknüppel gesteuert werden.

Zu Kriegsende konnte die Rakete von einem Analogrechner gesteuert werden und ein Annäherungszünder, der die 300 kg schwere Sprengladung zündete, war fast fertig gestellt. Die Rakete hatte eine Reichweite von 26 km und eine Gipfelhöhe von 16 km, kam aber zu spät, um noch im Krieg eingesetzt zu werden. Das Design war jedoch so fortschrittlich, dass die Siegermächte es kopierten: Die Luftabwehrraketen "Hermes" in den USA und die "R101" in Russland waren nichts anderes, als nachgebaute Wasserfallraketen.

Andere Pläne gab es, um die A-4 von U-Booten aus zu starten. Ein U-Boot hätte dazu einen 5,5 m breiten und 37 m langen Transportbehälter bis auf 200-300 km an die Küste heran gezogen, diesen dann aufgerichtet und die Rakete gestartet. Schon 1939 gab es erfolgreiche Tests von Feststoffraketen, die 10-20 m unter der Wasseroberfläche gestartet wurden. Sie sollten 3 km vor der Küste gestartet werden und dann mit Brandsätzen Depots in Häfen, wie z.B. Benzinlager, in Brand stecken. Doch erst 1943 griff man die Idee wieder auf und bis zum Dezember 1944 arbeitete man daran. Dieses Projekt "Schwimmweste" kam nicht in die Realisierungsphase. Angesichts der Verluste im U-Boot Krieg in den letzten beiden Kriegsjahren wäre diese Waffe auch eher ein Selbstmordkommando gewesen.

Wasserfall

Wasserfall

Erststart: 29.4.1944

Startmasse: 3.500 kg
Treibstoff: 1.850 kg Kerosin + Salpetersäure
Sprengkopf: 300 kg

Länge: 7,70 m
Durchmesser: 0,89 m, 2,34 m mit Flügeln

Triebwerk:
Schub: 78 kN Boden

Bahn:
Höhe: 18 km
Reichweite: 26 km

Besonderheiten:
- Steuerung vom Boden aus möglich
- Adaptives Lenksystem
- Annäherungszünder
- Nachgebaut in den USA als Hermes und in Russland als R101

Die A-4B "Bastard"

Man versuchte auch die Reichweite der A-4 zu erhöhen, indem man die Geschwindigkeit des Wiedereintritts für einen Gleitflug nutzte. Die A-4B unterschied sich von der A-4 durch zwei Flügel, die dies ermöglichen und so die Reichweite auf 644 km-750 km fast verdoppeln sollten. Vorgeschlagen schon 1940, musste die Entwicklung mangels Mitteln zuerst für einige Jahre eingestellt werden. Die A-4B absolvierte im Januar 1945 einige Testflüge, kam jedoch nicht mehr zum Truppeneinsatz, da man ihre Entwicklung solange stoppte, bis die Wehrmacht ihre Stellungen an der Normandie verlor und so nicht mehr London mit der V-2 erreichen konnte. Erst am 25.10.1944 wurde der Bau von 5 Prototypen genehmigt, der erste flog am 27.12.1944. Die A-4B hatte die gleichen Leistungsdaten wie die A-4, nur war ihre Leermasse durch die Flügel um 1.350 kg höher. Beim einzigen erfolgreichen Flug erreichte die Rakete eine Reichweite von 750 km bei einer Höhe von 80 km. Ursprünglich dachte man an vergrößerte Pfeilflügel wie die Heckflossen der A-4, doch im Windkanal zeigte sich, dass mit diesen der Schwerpunkt zu weit hinten lag. Die A-4B bekam daher dünne Flügel, die sehr an heutige Flugzeugflügel von Überschallmaschinen erinnern und weiter oben an der Rakete befestigt wurden. In der Tat war die A-4B die erste Überschallmaschine und erinnert in ihrer Form mehr an die X-1, mit der 4 Jahre später die USA zum ersten Mal bemannt die Schallmauer durchbrachen. Die A-4B wurde wie die A-4 gestartet. Sie ging aber in einer Höhe von 20 km in einen langen Gleitflug über. Die Geschwindigkeit nahm dabei von 1.250 m/s auf 160 m/s in 5 km Höhe ab. Man nutzte also die enorme kinetische Energie der Rakete für eine Reichweitenvergrößerung. In 5km Höhe hätte man die Rakete dann gezielt zum Absturz gebracht, weil sie nun mit einer Geschwindigkeit von 576 km/h schon so langsam wie ein Jagdflugzeug war.

Die Tests einer mit vergrößerten Pfeilflügeln versehenen A-4 liefen unter der Bezeichnung A-9, kamen jedoch nie über das Projektstadium heraus. Die Pfeilflügel verursachten im Überschallbereich große Probleme und wurden zugunsten der A-4B aufgegeben. Die A-9 sollte jedoch als zweite Stufe des Gespanns A-9/A-10 eingesetzt werden.

Von Braun plante auch eine bemannte Version der A-4B, welche einen Piloten in 17 Minuten über eine Distanz von 644 km transportieren sollte. Diese wurde als A-6 propagiert. Sie hatte keinen militärischen Nutzen, sollte aber Grundlage für eine zivile Nutzung nach dem Krieg sein. Die A-6 wäre nach 644 km Flug mit 160 km/h auf Kufen gelandet. Eine verkleinerte Version der A-4B zum Test des Konzepts war die A-7, die schon 1941 getestet wurde und etwa 15 kN Schub bei 1.000 kg Startmasse aufwies.

A-6

A-4B

A-7

Erprobung: 1941

Stufe 1:
Startmasse: 1.000 kg
Treibstoff: 3.865 kg Methanol (85 %) + 4.970 kg LOX

Länge: 5,91 m
Flügelfläche: 1,6 m²
Durchmesser ohne Flossen: 0,38 m

Triebwerk:
Schub: 15,4 kN Boden

Bahn:
Höhe: 10 km
Reichweite: 50 km

A-4B "Bastard" / A-6

Erststart 27.12.1944

Stufe 1:
Startmasse: 15.200 kg
Leermasse: 4.200 kg
Treibstoff: 3.865 kg Methanol (85 %) + 4.970 kg LOX
Sprengkopf: 975 kg

Länge 14,0 m
max. Durchmesser: 3,56 m
Durchmesser ohne Flossen: 1,65 m
Flügelfläche: 13,5 m²

Triebwerk:
Schub: 274 kN Boden, 312 kN Vakuum
Brenndauer: 63 s
spez. Impuls: 2.100 m/s

Bahn:
Höhe: 90 km
Reichweite: 644-750 km

Die A-9/A-10

Größenvergleich A4-A9Die A-9 wäre mit etwa 85 t Startmasse und 200 t Startschub eine wesentlich größere Rakete gewesen. Von Braun sah sie als einen weiteren Schritt für die Verwirklichung seines Traumes - der Erforschung des Weltraums, verkaufte sie aber dem Militär als "Transatlantik Rakete". Mit der A-9 und einer geflügelten A-4 als Oberstufe hätte man eine Tonne Nutzlast über 4.100 km transportieren können. Es gab auch Pläne für eine bemannte Version. Die A-9 sollte zuerst 6 Triebwerke einer A-4 in der ersten Stufe verwenden, dann plante man ein größeres Triebwerk mit 1.760-2.000 kN Startschub. Sie wurde schon 1940 von von Braun vorgeschlagen. Man untersagte ihm 1943 die Arbeit und erst im November 1944 durfte er sie wieder aufnehmen. Es gibt über die Abmessungen und Form der A-9 sehr viele unterschiedliche Werte.

Die A-10 als Unterstufe hätte eine Masse von 87 t (davon 62 t Treibstoff) und 200 t Startschub (1.962 kN) gehabt. Sie hätte in 50-60 Sekunden eine Geschwindigkeit von 1.200 m/s erreicht und dann eine A-9 freigesetzt. Diese hätte um weitere 1.600 m/s beschleunigt. Die Kombination von hoher Geschwindigkeit und den Flügeln der A-9, welche einen Gleitflug ermöglichten, hätte eine Reichweite von 5.500 km mit Flügeln und 4.100 km ohne Flügel ermöglicht. Man kam von einem frühen Konzept, in welchem die A-9 von der A-10 umhüllt wurde, ab und setzte später auf das klassische Stufenkonzept.

Noch weiter ging die A-11, die etwa 500 t wiegen sollte und zusammen mit der A9/A10 als erste beiden Stufen einen Orbit erreicht hätte. Beide Projekte kamen über das Planungsstadium nicht heraus. Die A-9 und A-10 wurden im Windkanal getestet und auch durchgerechnet, es wurde jedoch keine Hardware gebaut.

A-9

A-9

A-9/A-10

Stufe 1: A-10

Startmasse: 87.000 kg
Treibstoff: Ethanol (75 %) + LOX
Leermasse: 25.000 kg

Länge: 20,00 m
Durchmesser ohne Flossen: 4,12 m
Durchmesser mit Flossen: 9,00 m

Triebwerk:
Schub: 1.962 kN Boden, 2.310 kN Vakuum
Brennzeit: 60 s
spez. Impuls: 1.740 m/s

Stufe 2: A-9

Startmasse: 13.000 kg
Treibstoff: Ethanol (75 %) + LOX
Leermasse: 3.000 kg

Länge: 14,18 m
Durchmesser ohne Flossen: 1,65 m
Durchmesser mit Flossen: 3,20 m

Triebwerk:
Schub: 274 kN Boden, 312 kN Vakuum
Brennzeit: 65 s
spez. Impuls: 2.100 m/s

Bahn:
max. Höhe: 90 km
Reichweite: 5.500 km

Die A-4 als Forschungsrakete

Es gab auch Pläne, die Testflüge der A-4 für Höhenforschungen zu nutzen: Schließlich erreichte die Rakete den Weltraum und konnte 1 t Nutzlast transportieren. Es ergaben sich jedoch zwei Probleme: Zum einen war die A-4 ein Projekt der höchsten Geheimhaltungsstufe und so wussten Wissenschaftler nichts von ihrer Existenz. Andererseits hing die Bahn der A-4 von den Bedingungen in der oberen Atmosphäre ab. Kannte man diese, so wäre sie optimierbar gewesen und man konnte so Leistung oder Reichweite steigern. Man musste also eine A-4 mit Instrumenten starten. Wernher von Braun brauchte lange, bis er die Erlaubnis dafür bekam und auch danach war das Militär nicht davon begeistert.

Am 8.7.1942 gab es ein Gespräch zwischen Erich Regener, Alfred Ehmert vom Institut für Höhenforschungen bei Friedrichshafen am Bodensee und Wernher von Braun über die Nutzung der A-4 als Höhenforschungsrakete. Regener bekam die Aufgabe, einen Messkopf zu entwickeln. Dieser sollte Luftdruck, Temperatur und Dichte während des Aufstiegs messen. Zudem mit einem UV-Spektrograph die UV-Strahlung in der Höhe messen und Luftproben in großer Höhe nehmen. Der Auftrag war mit 25.000 Reichsmark dotiert und Regener konnte weitere Geräte, die er starten wollte, hinzufügen. Der Kopf in Form einer Tonne (Regener Tonne) war abtrennbar und sollte mit einem Fallschirm sanft landen. Später war auch noch das Flugfunkinstitut bei München beteiligt, das die statische Auflandung der Rakete messen wollte, um Daten für die Steuerung der Wasserfall Flugabwehrrakete zu gewinnen. Durch die Verschärfung der Situation (Mangel an Mitteln und Personen) im Krieg kam es jedoch zu keinem Start. Lediglich ab März 1944 wurde die Temperatur der Raketenspitze gemessen und mit der Telemetrie zum Boden übertragen. Die Sowjets bauten die Regener Tonne nach und starteten sie mit ihrer R-1 (dem Nachbau der A-4) nach dem Krieg.

Wernher von Braun und die Nazis

Die Rolle Wernher von Brauns ist umstritten. Lange Zeit galt er als Vorzeigedeutscher: Er startete die erste Großrakete der Welt, den ersten amerikanischen Satelliten, die erste amerikanische Raumsonde und wurde Chef der Saturn-Entwicklung, welche die Apollo-Astronauten zum Mond beförderte. Ohne ihn wäre sicherlich im amerikanischen Weltraumprogramm einiges weniger gut gelaufen. Seine Fähigkeiten als Organisator und Konstrukteur sind legendär und bis heute unumstritten.

Je weiter man sich vom zweiten Weltkrieg entfernte, desto kritischer wurde die Rolle Wernher von Brauns im Dritten Reich gesehen. Er wusste von den Produktionsbedingungen im Mittelbau und war mehrmals dort zu Besuch. Hätte er sich nicht dagegen wehren müssen? Man weiß auch, dass Wernher von Braun Mitglied der NSDAP und SS war. Passt das zu dem Bild des Weltraumenthusiasten, das er gerne von sich verbreitete?

Nun lassen wir Tatsachen sprechen: Wernher von Braun war seit 1937 Mitglied der NSDAP und seit 1.5.1940 Mitglied der SS. Der Rang eines Sturmbannführers war ihm früh in der A-4 Trägerraketenentwicklung angeboten worden. Hätte er ihn ablehnen können? Anders herum gefragt: Wer im Dritten Reich war in einer Führungsposition, ohne einen Rang in der Wehrmacht oder der SS inne zu haben? Wenn Ihnen niemand einfällt, dann kennen Sie wohl die Antwort. Verbürgt ist, das Wernher von Braun die SS-Uniform nur zur Anprobe und bei Besuch von SS-Prominenz an hatte. Sonst trug er immer Zivil und selbst beim unteren Bild, das Himmlers Besuch in Peenemünde zeigt, hat er keine SS-Uniform an.

Von Braun 1944Die SS beäugte Braun und das Programm und wollte es selbst kontrollieren. Wernher von Braun wurde im Frühjahr 1943 von Himmler vorgeladen mit der Aufforderung, sich von Dornberger zu trennen und nur für die SS zu arbeiten. Er lehnte ab. In der Nacht zum 13. März 1944 wurden Wernher von Braun, sein Bruder Magnus, Klaus Riedel und Helmut Gröttrup von der SS verhaftet und in ein Gefängnis in Stettin gebracht. General Dornberger wurde von Feldmarschall Keitel vorgeladen. Er schaffte es, dass Braun und zwei weitere Peenemünder freigelassen wurden, weil er sonst das Projekt A-4 in Gefahr sähe. Der Grund für die Verhaftung: In einer privaten Runde hatte von Braun im Offizierscasino gesagt, er betriebe die gesamte A-4 Forschung nur, um seine "Raumfahrtaktivitäten" voranzutreiben und würde daher nicht zu 100 Prozent für das Heer arbeiten. Nach 3 Tagen Haft war von Braun wieder frei.

Natürlich wusste von Braun von den Zuständen im Mittelbau, er war mehrere Male dort. Aber hätte er etwas tun können? Er war technischer Leiter von Peenemünde. Der Mittelbau und das KZ Buchwald unterstanden der SS unter General Kammler. Die Verhaftung wegen der angeblich fehlenden Bereitschaft, sich voll für die A-4 einzusetzen, zeigte schon, dass er selbst gefährdet war. Er konnte nicht einmal den Raketenpionier Rudolph Nebel für Peenemünde gewinnen, weil dieser wegen seiner jüdischen Frau als Sicherheitsrisiko galt. Er hätte nichts erreichen können.

Ich denke, man hat es mehr mit einem Zeitgeistphänomen zu tun. Je mehr wir uns von der Zeit des Dritten Reichs entfernen, desto idealistischer werden die Vorstellungen. Anders ausgedrückt: Man erwartet ein immer höheres Maß an moralischer Integrität von jedem, der damals lebte, je mehr Zeit seitdem vergangen ist.

Klagte man früher nur Kriegsverbrecher an, so ist man heute schon kritisch, wenn jemand im Dritten Reich nur erfolgreich war, wie die letzten Biographien zu Schauspielern zeigen, die damals populär waren, wie Heinz Rühmann und Zarah Leanders. In ein paar Jahren wird wahrscheinlich jeder schuldig sein, der kein Widerstandskämpfer war. Natürlich wissen wir heute mehr über von Braun, als vor 1989. Er hat Konzessionen gemacht und sich in den NS-Apparat integriert, um seine Ideen voranzutreiben. Er hat auch gewusst, dass die Rakete von Häftlingen gebaut wurde. Aber ihn verantwortlich für die Zustände im Mittelbau zu machen, wie dies einige Biographen tun, hat nichts mit den gesicherten Tatsachen zu tun.

Es scheint ein deutsches Phänomen zu sein, denn in englischsprachigen Seiten, unter anderem auch bei von Brauns Wirkungsstätte, dem Marshall Space Center, habe ich derartige Kritik nicht vernommen. Ohne das Heer wäre keine Raketenentwicklung möglich gewesen. Was hätte also von Braun anders machen sollen? Warten bis das Dritte Reich vorüber ist? Er war ja nicht der einzige Wissenschaftler, der Raketen entwickelt hatte. Dies tat auch Koroljow unter Stalin, der ebenfalls Millionen umbringen ließ. Niemand hat dies Koroljow je vorgeworfen, auch nicht die vielen Toten, als man in Kapustin Yar ein Testgelände mit Häftlingen aus dem Boden stampfte. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass man Enrico Fermi so kritisch beurteilte, der schließlich die Atombombe mit entwickelt hat und sich nicht gegen deren  Einsatz aussprach, als man damit Hiroshima und Nagasaki bombardierte. In England wurde Arthur "Bomber" Harris ein Denkmal gesetzt, der verantwortlich für den Tod von 500.000 deutschen Zivilisten war, und als die "Bild"-Zeitung im November 2004 eine Entschuldigung von der englischen Königin für die vielen Toten forderte, die der britisch-amerikanische Bombenkrieg forderte, regte sich allgemeine Entrüstung. Man muss daher jede politische Beurteilung von Brauns auch im gesellschaftlichen Kontext sehen.

Man kann die Rolle Wernher von Brauns aber auch anders sehen. Das ganze V-2 Programm soll etwa 2 Milliarden Reichsmark gekostet haben. Mindestens 550 Millionen Reichsmark kostete die Entwicklung bis 1942. Dazu kamen die Fertigung in Peenemünde und später bei Nordhausen. Damals kostete die Fertigung eines "Tiger" Panzers 750.000 Reichsmark, eines Jägers des Typs "Messerschmidt 109G" 250.000 Reichsmark und die des Schlachtschiffs "Bismarck" 196 Millionen Reichsmark. Man hätte für dieses Geld also 10 Schlachtschiffe der Bismarck Klasse, 2.700 Tiger Panzer oder 8.000 Messerschmidt 109 fertigen können. Wie hätte dies den Krieg beeinflusst? Was wäre aus den Lieferungen der USA an England geworden, wenn Deutschland so viele Schlachtschiffe gehabt hätte? (Gebaut wurden von dieser Klasse nur 2: Die Bismarck und Tirpitz). Wie wäre der Bombenkrieg verlaufen, wenn Deutschland 8.000 Messerschmidt 109 mehr gehabt hätte, wie der Kampf an der Ostfront mit 2.700 weiteren Tiger-Panzern? (Gesamtproduktion im Krieg: etwa 1.900). Eventuell wäre die A-4 eine wirksame Waffe gewesen, hätte sie von Anfang an die nötige Dringlichkeitsstufe erhalten. Walter Dornberger vertritt die Meinung, dass die Rakete 2-2½ Jahre früher fertig gestellt werden konnte, hätte man die Entwicklung gefordert und nicht dauernd neue utopische Pläne für eine Serienproduktion aufgestellt, bevor die Rakete vollständig ausgereift war. Mit verbesserten Lenkungssystemen, die ebenfalls keine Priorität hatten, wäre die 50 % Breitenstreuung auf unter 1.000 m senkbar gewesen. Damit wäre die A-4 aber eine Waffe gewesen, die man auch gegen ausgedehnte militärische Ziele wie Flughäfen, Depots oder Häfen hätte einsetzen können.

So kostete die Waffe aber sehr viel Geld und band viele Arbeitskräfte Es sollen 70.000 Personen an der Rakete voll gearbeitet haben und etwa 500.0000 Personen. die zumindest zeitweise an Teilen der Rakete arbeiteten. Die Produktion der V-2 hat also den Krieg verkürzt und damit viel mehr Menschenleben gerettet, als sie kostete, weil sie eine recht ineffektive Waffe war. Das gilt auch für das gesamte V-Waffen Programm. Dessen Gesamtkosten (inklusive Produktion) sollen 12 Milliarden Reichsmark betragen haben, also das Sechsfache der oberen Summe.

Wer meint, dass dieses Argument weit hergeholt ist: Mit derselben Argumentation hat US Präsident Reagan in den achtziger Jahren einen Rüstungswettlauf gestartet, der die Sowjetunion ruiniert und damit zum Ende des kalten Krieges geführt hat.

Der Krieg geht zu Ende

Von Barun und Dornberger am 12.5.1945Am 31.1.1945 erging der Befehl, Peenemünde zu räumen, als sich die Sowjetarmee Usedom näherte. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten noch 4.325 Personen in Peenemünde-Ost, davon 1940 an der A-4 und 270 an der A-4B. Die letzte von 265 A-4 wurde am 14.2.1945 verschossen. Am 17.2.1945 fuhr der erste von 2 Güterzügen mit 700 Personen, dem folgten weitere. Es gelang, 5.000 Personen und 12.000 t Material zu evakuieren. Die Prüfstände sollten in Cuxhaven neu aufgebaut worden. Die Fertigungen gingen nach Nordhausen und Bleichrode. Als die Sowjets am 5.5.1945 Peenemünde erreichten, fanden Sie "zu 75 Prozent Schutt" vor: Der Volkssturm hatte die Anlagen gesprengt.

Am 3.4.1945 bekam Dornberger den Befehl, von Braun und 500 weitere führende Ingenieure nach Oberammergau zu beordern, um zu verhindern, dass sie dem Feind in die Hände fielen. Begleitet von 100 SS-"Beschützern" trafen sie am 5.4.1945 dort ein und wurden in einer mit Stacheldraht umzäunten Kaserne untergebracht. Von Braun konnte zu Dornbergers Stab nach Oberjoch durchdringen, welcher anschliessend mit 100 Soldaten auftauchte und erreichte, dass die SS-Soldaten, die den Befehl hatten, die Peenemünder zu erschießen, abzogen. Von Braun und die anderen Peenemünder nisteten sich in einem Berghotel in Oberjoch ein. Erst am 12.5.1945, nach Kriegsende, ergaben Sie sich den Amerikanern.

Am 11.4.1945 erreichten amerikanische Truppen Nordhausen. Sie hatten eine Aufgabe: Die dort gebauten A-4 sichern und die Ingenieure finden, die sie bauten. Dies war die Aktion Paperclip - Büroklammer. Das erste war einfacher, denn es befand sich genug Material für etwa 100 Raketen im Mittelbau Dora. Das Material wurde gesichtet und am 22.5.1945 verließ der erste von 9 Güterzügen mit 400 t Material den Mittelbau Dora. Am 31.5.1945 fuhr der letzte. Am 1.7.1945 wurde das Gebiet der sowjetischen Armee übergeben, denn es lag auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone. Doch bis dahin war es leergeräumt worden. Die Briten starteten von Cuxhaven aus zwischen dem 2. und 14.10.1945 die ersten V-2 unter alliierter Regie. Beim dritten und letzten Flug beobachtete auch Sergej Koroljow den Start.

Warum waren die Amerikaner so hinter der V-2 her? Wie schon erläutert, waren die V-2 als konventionelle Waffe ineffektiv. Die Kosten für den Bau waren hoch und sie transportierte weniger als 1 t Sprengstoff über eine kürzere Reichweite, als ein Bomber, bei einer schlechteren Zielgenauigkeit (auch wenn diese zum Kriegsende gesteigert werden konnte). Eventuell wäre sie mit chemischen Waffen eine "Bereicherung" des Waffenarsenals gewesen. Doch auch dies wurden von Deutschland entwickelt und anders von der A-4 wusste man von deren Existenz nichts bis man auf die Produktionsanlagen zum Kriegsende stieß. Sinnvoll war die A-4 als Träger einer Atombombe, welche die USA entwickelten. Über Hiroshima und Nagasaki wurde sie von Bombern abgeworfen. Das ging, weil die USA die absolute Luftüberlegenheit hatten und Japan praktisch am Boden war. Ein Einsatz gegen einen gut gerüsteten Gegner wäre erheblich riskanter. Zudem erlaubte die langsame Geschwindigkeit eines Bombers eine rechtzeitige Vorbereitung gegen einen Atomschlag. Zumindest das Militär hatte gute Chancen sich zu schützen, indem man sich in Bunker begab. Gegen eine Rakete gab es keine Vorwarnung. Sie legt große Distanzen schnell zurück. Die mangelnde Zielgenauigkeit spielte bei der großen Sprengkraft einer Atombombe keine so wichtige Rolle. Wahrscheinlich waren aus demselben Grunde auch die Russen hinter der Rakete her, denn sie wussten durch Spionage von der Arbeit der Amerikaner.

Die Nachfolge der A-4

A-4 / BumperIm Westen

Wernher von Braun ging mit 115 (oder 129, hier differieren die Quellen) Ingenieuren, dem Kern der Peenemünder, zu den Amerikanern. Zuerst wurden sie in Europa inhaftiert, erst am 25.9.1945 gelangten Sie nach Amerika. Dort wurden sie im Fort Blizz interniert und drehten zuerst Däumchen. Erst 1946 begannen die USA, die etwa 100 erbeuteten A-4 zu starten. Der erste Start fand am 14.4.1946 statt. Laut Holger N. Toftoy, Leiter der Aktion "Paperclip", sparte dies den USA enorme Anstrengungen: "Wir waren blutige Anfänger, als meine Leute diese Raketen aus Deutschland herüberbrachten. Die deutsche V-2 Rakete hat der amerikanischen Waffenentwicklung 50 Millionen USD und 5 Jahre Forschungsarbeit erspart". Nicht viel anders urteilte der führende sowjetische Triebwerkskonstrukteur Valentin Gluschko: "Die Entwicklung der V-2 in den 40er Jahren in Deutschland war eine große technische Leistung auf dem Gebiet des Raketenbaus".

Nach der Gefangenschaft schieden sich die Wege von Dornberger und den Ingenieuren. Walter Dornberger war als Leiter für Peenemünde (zumindest bis er im August 1944 Kammler unterstellt wurde) verantwortlich für den Einsatz von Zwangsarbeitern, nachdem die Rakete ab Juli 1943 die höchste Dringlichkeitsstufe erhielt. Dafür wurde er nach dem Krieg von den Engländern interniert. Auf Drängen der Amerikaner wurde er 1947 freigelassen, ohne dass ein Prozess gegen ihn eröffnet wurde. Er wurde danach Guided-Missle Berater bei der US-Air Force und wechselte 1949 in das Unternehmen Bell.

Wernher von Braun arbeitete weiter an der A-4. JupiterZuerst ging es darum, die amerikanischen Techniker mit der A-4 vertraut zu machen. Hier fiel die A-4 wieder auf eine geringe Zuverlässigkeit zurück, weil die Amerikaner keinerlei Erfahrungen mit der Handhabung der Großraketen hatten. In Bezug auf den Raketenbau waren die USA damals Entwicklungsland. Der Pionier Robert Goddard war im eigenen Land nie beachtet worden. Anders als die Sowjetunion entwickelte man im Krieg auch keine größeren Feststoffraketen. So galt es erst einmal, Entwicklungshilfe für die Siegermacht zu leisten. Später startete man wissenschaftliche Nutzlasten mit der A-4 und zuletzt erreichte die A-4 als erste Stufe in der Kombination mit den amerikanischen Raketen WAC Corporal und Aerobee eine Höhe von bis zu 400 km. Das Bild oben links zeigt deutlich den Größenunterschied zwischen der deutschen A-4 und der amerikanischen WAC Corporal Oberstufe, welche die modernste amerikanische Rakete war. Der erste Start einer" Bumper" fand am 18.5.1948 statt. Von 1947 bis 1950 arbeiteten die Peenemünder im Raketenstartgelände White Sands in Texas. Nach dem Aufschlag einer Rakete an der Grenze zu Mexiko wechselte man nach Huntsville, Alabama. Die Tests mit der A-4 gingen auch nach deren Wechsel nach Alabama weiter. Die letzte A-4 wurde erst am 19.9.1952 gestartet - mehr als 7 Jahre nach Kriegsende. Insgesamt startete die US Army 73 A-4 von White Sands aus.

Am 24.7.1950 wurde mit einem Start einer "Bumper" das Startgelände Cape Canaveral eingeweiht. Für Starts, die nicht senkrecht nach oben gingen, war White Sands ungeeignet, weil Trümmer der Rakete auf bewohntes Gebiet fallen konnten. Starts von Cape Canaveral führten dagegen auf den Atlantik hinaus. Dieser erste Flug einer Bumper vom Cape aus verlief nicht erfolgreich. Die 5 Jahre alte und 13 t schwere A-4 flog erfolgreich. Doch die 0,39 t schwere WAC Corporal Rakete einfachster Bauart (WAC : Without Altitude Control = Ohne Fluglagensteuerung) zündete nicht. Der zweite und letzte Start einer A-4 vom Cape aus am 29.7.1950 glückte, die WAC erreichte eine Spitzengeschwindigkeit von 3.000 m/s und eine Reichweite von 240 km,

Wernher von Braun wurde ab Februar 1950 abkommandiert ins Marshall Army Missle Center in Huntsville, Alabama. Später wurde er Direktor des dort gelegenen Marshall Space Centers und entwickelte die Redstone Rakete. Die Redstone basierte weitgehend auf der A-4 Technologie. Der Antrieb war leicht im Schub gesteigert worden und man hatte nun eine nichttragende Struktur. Wie die A-4 verwandte sie Strahlruder aus Graphit. Aber sie war nun leichter und hatte keine Flügel mehr. Die Redstone entsprach somit in etwa der R-5 auf sowjetischer Seite. Auch der Nachfolger der Redstone, die Jupiter, basierte auf der A-4. Man verwandte nun die energiereichere Treibstoffkombination Sauerstoff/Hydne (60 % UDMH + 40 % Diethyltriamin). Die Triebwerksbezeichnungen wurden sogar fortgeschrieben: A-6 für das Triebwerk der Redstone und A-7 für das der Jupiter. Die Redstone flog erstmals am 20.8.1953 und die Jupiter am 22.9.1955. Eine Redstone transportierte als ersten Amerikaner Al Shepard ins All und eine Jupiter den ersten Satelliten Explorer 1 und die erste erfolgreiche Mondsonde Pioneer 3. Später entwickelte von Braun die Saturn Trägerraketen, mit denen die USA den Wettlauf zum Mond gewannen.

Die deutschen Raketenentwickler waren bis Anfang der siebziger Jahren in führenden Stellen im US-Raumfahrtprogramm präsent: Wernher von Braun war Chef der ABMA in Huntsville und ab 1970 stellvertretender Planungschef der NASA. Er skizzierte für Kennedy das Apolloprogramm und versprach, dass man dieses innerhalb eines Jahrzehnts für 25 Milliarden Dollar durchführen könnte. Er entwickelte dann die Saturn-Trägerraketen und hatte zur Spitzenzeit 7.500 Angestellte und einen Jahresetat von 1,8 Milliarden Dollar. Neben ihm arbeiteten etwa 100 "Germans" in führenden Positionen in Huntsville. Von Braun hielt Wort: Apollo wurde in 8 Jahren verwirklicht und kostete 24 Milliarden Dollar.

Sein Nachfolger in Huntsville wurde Dannenberg. Kurt Debus war von 1962-1974 Direktor des Kennedy Space Centers. Dannenberg wurde stellvertretender Leiter der Saturn 5 Entwicklung. Krafft Ehricke entwickelte die Centaur und gilt als Pioneer der Benutzung von Wasserstoff als Treibstoff. Ernst Stuhlinger beschäftigte sich intensiv mit Ionentriebwerken und erarbeitete die Grundlagen für die Berechnung von Bahnen mit kleinen Schüben.

Anfang der siebziger Jahren wurden sie alle aus ihren Posten gedrängt oder in Pension geschickt und die NASA "amerikanisiert". Was die NASA seitdem geleistet hat ist allgemein bekannt. Das Nachfolgeprojekt Space Shuttle kostete dreimal so viel wie vorgesehen, brauchte 3 Jahre länger in der Entwicklung als geplant und ergab ein Transportsystem, das zum 40-fachen des geplanten Startpreises 10 mal weniger häufig startete, als ursprünglich vorgesehen.

R1Im Osten

In der sowjetischen Besatzungszone lagen sowohl die Fertigungsstätten in Nordhausen, wie auch die Entwicklungsabteilung in Peenemünde. Doch Peenemünde war vom Volkssturm gesprengt und der Mittelbau Dora weitgehend von der US Army leergeräumt worden. Die meisten führenden Entwickler hatten sich zudem bei der US Army gemeldet. Was noch blieb waren viele Einzelteile und der gesamte Mittelbau der Konstruktion. Weiterhin mehr als 3.500 Techniker, darunter auch ein Spezialist, Helmut Gröttrup, Spezialist für Steuerung und Lenkung. Weitere Führungskräfte waren Werner Abring, Johannes Hoch, Kurt Magnus, Franz Matthes, Joachim Umpfenbach und Waldemar Wolff.

Daher wurden zuerst alle noch in Nordhausen vorhandenen Bauteile der A-4 eingesammelt und in die Sowjetunion verschifft. Man begann sogar den Zusammenbau von Raketen in Nordhausen mit dem noch vorhandenen Personal, da alle Fertigungsanlagen noch da waren. Die Arbeiter und Techniker kamen gerne, gab es doch eine sehr großzügige Zuteilung an Lebensmittelrationen und ein gutes Gehalt. Der Geheimdienst NKWD forschte in den westlichen Besatzungszonen sogar nach Wernher von Braun, doch der war zu diesem Zeitpunkt schon außer Landes.

Danach wurden in einer Nacht- und Nebelaktion alle noch vorhandenen Ingenieure und technisches Personal mit Kind und Kegel in die SU "verbracht". Dies geschah in der Nacht vom 21. auf den 22.10.1946. Es gingen mit Gröttrup 175 Ingenieure mit ihren Familien insgesamt 495 Personen in die SU. Dazu kamen andere Personen, die freiwillig in die SU gingen. Insgesamt 695 Personen, also 5 mal mehr als in den USA, arbeiteten für die Russen. Offiziell wurde folgendes verlautbart: Dort arbeiteten sie an Raketen weiter, doch nicht wie Wernher von Braun in leitender Position, sondern mit spezifischen Teilaufgaben und Detailproblemen, die ihnen von den Sowjets übertragen wurden, ohne zu wissen wie die Raketen aussehen. Zwar wurden die Deutschen von den Russen bei Nacht und Neben entführt, doch sie waren keine Gefangenen. Im Gegenteil: Mit weiteren Zügen wurde der gesamte Hausrat in die Sowjetunion verbracht. 92 Züge waren dazu nötig.

Die sowjetische Raketenforschung wollte alle Meriten selbst ernten. Doch warum kehrten die Experten dann so spät zurück? Es kehrten 1950/51 21 Prozent, 1952/53 32 Prozent und 1954/55 weitere 38 Prozent zurück, die letzten erst 1959. Nach Öffnung der Sowjetunion wurde die Wahrheit bekannt. Die Deutschen waren tonangebend bei dem Bau der R-1 und R-2, im Prinzip eine nachgebaute A-4 und der Vorschlag, die A-4 leichter zu bauen, den man schon bei der A-4 Entwicklung hatte, kam von ihnen. Danach nahm der Einfluss der Deutschen ab, auch wenn wichtige Details in die ersten Mittelstreckenraketen der UdSSR einflossen.

Die Sowjetunion baute zuerst einige A-4 zusammen und startete diese. Es waren 11 Stück, 6 waren nachgebaut und 5 noch in Nordhausen aus vorhandenen Geräten zusammengebaut worden. Der erste Start fand am 18.10.1947 statt, also mehr als ein Jahr nach den Amerikanern. Danach wurde die A-4 in Russland nachgebaut. Es entstand die erste Fernrakete der UdSSR, die R-1 (Raketa 1). Am 17.9.1948 fand der erste Start einer R-1 statt - anders als es die Bezeichnung vermuten lässt, ist dies eine 1:1 Kopie der A-4. Sie wurde als Kurzstreckenrakete im Jahre 1950 in die Streitkräfte eingeführt und bis 1964 als Höhenforschungsrakete eingesetzt.

R-2In der Folge verbesserte die Sowjetunion die Leistungsdaten der Rakete. Es entstand die R-2 mit 375 kN Startschub, 19,6 t Startmasse und einer doppelt so hohen Reichweite (Bild links). Die wesentlichen Änderungen der R-2 waren der abtrennbare Sprengkopf und die dadurch ermöglichte leichtere Konstruktion der Rakete mit vergrößerten Tanks bei gleicher Leermasse. Weitere Änderung war die Anpassung an sowjetische Materialien, in der UdSSR waren sogar die Legierungen unbekannt, welche für den Stahl der A-4 verwendet wurden. Die R-2 basierte allerdings noch auf den Plänen für die A-60 und nutzte deren Vorarbeiten. Doch neue Technik bedeutet auch neues Risiko. Keine einzige der am 21.10.1950 gestarteten R-2 der ersten Versuchsserie war voll erfolgreich. Von den 12 Raketen erreichte nur ein Exemplar eine Reichweite von 180 km. Später bekam man die Probleme in den Griff und die R-2 wurde 1952 in die Streitkräfte eingeführt. Die R-3 kam nicht über einen Entwurf heraus.

Parallel erarbeiteten die Deutschen in der UdSSR ein wesentlich fortschrittlicheres Gerät. Es gab 5 Entwürfe, die G-1 bis G-5. Die G-5, der letzte ausgeführte Entwurf, war eine Mittelstreckenrakete für 3.000 kg Nutzlast mit einer Reichweite von 3.000 km. Bei einer Startmasse von 66,6 t betrug die Leermasse nur 2,76 t und es war nur eine Stufe nötig. In den Leistungsdaten schlug sie jedes russische Konzept. Doch Koroljow wollte seine eigene Rakete konstruieren, auch wenn es nur eine verbesserte A-4 war. Die Deutschen wurden schrittweise nach Ostdeutschland abgeschoben. Die erste Gruppe im Dezember 1951 und die zweite im Juni 1952. Göttrop kam mit den letzten der Führungsriege am 28.11.1953 zurück nach Deutschland. Die dann verbliebenen hatten mit der Konstruktion neuer Raketen nichts mehr zu tun.

Bei der R-5 verkleinerte man die Flügel, machte den Sauerstofftank tragend und damit entsprach sie in ihrer technischen Auslegung der amerikanischen Redstone. Sie flog erstmals am 15.3.1953. Bestimmte Details der A-4, wie die Strahlruder, Wasserstoffperoxidantrieb des Gasgenerators und der Durchmesser von 1,65 m finden sich sogar noch in den Kosmos Trägerraketen. Hinsichtlich der Triebwerksentwicklung war sogar noch die R-7, die Sputnik Trägerrakete, auf A-4 Niveau: Jede ihrer 20 Brennkammern hatte den Schub einer A-4. Die Steuerung der A-4 wurde sogar weitgehend weiterverwendet und Elemente, wie die Spezialbatterie für die Geschwindigkeitsintegration, hatte sogar noch bis 2002 die Proton.

Ohne die A-4 wären beide Mächte nicht so schnell zu eigenen Trägerraketen gekommen. Denn die Entwicklungen in den USA und UdSSR vor Kriegsende brachten maximal kleine Feststoffraketen als Starthilfe oder taktische Gefechtsraketen (Katjuscha) hervor. Keine der beiden Nationen verfügte über eine funktionierende Flüssigkeitsrakete, geschweige denn eine Großrakete.

Canadian ArrowWiedergeburt im neuen Jahrtausend?

Im Jahre 2004 kämpften viele Teams um den X-Prize. Dieser mit 10 Millionen Dollar dotierte Preis winkte dem, der innerhalb von 2 Wochen zweimal Passagiere in eine Höhe von 100 km (festgelegte Grenze zwischen Atmosphäre und Weltraum) brachte. Ein kanadisches Team wollte die Rakete "Canadian Arrow" starten. Dahinter verbirgt sich kein neuartiger Passagierjet, sondern ein Nachbau der A-4, ausgerüstet mit einer kleinen Feststoffoberstufe, die auch als Rettungssystem bei einem Versagen des A-4 Antriebs dient und eine Kabine, welche die Passagiere aufnimmt. Das Gefährt soll eine Höhe von 70 Meilen (112 km) erreichen und 30-40 km vom Startort niedergehen. A-4 Grundstufe und Mannschaftskabine werden jeweils mit Fallschirmen abgebremst und aus dem Wasser geborgen. Die A-4 Grundstufe wird von 4 Fallschirmen mit je 19,5 m Durchmesser abgebremst und wassert mit 9 m/s. Hier bewährt sich die stabile und massive Bauweise. Die 1,65 m breite und 6 m hohe Passagierkabine mit der zweiten Stufe wird von 3 Fallschirmen abgebremst. Passagiere müssen wie Mercury-Astronauten Belastungen von bis zu 4,5 g während des Fluges aushalten.

Die Wahl fiel auf die A-4, weil es von ihr Pläne gab und ihr solider Aufbau es leicht machte, sie nachzubauen ohne Speziallegierungen und spezielle Technologien einzusetzen. So besteht der Rumpf aus normalem Stahl. Bislang steht ein Flug der "Canadian Arrow" noch aus, doch erste Triebwerkstests gab es bereits. Originale V-2 Triebwerke wurden 25 mal getestet, so dass man sie wieder verwenden könnte.

Damit ist die A-4 der wohl älteste Träger, der heute noch zum Einsatz kommt und hat nebenbei den Sprung von einer Lenkwaffe zu einer Trägerrakete für die bemannte Raumfahrt geschafft!

Links

Encyclopedia Astronautica

V2 Rocket

Urbin.de

Canadian Arrow

Bücher des Autors über Trägerraketen

Wie man an dem Umfang der Website sieht, sind Trägerraketen eines meiner Hauptinteressen. Es gibt inzwischen eine Reihe von Büchern von mir, auch weil ich in den letzten Jahren aufgrund neuer Träger oder weiterer Informationen über alte Projekte die Bücher neu aufgelegt habe. Sie finden eine Gesamtübersicht aller Bücher von mir bei Amazon und hier beim Verlag.

Ich beschränke mich in diesem Abschnitt auf die aktuellen Werke. Für die in Europa entwickelten Trägerraketen gibt es von mir zwei Werke:

Europäische Trägerraketen 1 behandelt die Vergangenheit (also bei Drucklegung): Das sind die nationalen Raketen Diamant, OTRAG und Black Arrow und die europäischen Träger Ariane 1 bis 4 und Europarakete.

Europäische Trägerraketen 2 behandelt die zur Drucklegung 2015 aktuellen Träger: Ariane 5, Vega und die damaligen Pläne für Vega C und Ariane 6.

Wer sich nur für einen der in den beiden besprochenen Träger interessiert, findet auch jeweils eine Monografie, die inhaltlich identisch mit dem Kapitel in den Sammelbänden ist, nur eben als Auskopplung.

Weiter gehend, alle Raketen die es weltweit gibt, behandelnd, gehen zwei Bände:

US-Trägerraketen

und

Internationale Trägerraketen (im Sinne von allen anderen Raketen weltweit)

Auch hier habe ich 2023 begonnen, die Bände aufzusplitten, einfach weil der Umfang für eine Aktualisierung sonst weder handelbar wäre bzw. an die Seitengrenze stößt, die der Verlag setzt. Ich habe auch bei den Einzelbänden nochmals recherchiert und den Umfang erweitert. Bisher sind erschienen:

US Trägerraketen 1 mit den frühen, kleinen Trägern (Vanguard, Juno, Scout)

US Trägerraketen 2 mit der Titan-Familie

2023 wird noch die erste Auskopplung aus den internationalen Raketen über russische Träger erscheinen. Nach und nach werden alle Raketen dann in einzelnen Monografien geordnet nach Trägerfamilien oder Nationen dann aktualisiert auf den aktuellen Stand, so besprochen.

Für die Saturns gibt es noch einen Sonderband, den ersten in der Reihe über das Apolloprogramm.

Alle bisherigen Bücher sind gerichtet an Leute, die wie ich sich nicht mit oberflächlichen Informationen oder Zusammenfassung der Wikipedia zufriedengeben. Wenn sie sich nicht für Technik interessieren, sondern nette Anekdoten hören wollen, dann sind die bisherigen Bücher nichts für Sie. Für dieses Publikum gibt es das Buch „Fotosafari durch den Raketenwald“ bei dem jeder Träger genau eine Doppelseite mit einem Foto und einer Beschreibung hat. (Also etwa ein Zehntel der Seitenzahl auf den ich ihn bei den beiden obigen Bänden abhandelte). Das Buch ist anders als die anderen Bände in Farbe. Ab und an macht BOD als Print on Demand Dienstleister Mist und verschickt es nur in Schwarz-Weiß, bitte reklamieren sie dann, ich als Autor kann dies nicht beeinflussen.

Als Autor würde ich mich freuen, wenn sie direkt beim Verlag bestellen, da ich da eine etwas größere Marge erhalte. Dank Buchpreisbindung und kostenlosem Versand ist das genauso teuer wie bei Amazon, Libri und iTunes oder im Buchhandel. Über eine ehrliche Kritik würde ich mich freuen.

Alle Bücher sind auch als E-Book erschienen, üblicherweise zu 2/3 des Preises der Printausgabe – ich würde sie gerne billiger anbieten, doch da der Gesetzgeber E-Books mit 19 Prozent Mehrwertsteuer besteuert, Bücher aber mit nur 7 Prozent, geht das leider nicht. Ein Vorteil der E-Books - neben dem einfacher recherchierbaren Text ist, das alle Abbildungen, die im Originalmanuskript in Farbe, sind auch in Farbe sind, während ich sonst - um Druckkosten zu sparen - meist auf Farbe verzichte. Sie brauchen einen pdf-fähigen Reader um die Bücher zu lesen. Sofern der Verlag nicht weiter für bestimmte Geräte (Kindle) konvertiert ist das Standardformat der E-Books ein DRM-geschütztes PDF.

Mehr über meine Bücher finden sie auf der Website Raumfahrtbuecher.de und eine Liste aller Veröffentlichungen findet sich auch bei meinem Wikipediaeintrag.

 


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.

Sitemap Kontakt Neues Impressum / Datenschutz Hier werben / advert here Buchshop Bücher vom Autor Top 99