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Den folgenden Text habe ich am 2.2.2010 im Blog veröffentlicht. Er ist jedoch auch ohne den Tagesbezug durchaus interessant.
Bei meiner Recherche zum Gemini Buch habe ich mal wieder in der Wikipedia nachgeschaut und bin über folgenden Passus in der Biographie Eugene Cernans gestolpert:
"In einem Interview, das in einer mehrteiligen Dokumentation namens "When We Left Earth" gezeigt wurde, sagte Cernan über Apollo 10, dass die Aufstiegsstufe "short fueled" war, das heißt dass man sie nicht vollständig aufgetankt hatte. Als Begründung führte er an, dass man seitens der NASA den Astronauten aufgrund ihrer kompetenten Persönlichkeit, nach der sie unter anderem ausgewählt worden waren, nicht ganz traute, sich an die Missionsvorgaben zu halten. "Wenn wir also gelandet wären, hätten wir nicht mehr vom Mond weg kommen können", schloss er den Kommentar."
Tja das ist doch mal wieder typisch Wikipedia: Da die Enzyklopädie von Laien gepflegt wird, findet man dort als Quellenangeben eben Fernsehinterviews oder Zusammenfassungen von Pressemitteilungen. So bleibt eben die Qualität niedrig oder auf Hörensagen-Niveau. Das System ist noch anwendbar bei News-Portalen (so veröffentlichen im Prinzip alle Space Websites der US nur Kopien der Pressemitteilungen von Firmen und Raumfahrtbehörden) schon beim deutschen Raumfahrer.net wäre eine Nacherzählung und kritische Würdigung besser als die 1:1 Übersetzung (die zudem oftmals fehlerbehaftet ist). Aber bei einer Enzyklopädie sollte ein Artikel aus einem Guss sein, gut mit Quellen belegt.
Aber zurück zu Apollo 10. Apollo 10 war niemals als Mondlandung ausgelegt. Nach den ursprünglichen Planungen war auch Apollo 11 nicht sicher als erster Mondlandungstermin. Damit diese für Apollo 11 angegangen werden sollte, mussten Apollo 7-10 ohne Probleme verlaufen. Schon diese Missionen wurden sehr schnell immer anspruchsvoller:
Vergleicht man die Fortschritte mit denen von Gemini oder auch den ersten Shuttle Flügen, wo die Schritte viel kleiner war, so ist klar, dass schon diese Missionen recht anspruchsvoll waren und auf den Erfahrungen der jeweils vorhergehenden aufbauten. Eine Mondlandung mit Apollo 10 war daher nie geplant.
Hätten die Astronauten diese gewagt? Ich kann in den Lebensläufen und den bisherigen und nachfolgenden Missionen von Stafford, Cernan und Young nichts erkennen, was auf Rebellentum, Ignorieren der Missionsregeln oder Anweisungen hindeutet. Das gab es bei dem Mercury Flug von Carpenter, bei Apollo 7 und bei Skylab. Warum kommt man also auf die Idee die Astronauten würden selbstständig landen - ohne eine entsprechend vorbereitete Bodenkontrolle, die auch wichtig war (unter anderem weil sie genauere Werte vom Raumschiff hatte und Hintergrundinformationen, z.B. wusste was die 1201/1202 Fehlermeldungen bei Apollo 11 bedeuteten.
Die wichtigste Frage: Hätten sie landen können. Nun anders als die Schreiber von Wikipedia bin ich in der Lage Suchmaschinen zu benutzen. Tippt man z.B. in Google die magischen Worte "Apollo 10 Press kit" und "Apollo 11 Press kit" und folgt man jeweils dem ersten Link, so erhält man das offizielle NASA Presskit. Aus merkwürdigen Gründen traut der Autor diesem mehr als einer Fernsehdokumentation. Da die Presskits 150 Seiten groß sind ist das natürlich etwas umständlicher. Doch auf S.87/S.107 findet man folgende Daten über das LM:
(alle angaben in amerikanischen Pfund) | Apollo 10 | Apollo 11 |
---|---|---|
Aufstiegsstufe trocken | 4.781 | 4.804 |
Abstegsstufe trocken | 4.703 | 4.483 |
RCS Treibstoff | 612 | 604 |
Abstiegsstufe Treibstoff | 18.134 | 18.100 |
Aufstiegsstufe Treibstoff | 2.619 | 5.214 |
Gesamt: | 30.849 | 33.205 |
Die Aufstiegsstufe war in der Tat nur teilbefüllt. Nur warum sollte sie auch voll befüllt sein? Bei Apollo 10 war nicht vorgesehen die Aufstiegsstufe zu benutzen. Warum sollte sie also voll gefüllt werden? Wenn dadurch Gewicht gespart werden konnte, gab es mehr Reserven für Manöver des Kommandomoduls in der Mondumlaufbahn, z.B. wenn dieses bei einem Notfall mit dem LM koppeln musste anstatt wie vorgesehen den passiven Partner zu stellen.
Relevant für die Landung ist das Trockengewicht und das ist bei der Aufstiegsstufe fast identisch zu Apollo 11. Die Abstiegsstufe ist rund 220 Pfund, also 100 kg schwerer als bei Apollo 11. Doch hätte das eine Landung verhindert? Meiner Ansicht nach nein. Denn Apollo 10 trug anders als Apollo 11 keine Experimente zum Mond, die ja auch etwas wiegen. Dazu kommt das die Treibstoffreserven ja noch eine Zeit des Schwebeflugs vorhersahen. Bei einem Schweben (v= 1.6 m/s²) über die Oberfläche braucht man einen Schub von 24.000 Pfund (10,67 kN).Dabei werden rund 3 kg Treibstoff pro Sekunde verbraucht. 100 kg reichen also für 30 Sekunden mehr, wenn man die leichtere Aufstiegsstufe berücksichtigt (benötigt dann auch weniger Treibstoff), dann sind es vielleicht 15 Sekunden. Bei Apollo 11 blieben aber noch mindestens 770 Pfund Treibstoff übrig, was für 50 Sekunden Betrieb gereicht hat, jede andere Mission hinterließ weitere 500 Pfund mehr Reserven.
Also das Apollo 10 nicht hätte landen können (wenn es vollgetankt gewesen wäre) ist eine Mär. Aber Leute denkt mal nach - wo? Das gesamte Computerprogramm bei Apollo basierte auf einer korrekten Einhaltung des Zündungszeitpunktes, der anhand genauer Vorhersagen der Bahn durch die Missionskontrolle ermittelt wurde. Es gab keine Möglichkeit die Position im Verhältnis zu einem Zielpunkt festzustellen, nur die Höhe über der Mondoberfläche, sobald die Fähre etwa 15 km Höhe erreicht hatte. Bei späteren Apollomissionen wurde der Kurs sogar noch während des Betriebs nachjustiert. Ohne die Missionskontrolle hätte sicher Apollo 10 irgendwo landen können, aber bestimmt nicht da wo es sicher gewesen wäre. Das ergibt keinen Sinn. Apollo 11 verpasste den primären Landepunkt um einige Kilometer und kam deswegen erst in die Treibstoffprobleme, weil bei dieser ersten Mission die Bahn den Veränderungen die durch Mascons, aber auch Bewegungen die beim Abkoppeln und der Inspektion resultieren noch nicht angepasst wurde (was ab Apollo 12 durch ein verändertes Computerprogramm möglich war). Ohne Hilfe der Bodenkontrolle irgendwo genau zu landen? Vergiss es!
Doch angenommen es wäre geglückt was dann? Dann muss auch noch später mit dem CSM ein Rendezvousmanöver durchgeführt werden. Das ist nicht weniger kritisch und auch hier ist die Kenntnis des Landeortes wichtig. Aus zwei Gründen. Zum einen muss das CSM den Landeplatz überfliegen bevor das LM startet. Beide müssen in einer Ebene liegen. Auf der Erde gibt es durch die tägliche Rotation pro Tag ein solches Startfenster, beim Mond wegen der viel langsameren Rotation nur eines alle 14 Tage. Alle Missionen ab Apollo 12 haben daher ein "Borken Plane" Manöver durchgeführt bei der die Bahnebene angepasst wurde. Bei Apollo 11 war dies nicht nötig weil die Bahn direkt über den Äquator führte (aus Sicherheitsgründen). Daher war es auch nicht so schlimm, das Mike Collins aus dem Orbit die Landefähre nicht ausmachen konnte und der Landeort so nicht genau bekannt war.
Das zweite sind dann die Bahndaten der Aufstiegsbahn. Auch diese wurden von der Bodenkontrolle errechnet. Sie musste zum einen wenig Treibstoff verbrauchen und zum anderen eine schnelle Ankopplung gewährleisten, da die Ressourcen begrenzt waren. Apollo 15 hatte nach Erreichen der ersten Transferbahn noch 2,5 % Resttreibstoff, nach Erreichen des Rendezvouskurses waren es noch 1,5 % - genug um die Geschwindigkeit noch um 33 m/s zu verändern - nicht viel. Gemini hatte Manövriertreibstoff für 222 m/s an Bord. Zwar kann man mit beliebig viel Zeit in jedem Fall das CSM erreichen - doch die Vorräte in der Aufstiegsstufe waren begrenzt. Auch hier lag der Schlüssel in einer genauen Kenntnis des Landeorts und einer präzisen Einhaltung des Startzeitpunktes und aufstiegsbahn. Auch hier wäre eine Landung "irgendwo" sehr kontraproduktiv gewesen.
Schade ist eine schöne Story, aber eben nur eine Story. Es ist nicht die einzige die sich um Apollo 10 spannt. So rutschte Cernan ein Fluch heraus, als es Probleme mit der Ausrichtung des LM gab und auf der Mondrückseite meinten die Astronauten außerirdische Musik gehört zu haben. Das kam jedoch erst 2008 heraus, weil die Gespräche dann nicht direkt übertragen wurden.
Artikel erstellt am 2.2.2010, Artikel zuletzt bearbeitet am 22.7.2019
Es gibt von mir vier Bücher zum Thema bemannte Raumfahrt. Alle Bücher beschäftigen vor allem mit der Technik, die Missionen kommen nicht zu kurz, stehen aber nicht wie bei anderen Büchern über bemannte Raumfahrt im Vordergrund.
Das erste bemannte Raumfahrtprogramm der USA, das Mercuryprogramm begann schon vor Gründung der NASA und jährt sich 2018 zum 60-sten Mal. Das war für mich der Anlass, ein umfangreiches (368 Seiten) langes Buch zu schreiben, das alle Aspekte dieses Programms abdeckt. Der Bogen ist daher breit gestreut. Es beginnt mit der Geschichte der bemannten Raumfahrt in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg. Es kommt dann eine ausführliche technische Beschreibung des Raumschiffs (vor 1962: Kapsel). Dem schließt sich ein analoges Kapitel über die Technik der eingesetzten Träger Redstone, Little Joe und Atlas an. Ein Blick auf Wostok und ein Vergleich Mercury bildet das dritte Kapitel. Der menschliche Faktor - die Astronautenauswahl, das Training aber auch das Schicksal nach den Mercurymissionen bildet das fünfte Kapitel. Das sechs befasst sich mit der Infrastruktur wie Mercurykontrollzentrum, Tracking-Netzwerk und Trainern. Das umfangreichste Kapitel, das fast ein Drittel des Buchs ausmacht sind natürlich die Missionsbeschreibungen. Abgeschlossen wird das Buch durch eine Nachbetrachtung und einen Vergleich mit dem laufenden CCDev Programm. Dazu kommt wie in jedem meiner Bücher ein Abkürzungsverzeichnis, Literaturverzeichnis und empfehlenswerte Literatur. Mit 368 Seiten, rund 50 Tabellen und 120 Abbildungen ist es das bisher umfangreichste Buch von mir über bemannte Raumfahrt.
Mein erstes Buch, Das Gemini Programm: Technik und Geschichte gibt es mittlerweile in der dritten, erweiterten Auflage. "erweitert" bezieht sich auf die erste Auflage die nur 68 Seiten stark war. Trotzdem ist mit 144 Seiten die dritte Auflage immer noch kompakt. Sie enthält trotzdem das wichtigste über das Programm, eine Kurzbeschreibung aller Missionen und einen Ausblick auf die Pläne mit Gemini Raumschiffen den Mond zu umrunden und für eine militärische Nutzung im Rahmen des "Blue Gemini" und MOL Programms. Es ist für alle zu empfehlen die sich kurz und kompakt über dieses heute weitgehend verdrängte Programm informieren wollen.
Mein zweites Buch, Das ATV und die Versorgung der ISS: Die Versorgungssysteme der Raumstation , das ebenfalls in einer aktualisierten und erweiterten Auflage erschienen ist, beschäftigt sich mit einem sehr speziellen Thema: Der Versorgung des Raumstation, besonders mit dem europäischen Beitrag dem ATV. Dieser Transporter ist nicht nur das größte jemals in Europa gebaute Raumschiff (und der leistungsfähigste Versorger der ISS), es ist auch ein technisch anspruchsvolles und das vielseitigste Transportfahrzeug. Darüber hinaus werden die anderen Versorgungsschiffe (Space Shuttle/MPLM, Sojus, Progress, HTV, Cygnus und Dragon besprochen. Die erfolgreiche Mission des ersten ATV Jules Verne wird nochmals lebendig und ein Ausblick auf die folgenden wird gegeben. Den Abschluss bildet ein Kapitel über Ausbaupläne und Möglichkeiten des Raumfrachters bis hin zu einem eigenständigen Zugang zum Weltraum. Die dritte und finale Auflage enthält nun die Details aller Flüge der fünf gestarteten ATV.
Das Buch Die ISS: Geschichte und Technik der Internationalen Raumstation ist eine kompakte Einführung in die ISS. Es wird sowohl die Geschichte der Raumstation wie auch die einzelnen Module besprochen. Wie der Titel verrät liegt das Hauptaugenmerk auf der Technik. Die Funktion jedes Moduls wird erläutert. Zahlreiche Tabellen nehmen die technischen Daten auf. Besonderes Augenmerk liegt auf den Problemen bei den Aufbau der ISS. Den ausufernden Kosten, den Folgen der Columbia Katastrophe und der Einstellungsbeschluss unter der Präsidentschaft von George W. Bush. Angerissen werden die vorhandenen und geplanten Transportsysteme und die Forschung an Bord der Station.
Durch die Beschränkung auf den Technischen und geschichtlichen Aspekt ist ein Buch entstanden, das kompakt und trotzdem kompetent über die ISS informiert und einen preiswerten Einstieg in die Materie. Zusammen mit dem Buch über das ATV gewinnt der Leser einen guten Überblick über die heutige Situation der ISS vor allem im Hinblick auf die noch offene Versorgungsproblematik.
Die zweite Auflage ist rund 80 Seiten dicker als die erste und enthält eine kurze Geschichte der Raumstationen, die wesentlichen Ereignisse von 2010 bis 2015, eine eingehendere Diskussion über die Forschung und Sinn und Zweck der Raumstation sowie ein ausführliches Kapitel über die Versorgungsraumschiffe zusätzlich.
Das bisher letzte Buch Skylab: Amerikas einzige Raumstation ist mein bisher umfangreichstes im Themenbereich bemannte Raumfahrt. Die Raumstation wurde als einziges vieler ambitioniertes Apollonachfolgeprojekte umgesetzt. Beschrieben wird im Detail ihre Projektgeschichte, den Aufbau der Module und die durchgeführten Experimente. Die Missionen und die Dramatik der Rettung werden nochmals lebendig, genauso wie die Bemühungen die Raumstation Ende der siebziger Jahre vor dem Verglühen zu bewahren und die Bestrebungen sie nicht über Land niedergehen zu lasen. Abgerundet wird das Buch mit den Plänen für das zweite Flugexemplar Skylab B und ein Vergleich mit der Architektur der ISS. Es ist mein umfangreichstes Buch zum Thema bemannte Raumfahrt. Im Mai 2016 erschien es nach Auslaufen des Erstvertrages neu, der Inhalt ist derselbe (es gab seitdem keine neuen Erkenntnisse über die Station), aber es ist durch gesunkene Druckkosten 5 Euro billiger.
Mehr über diese und andere Bücher von mir zum Thema Raumfahrt finden sie auf der Website Raumfahrtbücher.de. Dort werden sie auch über Neuerscheinungen informiert. Die Bücher kann man auch direkt beim Verlag bestellen. Der Versand ist kostenlos und wenn sie dies tun erhält der Autor auch noch eine etwas höhere Marge. Sie erhalten dort auch die jeweils aktuelle Version, Bei Amazon und Co tummeln sich auch die Vorauflagen.
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