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Das ATV

ATVDer europäische Raumtransporter ATV (Automated Transfer Vehicle) ist wohl die eierlegende Wollmilchsau unter den Transportern. Im Laufe der zehn Jahre dauernden Planungen wandelte sich die Konzeption von einer umgebauten Ariane 5 Oberstufe zu einem komplexen Gefährt, das automatisch ankoppeln kann und mit Ausnahme von ganzen Racks und Paletten jedes Frachtgut transportieren kann. Mehr über das ATV finden sie in meinem Buch über den Raumtransporter. Ein eigenes Kapitel ist den (leider nicht umsetzten Evolution Szenarien gewidmet. Leder der ersten Auflage meines Buches finden eine Beschreibung der folgenden vier Missionen in diesem Aufsatz.

ATV Daten

Länge (mit/ohne Adapter)

10,77 m / 9,79 m

Durchmesser:

4,484 m

Spannweite:

22,28 m

Leergewicht:

9.784 kg

Eigene Treibstoffvorräte und Helium:

abhängig von Bahnhöhe und Startgewicht zwischen 2.030 und 2.613 kg

Startgewicht ohne Fracht:

12.039 bis 13.083 kg

Davon Druckmodul:

5.150 kg

Davon Service Modul:

5.320 kg

Maximales Startgewicht:

20.750 kg

Frachtkapazität:

7.500 kg (bei einem Startgewicht von 20.750 kg), 9.500 kg strukturelles Limit

Davon im Druckmodul:

Max. 5.500 kg

Davon Wasser:

840 kg

Davon Gase:

100 kg

Davon Treibstoff für Swesda:

860 kg

Davon Reboost Treibstoff:

4.600 kg

Müllzuladung:

6.340 kg

ATVDer über 20 t schwere ATV ist der größte und schwerste Transporter. Er besteht aus einem Servicemodul, das ist der eigentliche Satellit mit dem Antrieb, der Elektronik und den Solarzellen. Dazu kommt ein Frachtmodul, das unter Druck steht und vom Columbus Labor abgeleitet wurde (es ist eine verkürzte Version des Labors). In ihr können in bis zu acht Racks Versorgungsgüter, Ersatzteile und Experimente transportiert werden, welche die Astronauten nach dem Ankoppeln ausräumen. Von den anderen Frachtmodulen wie sie auch Cygnus und HTV einsetzen, unterscheidet sich das ATV durch eine abgetrennte Sektion im hinteren Teil. In ihr befinden sich auf einem Kreisring Tanks für Wasser, Treibstoff und Druckgas. Der Treibstoff kann durch Leitungen im Kopplungsadapter in das russische Swesdamodul umgepumpt werden, das Wasser ebenso, es kann aber auch in Kanister abgefüllt werden. Die Gase (entweder Sauerstoff oder Luft) werden schrittweise in die ISS entlassen. Damit die ISS mit Treibstoff versorgt werden kann, setzt das ATV die russischen Kopplungsadapter ein. Nur sie haben die Leitungen, mit denen ein Transfer möglich ist und nur die russischen Module haben Tanks um den Treibstoff aufzunehmen. Die ATV übernahmen auch das russische Kurs Radar der Progress. Es dient als Backupsystem. Die Annäherung erfolgt durch zwei unterschiedliche optische Systeme die Laserstrahlen zu Reflektoren am Heck von Swesda schicken. Sie bestimmen Entfernung, Geschwindigkeit und gegenseitige Lage der Raumfahrzeuge. Die Fähigkeit, wie die Progress autonom anzukoppeln, gab den Transportern auch ihren Namen.

Bedingt durch die Verwendung von russischen Kopplungsadaptern kann ein ATV keine kompletten Racks, wohl aber größere Einzelteile transportieren, die in eine Progress nicht hineinpassen.

Die ATV koppeln am Heck von Swesda an, da sie im Servicemodul bis zu 4,7 t Treibstoff mitführen, um die Station anzuheben. Dies geht nur, wenn der Schubvektor durch den Schwerpunkt der Station geht und dies ist bei der Ankopplung im US-Segment oder seitlich an einem russischen Modul nicht möglich. Der zweite ATV Johannes Kepler hob die Station nach dem Ablegen des letzten Space Shuttles um 40 km auf ihre Operationshöhe an.

Vorne am Druckbehälter befinden sich noch Triebwerke, die für das An- und Abkoppeln benötigt werden. Im Heck weitere Lageregelungstriebwerke und vier Triebwerke, die als Antrieb dienen. Die vier Solarzellen an der Seite liefern den Strom. Das ATV hat eine Sicherheitsphilosophie, die fast mit einem bemannten Raumfahrzeug zu vergleichen ist. Sehr viele Systeme sind vierfach redundant vorhanden so, die Triebwerke, ihre Leitungen, die Stromversorgung und Bordcomputer. Das ATV kann einen Ausfall einer Komponente ohne Auswirkung auf die Mission verkraften ("fail operational") und bei dem Ausfall zweier Komponenten die Mission sicher abbrechen ("fail save").

Bei der kritischen Ankopplung an die ISS kann das eigens für das ATV eingerichtete Kontrollzentrum in Toulouse diese abbrechen, aber auch die Astronauten an Bord, welche den Transporter durch eine Videokamera am Heck von Swesda aber auch der Cupola aus beobachten. Dafür gibt es eine Steuerungskonsole mit Knöpfen, die den Transporter anhalten, weiterfliegen lassen, zum letzten Referenzpunkt oder zu einer sicheren Position zurückschicken. Diese aktivieren die Steuerung des ATV. Daneben gibt es einen Abort-Knopf, der direkt die Triebwerke an der Front aktiviert und so den Transporter auf Distanz bringt. Dies war jedoch niemals nötig: Im Gegenteil die beiden letzten Transporter koppelten mit einer Abweichung von weniger als 2 cm an.

Der erste ATV hatte weniger Fracht an Bord, da man an zwei Demonstrationstagen zuerst das Annähern an die ISS und dann das Ankoppeln bis wenige Meter vor der Station erprobte. Danach zog sich Jules Verne auf die Startposition 3,5 km hinter die Station zurück. Erst dann fand die Ankopplung statt. Diese Manöver verbrauchten zusätzlichen Treibstoff. Das zweite ATV Johannes Kepler hatte die primäre Aufgabe die Station anzuheben. Zusätzliche Höhe verschaffte ihr auch der dritte Transporter, Edoardo Amaldi genannt. Die beiden folgenden (Albert Einstein und George Lemaître) sollten vor allem Fracht im Druckmodul wie wichtige Ersatzteile oder neue Experimente für das Columbuslabor transportieren. Dafür suchte man nach weiteren Befestigungsmöglichkeiten im Druckbehälter am Heck und nahe des Kopplungsadapters. Ab dem dritten Transporter konnte man auch noch Fracht bis kurz vor dem Start zuladen ("Late Cargo access") indem sich ein Arbeiter mit einem Kran in den schon auf der Trägerrakete montierten ATV herabließ.

Diese Fähigkeiten haben ihren Preis: Mit 1350 Millionen Euro Entwicklungskosten (darin eingeschlossen die erste Mission von Jules Verne) und Missionskosten von 350 bis 450 Millionen Euro sind die ATV die teuersten Versorger der ISS. ATV Antriebsmodul

Trotzdem hat sich die ESA entschlossen, als man die Verlängerung des Betriebs von 2016 bis 2020 beschloss, keine weiteren ATV zu bauen. Vier ATV waren für den Betrieb bis 2016 vorgesehen. Der fünfte war ursprünglich als Kompensation für den Aufenthalt eines weiteren europäischen Astronauten gedacht. Nun deckt er den Betrieb der ISS für 2016/17 ab. Als Kompensation für den Betrieb von 2018 bis 2020 entwickelt die ESA aus dem Servicemodul des ATV ein Servicemodul für die Orion, das bei den ersten beiden Flügen einer kompletten Orion eingesetzt wird. Davon hat die NASA inzwischen auf eigene Rechnung weitere bestellt.

Es zeigt sich hier seien Einstellung, die schon die ATV-Entwicklung prägte. Vor allem Frankreich drängte damals auf den heutigen, komplexen Transporter, weil er einen Technologiegewinn für die eigene Industrie versprach (entsprechend fand die Entwicklung vorwiegend in Frankreich statt, während Deutschland dann bei der Produktion führend war) und nun war der einfache Nachbau uninteressant und Frankreich drängte auf die neue Lösung.

Trotzdem waren die fünf ATV, die ab 2011 im Jahresabstand starteten, unentbehrlich für die ISS. Sie fingen weitgehend den Wegfall der Space Shuttles auf. Durch ihre hohe Frachtkapazität und die kurze Startfolge (vertragsgemäß wäre nur ein Start alle zwei Jahre nötig gewesen) kompensierten sie die wegfallende Fracht und die Verzögerungen bei den neuen US-Transporter die drei Jahre hinter dem Zeitplan lagen. Nur sie waren fähig die Station auf ihre heutige Bahnhöhe anzuheben. 25 Manöver der ersten drei ATV (Jules Verne, Johannes Kepler, Eduoardo Amaldi) hoben mit 25 Bahnmanövern die Station um 110 km an und verbrauchten dafür 8.400 kg Treibstoff plus 1.926 kg um die Ausrichtung der Station vor und nach der Zündung zu verändern bzw. bei dem betrieb der Triebwerke über Stunden aufrechtzuerhalten.

Weiterhin führten sie während der zweieinhalb Jahren, in denen sie an der Station angekoppelt waren, auch einige Kollisionsvermeidungsmanöver durch, die nötig waren, um Weltraummüll auszuweichen.

Zusammenfassung der Fracht aller ATV
Angaben vor dem Start und bei ATV-05 Mission getrennt durch "/"


George
Lemaître

Albert
Einstein

Edoardo
Amaldi

Johannes
Kepler

Jules Verne

Startdatum:

29.7.2014

5.6.2013

23.3.2012

16.2.2011

9.3.2008

Treibstoff für die Mission:

2.238 kg

2.235 kg

2.261 kg

2.030 kg

3.598 kg

Reboost Treibstoff:

2.118 kg

2.580 kg

3.354 kg

4.754 kg

2.375 kg

Wasser:

855 kg

570 kg

285 kg

0 kg

285 kg

Gase:

100 kg

100 kg

100 kg

100 kg

22 kg

Refülltreibstoff:

860 kg

860 kg

860 kg

851 kg

860 kg

Gesamt: Flüssigkeiten und Gase:

3,933 kg

4.105 kg

4.591 kg

6.705 kg

3.540 kg

Normale Frachtzuladung:

2,695 kg

1.380 kg

1.665 kg

1.170 kg

1.150 kg

+ Late Cargo access:

0 kg

1.109 kg

592 kg

435 kg

0 kg

Gesamt trockene Fracht:

2.695 kg

2.489 kg

2.200 kg

1.605 kg

1.150 kg

Gesamtnutzlast:

6,555 kg

6.590 kg

6.595 kg

7.100 kg

4.575 kg

Abtransportierter Müll:

2.500 kg

2.400 kg

1.339 kg

1.200 kg

1.090 kg

Tage im All

201

151

196

126

205

Bahnanhebungen:

5

6

9

5

6

Startmasse ATV

19.896 kg

19.877 kg

19.726 kg

19.712 kg

19.011 kg

Trockenmasse ATV

9.857 kg

9.804 kg

9.778 kg

9.784 kg

10.470 kg

Startmasse ohne Fracht

12.039 kg

12.039 kg

12.093 kg

12.500 kg

13.382 kg

Artikel verfasst am 5.3.2015

Bücher vom Autor

Es gibt von mir vier Bücher zum Thema bemannte Raumfahrt. Alle Bücher beschäftigen vor allem mit der Technik, die Missionen kommen nicht zu kurz, stehen aber nicht wie bei anderen Büchern über bemannte Raumfahrt im Vordergrund.

Das erste bemannte Raumfahrtprogramm der USA, das Mercuryprogramm begann schon vor Gründung der NASA und jährt sich 2018 zum 60-sten Mal. Das war für mich der Anlass, ein umfangreiches (368 Seiten) langes Buch zu schreiben, das alle Aspekte dieses Programms abdeckt. Der Bogen ist daher breit gestreut. Es beginnt mit der Geschichte der bemannten Raumfahrt in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg. Es kommt dann eine ausführliche technische Beschreibung des Raumschiffs (vor 1962: Kapsel). Dem schließt sich ein analoges Kapitel über die Technik der eingesetzten Träger Redstone, Little Joe und Atlas an. Ein Blick auf Wostok und ein Vergleich Mercury bildet das dritte Kapitel. Der menschliche Faktor - die Astronautenauswahl, das Training aber auch das Schicksal nach den Mercurymissionen bildet das fünfte Kapitel. Das sechs befasst sich mit der Infrastruktur wie Mercurykontrollzentrum, Tracking-Netzwerk und Trainern. Das umfangreichste Kapitel, das fast ein Drittel des Buchs ausmacht sind natürlich die Missionsbeschreibungen. Abgeschlossen wird das Buch durch eine Nachbetrachtung und einen Vergleich mit dem laufenden CCDev Programm. Dazu kommt wie in jedem meiner Bücher ein Abkürzungsverzeichnis, Literaturverzeichnis und empfehlenswerte Literatur. Mit 368 Seiten, rund 50 Tabellen und 120 Abbildungen ist es das bisher umfangreichste Buch von mir über bemannte Raumfahrt.

Mein erstes Buch, Das Gemini Programm: Technik und Geschichte gibt es mittlerweile in der dritten, erweiterten Auflage. "erweitert" bezieht sich auf die erste Auflage die nur 68 Seiten stark war. Trotzdem ist mit 144 Seiten die dritte Auflage immer noch kompakt. Sie enthält trotzdem das wichtigste über das Programm, eine Kurzbeschreibung aller Missionen und einen Ausblick auf die Pläne mit Gemini Raumschiffen den Mond zu umrunden und für eine militärische Nutzung im Rahmen des "Blue Gemini" und MOL Programms. Es ist für alle zu empfehlen die sich kurz und kompakt über dieses heute weitgehend verdrängte Programm informieren wollen.

Mein zweites Buch, Das ATV und die Versorgung der ISS: Die Versorgungssysteme der Raumstation , das ebenfalls in einer aktualisierten und erweiterten Auflage erschienen ist, beschäftigt sich mit einem sehr speziellen Thema: Der Versorgung des Raumstation, besonders mit dem europäischen Beitrag dem ATV. Dieser Transporter ist nicht nur das größte jemals in Europa gebaute Raumschiff (und der leistungsfähigste Versorger der ISS), es ist auch ein technisch anspruchsvolles und das vielseitigste Transportfahrzeug. Darüber hinaus werden die anderen Versorgungsschiffe (Space Shuttle/MPLM, Sojus, Progress, HTV, Cygnus und Dragon besprochen. Die erfolgreiche Mission des ersten ATV Jules Verne wird nochmals lebendig und ein Ausblick auf die folgenden wird gegeben. Den Abschluss bildet ein Kapitel über Ausbaupläne und Möglichkeiten des Raumfrachters bis hin zu einem eigenständigen Zugang zum Weltraum. Die dritte und finale Auflage enthält nun die Details aller Flüge der fünf gestarteten ATV.

Das Buch Die ISS: Geschichte und Technik der Internationalen Raumstation ist eine kompakte Einführung in die ISS. Es wird sowohl die Geschichte der Raumstation wie auch die einzelnen Module besprochen. Wie der Titel verrät liegt das Hauptaugenmerk auf der Technik. Die Funktion jedes Moduls wird erläutert. Zahlreiche Tabellen nehmen die technischen Daten auf. Besonderes Augenmerk liegt auf den Problemen bei den Aufbau der ISS. Den ausufernden Kosten, den Folgen der Columbia Katastrophe und der Einstellungsbeschluss unter der Präsidentschaft von George W. Bush. Angerissen werden die vorhandenen und geplanten Transportsysteme und die Forschung an Bord der Station.

Durch die Beschränkung auf den Technischen und geschichtlichen Aspekt ist ein Buch entstanden, das kompakt und trotzdem kompetent über die ISS informiert und einen preiswerten Einstieg in die Materie. Zusammen mit dem Buch über das ATV gewinnt der Leser einen guten Überblick über die heutige Situation der ISS vor allem im Hinblick auf die noch offene Versorgungsproblematik.

Die zweite Auflage ist rund 80 Seiten dicker als die erste und enthält eine kurze Geschichte der Raumstationen, die wesentlichen Ereignisse von 2010 bis 2015, eine eingehendere Diskussion über die Forschung und Sinn und Zweck der Raumstation sowie ein ausführliches Kapitel über die Versorgungsraumschiffe zusätzlich.

Das bisher letzte Buch Skylab: Amerikas einzige Raumstation ist mein bisher umfangreichstes im Themenbereich bemannte Raumfahrt. Die Raumstation wurde als einziges vieler ambitioniertes Apollonachfolgeprojekte umgesetzt. Beschrieben wird im Detail ihre Projektgeschichte, den Aufbau der Module und die durchgeführten Experimente. Die Missionen und die Dramatik der Rettung werden nochmals lebendig, genauso wie die Bemühungen die Raumstation Ende der siebziger Jahre vor dem Verglühen zu bewahren und die Bestrebungen sie nicht über Land niedergehen zu lasen. Abgerundet wird das Buch mit den Plänen für das zweite Flugexemplar Skylab B und ein Vergleich mit der Architektur der ISS. Es ist mein umfangreichstes Buch zum Thema bemannte Raumfahrt. Im Mai 2016 erschien es nach Auslaufen des Erstvertrages neu, der Inhalt ist derselbe (es gab seitdem keine neuen Erkenntnisse über die Station), aber es ist durch gesunkene Druckkosten 5 Euro billiger.

Mehr über diese und andere Bücher von mir zum Thema Raumfahrt finden sie auf der Website Raumfahrtbücher.de. Dort werden sie auch über Neuerscheinungen informiert. Die Bücher kann man auch direkt beim Verlag bestellen. Der Versand ist kostenlos und wenn sie dies tun erhält der Autor auch noch eine etwas höhere Marge. Sie erhalten dort auch die jeweils aktuelle Version, Bei Amazon und Co tummeln sich auch die Vorauflagen.


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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