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Die Deep Space 2 Mikrosonden

Einleitung

Aufbau der Sonde ohne AeroshellMit dem Mars Polar Lander (MPL) wurden auch zwei technologische Sonden mitgeführt, die Deep Space 2 Miniatursonden. Es handelt sich dabei um Penetratoren. Ein Penetrator wird auch auf der Erde zivil und militärisch benutzt. Es ist ein aerodynamischer Körper der ohne Fallschirm abgeworfen wird. Durch seine hohe Geschwindigkeit bohrt er sich in den Boden, dabei wird ein Oberflächenteil mit einer Funkantenne abgetrennt, während ein spitzer Teil sich in den Boden bohrt. Umgebendes Material strömt nach und so sind Oberflächenteil und Bodenteil nur über eine Nabelschnur verbunden. Durch die pfeilförmige Form des Penetrator kann er tief eindringen. Man nutzt dies z.B. zur Untersuchung von Packeis oder zum Abhören von unterirdischen Bunkern.

Schon vor den Deep Space 2 Sonden (DS-2) hatte Russlands Mars 96 Mission zwei Penetratoren an Bord. Diese Sonde scheiterte jedoch schon beim Start. Für den Mars war es daher der erste Einsatz. Die Deep Space 2 Sonden haben nichts mit der Kometensonde Deep Space 1 zu tun. Sie gehören nur zum selben Programm.

Ein öffentlicher Aufruf den beiden Sonden einen Namen zu geben führte zu 17000 Einsendungen aus denen man die Namen "Scott" und "Amundsen" ausgewählt hat in Erinnerung an die beiden Forscher die den Südpol als erste ereichen wollten. (Scott wurde zweiter und kam auf der Rückreise um).

Die Deep Space 2 Sonden

Nach dem Discovery Programm der NASA gut lief, ging es nun eine Stufe weiter, das New Millennium Programm, es sollte Raumsonden noch kleiner, noch preiswerter machen. Die Deep Space 2 Sonden waren die ersten des Programms. Es handelt sich um zwei identische Sonden. Die Entwicklungskosten betrugen 27.6 Millionen Dollar, zuzüglich 1.6 Millionen für die Missionsdurchführung.

Die Sonden sind leichtgewichtig: Sie wiegen nur je 3572 g. Sie bestehen aus zwei Teilen: Dem Oberflächenteil und dem Eindringteil. Umgeben werden beide von dem Hitzeschutzschild, der Aeroshell. Beim Aufprall wird das Oberflächenteil abgerissen und das Landeteil dringt verbunden durch eine Schnur mit Daten und Stromleitungen in den Boden ein. Als Datenrelay war der Satellit Mars Global Surveyor (MGS) vorgesehen.

Die Sonden werden nur durch einen Hitzeschutzschild abgebremst. Es gibt keinen Fallschirm. Der Hitzeschutzschild hat einen Durchmesser von 350 cm und 275 cm Höhe und umgibt die Probe. Er besteht erstmals aus keramischen Material (ähnlich dem bei Huygens verwendeten) und wiegt 1165 g. Beim Aufprall soll der Schutzschild zerbröseln und so Energie absorbieren, aber auch die DS-2 Sonde aufrecht halten. Die Erprobung des neuen Landesystems ist eine der 10 Technologien welche die Sonde erproben soll. Die Sonde durchquert die Atmosphäre in lediglich 100 Sekunden, der Mars Polar Lander braucht mit 5 Minuten 3 mal länger, landet aber auch mit einer 80 fach geringeren Geschwindigkeit.

DiagrammOhne den Hitzeschutzschild wiegt die Sonde nur noch 2.4 kg. Die Auftreffgeschwindigkeit beträgt zwischen 100 und 200 m/s. Am häufigsten werden 178 m/s genannt. Den wahren Wert sollte die Sonde ermitteln. Dabei sollte der Eindringteil bis zu 0.6 m in den Boden vorstoßen. Um die Belastungen von bis zu 60.000 g beim Oberflächenteil und 30.000 g beim Eindringteil abzufangen, hat man alle Verbindungen in der Sonde flexibel gehalten, damit die Stoßwelle durch die Sonde gehen kann ohne Kabelverbindungen zu durchtrennen.

Der Oberflächenteil ist ein Zylinder von 136 mm Durchmesser und 105.3 mm Höhe. Er hat eine ausfahrbare Antenne von 127 mm Höhe. Er wiegt 1737 g. Er beinhaltet zwei Lithiumthionylbatterien mit je 0.6 Ah Leistung. Anstatt Lithiumaluminiumchlorid verwendet diese Batterie Lithiumtetragallatsalz, da sie im Boden bei bis zu -80 Grad Celsius nicht ausfrieren darf. Diese erlaubt eine Messzeit von maximal 36 Stunden. Die Operationszeit beträgt dann etwa 1-3 Tage. Jede Batterie hat 40 g Gewicht und liefert je nach Temperatur 6-14 V an Spannung. Der maximale Strombedarf liegt bei 300 mW.

Der Sender hat ein Gewicht von nur 50 g, empfängt mit 500 mW Signale und sendet mit 2 W Daten. Diese werden mit 7000 Bit/sec im UHF Bereich über Mars Global Surveyor zur Erde gesandt. Gesteuert wird die Sonde von einem 8 Bit 80C51 Mikrocontroller mit 10 MHz Takt. Dieser Chip wird auf der Erde in Mikrowellen und Videorekordern häufig eingesetzt. Er verfügt über je 128 KByte RAM und 128 KByte RAM. Die Verbindung zu den Experimenten geschieht über 32 A/D und D/A Ports. Die Elektronik hat nur 2.2 cm³ Volumen und wiegt 3.2 g. Der Stromverbrauch beträgt aktiv 6 mW und im Sleep Mode 0.5 mW. Zur Absorption der Energie des Aufschlags ist sie in Kunststoff eingegossen worden.

Der Eindringteil oder Penetrator hat dagegen nur 39 mm Durchmesser und 105.9 mm Länge. Er ist mit dem Oberflächenteil mit einem Flexiblen Kabelstrang verbunden. Er enthält einen kleinen Motor, der eine 100 mg große Probe Kammer zu Untersuchung bringt. Es befinden sich alle Experimente in dem Penetrator.

Experimente

Atmospheric Descent Accelerometer (ADA)

Dieses Instrument misst die Abbremsung der Sonde bei dem Passieren der Atmosphäre. Der Sensor befindet sich 2.5 cm von der Schwerpunktachse entfernt und misst die Abbremsung parallel zur Z-Achse. Verwendet wird ein Analog Devices ADXL250aqc Messsensor. Dieser misst die Kapazität zwischen zwei Platten deren Abstand durch Beschleunigungen sich ändert. Der Messbereich liegt zwischen -25 und +25 g mit einer Auflösung von 0.038 g. Der Messwert wird von einer 5 g schweren Elektronik digitalisiert, mit 11 Bits pro Messwert.

Die Messungen beginnen 60 Sekunden vor Atmosphäreneintritt. Erste Signale erwartet man bei 90 km Höhe mit brauchbaren Signalen ab 75 km Höhe. Die höchsten Werte werden für 40-50 km Höhe erwartet. 20 mal pro Sekunde wird der Wert gelesen und im Speicher des Computers abgelegt. Dies entspricht einer Höhenskala von 350 m beim Eintritt und 10 m kurz vor dem Auftreffen. Durch die Bestimmung erhält man ein Dichteprofil der Atmosphäre.

Impact Accelerometer (IA)

Die Abbremsung beim Aufschlag ist erheblich höher als der Messbereich von ADA. Um diese zu erfassen gibt es einen zweiten Sensor, den IA. Er basiert auf einem Endevco Model 7570A Sensor, der hohe Beschleunigungen durch die Änderung des elektrischen Stroms eines piezoelektrischen Elements detektiert (diese reagieren auf Druck durch einen detektierbaren Strom).

Der Detektor hat einen Messbereich von 10.000 - 30.000 g mit einer Auflösung von 10 g. Er wird 25000 mal pro Sekunde abgefragt, wobei neue Daten die alten überschreiben. Sobald die Sonde zum Stillstand gekommen ist, werden die letzten 30 ms, dies entspricht 1500 Bytes an Daten, im Speicher behalten. Aktiviert wird der Detektor 4 Minuten vor dem Eintritt. Die Abbremsung ist wichtig für die Entwicklung neuer Sonden und die Bestimmung der Oberflächenhärte und Dichte des Bodens.

Soil Conductivity Experiment

MikroprobenDieses Experiment misst die Abkühlung des Bodens nach dem Aufschlag und bestimmt dadurch indirekt die Wärmeleitfähigkeit des Bodens. Der Einschlag wandelt einen Teil der Aufschlagsenergie, welche die Abbremsung von 100 - 200 m/s auf 0 freisetzt, in Wärme um. Dies sind etwa 13 KJ. Weiterhin ist der Penetrator durch die Reibung um 45-105 Grad Celsius heißer als die Umgebung, und gibt diese Energie ab. Indem man das Abkühlen der Oberfläche durch Temperatursensoren misst, kann man die Wärmeleitfähigkeit des Bodens bestimmen, indem man dies auf der Erde mit Experimenten vergleicht. Die Temperaturen werden alle 30 Sekunden mit 0.1 Grad Celsius Genauigkeit gemessen. Eine vollständige Abkühlung auf den Anfangswert, dauert allerdings länger als einen Tag.

Evolved Water Experiment

Dieses nur 0.06 kg schwere Experiment ist das Hauptexperiment der Sonde. Ein kleiner elektrisch angetriebener Bohrer nimmt eine 100 mg große Probe in dem er die Umgebung anbohrt. Lockeres Bodenmaterial fällt in einen Behälter. Dieser hat nur 0.3 cm³ Volumen. Der Bohrer verbraucht 0.9 W an Strom. Nachdem die Probe in den Behälter gefüllt worden ist, wird dieser versiegelt und erhitzt. Eine Widerstandsheizung aus Nichromdraht umgibt dazu die Wände. Zwei Temperatursensoren an der Wand und in der Mitte des Behälters, messen dabei Wand- und Innentemperatur.

Eine verstellbare Laserdiode mit einer Zentralwellenlänge von 1.37 µm wird durch eine Linse durch den Hohlraum über der Probe geleitet. Die Wellenlänge entspricht dem Absorptionsmaximum von Wasserdampf. Das Licht wird von einem Spiegel zurückgeworfen und die Intensität gemessen. Befindet sich in der Probe Wasser, so wird die Intensität geringer. Das Erhitzen der Probe sollte dort fest gebundenes Wasser nach und nach freisetzen.

Mitsamt der Elektronik hat das Experiment nur 60 g Masse, ein Volumen von 11 cm³ und 1.5 W Spitzenstromverbrauch. Es sollte 2-6 Stunden nach der Landung aktiviert werden. Das Probennehmen dauert 5 Minuten, danach verschließt eine pyrotechnische Zündung den Behälter indem sie einen Titanverschluss vor die Kammer bringt. Zuerst wird die Probe langsam auf -10 ° Celsius gebracht und das Licht gemessen, dann wird die Probe wieder um 20-40 ° Celsius abgekühlt. In dieser Phase wird alle 5 Sekunden gemessen. Danach wird die Probe auf +10 Grad Celsius erhitzt, und alle 10 Sekunden eine Messung gemacht.

Die Temperatur von 10 Grad Celsius wird 4 Minuten lang gehalten und dann 2 Minuten lang wieder abgekühlt. Temperatur und Laserdaten werden im RAM des 80C51 Controllers gespeichert und dann über MGS zur Erde übertragen. Nach demselben Messprinzip funktioniert auch das TEGA Experiment an Bord von Mars Polar Lander.

Das Missionsziel

AnimationEs ging bei dieser Mission primär darum 10 neue Technologien zu erproben. Kenner des Programms gingen daher nur von einer Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Fluges von 50 % aus, weshalb man auch zwei Sonden startete (Das erhöht zwar die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Mission auf 75 %, doch um auf die von Raumfahrtprogrammen geforderten 99 % Zuverlässigkeit für eine Mission zu kommen, hätte man 7 Proben mitführen müssen.

Schon die Erprobung war schwierig. Alle Versuche die Sonden aus Flugzeugen abzuwerfen scheiterten: Es löste sich nicht der Pfeilschaft von dem Oberflächenteil. Der Grund war ganz einfach. In der 160 mal dickeren Luft der Erde erreichte die Sonde nie die Aufprallgeschwindigkeit, welche sie beim Mars hätte. Erst das Abfeuern der Sonde mit einer 5.5 m langen und 150 mm durchmessenden "Airgun" (eine etwas größere Version eines Luftgewehrs auf einem Truck mit 18 Rädern) konnte die Sonde auf die benötigte Geschwindigkeit beschleunigen. Es fanden insgesamt etwa 70 Tests auch unter Worst-Case Bedingungen (Auftreffgeschwindigkeit bis 200 m/s) statt.

Die Aeroshell die beim Aufprall zerbrechen sollte, wurde mit einer zweiten Airgun von 6 m Länge und 38 cm Durchmesser getestet.

LandungDie DS-2 Sonden werden 18 Sekunden nach dem Mars Polar Lander von der Cruise Stage des MPL abgetrennt und gehen etwa 60 km vom Mars Polar Lander entfernt nieder. Der Abstand beider Sonden zueinander beträgt 1-2 km. Die Anbringung an der Cruise Stage erhöht das Sondengewicht auf 6.5 kg (wiegt also fast soviel wie die Sonde selbst) und kostete weitere 1.6 Millionen Dollar.

Wie beim Mars Polar Lander hörte man aber nach der Landung am 3.12.1999 nichts mehr von den Sonden. Am 7.12.1999, als die Batterien nahezu erschöpft sein mussten, wurden die Sonden für verloren erklärt. Wenn der Mars Polar Lander nicht auch verloren gegangen wäre, so wäre dies wohl folgenlos geblieben. Doch nun untersuchte man das 1998 er Marsprogramm und fragte unangenehme Dinge:

Man ermittelte folgende Ursachen für den Ausfall:

In der Summe kam die Kommission der Untersuchung des Verlustes des Mars Polar Landers zu dem Schluss, dass die Sonden nicht ausreichend getestet wurden und dadurch nicht flugbereit waren. Sie hätten nicht mitfliegen dürfen und ihr Verlust ist dadurch auch verständlich.

Derzeit sind keine Starts von Penetratoren geplant. Dabei sollten die DS-2 Sonden die Vorboten für eine neue Technik sein. Wäre ihre Mission geglückt so hätte man in Zukunft anstatt eines schweren Landers viele kleine Penetratoren gestartet. Mit diesen hätte man ein Netzwerk über die Marsoberfläche aufbauen können.



© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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