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Centrum

Centrum wirbt seit einigen Monaten mit speziellen Präparaten "für sie" und "für ihn". Dies würde dann eine geschlechterspezifische "optimale" Versorgung garantieren. Was ist davon zu halten? Nun schauen wir uns zuerst mal die Zusammensetzung der Tabletten an. Zuerst mal die Tabletten "für sie":

Stoff Gehalt % des Tagesbedarfs
Vitamin A (25% als Beta-Carotin) 667 µg 83 %
Vitamin E 16 mg 133 %
Vitamin C 120 mg 150 %
Vitamin K 24,5µg 33 %
Vitamin B1 1,32 mg 120 %
Vitamin B2 2,1 mg 150 %
Vitamin B6 1,75 mg 125 %
Vitamin B12 3 µg 120 %
Vitamin D 5 µg 100 %
Biotin 62,5 µg 125 %
Folsäure 300 µg 150 %
Niacin 16 mg 100 %
Pantothenat 7,5 mg 125 %
Calcium 320 mg 40 %
Phosphor 105 mg 15 %
Magnesium 100 mg 27 %
Eisen 5 mg 36 %
Jod 100 µg 67 %
Kupfer 500 µg 50 %
Mangan 2 mg 100 %
Chrom 40 µg 100 %
Molybdän 50 mg 100 %
Selen 30 µg 55 %
Zink 5 mg 50 
und nun das ganze "für ihn"

Stoff Gehalt % des Tagesbedarfs
Vitamin A (25% als Beta-Carotin) 800 µg 100 %
Vitamin E 18 mg 150 %
Vitamin C 120 mg 150 %
Vitamin K 30 µg 40 %
Vitamin B1 1,6 mg 145 %
Vitamin B2 2,1 mg 150 %
Vitamin B6 2,1 mg 150 %
Vitamin B12 3 µg 120 %
Vitamin D 5 µg 100 %
Biotin 62,5 µg 125 %
Folsäure 200 µg 100 %
Niacin 20 mg 125 %
Pantothenat 7,5 mg 125 %
Calcium 200 mg 25 %
Phosphor 105 mg 15 %
Magnesium 120 mg 32 %
Eisen 3,75 mg 27 %
Jod 100 µg 67 %
Kupfer 500 µg 50 %
Mangan 2 mg 100 %
Chrom 40 µg 100 %
Molybdän 50 mg 100 %
Selen 30 µg 55 %
Zink 5 mg 50  %

Die Unterschiede sind nicht groß, sie liegen bei maximal 25% des Tagesbedarfs. Welche Auswirkungen hat dies? Nun man sollte bei allen Vitaminpräparaten und den Angaben der Tagesdosis (hier auf Basis der Nährwertkennzeichnungsverordnung NKV) wissen wie die Empfehlungen entstehen.

Nicht bei allen Vitaminen, aber bei einigen hat man medizinische Daten,, wie viel man von ihnen aufnehmen muss um keine Mangelsymptome aufzuweisen. Doch das ist die Ausnahme, daher hat man bei der Festlegung der Tagesdosis (Recommended Daily Intake RDA) einen andern Weg beschritten. Man nimmt ein Kollektiv ohne sichtbare Mangelerscheinen, bestimmt bei ihm die durchschnittliche Aufnahme der Vitamine oder anderer Nährstoffe. EAR-Wert (estimated Average Requirement). Daraus addiert man zwei Sigma Werte, also die Standardabweichung mal zwei, das ist ein Maß für die Schwankungen der Werte innerhalb des Kollektivs. Gehorcht die Verteilung einer Gausschen Normalverteilung, und das ist bei vielen Merkmalen der Fall, so müsste der obere Wert den man so erhält bei 97,5 % der Bevölkerung keine Mangelsymptome auslösen. Dies ist dann der RDA Wert (RDA Recommended Daily intake) der den nationalen Empfehlungen zugrunde liegt. Da dies von unterschiedlichen nationalen Organisationen jeweils mit anderen Kollektiven erfolgt, ergeben sich unterschiedliche nationale Empfehlungen, die teilweise auch politisch beeinflusst sind, so sind die FAO-Empfehlungen der UN für die ganze Welt oft nieder als die bei uns oder von den US-Behörden, weil es für viele Entwicklungsländern schon schwierig wird diese zu erreichen.

Selbst bei den wenigen Vitaminen von denen man biochemische Daten hat, wie dem Vitamin B12, das man im Körper durch sein Kobaltatom leicht durch radioaktive Dotierung verfolgen kann, ist der RDA-Wert nicht ohne Unsicherheitsfaktor. In diesem falle ist es die Abschätzung wie hoch die Verluste bei der Nahrungszubereitung sind und wie viel vom aufgenommenen Vitamin auch im Blutkreislauf ankommt.

Allerdings - und auch das sagt die Statistik, würde die meisten sich schon ausreichend ernähren wenn sie 77% des Empfehlungswertes erreichen. Schon unter diesem Aspekt ist es natürlich fraglich, was eine Zufuhr von über 100% für einen Mehrwert bringt. Andererseits Weiß man natürlich nicht ob die untersuchte Kollektiv aus dem man den RDA-Wert bestimmte, wirklich repräsentativ bezüglich des Bedarfs ist (es gibt Schwankungen aufgrund des Geschlechts, Alters, des Energieumsatzes und vieler anderer Faktoren).

In Zeiten der Überzufuhr durch Nahrungsergänzungsmittel geht man auch einen anderen Weg: es wird der niedrigste unsichere Dosis (LOAL (Lowest observable Effect Level) gesucht, ab der man von einer Überversorgung mit Schäden (Hypervitaminosen) sprechen kann und die niedrigste Dosis, bei der nichts schädliches durch eine Überdosis bekannt ist (NOEL No observable Effect Level). Und daraus der UL-Wert (tolerable upper intake Level) bestimmt, also der maximale Wert der aufgenommen werden sollte, damit der Stoff nicht schädlich wird.

Zwischen diesen Extremen EAR und UL sollte die Aufnahme liegen. Hier die UL Werte für die obigen Stoffe, die man natürlich nicht bei Centrum erfährt:

Wrikstoff UL-Wert
Vitamin A (25% als Beta-Carotin) 3 mg
Vitamin E 300-1000 mg
Vitamin C 1000-2000 mg
Vitamin K 1 mg
Vitamin B1 100 mg
Vitamin B6 10-100 mg
Vitamin B12 2 mg
Vitamin D 50 µg
Biotin 0,9 mg
Folsäure 1 mg
Niacin 35-900 mg
Pantothenat 200 mg
Calcium 2500 mg
Phosphor 4000 mg
Magnesium 600-700 mg
Eisen 35-455 mg
Jod 500-1100 µg
Kupfer 5000-10000 mg
Mangan 11 mg
Chrom 10 mg
Molybdän 600-2000 µg
Selen 300-450 µg
Zink 40 mg

Bei den meisten Stoffen gibt es recht große Sicherheitsspannen und die UL Werte liegen um den Faktor 10 über den empfohlenen Werten. Doch nicht bei allen. Bei Vitamin A, Folsäure, Fluorid und Iodid sind die UL werte nur um den Faktor 3-5 höher als die empfohlenen Werte. Die Schwankungen der nationalen Empfehlungen zeigen, dass diese Problematik auch noch kaum erforscht ist.

Nun kann man sicher über den generellen Sinn und Zweck von Nahrungsergänzungsmitteln streiten. Zahlreiche Ernährungsexperten lehnen sie ab. Das Hauptargument das vorgebracht wird, ist dass dadurch eine falsche Ernährung gefördert wird. Also man meint durch das Einwerfen von Pillen die mangelnde Versorgung durch Big-Mac & Co ausgleichen zu können. Ich sehe das etwas differenzierter und denke dass sie meisten Leute genau wissen was gesund ist und was nicht. Ich kenne zumindest niemanden, der meint durch Vitaminpillen alleine sich gesund zu ernähren. Einen Sinn sehe ich darin zum einen in bestimmten Ernährungssituationen zu unterstützen - so isst meine Mutter wie viele alte Menschen zu wenig und nicht unbedingt das was so vitaminreich ist und seit sie täglich eine Vitamintablette zu sich nimmt fühlt sie sich besser und ihre Nägel sind wieder weich, anstatt spröde. Das zweite ist es dass ein Pillen das Gewissen beruhigen. Die Medien mit dem Dauerthema Vitamine und vitaminreiches Essenkönnen auch den Effekt haben.

Nur: dazu genügen auch Vitamintabletten für 3,95 für 100 Stück, die zudem fast dieselben Mengen enthalten, wie die von Centrum für 20 Euro (für 60 Tabletten, also nahezu zehnmal teurer). De Fakto ist wenn eine Tablette schon den Tagesbedarf enthält, man aber ja auch noch Vitamine, über die Nahrung zu sich nimmt der Bedarf mehr als gedeckt. Eine Abstimmung nach Geschlecht ist völlig sinnlos, wenn zusammen mit den in der Nahrung enthaltenen Vitaminen dann 150-200% des normalen Bedarfs aufgenommen werden. Ob man nun dann nur 150 oder 200% zu sich nimmt ist dann irrelevant.

Noch verrückter ist, dass die verschiedenen Dosierungen in "für sie2 und "für ihn" sich ja an dem unterschiedlichen Tagesbedarf für die beiden Geschlechter orientieren und dieser ist wegen des geringeren Gewichts von Frauen bei den meisten Stoffen bei Frauen um üblicherweise ein Viertel kleiner als bei Männern. Wenn eine Frau anstatt zu "Centrum für Sie" zu "Centrum für Ihn" greift, nimmt sie von fast allen Vitaminen gleichviel oder mehr auf als in der "speziell" für sie zusammengestellten Packung enthalten ist. Die einzigen Ausnahmen sind Folsäure und Eisen. Folsäure, weil ein Mangel im Frühstadium einer Schwangerschaft zu einer sehr gravierenden Fehlbildung des Säuglings führt und anscheinend auch die Folsäureversorgung allgemein gekoppelt ist ob eine Schwangerschaft ohne Komplikationen verläuft und Eisen, weil durch die Monatsblutung bei Frauen der Bedarf um 50% höher als bei Männern ist.

Also die für Männer optimierte Packung ist dann besser als die für Frauen optimierte?

Nein, beide sind überdosiert und das verwischt alle individuellen Unterschiede. Es werden ja auch noch Vitamine und Mineralien aus der Nahrung aufgenommen und selbst bei nicht gesundheitsbetontem Essen kommt da nochmals mindestens 50% zusammen, bei der Aufnahme von vitaminisierten Produkten die ja immer mehr zunehmen, eher noch mehr. Nun ist nicht beweisen ob die Empfehlungen ausreichend für eine "optimale" Gesundheit sind. Doch genauso wenig ist erwiesen, dass diese Dauerzufuhr von zu hohen Dosen nicht schädlich ist. Zumindest bei Vitamin A und Beta-Carotin gibt es Untersuchungen, dass sehr hohe Mengen sogar Krebs auslösen können. Eine Studie die die Nützlichkeit bei Rauchern beweisen sollte wurde aufgrund dessen sogar abgebrochen.

Was bleibt, ist ein extrem teures Vitaminpräparat eines Herstellers der anstatt einem Präparat zig anbietet: für Frauen, für Männer, für alte, für Junge, für aktive .... Dazu noch Präparate die anstatt einer Kombination von Stoffen nur einzelne Enthalten und das alles zu gepfefferten, zehnmal höheren Preisen als das Präparat aus dem Discounter. Irgendjemand muss die Werbung ja bezahlen.

Referenzen / Quellen

Otto Isler, Georg Brubacher, Samndro Ghisla, Bernhard Käutler: Vitamine II, Georg Thieme Verlag Stuttgart

Ibrahim Elmadfa, Claus Leitzmann: Ernährung des Menschen, UTB

Hans Konrad Biesalski, Peter Grimm: Taschenatlas der Ernährung, Georg Thieme Verlag Stuttgart

Artikel erstellt am 15.2.2013

Bücher vom Autor

Zum Thema Ernährung, Lebensmittel und Lebensmittelchemie/recht sind bisher vier Bücher von mir erschienen:

Das Buch „Was ist drin?“ wendet sich an diejenigen, die unabhängige Informationen über Zusatzstoffe und Lebensmittelkennzeichnung suchen. Das Buch zerfällt in vier Teilen. Es beginnt mit einer kompakten Einführung in die Grundlagen der Ernährung. Der zweite Teil hat zum Inhalt eine kurze Einführung in die Lebensmittelkennzeichnung - wie liest man ein Zutatenverzeichnis. Welche Informationen enthält es? Ergänzt wird dies durch einige weitere Regelungen für weitergehende Angaben (EU Auslobung von geografischen Angaben, Bio/Ökosiegel etc.).

Der größte der vier Teile entfällt auf eine Beschreibung der technologischen Wirkung, des Einsatzzweckes und der Vorteile - wie auch bekannter Risiken - von Zusatzstoffen. Der letzte Teil zeigt beispielhaft an 13 Lebensmitteln, wie man ein Zutatenverzeichnis sowie andere Angaben liest, was man schon vor dem Kauf für Informationen aus diesem ableiten kann, die einem helfen, Fehlkäufe zu vermeiden und welche Tricks Hersteller einsetzen, um Zusatzstoffe zu verschleiern oder ein Produkt besser aussehen zu lassen, als es ist. 2012 erschien eine Neuauflage, erweitert um 40 Seiten. Sie trägt zum einen den geänderten Gesetzen Rechnung (neue Zusatzstoffe wurden aufgenommen, Regelungen über Lightprodukte beschrieben) und zum anderen ein Stichwortregister enthält, das sich viele Leser zum schnelleren Nachschlagen gewünscht haben.

Wie sich zeigte, haben die meisten Leser das Buch wegen des zentralen Teils, der die Zusatzstoffe beinhaltet, gekauft. Ich bekam auch die Rückmeldung, dass hier eine Referenztabelle sehr nützlich wäre. Ich habe daher 2012 diesen Teil und den Bereich über Lebensmittelrecht nochmals durchgesehen, um die neu zugelassenen Zusatzstoffe ergänzt und auch um neue Regelungen, wie bei der Werbung mit nährwertbezogenen Angaben. Ergänzt um eine Referenztabelle gibt es nun die zwei mittleren Teile als eigenes Buch unter dem Titel "Zusatzstoffe und E-Nummern" zu kaufen.

Nachdem ich selbst über 30 kg abgenommen habe, aber auch feststellen musste wie wenig viele Leute von Ernährung oder der Nahrung wissen, habe ich mich daran gemacht einen Diätratgeber "der anderen Art" zu schreiben. Er enthält nicht ein Patentrezept (wenn auch viele nützliche Tipps), sondern verfolgt den Ansatz, dass jemand mit einer Diät erfolgreicher ist, der genauer über die Grundlagen der Ernährung, was beim Abnehmen passiert und wo Gefahren lauern, Bescheid weiß. Daher habe ich auch das Buch bewusst "Das ist kein Diätratgeber: ... aber eine Hilfe fürs Abnehmen" genannt. Es ist mehr ein Buch über die Grundlagen der Ernährung, wie eine gesunde Ernährung aussieht und wie man dieses Wissen konkret bei einer Diät umsetzt. Es ist daher auch Personen interessant die sich nur über gesunde Ernährung informieren wollen und nach Tipps suchen ihr Gewicht zu halten.

Das Buch "Was Sie schon immer über Lebensmittel und Ernährung wissen wollten" wendet sich an alle, die zum einen die eine oder andere Frage zu Lebensmitteln und Ernährung haben, wie auch die sich für die Thematik interessieren und auf der Suche nach weitergehenden Informationen sind. Während andere Autoren zwar auch populäre Fragen aufgreifen und diese oft in einigen Sätzen beantworten und zur nächsten Frage wechseln, habe ich mich auf 220 Fragen beschränkt, die ich mehr als Aufhänger für ein Thema sehe, so hat das Buch auch 392 Seiten Umfang. Jede Frage nimmt also 1-2 Seiten ein. Sie sind nach ähnlichen Fragestellungen/Lebensmitteln gruppiert und diese wieder in vier Sektionen: zwei Großen über Lebensmittel und Ernährung und zwei kleinen für Zusatzstoffe und Lebensmittelrecht/Werbung. Man kann das buch daher von vorne bis hinten durchlesen und so seinen Horizont erweitern, aber auch schnell mal nach einer Antwort suchen. Ich habe sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, vor allem weil der Stil nicht reißerisch ist und ein Dogma verbreiten will, sondern aufklärend ist.

Sie erhalten alle meine Bücher über den Buchhandel (allerdings nur auf Bestellung), aber auch auf Buchshops wie Amazon, Libri, Buecher.de und ITunes. Sie können die Bücher aber auch direkt bei BOD bestellen.

Mehr über diese Bücher und weitere des Autors zum Themenkreis Raumfahrt, finden sie auf der Website Raumfahrtbucher.de.


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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