Home Site Map Lebensmittelchemie + Ernährung Lebensmittelchemie im Alltag counter

Eiweiß Power oder nicht Power

Schaue ich mir die Prospekte der Discounter an, so tauchen dort immer mehr Produkte auf, angereichert mit Protein. Seit Jahren gibt es schon das „Eiweißbrot“ im Brotregal, dazu gesellten sich dann „Powerriegel“ an der Kasse und nun findet sich in den Prospekten der Discounter ganze Doppelseiten nur mit Produkten, die mit Eiweiß angereichert sind oder fast reines Eiweißpulver um Getränke anzurühren. Das diese Welle aus den USA zu uns schwappt sieht man daran das von „Protein“ die Rede ist – fachlich korrekt, aber bei uns ist eben „Eiweiß“ als Bezeichnung gebräuchlicher. Dazu dann eine ganze Produktserie die „Whey“ im Namen trägt – verkauft sich wohl besser, als wenn man von "Molke" spricht.

Das passt einher mit der „Professionalisierung“ des Freizeitsport. Das heißt selbst einfache Sportarten, die man ohne besondere Ausrüstung machen, kann wie Laufen und Fahrradfahren erfordern in den Augen von Amateuren die richtige Bekleidung. Und wenn man schon für die Bekleidung viel Geld ausgegeben hat, dann ist man sicher bereit auch für die Ernährung etwas mehr auszugeben.

Denn teuer sind die Produkte 50 g Proteinchips: 1,99 Euro, ein Proteinriegel von 45 g Gewicht 0,95 bis 1,29 €, 500 g Proteinpulver: 9,99 €. Ebenso ist es inzwischen Mode geworden Lebensmittel mit Eiweiß anzureichern, siehe dazu meinen Artikel über ein sogenanntes "Abendbrot".

Grundlagen

Worauf die Werbung setzt, ist die allgemeine Kenntnis, das der Körper Eiweiß benötigt und viele Menschen wissen auch, dass Sportler mehr Eiweiß benötigen. Das ist auch richtig so. Der Körper baut ständig Zellen ab und zerlegt sie in ihre Einzelbestandteile, andere Zellen verlieren wir sogar kontinuierlich wie Haare oder Hautschuppen. Das geschieht nicht optimal, ein Teil der Aminosäuren, die dabei anfallen, kann der Körper nicht wieder nutzen, um neues Eiweiß zu produzieren, diese verbrennt er und erzeugt dabei Harnstoff, den die Niere ausscheidet. Ebenfalls richtig ist, dass Sportler mehr Eiweiß benötigen. Das liegt an zwei Faktoren. Zum einen haben sie mehr Muskelmasse. Muskeln enthalten mehr Eiweiß als Bindegewebe, was den größten Teil der Körpermasse ausmacht. Daneben werden sie durch Sport beansprucht, dadurch werden Zellen aber auch schneller abgebaut. Hochleistungssportler, das sind aber Leute mit wirklich viel Muskelmasse, die täglich mehrere Stunden trainieren, benötigen je nach Quelle 1,5 bis 1,8 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht, beim Normalbürger sind es 0,8 g/kg. Für Jugendliche im Wachstum und Ältere ab 65 Jahren, bei denen vermehrt Eiweiß abgebaut wird, werden 1,0 g/Tag empfohlen. Jemand der aber nur etwas joggt, also damit eigentlich nur die fehlende Bewegung bei einer sonst sitzenden oder stehenden Tätigkeit ausgleicht, kann sich aber bei den Referenzwerten für Normalbürger orientieren. Baut man Muskeln auf, das ist bei Krafttraining der Fall, kann man die Menge auf bis zu 1,2 g/kg erhöhen. Für die tägliche Aufnahmemenge muss man dies dann noch mit dem Körpergewicht multiplizieren.

Die DGE hat in den letzten Jahrzehnten die Referenzwerte, anders als diese Produkte suggerieren, abgesenkt. Das hat einen Grund: zu viel Eiweiß ist nämlich nicht gesund. Der entstehende Harnstoff muss in der Niere konzentriert werden, das beansprucht sie sehr viel stärker als die Ausscheidung anderer Abfallstoffe oder Elektrolyte. Nierenkranke erhalten daher oft eine eiweißreduzierte Kost. Als Zweites ist die Verdauung und der Stoffwechsel von Eiweiß sehr ineffektiv. Die einzelnen Nährstoffe werden nicht vollständig vom Darm in den Blutkreislauf überführt. Dabei gibt es Verluste. Sie beruhen auf dem enzymatischen Abbau, dem Energieaufwand sie aus dem Darm gegen das Konzentrationsgefälle aufzunehmen und andern Faktoren. Diese Verluste liegen bei Fett bei 2 bis 4 Prozent, Kohlehydraten 4 bis 9 Prozent, bei Eiweiß aber bei 14 bis 20 %. Dabei entstehen dieselben Abbauprodukte wie sonst auch im Stoffwechsel. Aufgrund dieses Effektes werden auch eiweißreiche Diäten als effizient postuliert, wobei dies aber umstritten ist. In jedem Falle wird aber das aufgenommene, aber nicht zum Körperaufbau benötigte Eiweiß verbrannt, wie Kohlenhydrate und fett die nur zur Energiegewinnung dienen. Damit belastete es die Niere noch mehr.

Kurz: es macht nicht Sinn mehr Eiweiß aufzunehmen, als man benötigt. Man kann es auch nur bedingt Speicher. Es scheint einen Aminosäurenpool zu geben, der durch den Abbau, aber auch die Nahrung aufgefüllt wird. Er wird aber mehrmals am Tag umgesetzt. Deswegen muss man aber nicht dauernd Protein aufnehmen, denn der Umsatz an Protein ist viel größer als die Aufnahme, kurz die meisten Proteine werden durch Abbau alter Zellen wieder gebildet.

Ein weiterer Punkt ist das Protein nicht Protein ist. Der Körper besteht aus vielen verschiedenen Proteinen. Aber wenn man die Bilanz des Abbaus betrachtet, kann man eine „durchschnittliche“ Verteilung der Aminosäuren festlegen. Der Körper besteht aus 20 Aminosäuren, wenn man einige Modifikationen auslässt. Acht dieser 20 Aminsäuren sind essenziell, Basisaminosäuren, aus denen durch chemische Modifikation die anderen 12 hergestellt werden müssen. Aufgenommenes Eiweiß wird in diese 20 (oder weniger) Aminosäuren aufgespaltet und diese dann aufgenommen. Der Körper kann aber nur diese nutzen, die dem körpereigenen Spektrum entsprechen. Den Rest muss er verbrennen also zur Energiegewinnung nutzen. Ein altes Bild, das aber relativ gut den Sachverhalt wiedergibt, ist das eines Fasses, das aus verschiedenen Spanten besteht. Die Höhe jedes Spants entspricht dem prozentualen Anteil der Aminosäuren in der Nahrung und ist eine in zu geringer Menge vorhanden, dann ist das Fass eben nur bis zu dieser Höhe befüllbar und der Rest der Höhe nützt einem nichts. Der Prozentsatz, aus dem man aus aufgenommenen Protein körpereigenes Protein bilden kann, heißt biologische Wertigkeit.

Das ist von Bedeutung, da aufgrund der evolutionären Ähnlichkeit tierische Proteine eine größere Ähnlichkeit in der Zusammensetzung haben wie das menschliche. Milch, Eier, Fisch und Fleisch haben eine hohe biologische Wertigkeit. Pflanzliche Proteine in der Regel eine niedrige. Das ist von Bedeutung, weil es verschiedene Möglichkeiten Lebensmittel mit Protein anzureichern. Eiweißbrot wird mit Protein angereichert, indem es mit Weizenklebereiweiß angereichter wird. Das Gluten entsteht, wenn man aus Mehl Stärke gewinnt und es wird auch normalen Brot zugesetzt, um die Backeigenschaften zu verbessern. Daneben setzt man Getreidesorten ein die eiweißreicher sind wie Hafer. Getreideproteine haben aber eine niedrige biologische Wertigkeit. Weizen z. B. eine biologische Wertigkeit von 35-50 %, dass heißt von dem zusätzlichen Eiweiß hat man nur wenig, wenn man dadurch Muskeln aufbauen will.

Bei Eiweißriegeln oder anderen Produkten wird in der Regel Proteinpulver aus Soja oder gleich Sojapulver zugesetzt. Sojabohnen sind sehr proteinreich und auch in der veganen Ernährung (Tofu) beliebt. Sojaprotein hat eine hohe biologische Wertigkeit, die nur noch leicht unter dem tierlichen Proteins liegt (75 bis 85 Prozent). Das als „Whey“ bezeichnete Molkenprotein fällt als Abfallprodukt bei der Herstellung von Butter und Käse an. Es enthält die Proteine der Milch, die nicht durch Labferment ausfällbar sind und hat ebenfalls eine hohe biologische Wertigkeit.

Das heißt, wenn das zugesetzte Protein aus Soja oder Molke stammt, dann kann man wenigstens zum größten Teil auch körpereigenes Eiweiß aufbauen. wer genau wissen will was in einem solchem Power Produkt drin ist, sollte die Analyse eines Proteinriegels studieren.

Benötigt man zusätzliches Protein?

Eigentlich nein. In Deutschland essen wir eigentlich schon zu viel Protein. Hier die DGE-Empfehlungen und die IST-Zusammensetzung unserer Nahrung:

Nährstoff

DGE-Empfehlung

Ist

Kohlenhydrate

> 50 %

41 %

Fett

< 35 %

41 %

Eiweiß

10 – 15 %

14 %

Die Zufuhr an Protein liegt im Durchschnitt also schon an der oberen Grenze der Referenzwerte. Die sind aber schon für erhöhten Bedarf (z. B. bei Kindern, Krankheiten und eben auch höherem Bedarf durch Sport) gedacht und so gibt es selbst für Amateursportler keinen Grund Nahrungsergänzungsmittel zu sich zu nehmen. Das liegt auch an der viel zu fleischreichen Ernährung in Deutschland. Es gibt auch genug eiweißreiche Alternativen zu speziellen "Powerprodukten":

Vollkornprodukte enthalten mehr Eiweiß als Weißmehlprodukte, da das Eiweiß des Getreidekorns in den äußeren Getreideschichten steckt, die bei Weißmehl entfernt wurden.

Bei vielen Milchprodukten ist innerhalb einer Klasse (Jogurt, Käse) der Proteinanteil relativ konstant, der Fettanteil schwankt aber durch Zusatz von Sahne oder Milchfett. Dadurch sind fettarme Produkte nicht nur energieärmer sondern relativ proteinreicher.

Das gleiche gilt auch bei Fleisch: je fettärmer es ist desto reicher ist es an Eiweiß. Geflügelfleisch und Fisch ist proteinreicher als Schweine- oder Rinderfleisch.

Normalerweise haben selbst Vegetarier kein Problem den Eiweißbedarf zu decken, lediglich Veganer, also Personen die keinerlei tierische Erzeugnisse, damit auch keine Eier, Produkte mit Eiern und milch / Milchprodukte essen müssen aufpassen. Doch auch in Hülsenfrüchten, dazu gehört auch Soja als Basis für Tofu und Samen wie Walnüsse, Erdnüsse enthakten genügend Eiweiß um den Bedarf zu decken.

Fazit

In gewisser Hinsicht gibt es Parallelen zum Holz. Eiweiß wie Holz kann man als Baustoff nutzen oder verbrennen. Beides sollte man primär als Baustoff verwenden. Verbrennt man Holz, so erzeugt man Feinstaub, krebserregende organische Verbindungen, Stickoxide und Schwefeldioxid. Wird Eiweiß verbrannt, so entsteht Harnstoff als Abfallprodukt, dass die Niere belastet und es gibt Hinweise, das der Eiweißabbau auch für den Stoffwechsel belastender ist als der Abbau von Kohlehydraten und Fett. Er ist in jedem Falle aufwendiger und beim Stoffwechsel entstehen immer Radikale die für chemische und genetische Veränderungen verantwortlich gemacht werden die zur Zellalterung, aber auch Krebs führen können.

Artikel erstellt am 16.1.2020

Bücher vom Autor

Zum Thema Ernährung, Lebensmittel und Lebensmittelchemie/recht sind bisher vier Bücher von mir erschienen:

Das Buch „Was ist drin?“ wendet sich an diejenigen, die unabhängige Informationen über Zusatzstoffe und Lebensmittelkennzeichnung suchen. Das Buch zerfällt in vier Teilen. Es beginnt mit einer kompakten Einführung in die Grundlagen der Ernährung. Der zweite Teil hat zum Inhalt eine kurze Einführung in die Lebensmittelkennzeichnung - wie liest man ein Zutatenverzeichnis. Welche Informationen enthält es? Ergänzt wird dies durch einige weitere Regelungen für weitergehende Angaben (EU Auslobung von geografischen Angaben, Bio/Ökosiegel etc.).

Der größte der vier Teile entfällt auf eine Beschreibung der technologischen Wirkung, des Einsatzzweckes und der Vorteile - wie auch bekannter Risiken - von Zusatzstoffen. Der letzte Teil zeigt beispielhaft an 13 Lebensmitteln, wie man ein Zutatenverzeichnis sowie andere Angaben liest, was man schon vor dem Kauf für Informationen aus diesem ableiten kann, die einem helfen, Fehlkäufe zu vermeiden und welche Tricks Hersteller einsetzen, um Zusatzstoffe zu verschleiern oder ein Produkt besser aussehen zu lassen, als es ist. 2012 erschien eine Neuauflage, erweitert um 40 Seiten. Sie trägt zum einen den geänderten Gesetzen Rechnung (neue Zusatzstoffe wurden aufgenommen, Regelungen über Lightprodukte beschrieben) und zum anderen ein Stichwortregister enthält, das sich viele Leser zum schnelleren Nachschlagen gewünscht haben.

Wie sich zeigte, haben die meisten Leser das Buch wegen des zentralen Teils, der die Zusatzstoffe beinhaltet, gekauft. Ich bekam auch die Rückmeldung, dass hier eine Referenztabelle sehr nützlich wäre. Ich habe daher 2012 diesen Teil und den Bereich über Lebensmittelrecht nochmals durchgesehen, um die neu zugelassenen Zusatzstoffe ergänzt und auch um neue Regelungen, wie bei der Werbung mit nährwertbezogenen Angaben. Ergänzt um eine Referenztabelle gibt es nun die zwei mittleren Teile als eigenes Buch unter dem Titel "Zusatzstoffe und E-Nummern" zu kaufen.

Nachdem ich selbst über 30 kg abgenommen habe, aber auch feststellen musste wie wenig viele Leute von Ernährung oder der Nahrung wissen, habe ich mich daran gemacht einen Diätratgeber "der anderen Art" zu schreiben. Er enthält nicht ein Patentrezept (wenn auch viele nützliche Tipps), sondern verfolgt den Ansatz, dass jemand mit einer Diät erfolgreicher ist, der genauer über die Grundlagen der Ernährung, was beim Abnehmen passiert und wo Gefahren lauern, Bescheid weiß. Daher habe ich auch das Buch bewusst "Das ist kein Diätratgeber: ... aber eine Hilfe fürs Abnehmen" genannt. Es ist mehr ein Buch über die Grundlagen der Ernährung, wie eine gesunde Ernährung aussieht und wie man dieses Wissen konkret bei einer Diät umsetzt. Es ist daher auch Personen interessant die sich nur über gesunde Ernährung informieren wollen und nach Tipps suchen ihr Gewicht zu halten.

Das Buch "Was Sie schon immer über Lebensmittel und Ernährung wissen wollten" wendet sich an alle, die zum einen die eine oder andere Frage zu Lebensmitteln und Ernährung haben, wie auch die sich für die Thematik interessieren und auf der Suche nach weitergehenden Informationen sind. Während andere Autoren zwar auch populäre Fragen aufgreifen und diese oft in einigen Sätzen beantworten und zur nächsten Frage wechseln, habe ich mich auf 220 Fragen beschränkt, die ich mehr als Aufhänger für ein Thema sehe, so hat das Buch auch 392 Seiten Umfang. Jede Frage nimmt also 1-2 Seiten ein. Sie sind nach ähnlichen Fragestellungen/Lebensmitteln gruppiert und diese wieder in vier Sektionen: zwei Großen über Lebensmittel und Ernährung und zwei kleinen für Zusatzstoffe und Lebensmittelrecht/Werbung. Man kann das buch daher von vorne bis hinten durchlesen und so seinen Horizont erweitern, aber auch schnell mal nach einer Antwort suchen. Ich habe sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, vor allem weil der Stil nicht reißerisch ist und ein Dogma verbreiten will, sondern aufklärend ist.

Sie erhalten alle meine Bücher über den Buchhandel (allerdings nur auf Bestellung), aber auch auf Buchshops wie Amazon, Libri, Buecher.de und ITunes. Sie können die Bücher aber auch direkt bei BOD bestellen.

Mehr über diese Bücher und weitere des Autors zum Themenkreis Raumfahrt, finden sie auf der Website Raumfahrtbucher.de.


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
Sitemap Kontakt Neues Impressum / Datenschutz Hier werben / advert here Buchshop Das Buch zu Lebensmittelkennzeichnung Buchempfehlungen Top 99