Vor einigen Jahren stieß ich durch Zufall auf das Thema Cannabis. Ich habe dazu auch schon einige Aufsätze veröffentlicht. Ich persönlich habe entdeckt, das Cannabis sehr gut gegen Winterdepression hilft. Ziel dieses Artikels ist es nicht die Frage zu klären ob Cannabis in Deutschland vollständig legalisiert werden sollte, wobei "vollständig" ja auch wieder zu definieren wäre - wo Cannabis legal ist, gibt es die unterschiedlichsten Modelle: nur Verkauf kleiner Mengen ist legal, vom einem staatlich überwachten Anbau bis zur kompletten Freigabe (auch Eigenanbau erlaubt). Sondern es geht um die Problematik wie sich diese verschiedenen Vorschriften mit sich bringen - vor allem für staatliche Überwachungsbehörden, aber auch die Verbraucher.
Hinter dem schönen Wort Cannabis verbirgt sich eine uralte Nutzpflanze: Hanf. Er wurde früher zur Herstellung hoch beanspruchbarer grober Stoffe wie für Säcke oder für Seile genutzt (Faserhanf). Aus den Samen wurde Hanföl gewonnen. Das ist reich an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen und essenziellen Fettsäuren. Heute wird Nutzhanf immer noch dafür angebaut, wobei der Landwirt bei uns eine Ausnahmegenehmigung braucht. Zu den Einsatzgebieten sind mittlerweile auch Hanfextrakte und die Verwendung der Fasern als Dämmmaterial gekommen. Der sogenannte Nutzhanf ist eine Züchtung, die weitestgehend THC-arm ist (Gehalt unter 0,3 %). Samen und Fasern enthalten aber auch beim "Drogenhanf" kaum THC. THC (Tetrahydrocannabinol) ist der psychoaktive Stoff von Hanf, also die Substanz den "Rausch" verursacht - in Anführungszeichen, weil sich das Wort von "Rauschgift" ableitet, aber nichts mit einem Alkoholrausch zu tun hat. Für Drogenhanf wurde der THC-Gehalt der Züchtungen laufend erhöht., analog wurde er bei Nutzhanf abgesenkt. Spitzensorten haben heute 20 % THC in den getrockneten Blüten. Der Gehalt an anderen Cannaboiden ist dagegen gleich geblieben. Ein seit einigen Jahren neben THC populärer Inhaltsstoff ist CBD (Cannabidiol). Er ist nicht psychoaktiv, hat aber auch medizinische Wirkungen. Die Nachfrage nach CBD hat inzwischen dazu geführt, das es CBD-reiche Sorten gibt. Allerdings enthalten die auch THC, dass dann für CBD Produkte, abgetrennt werden muss.
Für die Gesetzgebung ist es schon schwierig, den illegalen Hanfanbau zu verhindern. Denn als heimsuche Nutzpflanze könnte jeder Hanf in seinem Garten problemlos anbauen. In der Praxis macht das keiner, denn die Pflanze hat ein charakteristisches Aussehen mit den gefiederten Blättern und die weiblichen Pflanzen (nur aus den weiblichen Blüten wird Marihuana und Haschisch gewonnen) riechen zur Blütezeit sehr streng. Da ist das Risiko eine Anzeige durch die Nachbarn zu bekommen doch sehr groß. Aber in Growboxen unter Kunstlicht wird Hanf überall in der BRD kultiviert. Der hohe Stromverbrauch für das Kunstlicht macht aber auch Marihuana und Haschisch teuer. Marihuana sind die getrockneten weiblichen Blüten. Haschisch ist dagegen das mit einem Lösungsmittel (traditionell: Butter) aus den Blüten und Blättern extrahierte Harz, das ebenfalls reich an Cannaboiden ist. Da nur die weiblichen Blüten THC und andere Cannaboide in größerer Menge produzieren und bestäubte Blüten Samen produzieren, anstatt Cannaboide werden oft feminisierte Samen angeboten, das sind Samen von besonders behandelten Pflanzen, die garantiert weibliche Nachkommen haben.
Bei uns ist es legal nahezu alle Produkte die vom Nutzhanf stammen zu verkaufen. Es gibt die Samen zu kaufen, sie sind auch Bestandteil von Vogelfutter, es gibt Hanföl, es gibt auch Taschen und Hosen aus Hanffasern und es gibt Hanfextrakte - bei letzten stellte die Lebensmittelüberwachung allerdings fest das diese durch die Konzentration mitunter so viel THC enthalten, das sie nicht mehr verkehrsfähig sind - das zeigt schon die Problematik der Abgrenzung Legal und illegal. Illegal ist dagegen der Anbau von Hanf - auch Nutzhanf, ohne Genehmigung und dann droht gleich die große juristische Keule, denn das ist ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und damit automatisch strafbewehrt. Verboten ist nur nicht der Konsum von Nichtnutzhanf, eine Regelung, die gemacht werden musste, weil sonst das Betäubungsmittelgesetz gegen das Grundgesetz verstößt - Schutz der eigenen Persönlichkeit beinhaltet auch das Recht etwas Ungesundes zu tun. In der Praxis kann man aber Cannabis nicht konsumieren, ohne es zu kaufen (Handel) oder anzubauen. Nur damit die Staatsanwaltschaften nicht zu viel zu tun haben, gibt es noch den Passus einer "Geringen Menge", ab der von einer Verfolgung abgesehen wird.
Deutschland gehört zu den Staaten mit einer strengen Gesetzgebung. Marihuana ist zwar in den meisten Staaten der Welt verboten. Aber es gibt zwei Fraktionen. Bei den einen Staaten sind die Verstöße Ordnungswidrigkeiten, wofür es in der Regel zumindest bei Erstverstoß nur Geldstrafen gibt. Bei uns ist es dagegen ein Verbrechen, sodass es immer auf eine Gefängnisstrafe herausläuft. Das komplette Anbauverbot von Hanf, ohne Ausnahmegenehmigung führte sogar zu solche skurillen Tatsachen, das jemand der Vogelfutter ausgesät hatte und bei dem dann Nutzhanfpflanzen wuchsen ein Verfahren an den Hals bekam. Sollte bei Ihnen daher Hanf aus Vogelfutter unterm Vogelhäschen auskeimen, so sollten sie die Pflanzen entfernen, denn Marihuana bringen sie sowieso nicht hervor, sie machen sich aber eines Verbrechens schuldig.
Soviel zur Situation bei uns. Nur ist das nur bei uns so und so ist diese Gesetzgebung zum Teil ein Papiertiger. Auf das Erste was ich stieß, war, dass es in den Niederlanden nicht nur Coffeeshops gibt, in denen Erwachsene legal Cannabis kaufen und konsumieren können, sondern in den Niederlanden auch "Samenbanken" THC-reichen Hanf verkaufen - als Samen und zu hohen Preisen (5 Samen kosten zwischen 25 und 100 Euro, ein Pfundpäckchen normaler Hanf dagegen 5 Euro und Hanf für Vogelfutter ist sogar noch billiger). Sie tun dies Europaweit, sie halten sich ja an niederländische Gesetze. Das heißt, man kann dort Samen bestellen, Cannabis selbst anbauen und ernten. Einfacher geht es nicht, und dazu braucht man nicht mal das Darknet. Das Risiko, das ein normaler Brief mit einigen Samen abgefangen wird, dürfte nahezu gleich Null sein.
Inzwischen wurden die Niederlande als Quelle für bei uns illegale Hanfprodukte ergänzt durch Österreich. In Österreich ist der Besitz von nicht-blühendem Hanf legal. Das nutzen nun österreichische Händler, indem sie nicht nur Samen verkaufen, sondern auch Stecklinge, also kleine Pflanzen. Die blühen ja noch nicht. Das macht es noch einfacher Cannabis anzubauen, und man hat nicht das Risiko, das die Samen nicht keimen.
Das Buzzwort bei Cannabis in den letzten Jahren ist CBD. CBD (Cannabidiol) ist ebenfalls ein Cannaboid. Es verursacht keinen Rausch, hat aber wie alle Cannaboide eine medizinische Wirkung. Die entsteht dadurch das Cannaboide chemisch Botenstoffen im Nervensystem (Endocannabinoid) ähneln. Glaubt man den Verkäufern von entsprechenden Mitteln, dann hilft CBD gegen nahezu alles. In Wirklichkeit ist die Sachlage noch unklar. Das hängt damit zusammen, dass es bis vor wenigen Jahren in den Ländern, in denen die meiste medizinische Forschung durchgeführt wird, Cannabis verboten war. So konnte man auch die Wirkung nicht in Studien erforschen und die meisten Erkenntnisse beruhen auf Beobachtungen, die man machte, das ist aber keine solide Faktenbasis. Es gibt aber eine Reihe von Zulassungen als Arzneimittel so gegen Anfälle durch das Lennox-Gastaut Syndrom oder Dravet Syndrom. Für die meisten anderen postulierten Wirkungen von CBD fehlen noch fundierte Nachweise. Es gibt aber genügend Hinweise. Das BVL bescheinigt CBD anxiolytische, antipsychotische, antiemetische, neuroprotektive, antikonvulsive, sedative und antiinflammatorische Eigenschaften. Das gilt auch für THC, für das ein breites Spektrum an Wirkungen postuliert wird.
Da CBD nicht psychoaktiv ist, fällt vielen Staaten die Zulassung von CBD leichter als die von THC. So sind CBD-Präparate in Österreich zugelassen, wenn sie weitestgehend THC-frei sind. Sie dürfen nur nicht als Lebensmittel oder Arzneimittel angeboten werden und so bewerben Hersteller sie eben als Aromen und halten sich mit konkreten Versprechen der Wirkung zurück. Deutsche Firmen dürfen das nicht. Bei uns sind CBD.-Präparate in jeder Form verboten, das bundeseigene BLV sieht als Ehestes noch die Möglichkeit einer Zulassung als verschreibungspflichtiges Medikament. Schließlich gibt es eine US-Zulassung für CBD als Medikament, die man ja anerkennen muss. Anders als die offizielle Einstufung des BLV, die CBD aufgrund der nachgewiesenen Wirkung als Medikament einstuft, greift der Rechtsstaat nicht ein, wenn CBD in Form von Salben oder Ölen verkauft wird, wenn es sich um Blüten handelt, dann aber schon. Die meisten deutschen Händler gehen kein Risiko ein und verkaufen nur Hanföl und verweisen auf den CBD-Gehalt - bedingt dadurch das man bein der Samengewinnung immer auch die Blüten miterwischt enthalten Hanföle aus den Samen immer auch kleine Mengen an Cannaboide. Nur ist das eben kein CBD-Auszug aus weiblichen Blüten, sondern Öl aus Samen mit sehr geringen Wirkstoffgehalten. Eine Zusicherung eines definierten CBD-Gehaltes wie bei österlichen Anbieter, können deutsche Händler in der Regel nicht machen.
Kompliziert? Es geht noch komplizierter. Bisher schrieb ich von Samen, Stecklingen oder CBD-Präparaten. Alles THC-frei genauso wie Hanfsamen im Vogelfutter. Doch die Leute wollen ja meist THC-haltiges Marihuana. Dessen Legalität ist in verschiedensten Staaten unterschiedlich geregelt. Es geht los, damit ob der Konsum illegal ist oder nicht. In Frankreich gibt es die strengste Gesetzgebung. Dort ist auch der Konsum von Cannabis unter Strafe. Bei uns ist er wenigstens straffrei. Das ist auch in den meisten anderen europäischen Staaten so. In Italien wird der Handel meist geduldet. In Spanien ist der Konsum illegal, aber nicht strafbar - andere Staaten sehen das eben als eine Ordnungswidrigkeit, für die es eine Geldbuße gibt und nicht gleich Haft.
In den USA ist der Konsum und auch der Verkauf in einigen Bundesstaaten, so Kalifornien und Colorado legal. Jeder Erwachsene darf eine bestimmte Menge an Marihuana kaufen und es gibt Shops dafür die dann auch gerne von Amerikanern anderer Bundesstaaten besucht werden. Der Anbau ist jedoch staatlich reglementiert. Jede Pflanze bekommt einen Barcode und ihr Leben vom Keimen bis zur Ernte wird lückenlos dokumentiert. Der Anbau ist so nur unter Kunstlicht in bewachten verschlossenen Hallen möglich. In den Niederlanden verkaufen Coffeeshops das Grass an jeden Volljährigen. Hier wird die maximale Menge die in einem Shop vorhanden ist, reglementiert. Es dürfen maximal 500 g sein. Woher das Gras aber stammt - und das kann durchaus aus einem illegalen Anbau in Deutschland sein, wird nicht überwacht. Die Regelung bringt allerdings die Coffeeshop Betreiber in eine prekäre Lage, denn auf Vorrat einkaufen können sie so nicht. Am weitesten ist Portugal in Europa. Dort wurde der Besitz aller Drogen (nicht nur Marihuana) erlaubt. Maximal 10 Tagesdosen von jeweils 2,5 Gramm dürfen mitgeführt werden. Ist es mehr, so ist es eine Ordnungswidrigkeit mit einer Geldstrafe. Besonders skurril ist es in Belgien. Dort gibt es zum einen Einschränkungen durch regionale Regelungen, es gibt aber auch die offensichtlich widersprüchliche Aussage, dass man 3 g Marihuana straffrei konsumieren kann und eine Pflanze selbst aufziehen kann - ansonsten ist Handel und Anbau von THC-reichem Hanf aber verboten. Okay, was macht man, aber wenn die eine erlaubte Pflanze einen Ertrag von mehr als 5 g hat, was eigentlich der Normalfall ist?
In Kanada ist seit Oktober 2018 auch der Zugang zu Cannabis vereinfacht worden. Es gibt auch hier regionale Regelungen, so erlauben einige Regionen den Besitz von bis zu vier Pflanzen, andere nicht. Der gesamte Handel ist aber freigegeben. Der Staat kontrolliert nicht wie in den USA den Anbau, sondern vergibt Lizenzen, was dazu führte das inzwischen einige der Firmen die Cannabis anbieten, börsennotiert sind.
Wie sieht die Haltung in Deutschland aus. Ich habe mir die Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien zur Bundeswahl 2017 angesehen. Hier das Ergebnis:
AFD: Keine Freigabe von Cannabis
CDU: Keine Aussage, verhinderte aber eine Initiative der Grünen sowohl 2017 wie 2020.
FDP: Kontrollierte Freigabe - Verkauf durch kontrollierte Geschäfte. Besitz und Konsum für Volljährige erlaubt
Grüne: eigenes "Cannabiscontrolgesetz" - nicht staatlicher Verkauf, Besitz von drei Pflanzen erlaubt
Linke: Freigabe, nicht kommerzieller und privater Anbau möglich
SPD: Keine Aussage, stimmten aber 2020 gegen einen Entwurf der Grünen, waren 2015 prinzipiell für die kontrollierte Freigabe, wollten die CDU aber nicht brüskieren.
Immerhin bewegt sich etwas. Da die medizinischen Wirkungen von THC und CBD nicht bestritten werden und einige Kranke, die ohne Marihuana stark ans spastischen Krämpfen litten, vor Gericht durchsetzten, dass sie Cannabis als Medikament verschrieben bekommen, gibt es nun erste Genehmigungen für den Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke. Im April 2020 hatte in Schleswig Holstein die erste Firma begonnen, auf 6.000 m² Cannabis anzubauen. Sie wollen bis zu 800 kg im Jahr bei sechs Ernten ernten.
Wenn man davon ausgeht, dass die SPD wie sie es in ihren Stellungnahmen zum grünen "Cannabiskontrolgesetz" abgab ebenfalls für eine Freigabe von Cannabis ist, nur eben in der Koalition mit dem Partner nicht gegen die CDU/CSU stimmen will, dann gibt es eine Mehrheit für die Legalisierung von Cannabis im Bundestag. Leider ist davon auszugehen, dass auch 2021 die CDU wieder regieren wird. Man kann nur hoffen, das die Grünen, die zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels der einzige Partner wären, mit denen eine Zwei-Parteien Koalition möglich wäre genügend Einfluss haben, um die Legalisierung durchzusetzen. Auf die CDU braucht man nicht hoffen. Als in einer Reportage eine Reporterin Gesundheitsminister Spahn nach einer Stellungnahme zur Entkriminalisierung von Marihuana fragte, meinte der, dass man erst Erfahrungen in anderen Ländern gewinnen müsste, um sich eine Meinung zu bilden - die Reportage zeigte dann die Situation in Portugal, wo seit 2001 dies der Fall ist. Man sollte meinen, bei über 10 Millionen Einwohnern und fast 20 Jahren der Freigabe, gäbe es genügend Erfahrungen ….
Über die Cannabislegalisierung: Teil 1 und Teil 2
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Artikel verfasst am 5.12.2014, zuletzt geändert am 14.11.2018
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