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Vor Jahren habe ich den Artikel " Studien, und wie sie zustande kommen" verfasst, der sich mit diesem Thema schon befasst. Ich dachte damals vor allem an klinische Studien, wie sie in meinem Bereich Ernährung üblich sind. Diese Studien sind schwierig, denn sie versuchen meist den Einfluss eines kleinen Parameters auf die Gesundheit über das ganze Leben zu ziehen, anders als jetzt bei einer Medikamentenstudie, wo man nur eine Krankheit und eine bestimmte Zeit betrachtet. Ich halte Studien im Bereich Ernährungslehre nach wie vor für sehr problematisch, zu viele Ernährungspostulate durch Studien sind in den Jahren gekippt worden, so das Cholesterin für den Normalbürger schädlich sein. Die US-amerikanische FDA die das als erste und letzte Behörde postulierte hat sich 2015 von der Aussage verabschiedet.
In den letzten Jahren kommen durch Nahrungsergänzungsmittel jedoch ganz neue Studien auf und sie sind oft schlecht und dienen nur als Alibi. Ich will in diesem Artikel mal an einem praktischen Beispiel aufzeigen, wie eine gute Studie aussieht und was man machen kann, wenn einem das Ergebnis nicht passt.
Um es an einem Beispiel festzumachen: es geht als Beispiel für eine Studie um etwas, bei dem jeder mitreden kann und in dem solche Studien auch sehr populär sind: Diäten. Nehmen wir an, sie sind Wissenschaftler im Auftrag des Konzerns ABC und müssen nachweisen, das Mittel X zusätzlich zu einer Diät eingenommen, den Abnahmeerfolg steigert. Das ist nicht weit hergeholt. Solche Mittel wie Enzymblocker, fettbindende Substanzen gibt es und ihre Wirksamkeit wird durch solche Studien beweisen.
Für jede Studie brauchen sie Testkandidaten. Wenn sie eine Annonce aufgeben, werden sie bald genügend bekommen. Nehmen wir mal an, es wären mehr als genug Kandidaten, dann müssen sie meist schon aus finanziellen Gründen sich für eine Gruppe entscheiden. Sinnvoll und die Studie nicht verfremdend ist es diejenigen auszusortieren, die nicht in Frage kommen. Bei einer Abnahme dürften das schon sehr schlanke Menschen sein, mit einem BMI im Bereich des Untergewichts, daneben sehr alte Menschen, weil dann die Abnahme eher ein Gesundheitsrisiko ist und natürlich Kinder und Jugendliche. Aus rein praktischen Gründen wird man auch Leute aussortieren, die schon öfters eine Diät abgebrochen haben, denn wenn diese nicht durchhalten, ist ihr Datensatz bei einer korrekt durchgeführten Studie wertlos.
Man kann aber auch schon mal das Ergebnis im Blick haben. Wenn ich einen Abnahmeerfolg als Ergebnis haben will, dann ist es um so besser je höher der ist. Dann ist eine Gruppe von stark übergewichtigen Menschen besser als eine von nur leicht Übergewichtigen, weil die Abnahme bei viel Übergewicht viel stärker ist, (bei gleicher Einschränkung der Nahrungsmenge) als mit wenig Übergewicht. Jüngere Menschen nehmen viel schneller ab als ältere, weil der Grundumsatz mit zunehmenden Alter absinkt. Frauen gehen an Diäten viel disziplinierter heran als Männern, nicht umsonst tauchen in Werbespots für alle Diätmittel nur Frauen auf. Unser ideales Kollektiv wären also stark übergewichtige junge Frauen.
Das ist die erste Möglichkeit zur Manipulation. Denn natürlich ist die Angabe, die irgendwann mal in "x kg in y Wochen" genannt wird, viel höher, als wenn wir alle BMI-Gruppen, Alte und Junge, Männer und Frauen zusammen untersuchen. Gerade im klinischen Bereich braucht man diese Aussage aber, man kann ja kein Medikament entwickeln, dass man nur an junge Frauen verkaufen kann. Daraus kann man nach den Leitlinien des deutschen Ärzteblattes aber ableiten, das man um statistisch abgesicherte Resultate zu bekommen, Probandenzahlen im höheren dreistelligen bis einstelligen vierstelligen Bereich, also so um 1.000 Personen braucht.
Aus einfachen statistischen Gründen ist eine Aussage um so sicherer, je mehr Messwerte ich habe, also je mehr Personen an einer Studie teilnehmen und je mehr Werte ich von jeder Person habe. Auf der anderen Seite gibt es finanzielle Grenzen, die dazu führen, das man die Zahl der Teilnehmer niedrig hält. Teilweise bedenklich niedrig. Ich habe schon Studien mit 16 Teilnehmern gesehen - das waren noch weniger als in der Witzstudie " Schokolade macht schlank" auf die ich noch eingehe. Wenige Teilnehmer lassen zum einen keine statistische verlässliche Aussage zu, sie sind auch wegen der Vorgehensweise in Studien Gruppen zu erstellen die dann noch weniger Teilnehmer haben mit noch weniger Signifikanz. Wie wichtig ein großes Kollektiv ist, kann sich jeder selbst ausmahlen. Nehmen wir an, unsere Gruppe wäre nur 20 Personen groß und wir reden nicht vom Abnehmen, sondern der Körpergröße. Wenn sie am Bahnhof wahllos 20 Personen nehmen und sie bestimmen ihre Größe dann erhalten sie einen Mittelwert und eine Streuung, also die Abweichung vom Mittelwert. In der Statistik als Standardverteilung angegeben. Raus könnte kommen: 1,78 ± 0,14. Das bedeutet: Im Mittel waren die Personen 1,78 m hoch. 68 % (das ist die Definition des 1-Sigma (σ) Intervalls) liegen in einem Intervall von 1,64 bis 1,92 m. 95 % (das ist die Definition des 2-Sigma Intervalls) dann zwischen 1,50 und 2,06 m. Je größer die Stichprobe, desto kleiner das Intervall. Auch wenn man dann statistisch sehr kleine und sehr große Personen aufnimmt, so wird man doch viel mehr Personen haben die eine mittlere Körpergröße haben, einfach weil diese häufiger vorkommt. Die obige Gruppe scheint vor allem aus Männern zu bestehen, wie man an dem Mittelwert und der kleinen Schwankungsbreite sieht. Sie ist also nicht repräsentativ, daher die Forderung nach einer möglichst großen Stichprobe.
Üblich sind bei Studien mindestens zwei Gruppen, eine Gruppe, die etwas testet " Interventionsgruppe" und eine zweite Gruppe, die als Vergleich dient, die Kontrollgruppe". In klinischen Tests ist dies das herkömmliche Verfahren und die Interventionsgruppe das neue Verfahren. Beim Abnehmen wäre die Kontrollgruppe normale Personen, die ihren Lebensstil nicht ändern und die Interventionsgruppe die, die abnehmen.
Wenn ich ein bestimmtes Ergebnis haben will, so ist es natürlich von Vorteil, dass diese Gruppe recht gut aussieht. Dafür gibt es einige Tricks. Zum einen kann ich dafür sorgen, dass diese Interventionsgruppe gut aussieht, indem ich sie nicht nur Diät halten lasse, sondern auch Sport treiben lasse. Zum anderen kann ich natürlich bei der Vorauswahl der Kandidaten (sogenannte "Run ins") vorauswählen. Bevor die Studie losgeht, macht man Gespräche, oder einige Versuche, stellt fest wie kooperationsbereit und mit wie viel Elan die Leute dabei sind. Die mit wenig Elan kommen natürlich in die Kontrollgruppe und die, die mit Spaß dabei sind in die Interventionsgruppe.
Ich kann auch im Gespräch anderes abklopfen: Wie gesund ernährt sich jemand? Jemand der viel auf sein Essen achtet, sich bewusst ernährt und sein Gewicht regelmäßig kontrolliert, wird eher weniger abnehmen, als jemand der viel Junk Food ist und übergewichtig ist. Man kann Süßigkeiten beim Fragebogen-Ausfüllen aufstellen und beobachten, wer wie viel davon nimmt - ein guter Maßstab für die Selbstkontrolle, die beim Abnehmen wichtig ist.
Natürlich wichtig sind auch körperliche Merkmale. Wenn ich in meine Kontrollgruppe Leute mit einem etwas kleineren BMI habe, also Personen mit weniger Übergewicht, so werden die tendenziell auch weniger abnehmen, als die in der Interventionsgruppe mit höherem BMI.
Selbst wenn jemand vorzeitig aussteigt, ist das kein Problem. Dann nimmt man einfach den letzten noch guten Wert. Und da die Abnahme am Anfang größer ist als am Schluss hebt der den Durchschnitt sogar noch an. In einer guten Studie würden dessen Daten dagegen verworfen werden.
Teilt man die Personen nicht durch eine Vorauswahl auf, sondern durch Zufall, so spricht man von randomisierter Verteilung. Das ist durchaus nicht einfach. Früher betrachtete man einfach die Risikofaktoren, die man untersuchen wollte und teilte diese so auf, das beide Gruppen eine gleichmäßige Verteilung hatten. Dabei achtete man natürlich auch auf eine gleichmäßige Verteilung nach Geschlecht oder Alter. Diese Vorgehensweise ist aber auch schon wieder eine Auswahl, und man stellte fest, dass dann die Gruppen bezogen auf unbekannte Risikofaktoren eben nicht gleich verteilt waren. Selbst die Selektion nach Wochentag der Bewerbung oder Geburtstag ergab nicht gleich verteilte Gruppen, so dass heute wirklich der Zufall entscheidet, wie ein Wurf einer Münze oder der Computer.
Zwei Gruppen gelten als der Standard. Doch es können mehr sein. Besser sind vor allem bei Ernährungsstudien drei Gruppen:
Eine Gruppe macht nichts (Kontrollgruppe)
Eine Gruppe erhält ein Placebo ( Vergleichsgruppe)
Eine Gruppe erhält das Präparat (Interventionsgruppe)
Bei Ernährungsstudien, wo man annimmt, das wenn man nichts tut, sich auch nichts verändert (anders als bei klinischen Studien wo sich Krankheiten verschlimmern oder wieder heilen können) sind es bei zwei Gruppen oft eine Placebo und Interventionsgruppe. Später ist es bei der Auswertung noch üblich, die Gruppen weiter zu unterteilen, z.B. Teilauswertungen für Frauen und Männer, Junge und Alte, stark, mittel oder leicht Übergewichtige zu machen und kombiniert man diese drei Kriterien, so kommt man problemlos auf 12 Teilgruppen in jeder der zwei bis drei Hauptgruppen - auch ein Grund, warum man so viele Teilnehmer braucht. Denn natürlich werden es immer weniger Probanden pro Gruppe. Je mehr Teilgruppen es gibt.
Standard ist heute die Blindstudie. Sie beruht auf dem Placeboeffekt. Wenn jemand etwas einnimmt, selbst wenn es keinen Wirkstoff enthält, so wird sich eine positive Wirkung einstellen. Daher gibt es ja auch die Placebogruppe. Jedoch spielt nicht nur das Präparat eine Rolle (das Placebo sollte daher nicht von dem Präparat unterscheidbar sein, also gleiche Form, Farbe, Größe etc haben) sondern auch die Zuwendung. Die Ärzte und Krankenschwestern gehen ja einer Fragestellung nach, und wenn sie wissen, wer das Placebo erhält oder nicht dann kann es sein, dass sie sich um die Patienten die den Wirkstoff erhalten intensiver kümmern. Damit dürfen die Effekte dann in dieser Gruppe noch stärker sein. Zuletzt hat man dann auch gestellt, das selbst Menschen, die die Daten neutral auswerten, also nicht bewusst verfälschen nicht vor Fehlern gefeit sind und vielleicht die Daten der Patienten mit dem Wirkstoff bevorzugen.
Man spricht daher von Blindstudien, wenn Folgendes gegeben ist:
Einfachblindstudie: Die Patienten wissen nicht ob sie ein Placebo bekommen oder nicht
Doppelblindstudie: Die Patienten und die die Untersuchung durchführenden (Ärzte, Schwestern) wissen nicht, wer ein Placebo bekommt.
Dreifachblindstudie: Auch die Personen, die die Auswertung machen, wissen nicht, wer was bekommen hat, das weiß nur der Auftraggeber.
Standard ist heute die Doppelblindstudie. Doch selbst bei einer Dreifachblindstudie, die wünschenswert ist, weil ja Studien meist durch Unternehmen finanziert werden, erhält immer noch der Auftraggeber alle Daten und die Zuordnung zu Placebos oder Wirkpräparat. Noch immer kann er Datensätze weglassen, die ihm nicht gefallen. Das man auch die Zusammenfassung der Daten zu Ergebnissen verblindet hat sich aus naheliegenden Gründen daher noch nicht durchgesetzt.
Auch bei dem Review einer Studie in einer Zeitschrift hat sich das Verblindungsprinzip durchgesetzt: weder Verfasser noch Begutachter der Studie wissen voneinander.
Bei der Datenerhebung gibt es viele Möglichkeiten. Wenn man es billig haben will, dann lässt man die Versuchspersonen Protokoll nach vorgegebenen Kriterien führen, das reicht für Abnahmepräparate zusammen mit regelmäßiger Gewichtskontrolle, die aber auch die Versuchspersonen selbst machen, können aus. Will man Wirkung auf Haut, Nägel, Haare oder gar innere Vorgänge feststellen so kommt man um regelmäßige ärztliche Untersuchungen von Blut, Urin oder anderen Parametern nicht herum. Im Allgemeinen gilt: so viele Daten sammeln wie finanziell möglich, denn vielleicht findet man woanders noch einen Trend denn man nutzen kann, beim Abnehmen z.B. in der Psyche, (besseres Gefühl) oder in den Blutwerten (Insulin, Glucose, Cholesterinkonzentration), denn man bewerben kann.
Man sollte bei der Erhebung auch nicht vergessen, den Placeboeffekt zu berücksichtigen. Er ist um so stärker je mehr die Probanden sich mit dem Versuch beschäftigen sollen. Schärfe ich also meiner Interventionsgruppe ein, sie soll sich täglich wiegen, der Kontrollgruppe aber nur einmal alle zwei Tage, so wird diese mehr abnehmen, einfach weil Menschen, wenn sie sehen, dass sie zugenommen oder nicht abgenommen haben, dazu tendieren, weniger zu essen.
Es gibt unendliche Möglichkeiten die Daten zu manipulieren. Die Häufigsten sind aber auch die Einfachsten. Ich kann einfach Daten weglassen, die mir nicht gefallen, z.B. Personen, bei denen es keine Gewichtsabnahme, sondern sogar eine Zunahme gab oder bei denen sich Blutwerte verschlechtern, in der Statistik nennt man solche Werte auch "Ausreiser", sie verändern vor allem die Streuung enorm, die Kurve wird viel breiter.
Ich kann aus den Rohdaten wieder Subgruppen erstellen, die mir passen, z.B. alle weiblichen Personen von 20 bis 32, weil gerade die gut abgenommen haben.
Oder ich runde einfach so, wie es mir gefällt. Wenn ich die Abnahme z.B. in Kilogramm messe, dann runde ich bei der Kontrollgruppe immer ab und bei der Interventionsgruppe immer auf. Schon liegt diese statistisch gesehen 0,5 kg besser.
Es ist auch nicht gesagt, dass man alle Daten nehmen muss. Gerade deswegen werden ja so viele erhoben. Wenn die Kurven und Statistiken besser aussehen, wenn ich nur jeden zweiten oder dritten Wert nehme, dann tue ich das, niemand kann später die Originaldaten einsehen, das ist daher gängige Praxis. Das schlimme daran: man kann es auch nicht nachweisen oder in den Diagrammen sehen, außer es wird wirklich viel weggelassen.
Besonders beliebt ist eine Prozentangabe, die man inzwischen auch in der Werbung bei Diagrammen findet. Bei der Prozentangabe ist diese immer relativ, also relativ zu einem Vergleich. Bleiben wir bei unserer Abnehmgruppe: Nehmen wir an die Placebogruppe, hat nach einer Woche im Durchschnitt (dank unseres Rundungstricks) 1 kg abgenommen, die Interventionsgruppe dagegen 1,5 kg. Dann sind das 50 % mehr - obwohl man dies natürlich nicht als signifikant ansehen kann. Ich muss mir nur den Wert richtig aussuchen mit dem ich vergleiche.
Eine moderne Form der Prozentangabe sind Diagramme. Diagramme sind in den letzten Jahren auf Webseiten, aber auch der Werbung immer beliebter geworden. Sie sehen seriös und wissenschaftlich aus, sie sagen aber gar nichts aus wenn man die Achsenskalierung und Beschriftung nicht kennt. Ich kann bei einem Diagramm den Nullpunkt so verschieben, wie ich will und auch den obersten Punkt der Achse. Wer Börsenkurse verfolgt, kennt das. Die Diagramme dort werden meist so ausgelegt, das die Achse unten beim niedrigsten Wert ist und oben beim höchsten, dann kann ein 1-Tages-Chart ganz wild aussehen, obwohl sich der Kurs um nicht mal ein Prozent geändert hat. Da man dies erkennen kann, wenn man die Achsenbeschriftung ansieht, hat sich als fortgeschrittene Maßnahme der Manipulation eingebürgert, diese Achsenskalierung und -beschriftung wegzulassen oder durch einen "Index" zu ersetzen. Auf unser Beispiel bezogen: ich könnte einen "Abnahmeindex" einführen, der für 0 kg Abnahme bei 0 liegt und für 5 kg Abnahme bei 1, und schon bekomme ich für die Abnahme der ersten Wochen eine ganz dramatisch ansteigende Kurve, wenn meine Y-Achse von 0 bis 1 geht.
Bei Statistiken ist eine Manipulation der Angaben, wenn man nur den Mittelwert angibt und nicht die Standardabweichung. Statistik ist ein eigenes Wissenschaftsgebiet, aber einige Grundbegriffe sollte man kennen. Wenn man Messungen an verschiedenen Individuen vornimmt, das gilt, aber auch für Stichproben aus der Produktion oder Analysen, so gibt es Fehler und Faktoren, die zufällig verteilt sind. Bei unserer Studie nehmen die Personen eben nicht gleichmäßig viel ab, weshalb man in der Praxis auch mehrere Teilgruppen mit unterschiedlicher Ausgangslage bildet. Die Statistik geht nun davon aus, dass diese Einflussfaktoren gleichmäßig verteilt sind und zu einer Streuung der Ergebnisse führen. Dazu nimmt man eine Verteilungskurve an, der Standard ist die Gausssche Normalverteilung, eine Glockenkurve, die jenseits des Mittelwerts abfällt. Mit ihr kann man die Streuung um den Mittelwert berechnen. Diese wird so angegeben:
2,72 ±- 0,3 n=15
Diese Angabe bedeutet: Der Mittelwert von 15 Messwerten lag bei 2,72 und die Standardabweichung liegt bei 0,3. Diese ominöse Standardabweichung gibt das Intervall um den Mittelwert an, in der (wenn die Daten normal verteilt wären) 68 % der Messwerte liegen würden, also ungefähr 10 der 15 Werte. Diese würden zwischen 2,42 und 3,02 liegen (2,72 - 0,3 und 2,72 + 0,3). Zwischen zwei Standardabweichungen liegen dann schon 95 % der Messwerte, weil die Normalverteilung zu den Enden steil abfällt. Zwei Standardverteilungen sind zumindest in der Analytik, wo ich Statistik lernte, der Stand der Dinge für zuverlässige Aussagen, bei Menschen und den zahlreichen Einflussfaktoren, die es hier gibt, ist die einfache Standardabweichung gängiger.
Die Standardabweichung ist wichtig, weil sie ein Maß ist, wie stark die Werte streuen, das heißt ob die Werte nahe des Mittelwerts von 2,72 liegen oder es große Abweichungen gibt. 0,3 wie im obigen Beispiel ist eine enge Kurve. Mit einer Standardabweichung von 1,0 sieht die Kurve schon ganz anders aus. Das zeigt dieses Diagramm. Sie wird zunehmend flacher. Mit eingezeichnet ist auch das Intervall der einfachen Standardabweichung. Auch dies liegt natürlich viel weiter außen bei der größeren Standardabweichung.
Wird die Standardabweichung weggelassen, so kann man nicht mehr beurteilen, wie stark die Werte streuen, und nicht ob zwei Messreihen sich statistisch signifikant unterscheiden. Das ist wichtig, weil man so sagen kann, ob sich Interventionsgruppe und Placebogruppe unterscheiden, oder die etwas anderen Werte nur darauf beruhen, dass ich zwei Stichproben aus der gleichen Menge genommen habe, also Placebo und Präparat unterscheiden.
Standard ist heute in der medizinischen Forschung, der allgemeinen Publikation, lange aber noch nicht bei der Ernährungsforschung, dass die Ergebnisse durch andere Wissenschaftler desselben Fachbereiches begutachtet werden. Dies soll sicherstellen, dass die Schlüsse aus den Ergebnissen auch korrekt sind. Erfolgt dies ohne, das Gutachter und Einreicher des Entwurfs voneinander wissen so spricht man von einem Doppelblindgutachten. Natürlich dürfen die Gutachter nicht aus dem Umfeld des Autors stammen. Man will damit auch vermeiden, dass das Renommee von Forschern dazu führt, dass man ihre Arbeit nicht kritisiert.
Peer Reviews gilt aber immer den Schlüssen aus den Daten. Die Daten selbst die zu den Zusammenfassungen, die in einer Studie veröffentlicht werden, geführt haben bleiben immer noch unter Verschluss. Es geht nur darum was man aus diesen Daten macht und wie man sie interpretiert. Eine Untersuchung zeigte das bei nicht Peer-Review durchsuchten Studien es 16 % mehr Fälle ab, in denen man die Schlüsse nicht allgemein teilte und in weiteren 16 % konnten die Ergebnisse nicht durch Wiederholung bestätigt werden. Was ein Peer Review nicht leistet, ist die Durchsicht der Daten, sondern nur der daraus gezogenen Schlüsse und Zusammenfassungen. Peer Review kann daher weder Datenmanipulationen noch systematische Mängel in der Studie (z.B. Bei der Gruppeneinteilung) feststellen, sofern diese nicht erwähnt wurden. Man hat keinen Zugriff auf die Daten der Studie selbst, nur das Manuskript wird vor der Veröffentlichung geprüft.
Ein Hersteller eines Nahrungsergänzungspräparates wollte mich unbedingt überzeugen, dass es wirksam ist. Die erste Studie, auf die er verweis war, diese: Dietary Supplementation with Specific Collagen Peptides Has a Body Mass Index-Dependent Beneficial Effect on Cellulite Morphology
Die Studie soll eine Doppelblindstudie sein, mit randomisierten Gruppen und immerhin über 100 Teilnehmer beim Start, das ist für eine klinische Studie wenig, bei Nahrungsergänzungsmittel aber eine übliche Größe.
Dort taucht als wesentlicher Bestandteil der Ergebnisse folgende Tabelle auf:
BMI |
Präparat |
n |
Ausgangslage |
3 Monate |
6 Monate |
---|---|---|---|---|---|
Alle Studienteilnehmer |
Kollagen-Hydrolysat |
49 |
2.37 ± 0.4 |
2.17 ± 0.5 |
2.08 ± 0.4 |
|
Placebo |
48 |
2.44 ± 0.4 |
2.23 ± 0.5 |
2.19 ± 0.5 |
Normal (BMI <25) |
Kollagen-Hydrolysat |
24 |
2.19 ± 0.3 |
1.96 ± 0.4 |
1.86 ± 0.4 |
|
Placebo |
26 |
2.31 ± 0.4 |
2.07 ± 0.5 |
2.04 ± 0.5 |
Übergewichtig (BMI >25) |
Kollagen-Hydrolysat |
25 |
2.54 ± 0.5 |
2.37 ± 0.4 |
2.30 ± 0.4 |
|
Placebo |
22 |
2.59 ± 0.4 |
2.40 ± 0.6* |
2.40 ± 0.5* |
Zuerst sieht das noch gut aus. Doch wie man sieht, war immer die Ausgangsbasis bei den Placebo-Teilnehmern größer. Von "randomisierter" Studie kann also keine Rede sein, wenn die Placebogruppe immer eine stärkere Cellulitis hat. Bildet man nur die Differenz, die erreicht wurde, so sieht das Ergebnis zudem viel weniger gut aus:
BMI |
Präparat |
n |
Ausgangslage |
3 Monate |
6 Monate |
---|---|---|---|---|---|
Alle Studienteilnehmer |
Kollagen-Hydrolysat |
49 |
2.37 ± 0.4 |
-0,2 |
-0,29 |
|
Placebo |
48 |
2.44 ± 0.4 |
-0,21 |
-0,25 |
Normal (BMI <25) |
Kollagen-Hydrolysat |
24 |
2.19 ± 0.3 |
-0,23 |
-0,33 |
|
Placebo |
26 |
2.31 ± 0.4 |
-0,24 |
-0,27 |
Übergewichtig (BMI >25) |
Kollagen-Hydrolysat |
25 |
2.54 ± 0.5 |
-0,17 |
-0,24 |
|
Placebo |
22 |
2.59 ± 0.4 |
-0,19 |
-0,19 |
Das Placebo ist also in allen Fällen fast genauso wirksam wie das Präparat. Die Abweichung ist zwar da, aber im Vergleich zur Ausgangslage ist die Differenz klein. Trotzdem hat die Person die die Studie machte, sich die größte Abweichung genommen (bei BMI<25): 0,06 besser als die Placebogruppe mit 22% Verbesserung. Daraus wurde dann: ist 22 % besser als ein Placebo (0,06 / 0,27 *100). Das die Differenz vergleichen mit der Ausgangslage nur 0,06 / 2,19 = 2,7 % ist, also fast zehnmal kleiner hat er nicht geschrieben. Man sucht sich also aus den Daten, die raus die einem am besten gefallen.
Die zweite "Studie" war dann diese: Oral Collagen Supplementation: A Systematic Review of Dermatological Applications.
Schaut man sich das an, so stellt sich heraus, das es gar eine Studie ist sondern die Autoren nur 11 Studien ohne zeitliche Begrenzung, ohne Mindestzahl an Teilnehmern, ohne gemeinsames Ziel durchlasen und zusammenfassten. Dabei wurde Kollagen in drei verschiedenen Formen verabreicht, das es Blind-Studien waren, wurde nicht verlangt, eigentlich ein KO-Kriterium, die Dinge die untersucht wunden waren breit gefächert von Cellulitis bis zu Druckgeschwüren, von 2,5 bis 10 g pro Tag von 4 bis 24 Wochen Dauer. Zusammen kam man trotzdem auf nur 805 Personen. Kurzum. Keine zwei Studien haben das gleiche Ziel, die gleiche Dosis und die gleiche Behandlungsdauer. Das Ergebnis dieser Literaturstudie ist damit auch überhaupt nicht aussagekräftig. Aber es ist eine Studie auf die man verweisen kann und die meisten Journalisten machen sich nicht die Mühe die Daten nachzuprüfen.
Wer mal sehen will, wie weit man in der Praxis mit solchen Studien kommt, auch unterstützt durch einen Wissenschaftsbetrieb mit dem Motto " Publish or Perish" und unzähligen Zeitschriften, die von der Veröffentlichung leben und auch Studien ohne Überprüfung gegen Honorar annehmen zeigt die ZDF-Dokumentation "Schlank durch Schokolade", in der die Journalisten selbst eine Studie auflegten, in der sie "nachwiesen" das die Einnahme von dunkler Schokolade beim Abnehmen hilft. Sehr lustig und trotzdem informativ gemacht. Auf jeden Fall sehenswert und bei Youtube zu finden. Sie zeigt auch, wie heute bei wissenschaftlich als wirkungslosen bekannten Präparaten mit einer Studie und den obigen Tricks eine Wirkung "belegt" wird und man dies dann kommerziell bewirbt. Die "Studie" schafft es auf die Titelzeile von Bild, zu Focus, RTL und Brigitte. Nur den letzten Schritt, das völlig überteuerte Verkaufen, wie es bei Nahrungsergänzungsmitteln mit Kosten von unter 10 % für den Wirkstoff üblich ist, haben die Autoren nicht getan.
Zum Thema Ernährung, Lebensmittel und Lebensmittelchemie/recht sind bisher vier Bücher von mir erschienen:
Das Buch „Was ist drin?“ wendet sich an diejenigen, die unabhängige Informationen über Zusatzstoffe und Lebensmittelkennzeichnung suchen. Das Buch zerfällt in vier Teilen. Es beginnt mit einer kompakten Einführung in die Grundlagen der Ernährung. Der zweite Teil hat zum Inhalt eine kurze Einführung in die Lebensmittelkennzeichnung - wie liest man ein Zutatenverzeichnis. Welche Informationen enthält es? Ergänzt wird dies durch einige weitere Regelungen für weitergehende Angaben (EU Auslobung von geografischen Angaben, Bio/Ökosiegel etc.).
Der größte der vier Teile entfällt auf eine Beschreibung der technologischen Wirkung, des Einsatzzweckes und der Vorteile - wie auch bekannter Risiken - von Zusatzstoffen. Der letzte Teil zeigt beispielhaft an 13 Lebensmitteln, wie man ein Zutatenverzeichnis sowie andere Angaben liest, was man schon vor dem Kauf für Informationen aus diesem ableiten kann, die einem helfen, Fehlkäufe zu vermeiden und welche Tricks Hersteller einsetzen, um Zusatzstoffe zu verschleiern oder ein Produkt besser aussehen zu lassen, als es ist. 2012 erschien eine Neuauflage, erweitert um 40 Seiten. Sie trägt zum einen den geänderten Gesetzen Rechnung (neue Zusatzstoffe wurden aufgenommen, Regelungen über Lightprodukte beschrieben) und zum anderen ein Stichwortregister enthält, das sich viele Leser zum schnelleren Nachschlagen gewünscht haben.
Wie sich zeigte, haben die meisten Leser das Buch wegen des zentralen Teils, der die Zusatzstoffe beinhaltet, gekauft. Ich bekam auch die Rückmeldung, dass hier eine Referenztabelle sehr nützlich wäre. Ich habe daher 2012 diesen Teil und den Bereich über Lebensmittelrecht nochmals durchgesehen, um die neu zugelassenen Zusatzstoffe ergänzt und auch um neue Regelungen, wie bei der Werbung mit nährwertbezogenen Angaben. Ergänzt um eine Referenztabelle gibt es nun die zwei mittleren Teile als eigenes Buch unter dem Titel "Zusatzstoffe und E-Nummern" zu kaufen.
Nachdem ich selbst über 30 kg abgenommen habe, aber auch feststellen musste wie wenig viele Leute von Ernährung oder der Nahrung wissen, habe ich mich daran gemacht einen Diätratgeber "der anderen Art" zu schreiben. Er enthält nicht ein Patentrezept (wenn auch viele nützliche Tipps), sondern verfolgt den Ansatz, dass jemand mit einer Diät erfolgreicher ist, der genauer über die Grundlagen der Ernährung, was beim Abnehmen passiert und wo Gefahren lauern, Bescheid weiß. Daher habe ich auch das Buch bewusst "Das ist kein Diätratgeber: ... aber eine Hilfe fürs Abnehmen" genannt. Es ist mehr ein Buch über die Grundlagen der Ernährung, wie eine gesunde Ernährung aussieht und wie man dieses Wissen konkret bei einer Diät umsetzt. Es ist daher auch Personen interessant die sich nur über gesunde Ernährung informieren wollen und nach Tipps suchen ihr Gewicht zu halten.
Das Buch "Was Sie schon immer über Lebensmittel und Ernährung wissen wollten" wendet sich an alle, die zum einen die eine oder andere Frage zu Lebensmitteln und Ernährung haben, wie auch die sich für die Thematik interessieren und auf der Suche nach weitergehenden Informationen sind. Während andere Autoren zwar auch populäre Fragen aufgreifen und diese oft in einigen Sätzen beantworten und zur nächsten Frage wechseln, habe ich mich auf 220 Fragen beschränkt, die ich mehr als Aufhänger für ein Thema sehe, so hat das Buch auch 392 Seiten Umfang. Jede Frage nimmt also 1-2 Seiten ein. Sie sind nach ähnlichen Fragestellungen/Lebensmitteln gruppiert und diese wieder in vier Sektionen: zwei Großen über Lebensmittel und Ernährung und zwei kleinen für Zusatzstoffe und Lebensmittelrecht/Werbung. Man kann das buch daher von vorne bis hinten durchlesen und so seinen Horizont erweitern, aber auch schnell mal nach einer Antwort suchen. Ich habe sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, vor allem weil der Stil nicht reißerisch ist und ein Dogma verbreiten will, sondern aufklärend ist.
Sie erhalten alle meine Bücher über den Buchhandel (allerdings nur auf Bestellung), aber auch auf Buchshops wie Amazon, Libri, Buecher.de und ITunes. Sie können die Bücher aber auch direkt bei BOD bestellen.
Mehr über diese Bücher und weitere des Autors zum Themenkreis Raumfahrt, finden sie auf der Website Raumfahrtbucher.de.
Artikel erstellt am 15.3.2019
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