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Swing By an Venus und Erde - ein etwas anderes Beispiel

Wenn man an Swing-By oder an Fly-By oder planetarisches Billard denkt, dann fallen den meisten die Voyager Missionen ein. Ein Planet schickt die Raumsonde zum nächsten. So wurde das äußere Sonnensystem erkundet. Doch die meisten Swing-Bys erfolgen heutzutage mit den sonnennahen Planeten. Vor allem Venus und Erde. Ich will zuerst einmal einige Missionen erwähnen, die dies nutzen. Dann die Möglichkeiten und Probleme und dann ein extrem vereinfachtes aber technisch mögliches Beispiel nennen.

Missionen die erdähnliche Planeten für ein Swing-By nutzten

Schon Mariner 10, die erste Raumsonde die Swing-By nutzte um das Ziel gezielt zu erreichen nutzte einen erdähnlichen Planeten: Die Venus. Die Atlas Centaur hätte die Raumsonde nie zum Merkur bringen können. Ein Vorbeiflug an der Venus reduzierte die Startgeschwindigkeit von der Erde aus von 12.600 m/s auf 11.380 m/s. Der Vorbeiflug am Merkur veränderte die Bahn nochmals, sodass die Sonde Merkur nach 176 Tagen erneut erreichen konnte. Die zweite Passage musste so in größerer Entfernung erfolgen, weil sonst die Gravitationskraft erneut die Bahn verändert hätte und die Synchronität mit dem Merkur (176 Tage sind genau zwei Merkurjahre) aufgegeben werden würde.

Datum Ereignis Vorbeiflugdistanz
3.11.1973 Start von der Erde -
5.2.1974 Venus 5790 km
29.3.1974 Merkur 327 km
21.9.1974 Merkur 48.069 km
16.3.1975 Merkur 705 km

Danach wurden Venus und Erde fast zwanzig Jahre lang nicht mehr genutzt, um eine Renaissance in den neunziger Jahren zu erleben. Es bürgerte sich auch eine eigene Abkürzung ein: VEGA. Jedes V steht für einen Venusvorbeiflug, jedes E für einen Erdvorbeiflug und GA für Gravity Assist. So setzte Galileo eine VEEGA Trajektorie ein - zuerst einen Venus Vorbeiflog, dann zwei Erdvorbeiflüge, Cassini dagegen eine VVEGA. Galileo war auch die erste Sonde welche diese Technik einsetzte. Sie war damals die einzige Alternative, die man hatte um die Raumsonde zu Jupiter zu bringen. Ursprünglich sollte eine neu entwickelte Centaur-G Oberstufe die Raumsonde vom Space Shuttle aus starten. Sie hätte Galileo auf einen direkten Kurs zu Jupiter gebracht. Nachdem die Challenger explodierte, erhielt diese Stufe Startverbot und mit den Alternativen die es gab, konnte man Galileo nicht zu Jupiter bringen. Galileo ist ein recht gutes Beispiel wie Gravity Assist funktioniert und wie man so auch Planeten erreichen kann die mit der gewählten Oberstufe eigentlich nicht möglich sind:

Ziel Datum Vorbeiflugdistanz Geschwindigkeitsgewinn
Start 18.10.1989
Venus 9.2.1990 16.103 km 2,2 km/s
Erde 8.12.1990 961 km 3,1 km/s
Erde 8.12.1992 303 km 3,7 km/s

Das die zweite Ankunft genau zwei Jahre nach der ersten ist, war kein Zufall, denn so umrundet die Sonde die Sonne einmal während die Erde zweimal ihre Bahn zieht und sie treffen an genau dem gleichen Punkt wieder aufeinander. Das Grundproblem ist ja, dass die Erde am richtigen Punkt der Bahn ist und Galileos Bahn schneidet die Erdbahn nur an zwei Punkten.

Schon wenige Monate vor Galileo führte Giotto den ersten Erdvorbeiflug durch. Hier hatte man diesen nicht geplant: Giotto war in eine Bahn mit einer Umlaufszeit von 10 Monaten am 2.7.1985 gestartet worden. Nach fünf Jahren hatte die Erde die Sonne fünfmal umkreist und die Sonde diese sechsmal. Genau fünf Jahre nach dem Start erreichte sie wieder die erde, passierte sie in 22.730 km Entfernung und wurde um 3,1 km beschleunigt - auf einen Rendezvouskurs zum Kometen Grigg-Skjerupp. Die neue Bahn mit einer Umlaufszeit von 13,5 Monaten hatte übrigens auch einen gemeinsamen Teiler mit dem Erdjahr - nach acht Umläufen hat die Erde die Sonne neunmal umkreist. So näherte sich Giotto am 1.7.1999 erneut der Erde und passierte sie in 219.000 km Entfernung, war aber zu diesem Zeitpunkt inaktiv.

Ziel Datum Vorbeiflugdistanz neue Bahn
Start 2.7.1985 10 Monate Umlaufszeit
Erde 2.7.1990 22.730 km 13,5 Monate Umlaufszeit
Erde 1.7.1999 219.000 km

Cassini, war die zweite Raumsonde die Venus und Erdvorbeiflüge zur Kursänderung nutzte. Anders als Galileo war sie nur 3,2 Jahre im inneren Sonnensystem unterwegs. dagegen war Galileo mehr als sechs Jahre unterwegs. Das ist nur ein Jahr mehr als die normale Flugzeit zu Jupiter eh beträgt. Die zweimalige Passage der Venus erlaubte eine kürzere Umlaufszeit, synchronisiert mit der Umlaufsperiode der Venus, dazu verschob eine Kurskorrektur noch den Punkt wo die Venus passiert wurde, was dazu führte, dass Cassini nur eine Bahn um die Sonne absolvierte, während es bei Galileo zwei waren.

Himmelskörper Datum Vorbeiflugdistanz / Geschwindigkeit Geschwindigkeitsänderung
Start 15.10.1997 0
Venus 26.4.1998 287 km Höhe, 11.700 m/s 3700 m/s
Kurskorrektur 3.12.1998 452 m/s
Venus 24.6.1999 603 km Höhe, 13.600 m/s 3100 m/s
Erde 18.8.1999 1.180 km Höhe, 19.100 m/s 4100 m/s
Jupiter 30.12.2000 9.72 Millionen km, 11.600 m/s 2100 m/s
Saturn Einschwenken in Orbit 1.7.2004 20.204 km, 8600 m/s 622 m/s

Die Raumsonde NEAR nutzt die Erde um den Planetoiden Eros zu erreichen. Bei ihr war, wie bei den folgenden Raumsonden das Swing-By vor allem genutzt worden um sie mit einer kleineren Trägerrakete zu starten. Die Delta 2 brachte die Raumsonde auf eine Umlaufbahn mit einer Periode von zwei Jahren. Damit erreichte sie genau zwei Jahre nach dem Start erneut die Erde. Eine Passage in 540 km Entfernung senkte hier sogar das Aphel von 2,17 auf 1,77 AE ab, es war aber so gewählt worden um die Sonde möglichst schnell zur Erde zurückzubringen. Wichtiger war, dass die Erdpassage die Bahnneigung von 1,5 auf 10,5 Grad erhöhte. Bei einer Geschwindigkeit der Erde von 30 km in der Bahnebene benötigt man für eine Inklinationsänderung von 10 Grad mehr Energie als für die Ausweitung der Bahn auf die Umlaufbahn von Eros. Das Anheben des Perihels musste NEAR aber selbst durchführen.

Stardust setzte das schon bekannte Prinzip um, das die Erde nach zwei Jahren erneut passiert wird. Aber es gab hier eine Schwierigkeit. Der Komet Wild 2 sollte passiert und Proben der Koma zurück zur erde gebracht werden. Dass waren nun zwei Nebenbedingungen an die Zielbahn. Denn sie musste nun zum einen wieder zur Erde zurückführen (man entschied sich für eine Umlaufbahn mit 2,5 Jahren Umlaufszeit) und Wild 2 an einem bestimmten Punkt passieren, denn der Komet hat eine elliptische umlaufsbahn und nur am nächsten Punkt dieser Bahn konnte ihn die Raumsonde erreichen. Dies war mit einer einfachen Bahn nicht erreichbar. So musste die Raumsonde eine Kurskorrektur durchführen, die den Ankunftstermin vom 7.2.2011 auf den 15.1.2001 verschob, also das Perihel drehte. Dies ist ein recht großer Unterschied zu den klassischen Flybys. Wenn mehrere Planeten passiert werden, so kann ein Vorbeiflug zwar die Geschwindigkeit soweit erhöhen, dass man die gewünschte Bahn erreicht, aber sie kann aus himmelsmechanischen Gründen die Umlaufbahn des Planeten am falschen Ort schneiden. Man muss also die Bahn drehen. Galileo benötigte 321 kg Treibstoff für derartige Manöver, das war fast so viel wie die Sonde brauchte um in eine Umlaufbahn um Jupiter zu gelangen (338 kg) oder 15% der Sondenmasse. Stardust passierte am 14.1.2009 drei Jahre nach dem Absetzen der Landekapsel erneut die Erde und wurde so noch zum Kometen Tempel 2 umgelenkt.

Ziel Datum Vorbeiflugdistanz Bemerkung
Start 7.2.1999 2 Jahre Umlaufszeit
Erde 15.1.2001 6.008 km 2,5 Jahre Umlaufszeit
Annefrank 2.11.2002 3.000 km Asteroidenvorbeiflug
Wild 2 2.1.2004 250 km Sammeln von Proben und Aufnahmen
Erde 15.1.2006 258 kg (Muttersonde), Landung (Kapsel) Bergung der Proben
Erde 14.1.2009 9.200 km Neuer Kurs zu Tempel 2
Tempel 2 24.2.2011 181 km 782 Nahaufnahmen und Staubanalysen erhalten

CONTOUR war die erste Raumsonde bei der die Erde genutzt werden sollte, damit sie zwei Ziele erreicht. Nach einem Start war geplant die Erde nach einem Jahr erneut zu passieren. Der Vorbeiflug in 58.000 km Höhe führt dann zu einer Bahn mit einer höheren Inklination, die es erlaubt den Kometen Encke zu erreichen. Ein weiteres Jahr später passiert sie erneut die Erde in einer größeren Entfernung von 40.170 km. Sie führt zu einer Bahn die zweimal die Erdbahn pro Jahr kreuzt. Es schließen sich zwei Vorbeiflüge am 2.9. an (die bisherigen waren am 15.8). Auch diese finden in größerer Distanz von 218.770 km und 30.000 km statt. Sie verändern nicht die Umlaufdauer, drehen aber die Bahn, da sich der zweite Komet Schwassmann-Wachmann auf der anderen Seite der Sonne befindet. Vorgesehen waren also nicht weniger als vier Erdflybys. Auch hier musste mit Treibstoff dafür gesorgt werden dass man die Erde am richtigen Punkt passiert. Er hätte sogar für einen weiteren Vorbeiflug an dem Kometen D'Arrest ausgereicht. Daher waren auch mehrere Vorbeiflüge in großer Distanz nötig, da ein einziger in naher Distanz die Umlaufperiode von einem Jahr zu stark verändert hätte. Die Sonde verstummte aber als ihr eigener Antrieb gezündet wurde.

Datum Ziel Distanz Bemerkung
3.7.2002 Erde 214 × 106686 km × 29.8 Grad Start in eine Erdumlaufbahn
15.8.2004 Erde 58.000 km Erhöhung der Inklination
12.11.2003 Encke 100 km Erster Kometenbesuch
14.8.2004 Erde 40.180 km Drehung der Bahn
10.2.2005 Erde 218.770 km Drehung der Bahn
10.2.2006 Erde 30.000 km Drehung der Bahn
19.6.2006 Schwassmann-Wachmann 3 200-300 km zweiter Kometenbesuch

Deep Impact zeigte wie Stardust, dass man Missionen die schon ihre Aufgabe erfüllt hat ohne viel Triebstoff zu verbrauchen nochmals nutzen kann. Deep Impact startete zu dem Kometen Tempel 2 und setzte dort einen Impaktor ab, dessen Aufschlag beobachtet wurde. Drei Vorbeiflüge an der Erde brachten die Raumsonde auf einen Kurs zum Kometen Hartley 2, der fünfeinhalb Jahre nach dem Start erreicht wurde.

Datum Ziel Distanz Bemerkung
12.1.2005 Erde   Start
4.7.2005 Tempel 1 500 km erster Kometenbesuch, Impaktor abgesetzt
31.12.2007 Erde 15.586 km  
10.2.2005 Erde 43.350 km  
10.2.2006 Erde 36.900  
19.6.2006 Hartley 2 700 km zweiter Kometenbesuch

Dawn ist dagegen ein Beispiel, dafür dass man mitnimmt was man bekommen kann. Die Raumsonde setzt erstmals Ionentriebwerke ein, um die Bahn fundamental zu verändern. Das geschah schon vorher, aber noch nicht in diesem Maße. 11 km/s werden sie die Raumsonde beschleunigen und später bremsen. Da sind die 1,166 km/s die ein naher Marsvorbeiflug im Februar 2009 einbrachte recht wenig, aber er lag eben gerade auf dem Weg. Mars ist viel kleiner als Erde und Venus und kann daher die Geschwindigkeit nicht so sehr beeinflussen. Eventuell gehören Ionentriebwerken die Zukunft, denn sie können dieselben Geschwindigkeitsänderungen wie 3-4 Fly Bys durchführen, doch ist man nun unabhängig von den Planetenkonstellationen und die Reisezeiten sind auch vergleichbar.

Rosetta war auch nur möglich durch zahlreiche Vorbeiflüge an der Erde um Mars. Ursprünglich sollte die Raumsonde den Kometen Wirtanen erreichen. Als der Start um ein Jahr verschoben wurde, fand man ein neues Ziel. Die folgende Tabelle zeigt, dass die Veränderungen, aber auch, dass durch bordeigenen Treibstoff es Spielräume im Flugplan gibt.

Datum Ereignis Geschwindigkeitsänderung
13.1.2003 Start 11.700 m/s
26.8.2005 Marsvorbeiflug 200 km Entfernung 1.530 m/s
28.11.2005 Erdvorbeiflug in 4500 km Entfernung 3.500 m/s
11.6.2006 Passage des Planetoiden Ottawa in 2200 km Entfernung  
28.7.2007 Erdvorbeiflug in 1.270 km Entfernung 3.700 m/s
Mai 2012 Ankunft bei Wirtanen  

Der neue Flugplan ist nun länger, hat einen Vorbeiflug an der Erde mehr, erlaubte aber auch zwei Asteroiden zu besuchen.

Datum Ereignis Geschwindigkeitsänderung
2.3.2004 Start 11.586 m/s
4.3.2006 Erdvorbeiflug in 1.355 km Entfernung  
27.2.2006 Marsvorbeiflug in 200 km Entfernung 1.300 m/s
13.11.2007 Erdvorbeiflug in 5.301 km Entfernung 3.700 m/s
5.9.2008 Vorbeiflug an Steins in 800 km Entfernung  
11.11.2009 Erdvorbeiflug in 2480 km Höhe gesamt (alle Manöver): 8700 m/s
10.7.2010 Vorbeiflug an Lutetia in 3160 km Entfernung  
Mai 2014 Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko erreicht  

Auch hier sehen wir im Alternativplan einige Gemeinsamkeiten: Zuerst der Start in eine Bahn die die Sonde nach einem Jahr wieder zur Erde zurückführt. Der zweite Erdvorbeiflug führt dann zu einer Zweijahresbahn. Geometrisch war der erste Plan günstiger, da hier der Marsvorbeiflug nach dem Start erfolgte, er erlaubte es eine Erdpassage einzusparen, da er zusammen mit einer etwas größeren Startenergie schon zur Bahn mit fast zwei Jahren Umlaufszeit führte.

Hayabusa nutzte ebenfalls die Erde für ein Swing-By die fast zwei Jahre nach dem Start passiert wurde. Bei der ebenfalls japanischen Raumsonde Nozomi wurde ein Swing-By an der Erde nötig als eine Triebwerkszündung bei einem Mond-Swingby nicht erfolgte.

30 Jahre nach Mariner 10 nutzte auch Messenger die Venus für Swing-Bys. Anders als Mariner 10 führte Messenger aber zuerst ein Jahr nach dem Start einen Erd-Swingby aus. Er erniedrigte das Perihel sodass die Sonde dann zweimal die Venus passierte. Weitere drei Vorbeiflüge an Merkur bremsten die Sonde dann soweit ab, dass sie in eine Umlaufbahn einschwenken konnte. Diese insgesamt sechs Vorbeiflüge an Planeten stellen bis heute den Rekord. Sie ergeben sich zuerst aus dem Geschwindigkeitsunterschied zwischen der Umlaufsbahn von Merkur und der Erdbahn, aber auch dem Tatbestand, dass Merkur ein kleiner Himmelskörper ist. Er kann die Sonde pro Vorbeiflug nur wenig abbremsen. Daher sind drei Vorbeiflüge nötig. Der Preis war eine Reisezeit von fast 7 Jahren und es waren fünf größere Kurskorrekturen nötig,

Datum Ereignis Geschwindigkeitsänderung
3.8.2004 Start 11.586 m/s
3.8.2005 Erdvorbeiflug in 2.347 km Entfernung 5966,3 m/s
24.10.2006 Venusvorbeiflug in 2.990 km Entfernung 5522.5 m/s
6.6.2007 Venusvorbeiflug in 338 km Entfernung 6937,8 m/s
14.1.2008 Merkurvorbeiflug in 200 km Entfernung 2304,0 m/s
6.10.2008 Merkurvorbeiflug in 200 km Entfernung 2452,2 m/s
29.9.2009 Merkurvorbeiflug in 228 km Entfernung 2853,5 m/s
18.3.2011 Einschwenken in den Merkurorbit 859,4 m/s

Deutlich wird wie viel die Fly-Bys gebracht haben. Allerdings wurde mit den fünf Bahnkorrekturen in dieser Zeit weitaus mehr Treibstoff verbraucht als für das einschwenken in den Orbit 1038 m/s Geschwindigkeitsänderung gegenüber 860 m/s zumal ja diese Manöver vor dem Einschwenken in den Orbit stattfanden, also noch den Treibstoff für das Einschwenken mit bewegen mussten.

Ein Plan für mehrfache Vorbeiflüge an Erde und Venus für Bahnen ins äußere Sonnensystem

Wie die obigen Missionen zeigen, sind die Vorbeiflüge durchaus komplex und sie erfordern wenn es mehr als einer oder zwei sind oft Kurskorrekturen, da es sonst zu lange dauern würde bis der Zielplanet an der richtigen Position ist. Trotzdem haben alle Missionen zu kleinen Himmelskörpern (Asteroiden oder Kometen) nach Giotto Swing-Bys durchgeführt. Dasselbe gilt für Missionen ins äußere Sonnensystem. Nur noch Mars- und Venussonden erreichen heut ihr Ziel direkt.

Ich will nun an einem sehr stark vereinfachten Beispiel zeigen wie man eine solche tour planen kann. Dabei sollen nur Missionen ins äußere Sonnensystem (Jupiter - Kuiper Gürtel) untersucht werden,

Missionen ins äußere Sonnensystem sind teuer. Das liegt an vielen Gründen: z.B. dass man auf RTG als Energiequelle angewiesen ist, dass die Missionsdauer zwangsläufig recht lang ist. Aber natürlich auch, dass eine viel größere Trägerrakete benötigt wird: Eine Atlas 551 transportiert z.B.6.500 kg auf den Fluchtkurs, aber New Horizons, die Plutosonde, musste weniger als 500 kg wiegen. Der Grund sind die hohen Geschwindigkeiten, die jenseits Mars recht rasch ansteigen.  Die energieärmste Bahn zum Jupiter erfordert z.B. eine um 8.8 km/s höhere solare Geschwindigkeit. (relativ zur Sonne). Bei Pluto sind es schon 11.9 km/s. Relativ zu einem Erdorbit sieht es etwas besser aus, weil durch den Hyperbolischen Exzess man die Restenergie nach Verlassen der Erde mitnehmen kann. Trotzdem sind relativ zur Fluchtgeschwindigkeit 3.2 km/s zu Jupiter nötig und bei Pluto sind es 5.2 km/s. Für Mars und Venus oder in die Bahnen die die obigen Raumsonden vor einem Swing-By hatten sind es dagegen (relativ zur Fluchtgeschwindigkeit ) nur 0,4 bis 0,7 km/s.

Nun die Vorbeiflüge an Venus und Erde  sind in der Regel nicht einfach zu berechnen, mit einer Ausnahme: Man nähert sich immer dem gleichen Planeten, z.B. der Erde. Ein Erdvorbeiflug liefert je nach Geometrie 3-4 km/s mehr in der Bewegungsrichtung. (Bedingt durch Veränderungen der Inklination oder Anheben des Perihels kann die totale Geschwindigkeitsänderung höher sein, wie auch die Tabelle bei Messenger zeigt). Das bedeutet dass drei Vorbeiflüge an der Erde die Geschwindigkeit zu Jupiter und maximal vier auch zu Pluto liefern. Dasselbe gilt für die Venus. Eine weitere Einschränkung ist, dass der Planet am richtigen Punkt der Bahn ist, wenn die Sonde die Erdbahn erneut passiert.

Wie sind die Bahnen berechenbar? Nun ganz einfach: Es ist nur nötig, dass die Bahn der Raumsonde so zu verändern, dass die neue Bahn einen gemeinsamen Teiler mit der Erdbahn hat. Also 1 Jahr, 1.5 Jahre, 2 Jahre, 2.5 Jahre, 3 Jahr, 4 Jahre etc.

Umlaufszeit Geschwindigkeit relativ zur Erdbahn Bahn
1 Jahr 0 150 Millionen km kreisförmig
1.5 Jahre 3328 m/s 150 x 242 Millionen km
2 Jahre 5081 m/s 150 x 325 Millionen km
2.5 Jahre 6163 m/s 150 x 401 Millionen km
3 Jahre 6930 m/s 150 x 473 Millionen km
4 Jahre 7926 m/s 150 x 604 Millionen km
5 Jahre 8566 m/s 150 x 725 Millionen km

Ale Bahnen haben dasselbe Perihel, aber ein immer höheres Aphel. Die Kunst besteht nun einfach darin die rund 9 km/s zu Jupiter in drei ungefähr gleich große Blöcke aufzuteilen. Nehmen wir ein Beispiel: Wir wollen zum Jupiter (8800 m/s mehr relativ zur Sonne).

In der Summe war die Sonde so 1+ 3+ 5 + 2.25 = 11.25 Jahre unterwegs, anstatt 2.25 Jahre beim direkten Transfer. Das ganze ist natürlich noch optimierbar. Zum Beispiel kann man direkt in die 1.5 Jahresbahn starten. Das kostet nur 520 m/s mehr als die Fluchtgeschwindigkeit beträgt. So wird ein Jahr eingespart. Auch wäre eine 3 Jahresbahn nach der 1.5 Jahres Bahn denkbar. Beides zusammen senkt die Dauer dann auf 8.25 Jahre. Raumsonden nutzen auch ihre Treibstoffvorräte um nicht ganz geradzahligen Bahnen durch Korrekturmanöver noch "hinzubiegen". Sowohl Galileo, wie auch Cassini und Messenger führten solche "Deep Space Manöver" durch. Hier dieselbe Tabelle für die Venus.

Umlaufszeit Geschwindigkeit relativ zur Hohmannbahn zur Venus Bahn
227 Tage (Venus) 0 108,4 Millionen km kreisförmig
1 Jahr 89 Tage (2 Venusjahre) 3263 m/s 108,4 x 236 Millionen km
1 Jahr 316 Tage (3 Venusjahre) 5443 m/s 108,4 x 344 Millionen km
2 Jahre, 178 Tage (4 Venusjahre) 6615 m/s 108,4 x 440 Millionen km
3 Jahre 40 Tage (5 Venusjahre) 7355 m/s 108,4 x 528 Millionen km

Die Geschwindigkeit die man erreichen muss, ist aber auch höher: Sie beträgt bei Jupiter die nötige Geschwindigkeit relativ zur Venus 11.4 km/s anstatt 8.8 km/s wie bei der Erde. Allerdings erreicht die Sonde die Venus ja schon aus der Transferbahn. In der Summe resultiert nahezu die gleiche Geschwindigkeit. Mit reinen Venus Vorbeiflügen könnte daher die Reise so aussehen:

Die Startgeschwindigkeit zur Venus liegt bei rund 11.4 km/s nur wenig höher als für eine Fluchtbahn. So verwundert es nicht, das Galileo und Cassini die Venus sehr oft passierten um Schwung aufzunehmen. Bei den äußeren Planeten (ab Uranus) wird man wohl mehr Schwung aufnehmen, weil sonst die Reisedauer in einer klassischen Hohmann Ellipse zu lange ist. Denkbar wäre auch die Kombination von Ionenantrieben mit Swing-Bys. Das erlaubt zum einen mehr Feinheiten bei der Wahl der Bahnen, da man Ungenauigkeiten ausgleichen kann. Darüber hinaus kann der Antrieb wenn es sich die Sonde bis zur Venus der Sonne nähert effizienter arbeiten.

Man kann auch die Erde mit einbinden. Nach dem ersten Venusvorbeiflug muss man eine Bahn erreichen, die die Erdbahn nach genau einem Jahr nach dem Start schneidet. Dabei ist es von Vorteil eine etwas schnellere Bahn zur Venus zu nehmen. Nimmt man eine Bahn mit einem Perihel von 98 Millionen km , so erreicht die Sonde die Venus nach 105 Tagen. Die neue Umlaufbahn muss nun so beschaffen sein, dass sie nach 260 Tagen (365-104) wieder die Erdbahn kreuzt. Das wäre dann eine Bahn mit einem Aphel von 210 Millionen km. In dieser Bahn hat die Sonde schon 6,8 km/s relativ zur Venus gewonnen, zwei weitere Vorbeiflüge könnten dies erbringen.

Eine offene Frage ist noch: Wie sieht es mit dem Mars aus? Mars ist zum einen in einer guten Position: Er isst von der Erde aus relativ schnell zu erreichen und die benötigte Geschwindigkeit (relativ zur Erdoberfläche) beträgt auch nur 11.5 bis 11.9 km/s je nach Position auf seiner elliptischen Umlaufbahn. Aber er ist auch klein. Typischerweise kann man bei einem Marsvorbeiflug nur etwa 1 km/s an Geschwindigkeit aufnehmen. Das ist ganz gut, wenn er sowieso auf der Flugbahn liegt, aber alleine reicht es nicht aus. Mars wurde von Rosetta und Dawn genutzt. Auch für Galileo war ein Vorbeiflug geplant. Bedingung ist eben die richtige Position. Die liegt auf dem Weg zum Jupiter nur alle 15/17 Jahre vor.

Bisher habe ich mich mit Jupiter beschäftigt. Doch wie sieht es mit den anderen Planeten aus?

Jupiter, Saturn und Uranus sind mit minimal drei Vorbeiflügen an Erde/Venus zu erreichen (Geschwindigkeiten relativ zur Erdbahn: 9,9, 10,2 und 11,3 km(s). Bei Neptun und Pluto benötigt man wahrscheinlich eher vier Vorbeiflüge oder eine sehr günstige Konstellation (11,7 und 11,8 km/s). Bei diesen wird immer Jupiter als Sprungbrett genutzt. Doch Jupiter ist nur während 3, maximal 4 Jahre vor dem Konjunktionszeitpunkt in der Position eine Raumsonde zu beschleunigen. Verpasst man diesen, so muss man lange Umwege nehmen. Pioneer 11 wurde von Jupiter zu Saturn gelenkt, musste dazu aber einen weiten Bogen fliegen, da der Vorbeiflug an Jupiter am 2.12.1974 erfolgte, doch der optimale Umlenkpunkt im Jahr 1979 lag. Als folge brauchte die Sonde vierdreiviertel Jahre zu Saturn, während Voyager 1, welche Jupiter am 9,3,1979 passierte schon nach 19 Monaten bei Saturn war.

Konjunktionsstellungen wiederholen sich mit Saturn alle 20 Jahre und mit Uranus-Pluto alle 12-13 Jahre. Vorbeiflüge an der Erde und Venus würden die Missionsplaner von diesen Jahrzehnte auseinanderliegenden Startfenstern lösen. Vier Vorbeiflüge an Erde und Venus müsste ausreichen um fast die Fluchtgeschwindigkeit aus dem Sonnensystem zu erreichen. Als Folge könnte man die Reisezeit in 5 Milliarden Kilometer Entfernung, also zu Pluto auf 15-18 Jahre senken können, wozu allerdings noch die Zeit kommt bis man diese Geschwindigkeit erreicht.

Die Kombination mit einem Antrieb

Gemäß den Gesetzen der Physik ist der Geschwndigkeitsgewinn im Unendlichen, also nach Passage des Planeten höher wenn man am planetennächsten Punkt ein Triebwerk zündet. Dieses addiert eine konstante Geschwindigkeit zu der maximalen kinetischen Energie, da beim Annähern an den Planeten potentielle Energie in kinetische umgewandelt wird. Da die Energie aber im Quadrat mit der Geschwindigkeit ansteigt, bleibt am Schluss ein Nettogewinn übrig. Sinnvollerweise würde man eine solche Triebwekszündung beim ersten Vorbeiflug durchführen.

Hierzu ein Beispiel. Eine Raumsonde möge sich mit 6 km/s relativ zur Erde bewegen und einen planetennächsten Punkt von 220 km erreichen. In diesem beträgt die Fluchtgeschwindigkeit gerade 11 km/s. Die Endgeschwindigkeit in diesem Punkt wäre dann √(11²+6²) = 12,53 km/s. Würde die Sonde nun einen eigenen Antrieb zünden und um 1 km beschleunigen, so wäre sie 12,53 + 1 km/s = 13,53 km/s schnell. Das entspricht einer kinetischen Energie von 91.53 MJ/kg (Nach E=1/2mv²). Zieht man nun die kinetische Energie die der Fluchtgeschwindigkeit entspricht ab, so hat die Sonde nach verlassen der Erde noch eine Geschwindigkeit von 7,87 km/s. Das bedeutet anstatt um einen Kilometer ist sie um 1,87 km/s schneller geworden.

Der Gewinn ist sehr stark von der Annäherungsgeschwindigkeit abhängig. Nähert man sich mit nur 3,5 km/s, einer typischen Differenz beim ersten Vorbeiflug, so ist er höher und liegt bei 2,53 km/ anstatt 1,87 km/s. Das bedeutet dass man mit einem relativ kleinen Treibstoffvorrat (1000 m/s entsprechen einem Treibstoffanteil von 28% an der Gesamtmasse) man fast einen Vorbeiflug einsparen kann. Bei 1,5 km/s ist man schon bei einem Gewinn von 3,6 km/s also der typischen Geschwindigkeitsänderung nach einem Venus- oder Erdswingby. Es ist zu überlegen, ob der Zeitgewinn eine stärkere Trägerrakete für die schwerere Sonde rechtfertigt. Das kann nur bei einer konkreten Mission erfolgen.

Bisher erfolgte die Zündung eines Triebwerks nahe einem Himmelskörpers um Geschwindigkeit auszunehmen nur einmal durch Japan. Das war bei der Raumsonde Nozomi. Sie gelangte zuerst in eine Erdumlaufbahn die sie zweimal an den Mond heranführen sollte. Der Mond beeinflusst zum einen die Umlaufbahn selbst, zum zweiten sollte aber bei der nächsten Passage in 1000 km Entfernung das bordeigene Triebwerk für 7 Minuten gezündet werden. Dies blieb allerdings aus, weshalb Nozomi den Mars erst nach einem weiteren Erdwingby erreichen konnte und sie fiel auch vor Errreichen des Mars aus.

Der Mond ist für diesen Zweck nicht sehr geeignet. Das wir um zu Venus und Mars zu gelangen nur etwa 500 m/s mehr aufwenden müssen als die Fluchtgeschwindigkeit beträgt anstatt 3-4 km/s liegt daran dass diese Energie zu der Fluchtgeschwindigkeit addiert wird, die etwa 11 km/s beträgt. Eine Sonde die mit 11 km/s startet ist am Mondangekommen aber nur noch einen Kilometer pro Sekunde schnell. Selbst wenn dieser sie dann auf etwa 2,6 km/s beschleunigt bringt die Zündung viel weniger Geschwindigkeitszuwachs als die Zündung in einer niedrigen Erdbahn. Anders sieht es bei Io oder Europa bei Jupiter aus.

Artikel erstellt am 18.9.2012


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.

Bücher vom Autor über Raumsonden

Lang Zeit gab es von mir nur ein Buch über Raumsonden: die beiden Mars-Raumsonden des Jahres 2011, Phobos Grunt und dem Mars Science Laboratory. Während die russische Raumsonde mittlerweile auf dem Grund des Pazifiks ruht, hat für Curiosity die Mission erst bekommen. Das Buch informiert über die Projektgeschichte, den technischen Aufbau der Sonden und ihrer Experimente, die geplante Mission und Zielsetzungen. Die Mission von Curiosity ist bis nach der Landung (Sol 10) dokumentiert. Einsteiger profitieren von Kapiteln, welche die bisherige Marsforschung skizzieren, die Funktionsweise der Instrumente erklären aber auch die Frage erläutern wie wahrscheinlich Leben auf dem Mars ist.

2018 wurde dies durch zwei Lexika, im Stille der schon existierenden Bücher über Trägerraketen ergänzt. Jedes Raumsonden Programm wird auf durchschnittlich sechs bis acht Seiten vorgestellt, ergänzt durch eine Tabelle mit den wichtigsten zeitlichen und technischen Daten und Fotos der Raumsonde, bzw., Fotos die sie aufgenommen hat. Ich habe weil es in einen band nicht rein geht eine Trennung im Jahr 1990 gemacht. Alle Programme vorher gibt es in Band 1. Die folgenden ab 1990 gestarteten dann in Band 2. In Band 2 ist ein Raumsonden Programm meist eine Einzelsonde (Ausnahme MER). In Band 1 dagegen ein Vorhaben das damals zumeist aus Doppelstarts bestand, oft auch mehr wie z.B. neun Ranger oder sieben Surveyor. Beide Bänder sind etwa 400 Seiten stark. In Band 1 gibt es noch eine gemeinsame Einführung für beide Bände über Himmelsmechanik und Technik der Instrumente. Beide Bände haben einen Anhang mit Startlisten, Kosten von Raumsonden und Erfolgsstatistiken. Band 2 hatte Redaktionsschluss im Januar 2018 und enthält die für 2018 geplanten Missionen über die es genügend Daten gab.

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