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Wie startet man Raketentriebwerke?

Eine interessante Frage, denn bis heute gilt der Startvorgang als der kritische Vorgang, bei dem am meisten schief gehen kann. Nicht umsonst geht der Trend dazu möglichst wenige Triebwerke im Flug zu zünden. Arbeiten wir uns in der Schwierigkeit nach oben.

Die Entzündung des Triebstoffs in der Brennkammer

Druckgeförderte Triebwerke mit hypergolen Triebstoffen: Heute in zahlreichen Satelliten eingesetzt, aber auch in einigen Oberstufen wie der EPS oder Delta. Die Technologie ist auch deswegen so verbreitet weil sie so einfach und zuverlässig ist.

Es reicht im Prinzip die Ventile zu öffnen. Der Druck in den Tanks treibt den Treibstoff in die Leitungen. Bei Zünden unter Schwerelosigkeit und nicht ganz vollen Tanks wird es schwieriger. Dann wird entweder durch ein dehnbares Diaphragma der Druck auf die Flüssigkeit ausgeübt, sodass es keine Gasblase geben kann (Das Druckgas ist nur in dem einen Teil der von dem Treibstoff durch eine Membran abgetrennt ist.

Es gibt kein aktives Treibstoffförderungssystem. So kann wenig passieren - nun ja doch einiges. Der kritische Punkt ist der Start der Verbrennung. Es muss vermieden werden, dass diese zu abrupt startet und es dann eine Verbrennungsinstabilität gibt. Zwar reagieren die Treibstoffe spontan und bilden kein hypergole Gemisch, trotzdem muss beim Start vermieden werden, dass die Temperatur zu schnell zu stark ansteigt und es zu einer Druckspitze kommt. Wenn dies passiert, dann kann es zu einem Feedbacksymptom kommen, wie dies bei L510 der Ariane 5 geschah. Üblicherweise wird dies so gemacht indem die Ventile zeitverzögert geöffnet werden und wenn möglich die Flussmenge langsam erhöht wird (meistens nicht gegeben). Beim Start am Boden wird so das NTO Ventil zuerst geöffnet. Danach das des Hydrazins. So liegt NTO im Überschuss beim Start vor, es verbrennt nur ein Teil und der Rest wirkt als "Kühlmittel" - er reagiert noch nicht nimmt aber Wärme auf. Da NTO in der Luft ein braunes Gas bildet sieht man daher bei Ariane 1-4 oder der Titan 2 eine braune Wolke beim Start. (Hydrazin wird nicht als erstes vorgelegt, weil es giftig ist).

Schwieriger ist der Start eines Triebwerks ohne hypergole Treibstoffe. Diese müssen entzündet werden. Die bei LOX/Kerosin noch immer verbreitete Methode ist der hypergole Vorlauf. Substanzen wie Triethylaluminat entzünden sich hypergol mit Sauerstoff. Sie werden entweder aus einem separaten Tank injiziert oder es gibt in den Tanks einen vrlauf oder die Treibstoffleistungen werden mit einer Membran blockiert in die der hypergole Vorlauf eingeschlossen ist. Sie wird durch den Treibstoffdruck dann gesprengt. So wurde dies bei der Saturn V gehandhabt.

Hypergole Vorläufe werden meist angewandt bei Triebwerken die nur einmal gezündet werden. Bei mehreren Zündungen oder bei flüssigem Wasserstoff als Treibstoff geht dies nicht. Die Temperatur von LH2 ist so niedrig dass alle hyerpgolen Substanzen zu Eis gefrieren würde. Es gibt mehrere Methoden. Eine sehr sichere ist eine Zündung durch ein eigenes Triebwerk. Also Festkörpertriebwerke mit kurzer Brennzeit. Die heißen Flammen entzünden das Gas und sie können bei Triebwerken mit Gasgeneratorantrieb acuh das Startgas für den Betrieb des Gasgenerators liefern. Da man für mehrere Zündungen mehrere Triebwerke benötigt ist dort eher die Entzündung mit einer Flamme, induziert durch einen elektrischen Zündfunken verbreitet. Bei Triebwerken mit Expander Cycle ist dies sogar die normale Vorgehensweise.

Das Problem ist es auch hier den Treibstoff zu entzünden. Ist die Energie gering oder kommt die Flamme nicht direkt an den Treibstoffeinlaß, so kann es sein, dass es zu keiner Zündung kommt. Das war die Ursache von zwei Fehlstarts bei der Ariane 2+3 (V15 und V18). Danach wurde das Triebwerk überarbeitet und lieferte dreimal so viel Energie.

Der Start des Treibstoffförderungssystems.

Teil 1 erklärte wie ein Triebwerk, genauer gesagt, wie der Treibstoff in der Brennkammer gezündet wird. Bei einem druckgeförderten Triebwerk ist damit alles gesagt. doch die meisten Triebwerke arbeiten nach einem anderen Prinzip.

Ein druckgefördertes Triebwerk kann niemals einen Brennkammerdruck aufweisen, der höher als der Druck in den Tanks ist. Damit ist dieser auf niedrige Werte von etwa 10 Bar begrenzt. Sonst würden die Tanks durch die dicken Wandstärken für den hohen Innendruck zu schwer. Damit nutzt man einen Teil der möglichen Energie des Treibstoffs nicht aus und vor allem ist das Triebwerk vergleichsweise groß: Je größer der Brennkammerdruck, desto kleiner die Brennkammer und damit auch die Düse. Der Schub ist von dem Brennkammerdruck linear abhängig und die Fläche der Düse stiegt ebenso linear an, wenn der Brennkammerdruck absinkt.

Alle größeren Triebwerke arbeiten mit einer Turbopumpenförderung. Eine Turbine die mit Heißgas angetrieben wird, liefert die Energie für eine Pumpe welche den Treibstoff mit hohem Druck in die Brennkammer fördert. Es gibt verschiedene Möglichkeiten das Gas bereit zustellen. Aber vor allem ist die Sequenz wichtig:

Wenn die Turbopumpe zeitgleich mit dem Triebwerk anläuft, dann kann es vorkommen, dass der Brennkammerdruck rasch durch den verbrennenden Treibstoff ansteigt, rascher als sich der Druck durch die Turbopumpe aufbaut. Das kann dann zu Rückkopplungen führen: Der steigende Druck führt zu einem zu niedrigen Treibstofffluss, weil der Eingangsdruck nicht ausreicht viel Treibstoff in die Brennkammer einzuspritzen, das führt zu einem Druckabfall und damit zu einem verstärkten Treibstofffluss, welcher wieder zu ienem Druckanstiegt führt - das Triebwerk "pumpt" und das kann bis zur Explosion gehen.

Um das zu verhindern, muss entweder dies verhindert werden oder der Start der Turbine vorher erfolgen. Fangen wir mit dem letzteren an. Wenn die Turbine schon läuft wenn die Treibstoffventile geöffnet werden, so können sie den Treibstoff schon mit Druck fördern. Es muss ja nicht die volle Leistung vorhanden sein, aber genügend um einen Druck aufzubauen der höher als der bei der Zündung entstehende Druck ist. Ganz einfach war dies bei alten Triebwerken wie dem der A-4 oder den ersten bei der Sojus eingesetzten: Der Gasgenerator arbeitet dort mit katalytisch zersetztem Wasserstoffperoxid. Er war so von dem Treibstofffördersystem getrennt und konnte vorher gestartet werden. Der Gasgenerator lieferte dann das Arbeitsgas für die Turbine.

Eine zweite Methode ist es zumindest für den Start ein eigenes Gassystem vorzusehen. Es haben sich hier mehrere Methoden etabliert: Die pyrotechnische Gaserzeugung durch eine kleine Kartusche mit festem Treibstoff die innerhalb einiger Sekunden abbrennt und so das Startgas liefert. Dies wird bei dem HM-7B, den Triebwerken der Titan II und dem J-2S eingesetzt. Der Nachteil ist das eine Kartusche nur einmal eingesetzt werden kann. Beim J-2S waren so drei Kartuschen vorgesehen um drei Starts zu ermöglichen. Sie müssen dann natürlich so abgeschirmt sein, dass die folgenden nicht den Treibstofffluss behindern und nicht durch die Hitze entzündet werden.

Andere Startsysteme bei LOX/RP-1 Triebwerke sind meist Kerosintanks für den Start: Das LOX Ventil wird zuerst geöffnet, das Kerosin aus dem Drucktank hinzugegeben und der Gasgenerator gestartet. Der Sauerstoff tritt in die Brennkammer ein, kann sich dort ohne Kerosin aber nicht entzünden. Nun erst kommt das Kerosin hinzu und wird entzündet. Ein Triebwerk muss relativ schnell hochlaufen wenn diese Methode eingesetzt wird, weil sonst über Sekunden hinweg flüssiger Sauerstoff durch die Brennkammer fließt und sich eine große Menge ansammeln kann. Das Triebwerk der Blue Streak und das Triebwerk H-1/RS-27 arbeiteten nach diesem Prinzip.

Bei flüssigem Wasserstoff hat sich ein Starttank eingebürgert. Wasserstoff auf dem Druckgastank sorgt für eine genügend hohe Gasmenge um die Turbopumpe auf niedrige Drehzahlen zu bringen. Dies wird beim J-2 eingesetzt, aber auch beim Vinci Triebwerk. Unter bestimmten Umständen kann der Tank auch nachgefüllt werden, indem heißes Wasserstoffgas aus der Kühlung wieder in den Tank eingebracht wird. Das J-2 konnte so den Tank innerhalb von 30 s wieder auffüllen, es waren beliebig viele Zündungen möglich, solange die Brenndauer mindestens 30 s betrug.

Besser ist natürlich ein System ohne die Notwendigkeit zusätzliches Gas zuzusetzen. Das geschieht so beim Bootstrap Cycle. Durch den Tankdruck wird etwas Treibstoff gefördert. Er passiert nun das Gaserzeugungssystem und erzeugt ein Arbeitsgas, dass nun mehr Treibstoff fördert und so steigt der Druck an. Diese Triebwerke sind die am langsamsten startenden. Das Prinzip kann nur eingesetzt werden wenn es nicht einen Nebenkreislauf gibt, wie beim klassischen Gasgeneratorantrieb. Sonst würde viel Treibstoff in die Brennkammer gelangen bevor die Turbopumpe ihren Nominaldruck erreicht hat. So wird es bei Triebwerken, die nach dem Hauptstromverfahren arbeiten eingesetzt wie dem RL-10 oder SSME. Beim RL-10, das nachdem Expander Cycle arbeitet, passiert der ganze Wasserstoff die Brennkammerwand und verdampft und erzeugt so das Arbeitsgas für die Turbine. Da anfangs diese noch kalt ist, ist es aber auch hier üblich dieses System zu unterstützen, z.B. durch einen Druckgastank wie dies beim Vinci geschieht.

Beim SSME wird Wasserstoff mit einem Teil des Sauerstoffs in einem Vorbrenner verbrannt und dieses Gas treibt dann die Turbopumpen an. Bas Gasgeneratoren ist dieser Start unüblich, weil normalerweise nur 1-4% des Treibstoffs abgezweigt wird und diese kleine Treibstoffmenge nicht ausreicht, genügend Arbeitsgas zu fördern, wenn der Tankdruck zu gering ist. (Die Regelung der Treibstoffmenge erfolgt sehr oft recht einfach durch die Dimensionierung der Leitungen: Hat die Hauptleitung zum Triebwerk 10 cm Durchmesser und die zum Gasgenerator 1 cm Durchmesser, so durchfließt diese bei gleichem Druck eben nur 1% des Treibstoffs).


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.

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