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Mercury Redstone 1A (MR-1A, 19.12.1960)

Einen Monat nach dem "4-Inch-Flight" wurde ein erneuter Startversuch unternommen. Nutzlast war erneut die Mercurykapsel #2 mit voller Instrumentierung, Retroraketen, Trennraketen und Bergungssystem. Die Hardware, die ein Astronaut benötigte, wie das Lebenserhaltungssystem, war noch nicht an Bord. Wie bei allen suborbitalen Kapseln wurde ein Hitzeschutzschild aus Beryllium eingesetzt, der für die niedrigere Endgeschwindigkeit ausreichte. Man benötigte ja nur ein neues, längeres Kabel für die Redstone.

Die Mission spielte zum ersten Mal das komplette Reentryprogramm der Kapsel durch, auch wenn sie von alleine wieder zur Erde zurückgefallen wäre. Dazu gehörten folgende Schritte:

Nach Brennschluss der Redstone wurden Trennraketen gezündet, die die Kapsel sanft von der Redstone entfernten und leicht beschleunigen. Danach wurde die Verbindung des Fluchtturms zur Kapsel durchtrennt und der Fluchtturm gezündet, der nun wegfliegt. Auf einer Atlas wären die Schritte vertauscht gewesen, da der Fluchtturm vor Erreichen des Orbits abgetrennt wird.

Start von MR-1ADie Kapsel dreht sich dann mit ihren Lageregelungstriebwerken um 180 Grad, sodass sie mit dem Hitzeschutzschild in die Flugrichtung schaut. Um den Gipfelpunkt herum zündet die Kapsel die Retroraketen, die sie abbremsen. Diese Schritte wären die Letzten bei einer Orbitmission vor der Landung. Es kommt erneut eine kurze Phase der Schwerelosigkeit, bis die Kapsel durch die dichtere Atmosphäre wieder abgebremst wird. Sie entfaltet in der Troposphäre den Fallschirm, fährt in rund 1.000 m Höhe den Lande-Airbag aus, wassert und setzt im Wasser Leuchtstoff frei. In niedriger Höhe wird auch Aluminiumfolie freigegeben, um die Radarsignatur zu verbessern.

Im Wasser wird eine während des Sinkens abgeworfene SOFAR-Bombe gezündet, ein Explosivsatz, der in 330 m Tiefe sinkt, dann detoniert und eine Schallwelle produziert, die in Hunderten Kilometer Entfernung ortbar ist. Diese Sequenz wurde reibungslos durchlaufen.

Für den Start wurde die Kapsel #2 mit dem Fluchtturm von Kapsel #8 und dem Antennenkopf von Kapsel #10 versehen. Beide Teile gingen beim ersten Startversuch am 21.11.1960 verloren. Um Zeit zu sparen, wurde auch die Rakete ersetzt und die für MR-3 vorgesehene Redstone verwendet.

Neben dem verlängerten Kabel baute man eine Sperre im Flight-Programmer ein, die eine Auslösung des Fluchtturms bis 130 s vor dem Start verhinderte. Die nominale Brenndauer der Redstone war 140 s.

Der Countdown wurde erst 45 Minuten angehalten, weil der Wind in der Stratosphäre mit über 270 km/h zu stark war. Dann nochmals um eine Stunde, weil ein Ventil, das den Wasserstoffperoxidfluss regulierte, nicht ansprach und ersetzt wurde. Schließlich hob die Redstone problemlos ab. Einziges Vorkommnis war, dass Brenndauer länger und Geschwindigkeit höher waren als geplant. Die Redstones im Mercuryprojekt hatten verlängerte Tanks. Da sie erst in großer Höhe Brennschluss hatten, gab es noch keine Erfahrungen mit Brenndauer und Schub bei niedrigerem Außendruck. So flog das Raumschiff etwas höher und landete 18 Meilen vom Zielpunkt entfernt.

Ein Helikopter sichtete sie noch beim Abstieg in 1.300 m Höhe am Fallschirm hängend. Sie wurde 35 Minuten nach dem Start geborgen und befand sich nach 48 Minuten auf dem Deck des Flugzeugträgers Valley Forge.

Erstmals nutzte man bei Mission Control Computer, um den Impaktpunkt in Realzeit zu berechnen und an die Bergungsflotte durchzugeben. Das klappte befriedigend. Ein Hauptproblem, das noch öfters vorkam, war Rauschen auf den Leitungen, sodass die Computer nur Bruchstücke der Radardaten bekamen.

Während die für die Kapsel Verantwortlichen mit dem Flug vollauf zufrieden waren und ihn als "the launching was an unqualified success" bezeichneten, waren die Ärzte weniger zufrieden. Durch die stärkere Beschleunigung der Redstone hätte ein Astronaut 1 g mehr aushalten müssen als vorgesehen. Sie schlugen, falls dies nochmals vorkommen sollte, eine flachere Flugbahn für MR-3 vor.

Die Videoaufnahmen während der Schwerelosigkeit zeigten zudem zahllose in der Kapsel herumfliegende Gegenstände, wie Reinigungstücher und Kugelschreiber, die man bei der Integration der Kapsel vergessen hatte. McDonnell verschärfte daraufhin seine Arbeitsvorschriften.

Die Fehler von MR-1 und LJ-5 führten zu einer Kehrtwende in der Rolle des Piloten. Die Astronauten hatten schon auf eine aktivere Rolle bestanden. Nun war auch die Führung damit einverstanden. Der Fluchtturm sollte bei den bemannten Mercury-Redstone Missionen nur manuell ausgelöst werden und bei den Little Joe Flügen wurde ein offenes System installiert, das die Auslösung von ASIS durch ein Funkkommando erlaubt.

Man entdeckte einen Fehler im Flugprogrammer, weshalb dieser das Triebwerk nicht bei Erreichen der Zielgeschwindigkeit abschaltete. Durch starke Vibrationen in den ersten 30 s nach dem Abheben hatten sich Drähte gelöst. Die Drähte wurden anders befestigt, das Material gewechselt und ein Backupgerät bei den folgenden Flügen der Redstone installiert.

Insgesamt war eine Abweichung von der Zielbahn zwar vorhanden, aber nicht besonders hoch. Sodass man den Flug als vollen Erfolg ansah.

Parameter

Vorgabe

Real

Brenndauer:

140 s

143 s

Gipfelhöhe:

205 km

214 km

Weite:

464 km

493 km

Geschwindigkeit:

2105 m/s

2184 m/s

Spitzenbeschleunigung:

11,0 g

12,4 g

Bücher vom Autor

Es gibt von mir vier Bücher zum Thema bemannte Raumfahrt. Alle Bücher beschäftigen vor allem mit der Technik, die Missionen kommen nicht zu kurz, stehen aber nicht wie bei anderen Büchern über bemannte Raumfahrt im Vordergrund.

Das erste bemannte Raumfahrtprogramm der USA, das Mercuryprogramm begann schon vor Gründung der NASA und jährt sich 2018 zum 60-sten Mal. Das war für mich der Anlass, ein umfangreiches (368 Seiten) langes Buch zu schreiben, das alle Aspekte dieses Programms abdeckt. Der Bogen ist daher breit gestreut. Es beginnt mit der Geschichte der bemannten Raumfahrt in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg. Es kommt dann eine ausführliche technische Beschreibung des Raumschiffs (vor 1962: Kapsel). Dem schließt sich ein analoges Kapitel über die Technik der eingesetzten Träger Redstone, Little Joe und Atlas an. Ein Blick auf Wostok und ein Vergleich Mercury bildet das dritte Kapitel. Der menschliche Faktor - die Astronautenauswahl, das Training aber auch das Schicksal nach den Mercurymissionen bildet das fünfte Kapitel. Das sechs befasst sich mit der Infrastruktur wie Mercurykontrollzentrum, Tracking-Netzwerk und Trainern. Das umfangreichste Kapitel, das fast ein Drittel des Buchs ausmacht sind natürlich die Missionsbeschreibungen. Abgeschlossen wird das Buch durch eine Nachbetrachtung und einen Vergleich mit dem laufenden CCDev Programm. Dazu kommt wie in jedem meiner Bücher ein Abkürzungsverzeichnis, Literaturverzeichnis und empfehlenswerte Literatur. Mit 368 Seiten, rund 50 Tabellen und 120 Abbildungen ist es das bisher umfangreichste Buch von mir über bemannte Raumfahrt.

Mein erstes Buch, Das Gemini Programm: Technik und Geschichte gibt es mittlerweile in der dritten, erweiterten Auflage. "erweitert" bezieht sich auf die erste Auflage die nur 68 Seiten stark war. Trotzdem ist mit 144 Seiten die dritte Auflage immer noch kompakt. Sie enthält trotzdem das wichtigste über das Programm, eine Kurzbeschreibung aller Missionen und einen Ausblick auf die Pläne mit Gemini Raumschiffen den Mond zu umrunden und für eine militärische Nutzung im Rahmen des "Blue Gemini" und MOL Programms. Es ist für alle zu empfehlen die sich kurz und kompakt über dieses heute weitgehend verdrängte Programm informieren wollen.

Mein zweites Buch, Das ATV und die Versorgung der ISS: Die Versorgungssysteme der Raumstation , das ebenfalls in einer aktualisierten und erweiterten Auflage erschienen ist, beschäftigt sich mit einem sehr speziellen Thema: Der Versorgung des Raumstation, besonders mit dem europäischen Beitrag dem ATV. Dieser Transporter ist nicht nur das größte jemals in Europa gebaute Raumschiff (und der leistungsfähigste Versorger der ISS), es ist auch ein technisch anspruchsvolles und das vielseitigste Transportfahrzeug. Darüber hinaus werden die anderen Versorgungsschiffe (Space Shuttle/MPLM, Sojus, Progress, HTV, Cygnus und Dragon besprochen. Die erfolgreiche Mission des ersten ATV Jules Verne wird nochmals lebendig und ein Ausblick auf die folgenden wird gegeben. Den Abschluss bildet ein Kapitel über Ausbaupläne und Möglichkeiten des Raumfrachters bis hin zu einem eigenständigen Zugang zum Weltraum. Die dritte und finale Auflage enthält nun die Details aller Flüge der fünf gestarteten ATV.

Das Buch Die ISS: Geschichte und Technik der Internationalen Raumstation ist eine kompakte Einführung in die ISS. Es wird sowohl die Geschichte der Raumstation wie auch die einzelnen Module besprochen. Wie der Titel verrät liegt das Hauptaugenmerk auf der Technik. Die Funktion jedes Moduls wird erläutert. Zahlreiche Tabellen nehmen die technischen Daten auf. Besonderes Augenmerk liegt auf den Problemen bei den Aufbau der ISS. Den ausufernden Kosten, den Folgen der Columbia Katastrophe und der Einstellungsbeschluss unter der Präsidentschaft von George W. Bush. Angerissen werden die vorhandenen und geplanten Transportsysteme und die Forschung an Bord der Station.

Durch die Beschränkung auf den Technischen und geschichtlichen Aspekt ist ein Buch entstanden, das kompakt und trotzdem kompetent über die ISS informiert und einen preiswerten Einstieg in die Materie. Zusammen mit dem Buch über das ATV gewinnt der Leser einen guten Überblick über die heutige Situation der ISS vor allem im Hinblick auf die noch offene Versorgungsproblematik.

Die zweite Auflage ist rund 80 Seiten dicker als die erste und enthält eine kurze Geschichte der Raumstationen, die wesentlichen Ereignisse von 2010 bis 2015, eine eingehendere Diskussion über die Forschung und Sinn und Zweck der Raumstation sowie ein ausführliches Kapitel über die Versorgungsraumschiffe zusätzlich.

Das bisher letzte Buch Skylab: Amerikas einzige Raumstation ist mein bisher umfangreichstes im Themenbereich bemannte Raumfahrt. Die Raumstation wurde als einziges vieler ambitioniertes Apollonachfolgeprojekte umgesetzt. Beschrieben wird im Detail ihre Projektgeschichte, den Aufbau der Module und die durchgeführten Experimente. Die Missionen und die Dramatik der Rettung werden nochmals lebendig, genauso wie die Bemühungen die Raumstation Ende der siebziger Jahre vor dem Verglühen zu bewahren und die Bestrebungen sie nicht über Land niedergehen zu lasen. Abgerundet wird das Buch mit den Plänen für das zweite Flugexemplar Skylab B und ein Vergleich mit der Architektur der ISS. Es ist mein umfangreichstes Buch zum Thema bemannte Raumfahrt. Im Mai 2016 erschien es nach Auslaufen des Erstvertrages neu, der Inhalt ist derselbe (es gab seitdem keine neuen Erkenntnisse über die Station), aber es ist durch gesunkene Druckkosten 5 Euro billiger.

Mehr über diese und andere Bücher von mir zum Thema Raumfahrt finden sie auf der Website Raumfahrtbücher.de. Dort werden sie auch über Neuerscheinungen informiert. Die Bücher kann man auch direkt beim Verlag bestellen. Der Versand ist kostenlos und wenn sie dies tun erhält der Autor auch noch eine etwas höhere Marge. Sie erhalten dort auch die jeweils aktuelle Version, Bei Amazon und Co tummeln sich auch die Vorauflagen.


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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