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OTRAG Rakete

Einleitung

In diesem Artikel soll noch über das wohl ehrgeizigste Projekt im Raketenbau berichtet werden: Die deutsche OTRAG Rakete. Ende der siebziger Jahre machte diese Schlagzeilen. Die Idee der OTRAG stammt von Lutz Kayser, der bald Investoren für Verlustabschreibungen gewinnen konnte. Die Konzeption der OTRAG Rakete war ganz auf einen niedrigen Startpreis ausgerichtet. Es zählten weder aufwendige Technik noch niedrige Startmassen sondern nur der Startpreis.

Der Artikel wurde durch die Recherche immer länger, und so habe ich ihn in zwei Teile unterteilt.

Dritter fehlgeschlagener StartVorteile des Konzeptes

Die massive Bündelung führt zu einer hohen Produktionsrate und damit geringeren Herstellungskosten pro Stück - Gemäß dem Gesetz der Serienproduktion. Da die gesamte Konstruktion sehr einfach ist, kann auch rationell produziert werden. Zum Teil wurden auch Technologien aus anderen Bereich einbezogen, so dass man sich auf schon preiswert in Serie gefertigte Teile stützen konnte.

Bei den Tanks sprach die OTRAG zum Beispiel von einer Reduktion der Herstellungskosten um 95 % bei Personalkostenanteilen von 20 % anstatt dem Raketenbau sonst üblichen 80 %

Zudem braucht man nur ein Triebwerk für eine Trägerrakete die einen sehr breiten Nutzlastbereich abdeckt. Sollte die Rakete also jemals fliegen so wäre sie mit Sicherheit der günstigste und skalierbarste Träger der jemals entwickelt wurde.

Ein weiterer Vorteil betrifft den für die Nutzlast verfügbaren Raum. Ein Nachteil der Träger die aktuell waren als die OTRAG entwickelt wurde, war, dass diese durch Booster immer leistungsfähiger wurden, aber die letzte Stufe, welche den Durchmesser der Nutzlasthülle diktierte nicht mit wuchs. Ein sehr wesentlicher Faktor bei der Entwicklung der Ariane und des Space Shuttles war es daher sehr viel Raum für die Nutzlast zur Verfügung zu stellen. Bei der Ariane 5 ist dies noch deutlicher zu sehen.

Bei der OTRAG Rakete wird die Nutzlastverkleidung automatisch breiter wenn man mehr Module verwendet, da die Rakete immer gleich hoch bleibt, aber der Durchmesser der Rakete zunimmt. Allerdings dürfte man diese nicht jeder Anpassung des Durchmessers durch neue Module anpassen sondern wahrscheinlich eine Reihe von Standardtypen anbieten.

Als Nachteil ist der Luftwiderstand bei dieser Rakete größer als bei anderen Typen. Dies ist auch ein Grund warum die Startbeschleunigung der OTRAG so hoch war, damit sie möglichst schnell die dichten Schichten der unteren Atmosphäre passiert.

Die Nachteile des Konzepts

Auch wenn es nach Aussage der OTRAG über 6000 Versuche der Triebwerke im Prüfstand gab ist es doch etwas völlig anderes eine Rakete zu starten, insbesondere wenn man bislang nur einzelne Triebwerke getestet hat und nun 500 auf einmal gezündet werden. An dem Konzept gab es schon in den siebziger Jahren starke Kritik. Die DFVLR untersuchte es und kam zu dem Resultat, dass der finanzielle Erfolg fraglich ist. Mit dem technischen Konzept beschäftigte sich Prof. Ruppe. Er kam zu dem Schluss, dass zum einen die Angaben der OTRAG zu optimistisch sind und es fraglich ist ob es technisch umsetzbar ist. Andere Fachleute bemängelten zahlreiche "weisse Flecken" im Konzept, sprich völlig ungelöste Teilaspekte des Trägers. An dieser Stelle einige persönliche Überlegungen was an dieser Rakete kritisch zu beurteilen ist.

POGO Effekte

Start Nr. 15 Bild 1Die Konstruktion ist sehr anfällig für POGO Schwingungen. POGO Schwingungen sind in der Raketentechnik gefürchtet, da sie nicht am Boden simuliert werden können. Zahlreiche Raketen litten bei den ersten Flügen unter POGO Schwingungen, so die Titan, Saturn V und die Ariane. Ursache sind Vibrationen der Triebwerke, welches sich auf die Tanks übertragen und die Flüssigkeit zum Schwappen bringen. Dies verstärkt dann nochmals die Schwingungen so dass es im Extremfall zu einem Bruch der Struktur kommen kann, so wie es bei dem zweiten Flug der Ariane 1 passierte.

Betroffen sind fast nur Erststufen, weil diese sehr lange Tanks haben. Zudem tritt das Phänomen meist erst nach einiger Zeit auf, wenn die Tanks nicht mehr ganz voll sind. Betrachtet man nun die OTRAG Rakete, so haben die Tanks eine Länge von bis zu 24 m und eine Breite von nur 0.27 m. Das bedeutet ein Verhältnis von 80:1 von Länge zu Breite. Bei Raketenstufen liegt es dagegen bei 4:1 bis 8:1. Weiterhin sind die Tanks schon beim Start nur teilweise mit Treibstoff gefüllt. Gegen eine Anfälligkeit spricht die Druckförderung. Es gibt keine Turbopumpen und bewegliche Triebwerke, welche als Quellen der Schwingung in Frage kommen.

Alle Tests welche die OTRAG gemacht hat fanden mit relativ kurzen Modulen (6 oder 12 m Länge) statt. Die aufgrund ihrer kürzeren Länge nicht ganz so empfindlich reagieren. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die Tanks sehr dünnwandig sind und daher ein Bruch leichter möglich ist. Kayser selbst räumt ein, dass die Konstruktion von langen Stufen (18, 24 m) nur möglich ist durch das Bündeln vieler Triebwerke. Schon ohne POGO Schwingungen wäre sonst die Konstruktion nicht steif genug.

Andererseits ist die Rakete völlig anders aufgebaut als andere Typen und wird immer breiter je mehr Module es gibt. Dies kann auch Auswirkungen haben. Wahrscheinlich wird es bei der OTRAG Rakete so wie bei anderen Raketen sein: Erst die Flüge zeigen wie sich die Rakete verhält.

Bei den Tests des DFVLR war das Triebwerk sehr empfänglich für hochfrequente Schwingungen wenn der Injektor der OTRAG verwendete wurde. Bei einem normalen Injektor der DFLVR und nicht hypergolem Vorlauf gab es keine Schwingungen. Ob diese gelöst wurden ist offen. Ebenso gab es bei starke Schubschwankungen bei verschiedenen Triebwerken in der Größenordnung von 5% die bei Brennschluss anstiegen. Diese Wirken sich natürlich auch auf die Vibrationen aus und die Lenkbarkeit der Rakete wird natürlich auch beeinträchtigt.

Der N-1 Effekt

Start Nr. 15 Bild 2Es ist ein Irrtum zu glauben ein Triebwerk, welches man ausgiebig am Boden getestet hat, wäre damit auch automatisch flugqualifiziert. Das hat die europäische Raumfahrt bitterlich beim Erststart der Ariane 5 ECA erlebt, als das Vulcain 2 Triebwerk im Fluge den Belastungen nicht stand hielt, obgleich es am Boden ausgiebig vorher getestet wurde.

Noch eine Steigerung ist das Bündeln von Triebwerken. Jedes Triebwerk beeinflusst indirekt auch das andere. Es überträgt Schwingungen, es gibt Wärme ab, es belastet die Struktur. Das wohl bekannteste Beispiel für die Folgen ist die russische Mondrakete N-1. Ihre Triebwerke wurden extensiv am Boden getestet und galten als flugqualifiziert. Den Block A, die Erststufe mit 30 Triebwerken, hat jedoch niemand als ganzes getestet, weil man die Kosten für einen Teststand der den enormen Schubkräften von 46000 kN stand hält, sparen wollte. Dies rächte sich. Alle 4 Starts der N-1 scheiterten an Problemen mit dem Block A.

Die OTRAG Rakete steht vor demselben Problem : Nur sind es hier bis zu 500 Triebwerke die auf einmal gezündet werden. Anders als bei anderen Raketen ist es auch nicht möglich, die Triebwerke vor dem Start zu testen : Nach einem Probelauf ist die Ablationsschicht weg geschmolzen und das Triebwerk Schrott. Ein einziger Testlauf am Boden eines 500 Triebwerke Bündels wird dadurch ziemlich teuer. Wahrscheinlich könnte sich die OTRAG auch einen entsprechend leistungsfähigen Teststand nicht leisten. (500 Triebwerke würden einen Startschub von bis zu 17500 kN ergeben, 15 mal mehr als ein Teststand für das Vulcain Triebwerk der Ariane 5 an Last aufnehmen muss).

Triebwerksausfälle

Start Nr. 15 Bild 3Ein weiterer Punkt betrifft die Folgen eines Triebwerksausfalls. Bei den Versuchen bis 1974 gab es 3 Ausfälle bei 200 Versuchen. Später wurde nur noch bekannt, dass es über 2000 Versuche gegeben haben soll, aber keine Erfolgsquote. 3 Ausfälle bei 200 Versuchen ist aber eine in der Raketentechnik übliche Größe, die ich mal hier in die Überlegungen einbeziehen will.

Zuerst scheint es ist ein Triebwerksaufall bei einer Rakete mit so vielen Triebwerken unkritisch. Betrachtet man nur den Schubverlust, so gilt dies auch uneingeschränkt. Was man jedoch nicht vergessen sollte: Da jeweils 2 Triebwerke an einem gemeinsamen Tank hängen, verbleibt bei vorzeitiger Abschaltung noch eine Menge Treibstoff, der nicht genutzt wird und so verändert sich das Voll/Leermasseverhältnis.

Bei anderen Raketen mit mehreren Triebwerken kann man den Ausfall eines Triebwerks auffangen, indem man die anderen länger brennen lässt. Dies geschah zum Beispiel bei der Mission von Apollo 13, als eines der Triebwerke der zweiten Stufe ausfiel. Diese Möglichkeit hat die OTRAG Rakete nicht.

Für die 4 Tonnen Version mit 256 Triebwerken habe ich mal die Wahrscheinlichkeit und die Folgen eines Triebwerkausfalls bei einer Zuverlässigkeit von 99 % ausgerechnet. (Ein Ausfall bei 100 Zündungen) Die Änderung der Leermasse gilt für das "Worst Case" Szenario, dass das Triebwerk gleich nach der Zündung ausfällt:

Stufe Anzahl Triebwerke Wahrscheinlichkeit für einen Ausfall Änderung der Leermasse Geschwindigkeitsänderung Verlust an Nutzlast
1 192 85.5 % 4.7 % -27 m/s -75 kg
2 48 38.3 % 18.8 % -97 m/s -260 kg
3 16 14,8 % 56.3 % -497 m/s -1350 kg

Start Nr. 15 Bild 4Es zeigt sich folgendes: Obgleich der Ausfall eines Triebwerks in der ersten Stufe relativ wahrscheinlich ist und praktisch bei jeder Mission auftreten sollte, sind die Auswirkungen noch abzufangen. Ein Polster von 100 m/s ist dagegen heute bei Raketen eher die Ausnahme und ein Polster von fast 500 m/s entspricht einer Reduktion der Nutzlast um ein Drittel.

Das bedeutet, dass die OTRAG Rakete entweder mit einem sehr großen Sicherheitspolster starten muss, oder jeder 6.te Start geht statistisch schief. Bei einer Zuverlässigkeit von 99 % müsste man zumindest bei den ersten beiden Stufen auch die Wahrscheinlichkeit von 2 Triebwerksausfällen untersuchen.

In dieser Rechnung ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass man bei Ausfall eines Triebwerks das gegenüberliegende abschalten will um die Schubsymmetrie aufrecht zu erhalten. Macht man dies, so verdoppeln sich die Auswirkungen.

Kayser gibt zwar an, dass die Triebwerke "6 Sigma" qualifiziert seien. Doch dabei handelt es sich nur um ein Kriterium aus der Produktion, dass angibt, dass man während der Herstellung einen Ausschuss von etwa 3.4 Teilen pro Million hat. Damit ist nicht gesagt, dass auch während des Fluges nur so wenige Triebwerke ausfallen. Schließlich gab es bei 18 OTRAG Starts 2 Fehlstarts bei nur 4 beziehungsweise einem Triebwerk pro Start. Als Summe kann man vereinfacht sagen, das die OTRAG Rakete mit 100 mal mehr Triebwerken als eine konventionelle Konstruktion auch eine 100 fach höhere Anforderung an die Zuverlässigkeit an das Triebwerk stellt. Lutz Kayser ist sich sicher, dass das Triebwerk so zuverlässig ist.

Schon die bei der Steuerung entstehenden Treibstoffreste sind immens. Jede Rakete muss nach dem Start von der Horizontalen in die Vertikalen umgelenkt werden. Bei der OTRAG macht man dies indem man die Triebwerke an einer Seite auf 40 % Schub herunterfährt. Auch hier verbleiben dann Treibstoffreste. Diese sind relativ groß : Nimmt man an, dass die OTRAG Rakete dieselbe Endgeschwindigkeit wie einer Ariane erreichen muss, so kann man rückrechnen, dass die erste Stufe noch über etwa 5000 kg Resttreibstoff bei der Stufentrennung verfügen müsste.

Otrag StandtestSystemtechnisches

Was die OTRAG nie erreichte war der komplette Test eines Trägers. De fakto waren alle Tests nur Tests von Einzeltriebwerke unter Flugbedingungen. Im Prinzip hat man eine Höhenrakete der unteren Leistungsklasse entwickelt - aber keine Trägerrakete.

Die Regelung des Schubvektors, die Abschaltung von Triebwerken bei Ausfällen, die gesamte Regelung von mehreren hundert Triebwerken, die Stufentrennung und die gesamte Steuerung. Das alles wurde nie erprobt. Nicht umsonst setzte Lutz Kayser den Finanzaufwand für die Entwicklung einer Trägerakete mit 500 Millionen DM an. Es ist zu erwarten, dass es hier noch einige Rückschläge geben würde.

Bei anderen Raketen ist es ein großer Schritt von einem Triebwerk zu einer zuverlässigen Rakete. Es gibt selbst heute im Zeitalter von Computersimulationen und bei Firmen mit Jahrzehnten Erfahrung noch Rückschläge, wie zum Beispiel bei der Delta III die nach 2 Fehlschlägen und einem teilweise gelungenen Demonstrationsstart eingestellt wurde.

Bei einem völlig neuen Konzept mir noch nicht erprobten Technologien ist dieses Risiko sehr hoch. Heute geht der Trend dazu, weniger Triebwerke einzusetzen. Ariane 5 besitzt nur noch 4 Triebwerke anstatt bis zu 10 in der Ariane 4. Die Delta 4 setzt maximal 6 Triebwerke ein anstatt bis zu 12 in der Delta 2. Dies hat auch den Grund die Fehlermöglichkeiten zu verringern.

Steuerung

Die Steuerung der OTRAG Rakete erfolgte wie geschrieben durch Drosseln eines Triebwerks. Es ist daher nicht möglich den Schub beliebig fein zu regeln sondern nur in festen Stufen. Herkömmliche Triebwerke schwenken dagegen ihre Triebwerke und können so die Schubrichtung feiner beeinflussen.

Das ganze ist wie der Verglich analog und digital : Sofern man sehr viele Triebwerke hat um den Schub zu variieren ist es eigentlich egal, weil man durch die vielen Triebwerke den Schub fein dosieren kann. Wenn bei einer 128 Module Rakete ein Triebwerk auf 40 % heruntergeregelt wird, so beeinflusst dies den Schub in der ersten Stufe um weniger als 1 %. Je kleiner die Stufen aber werden desto größer ist die Auswirkung. Für 4 Module macht dies schon 15 % des Gesamtschubs aus. Als beim dritten Test in Zaire ein Ventil in der 40 % Stellung hängen blieb drehte sich die Rakete vom Start weg sofort zur Seite wie man auf der Fotosequenz sieht.

Diese Vorgehensweise ist also nur für große Raketen sinnvoll. Aber selbst Oberstufen müssen ihren Kurs ändern können. Es erscheint also nicht praktikabel für Oberstufen oder kleinere Raketen. Dieses Problem hat man bei der Entwicklung wohl unterschätzt. Es gibt noch ein zweites Problem: Durch die langen nur teilweise gefüllten Rohre ist der Schwerpunkt der Rakete sehr ungünstig. Beim ersten Start in Libyen war der Nutzlastteil zu schwer und die Rakete neigte sich nach 20 Sekunden, als ein Teil des Treibstoffs verbraucht war, zur Seite und schlug auf dem Boden auf.  Dieses Problem dürfte auch bei den Oberstufen auftreten, die eine schwere Nutzlast transportieren müssen. Das Kaltgassystem welches die Regelung um die Rollachse übernehmen sollte wurde nie getestet.

Professor Ruppe zeigte in einer Untersuchung, dass die Motoren wegen des hohen Drucks sehr träge reagieren. Er hielt aufgrund dieser Eigenschaft die Rakete für nicht steuerbar, weil man nicht schnell genug reagieren könnte. Lutz Kayser erklärte, dass man beim Fehlstart am 5.6.1978 auch der Motor zu schwach war (100 W Leistung) und man mindestens einen 150 W Motor brauchte. Alle folgenden Starts machten von der Möglichkeit den Schubvektor zu Steuern keinen Gebrauch. Damit ist die Steuerung niemals erfolgreich getestet worden.

Anmerkungen zu den Daten

Voll- und Leermasse

Der Autor hat keine technischen Beschreibungen der OTRAG aus der Zeit als sie gebaut wurde. Zeitungsausschnitte aus dieser Zeit erschienen vor allem in populären Magazinen und enthalten sehr wenige technische Details. Im August 2005 hat mich Lutz Kayser persönlich kontaktiert und mir Daten per E-Mail zukommen lassen. Diese sehen aber viel besser aus als man sie für eine derart massive Konstruktion erwarten könnte. Es gibt auch einige Widersprüche die ich im folgenden erläutern werde.

No TextZuerst bekam ich für ein 16 m Modul folgende Daten :

Kayser schreibt, als ich ihn auf ältere Angaben hinweise in denen von 15 % Leermasse die Rede ist (eine plausiblerer Wert) dass sich dies auf die 18 m Version bezog, die 12 m Version läge bei 18 % und die Daten die ich bekommen hätte wären für das 24 m Modul. Doch auch diese Daten sind nicht stimmig:

Länge 24 m 18 m 12 m
Treibstoff 1350 kg 1012.5 kg 675 kg
Tanks 93.2 kg 69.4 kg 45.6 kg
Triebwerk 65 kg 65 kg 65 kg
Startmasse 1508 kg 1147 kg 790.6 kg
Leermasse 158 kg 134.4 kg 110.6 kg
Leermasse % 10.5 % 11.7 % 14 %

Ich habe darauf etwas mit den Zahlen gespielt. Man kann zwar das Gewicht des Triebwerks erhöhen um auf die von Kayser angegebenen Werte zu kommen (bei einer Masse von 105 kg erreicht man zum Beispiel die angegebenen 15 % Leermasse bei 18 m und 18 % Leermasse bei 12 m Länge), aber dann stimmt wiederum der Werte für die 24 m Version nicht.

Bedenkt man, dass die Tanks ein extrem ungünstiges Volumen/Oberfläche Verhältnis aufweisen und zudem nur teilweise befüllt wurden, so sind die Strukturmassen sehr optimistisch. Hier einmal als Vergleich die Daten der Europa Oberstufe Astris, die im etwa selben Masse und Schubbereich liegt:

Kenngröße OTRAG Modul Astris
Vollmasse 1508 kg 3370 kg
Leermasse 158 kg 600 kg
Schub (Mittel) 25 kN / 20 kN 22.96 kN
Leermasse % 10.5 % 17.8 %

Vorbereitungen für Start 2Ein ähnliches Voll zu Leermasseverhältnis haben auch andere Stufen dieser Größenklasse. Ein Wert von 10 erreichen normalerweise erst Stufen von etwa 30 t Masse. Bei einer Orbitalversion müssten die umliegenden Module als zusätzliche Last die inneren Stufen tragen, das ist eine zusätzliche Last die noch dazu einseitig wirkt, nämlich an der Innenseite jedes Moduls. Erhöht man aber die Tankstärke auf 1 mm, wie es in einem Bericht von 1979 stand, so steigt die Leermasse eines 24 m Moduls von 158 kg auf 251 kg und man erhält den in früheren Veröffentlichungen angegebene Leermasseanteil von 15%. Ein in Libyen getestetes Modul mit nur 6 m Länge wies schon eine Leermasse von 185 kg auf, leider ist nicht bekannt wie viel davon auf die Nutzlast entfiel.

Im Jahre 1979 veröffentlichte Harry O. Ruppe in seinem Buch "Die grenzenlose Dimension" Band 1 ganz andere Daten: Ein 4 er Modul von 24 m Länge sollte folgende Daten besitzen:

Größe Otrag Ruppe
Treibstoff 1350 kg 1176 kg
Druckgas 28 kg
Treibstoffreste 11 kg
Startmasse 1508 kg 1361 kg
Leermasse 158 kg 197 kg
Spezifischer Impuls 2648 m/s 2276 m/s

Die OTRAG lässt Treibstoffreste und Druckgas unter den Tisch fallen. In der Tat wiegt die Druckluft in einem 24 m Modul (bei einer 2/3 Betankung) bei einem Druck von 40 Bar etwa 22 kg. Treibstoffreste die nicht genutzt werden können gibt es in einer Großenordnung von 1 % bei jeder Rakete. Sie müssen bei der Leermasse berücksichtigt werden und dies tut man bei anderen Raketen auch.

Zwar bläst das Druckgas den Treibstoff aus und erzeugt so einen geringen Schub (anfangs 270 N, in 13 Sekunden auf 135 N abfallend). Doch ist dieser nutzbar ? Die OTRAG Rakete hat keine Anpassung an die Schwerelosigkeit Sobald der Schub abfällt beginnt der Furanol sich mit dem Kerosin zu vermischen und die nächste Stufe kann nicht mehr gezündet werden. Eine Stufentrennung muss also erfolgen solange der Schub noch nicht absinkt, kurz vor Brennschluss der äußeren Stufen.

Der spezifische Impuls

Kayser gibt einen spezifischen Impuls von 2648 m/s am Boden und 2913 m/s im Vakuum an. Diese Werte wären für diese Treibstoffkombination ein Rekord. Ich habe zum Vergleich einmal die Leistungsdaten des Triebwerks RD-214 der Kosmos Trägerrakete angegeben, welches mit derselben Mischung arbeitet:

Kenngröße OTRAG Triebwerk RD-214
Schub 5-50 kN 730 kN
Brennkammerdruck 10-30 Bar 43.6 Bar
Enddruck 0.7-2 Bar 0.889
Brennkammer/Enddruck 15 52.3
spezifischer Impuls Boden 2648 2255
spezifischer Impuls Vakuum 2913 2590
CEA: theoretischer Impuls Vakuum 2474 2739
CEA: theoretischer Impuls Boden 2135 2541

Obgleich der Druckabfall beim RD-214 viel größer ist (52.3 zu 1) anstatt (15 zu 1) und das Triebwerk immer unter dem optimalen Druck arbeitet, weist das Triebwerk der OTRAG einen höheren spezifischen Impuls, also eine höhere Energiemenge pro verbranntem Kilo Treibstoff auf. Dies sind die Daten für die Mischung HDA/Kerosin. Die Mischung Salpetersäure/Kerosin ist etwas schlechter, aber nicht viel (etwa 30 m/s).

Ich habe das von der NASA veröffentlichte Programm CEA, mit dem man unter anderem auch die theoretische Performance eines Raketenantriebs unter gegebenen Randbedingungen berechnen kann, mit den Daten der OTRAG und des RD 213 gefüttert. Da in diesem Programm ein idealisiertes Raketentriebwerk verwendet wird, in dem es z.B. keinen Bedarf zur Kühlung gibt, ist ein reales Triebwerk immer schlechter als diese theoretischen Werte. Das sieht man auch beim RD213. Es wird ein leicht besserer spezifischer Impuls (Unterschied ungefähr 150 m/s) in der Simulation erhalten.

Start 2 nachtsWie anders ist hier das OTRAG Triebwerk! Es arbeitet mit einem geringeren Brennkammerdruck und einem höheren Düsenmündungsdruck und trotzdem hat es einen höheren spezifischen Impuls ! Ja der spezifische Impuls ist sogar höher als bei jedem Triebwerk, dass jemals mit dieser Treibstoffkombination gebaut wurde. Selbst Oberstufen mit einem viel höheren Expansionsverhältnis haben schlechtere Werte. Doch diese Werte sind mit CEA nicht verifizierbar.

Sie sind auch aus den Daten der Triebwerke verifizierbar. Wenn ein Modul wie angegeben eine Treibstoffmasse von 1350 kg und einen Schub von 25 kN, linear abnehmend auf 15 kn hat bei einer Brennzeit von 120 Sekunden, dann erhält man einen spezifischen Impuls von ziemlich genau 1778 m/s. Auf dieselben Werte kommt man wenn man die veröffentlichten Daten über Höhen und Nutzlasten von OTRAG Testschüssen zurückrechnet.

Zwei ehemalige OTRAG Mitarbeiter bestätigten mir übereinstimmend, das der von mir errechnete Wert korrekt sei und bei den Flügen ein spezifischer Impuls von 1800 m/s am Boden gemessen wurde.

Als ich Lutz Kayser auf diese Diskrepanz hinwies gab es plötzlich neue Werte. Nun sollte der Schub im Mittel 25 kN betragen und die Brenndauer 150 Sekunden. Damit wäre der spezifische Impuls mit 2740 m/s sogar noch höher als vorher angegeben. Nur braucht man nach meinen Berechnungen ein Verbrennungsdruck zu Mündungsdruckverhältnis von 100:1 um diesen spezifischen Impuls zu erreichen. Da das Triebwerk aber bei 1 Bar Umgebungsdruck arbeiten muss, ist kein höheres Verhältnis als 30:1 möglich.

Lutz Kayser macht Annahmen, dass es einen aerodynamischen Staudruck der Gase durch die Kombination so vieler Triebwerke gäbe und durch das ringförmige Verbrennen sogar eine Düsenwirkung. Dies würde den spezifischen Impuls um 10 % erhöhen. Da die OTRAG niemals in das Stadium der massiven Bündelung kam ist dies nicht nachprüfbar. Das gleiche gilt für die Brenndauer und den Schub einer 24 m Version, da auch so eine Variation nie getestet wurden.

Auch Harry O. Ruppe schreibt in seinem Buch "Die grenzenlose Dimension" von einem recht niedrigen Expansionsverhältnis von 6 und einem spezifischen Impuls von 2286 m/s. Auch er schreibt, das die OTRAG Angaben um 12 % höher seien, weil "Herr Kayser meint viele Parallelstrahlen eine Düsenwirkung aufbauen. Das scheint mir nur sehr begrenzt zuzutreffen". Es handelt sich bei den spezifischen Impulsen von Herrn Kayser also um reine Wunschwerte, die er für zukünftige große Versionen prognostiziert.

Das DFVLR bei dem Kayser bis 1976 die Triebwerke testete hat natürlich auch die Performance untersucht. Nach deren Daten gibt es neben den offensichtlichen Einschränkungen (Treibstoff mit geringem Energiegehalt, geringes Expansionsverhältnis) noch den Effekt des absinkenden Brennkammerdrucks. Zusammen mit anderen Verlusten kam das DFVLR auf Effizienzverluste je nach Größe der Düse zwischen 12,06 und 13,56 %. Das ist ein sehr hoher Wert. Übliche Raketentreibwerke erreichen eine Effizienz von 97 bis 99%, also Verluste von 1-3%. Interessanterweise warn zu diesem Zeitpunkt die angaben der Technologieforschungs GmbH auch weitaus weniger optimistisch als später, obwohl es keine wesentlichen Änderungen in den Triebwerken gab:

Performanceparameter (1975) Technologieforschung DFVLR
Spezifischer Impuls Meereshöhe erste Stufe 2125 m/s 1875 m/s
Spezifischer Impuls Vakuum erste Stufe 2439 m/s 2181 m/s
Spezifischer Impuls Mittel erste Stufe   2120 m/s
Spezifischer Impuls Vakuum zweite Stufe 2601 m/s 2334 m/s
Spezifischer Impuls Vakuum dritte Stufe 2711 m/s 2450 m/s

Warum verwendet der Autor soviel Zeit auf die Diskussion dieser Frage ? Nun der spezifische Impuls ist eine Maßeinheit wie viel Energie aus einem Treibstoff herausgeholt werden kann. Je kleiner er ist desto kleiner die Nutzlast und unterhalb einem bestimmten Wert schafft die OTRAG es nicht einmal ihre Leermasse in den Orbit zu transportieren.

No TextDabei liegt der schwarze Peter nicht so sehr an der Treibstoffmischung. Sie ist zwar etwas der Kombination Hydrazin/Stickstofftetroxid unterlegen. Doch liegt sie noch in dem Bereich den auch feste Treibstoffe erreichen und aus diesen werden durchaus Raketen gebaut. (Pegasus, Scout, Start, Taurus). Zudem ist ja nicht gesagt, dass die OTRAG bei dieser Treibstoffkombination bleiben muss. Es spräche technisch nichts dagegen auf Hydrazin und Stickstofftetroxid umzusteigen. Das man damals die Kombination gewählt hat lag an dem hohen Preis dieser Treibstoffe. In den letzten 20 Jahren blieben die Preise weitgehend konstant während Raketen teurer wurden. Der Preisvorteil wäre also heute in diesem Maße nicht mehr gegeben.

Das Problem ist die Düse die wegen der Konstruktion niemals breiter als das Triebwerk oder genauer gesagt die Brennkammer sein kann. Das Expansionsverhältnis ist niedrig, das bedeutet, dass die Gase das Triebwerk noch mit einem relativ hohen Druck verlassen und damit verschwendet man viel Energie.

Es gibt zu wenig Daten über das Triebwerk um zu sagen ob sich dieser Umstand beheben lässt. Da der Düsenhalsdurchmesser variabel ist erscheint es zumindest für die Oberstufen möglich diesen zur verkleinern und damit den spezifischen Impuls auf Kosten des Schubs zu steigern. Zwei ehemalige Mitarbeiter der OTRAG bestätigten mir meine Vermutung. Bei den Versuchsflügen wurde nach Aussagen von Kaysers Nachfolger Frank Wukasch ein spezifischer Impuls von 1800 m/s gemessen. Nimmt man diesen für die erste und 2100-2200 für die oberen Stufen an, so reduziert sich die Nutzlast aber beträchtlich. Die dreistufige Auslegung ist nicht möglich und eine vierstufige Version nötig. Selbst diese läge aber nur bei etwa einem Fünftel der Angaben von Lutz Kayser. Für die 256 Modul Version errechne ich eine Nutzlast von maximal 800 kg anstatt 4000 kg. Harry O. Ruppe hat auch die OTRAG Rakete mit realistischen Angaben durchgerechnet und kommt auf 2900 kg anstatt 10000 kg bei der großen Version. Harry O. Ruppe ist kein Unbekannter: Er war beteiligt beim Start der Mondsonde Pioneer 4, bei der Durchführung der Apollo Projekte und Direktor des Planungsbüros für Skylab. Ab 1966 baute er den Lehrstuhl Raumfahrttechnik an der TUM auf und war lange Zeit Professor und Institutsleiter an der TUM. Dies zeigt, dass auch Fachleute zu den gleichen Ergebnissen kommen. Auch Harry Ruppe geht von einem maximalen spezifischen Impuls von 2286 m/s aus.

Ruppe sieht noch zwei andere Schwächen im Konzept: Zum einen die Art der Steuerung. Durch den hohen Druck der Treibstoffe reagieren die Motoren träge, für eine große Rakete die ja viel empfindlicher gegenüber Störkräften ist wahrscheinlich zu langsam. Ruppe meint erst nach 1 Sekunde würde bei einer großen Rakete eine Steuerwirkung eintreten. In der Tat war ja auch der einzige Test bei dem man diese Steuerung testen wollte ein Fehlschlag, weil sie Rakete weg kippte und die Steuerung dies nicht ausgleichen konnte.

Das zweite was Ruppe als Kritik anführt ist das das modulare Konzept nicht wirklich skalierbar ist. Es gibt geometrische Randbedingungen einzuhalten, die praktisch dazu führen dass die einzelnen Raketen immer die doppelte Nutzlast der Vorgängerversion haben. Erweitert man eine Rakete um Module links oder Rechts, so steigert dies nur das Verhältnis der Masse von Erststufe zu Zweitstufe. Das ist jedoch für die Nutzlast nicht so wichtig. Der Preis der Rakete steigt an, aber die Nutzlast kaum. Zwischengrößen sind nur durch teilweise Betankung möglich, was einer gezielten Verschlechterung der Rakete entspricht. Der Preis für die Module bliebt gleich, nur die Treibstoffkosten sinken.

Es gibt übrigens noch eine Schwäche im OTRAG Konzept: Durch die Größe des Graphitringes soll der Schub geregelt werden. Klar ist: Größere Düsenhalsfläche - mehr Schub. Aber : Die Fördermenge ist ja immer gleich und der Förderdruck ebenfalls. Dadurch sinkt die Strahlgeschwindigkeit in gleicher Weise. Das 24 m Modul muss aber mehr Schub aufweisen als ein 12 m Modul. Das verschlechtert den spezifischen Impuls weiter. Am deutlichsten ist dies beim Schubbeiwert zu sehen: Dieser liegt bei einem 10 cm Ring bei 1.27, schlechter als bei jeder anderen Rakete (übliche Werte 1.4 - 1.9) und schon nahe bei dem einer Feuerwerkrakete (1.0 = keine Düse).

Libyen

Die Geschichte der OTRAG in Libyen ist auch heute noch ein rätselhaftes Kapitel. Die offizielle Version habe ich schon wiedergegeben. Hier noch mal die Kurzform:

Nach Darstellung von Herrn Kayser wählte er Libyen weil die libysche Regierung anders als viele andere nicht erpressbar ist. Diesen Schluss zog er nach der Ausweisung aus Zaire. Ein anderes Argument sollte die relativ günstige Haftpflichtversicherung für Personenschäden sein. In Libyen wurde er dann konfrontiert, dass das Militär sich für seine Raketen interessierte. Als Folge wurden dann nur noch Starts mit einem Modul gemacht. Als sich Kayser weigerte zu einer zweistufigen Version überzugehen wurde er enteignet. Soweit die Schilderung Kaysers.

Recherchiert man im Internet so gilt es bei den meisten Quellen als ausgemachte Sache, dass man in Libyen Raketen für das Militär entwickelt hat. Ich möchte hier einmal die Tatsachen und die möglichen Erklärungen gegenüberstellen. Das grundsätzliche Problem ist, dass es Widersprüche gibt, die man so oder so deuten kann.

Ich habe bei der Recherche neben Kayser zwei ehemalige OTRAG Angestellte befragt und bekam unterschiedliche Antworten. Einer meinte das die Wahl von Libyen eine Trotzreaktion gewesen sein, weil man in Zaire rausgeschmissen wurde und die Unabhängigkeit von Libyen den Ausschlag gab. Der andere meinte, dass es sich Kayser wohl Geld von Libyen erhoffte, aber keines bekam. Nach der Enteignung wurde dann an einer weiteren Steigerung des Förderdruckes gearbeitet um den Schub zu steigern. So erreichte ein 6 m Modul einen Startschub von 30 kN anstatt 25 kN bei den früheren Tests.

Es gibt nur wenig was wirklich unzweifelhaft ist:

Wie es in Libyen wirklich lief wird sich auch 20 Jahre später wohl nicht klären lassen.

Starts der OTRAG Rakete

Der erste Start erprobte 4 Triebwerke mit 4 Tanks von je 3 m Länge. Dieser war erfolgreich, genauso wie der zweite Start bei Nacht. Hier wurde erstmals eine 12 m Version eingesetzt. Beim dritten Start versagte ein Ventil und die Rakete wich vom Start nach links ab. Der erste Start in Libyen soll nach Auskunft eines Augenzeugen ebenfalls ein Fehlstart gewesen sein. Es gibt aber im Libyen anders als bei den Starts in Zaire keine unabhängigen Beobachter mehr. Das bedeutet dass ich alle Starts von 2Z-14Z nur von einer Liste von Herrn Kayser dokumentiert habe. Herr Kayser wertet aber selbst den Fehlstart bei Flug 3 als 50 % Erfolg und lässt den letzten Start im Esrange in Kiruna, weg.

Die Zuverlässigkeit der OTRAG liegt nach diesen Angaben bei 89 % (2 Fehlstarts in 18 Flügen).

Nr. Datum Startplatz Röhren pro Triebwerk Triebwerke Ergebnis / Zweck
1Z 17.05.1977 Shaba (Zaire) 2 4 20 km Höhe
2Z 20.05.1978 Shaba (Zaire) 4 4 Nachtstart, 30 km Höhe
3Z 05.06.1978 Shaba (Zaire) 4 4 Fehlstart, Rakete weicht vom Start an ab.
1L 01.03.1981 Tawiwa (Libyen) 4 4 Fehlstart, Rakete dreht nach 21 sec.
2L 07.06.1981 Tawiwa (Libyen) 4 4 Hochbeschleunigungstest, 20 % Treibstoff
3L 17.09.1981 Tawiwa (Libyen) 4 1 Rollen um die Achse Test
4L 01.10.1981 Tawiwa (Libyen) ? 1 Brennen bis zum Verbrauch des Treibstoff
5L 24.10.1981 Tawiwa (Libyen) ? 1 Verbrauch des Oxidators (rauh)
6L 19.11.1981 Tawiwa (Libyen) ? 1 Verbrauch des Dieselöls (weich)
7L 12.12.1981 Tawiwa (Libyen) ? 1 Test mit Fernsehkamera an Bord
8L 02.06.1982 Tawiwa (Libyen) ? 1 Niedrigschubtest (10 kN)
9L 24.06.1982 Tawiwa (Libyen) ? 1 Test der Selbstzerstörung
10L 02.09.1982 Tawiwa (Libyen) ? 1 Roll Kontrolltest
11L 11.09.1982 Tawiwa (Libyen) ? 1 Stufentrennungssimulation
12L 10.11.1982 Tawiwa (Libyen) 2 1 60 Grad Start (siehe Bilderserie)
13L 16.11.1982 Tawiwa (Libyen) ? 1 konzentrierte Salpetersäure als Oxidator
14L 09.12.1982 Tawiwa (Libyen) ? 1 JP-4 als Treibstoff
1K 19.09.1983 Kiruna (Schweden) 2 1 Erfolgreich, aber Kapselbergung scheiterte

Epilog

No TextSelten habe ich so viel Arbeit in einen Aufsatz gesteckt und selten ist er mir so schwer gefallen. Der Grund liegt in der Informationslage. Als die OTRAG aktiv war, gab es eigentlich nur Artikel in populärwissenschaftlichen Zeitschriften. Es gab kein Datenblatt oder eine technische Beschreibung der Rakete. Das ist eigentlich an für sich schon ein Unikum für eine Firma, die auf private Investoren angewiesen ist. Selbst vor der Maueröffnung habe ich über russische Trägerraketen mehr Informationen gehabt, als heute über die OTRAG.

Im August 2005 bekam ich dann eine Mail von Lutz Kayser der über meinen (damals recht kurzen) OTRAG Artikel stolperte. Aus diesem entspann sich dann ein Dialog und ich bekam von Herrn Kayser ältere Zeitungsausschnitte und Daten zugesandt. Sehr bald bekam ich aber das Gefühl dass Herr Kayser ein persönliches Interesse an dem Artikel hat und bei bestimmten Themen gab es widersprüchliche oder keine Angaben. Alle Zeitungsausschnitte endeten vor dem ersten Start in Libyen.

Ich habe daher diese Daten oben diskutiert und versucht ehemalige OTRAG Mitarbeiter zu kontaktieren und bekam von diesen auch ergänzende Informationen. Ich habe versucht diese hier mit einzubeziehen. Lutz Kayser hat schließlich ein Eigeninteresse daran, dass die Rakete gut da steht. Er will die Technologie heute in den USA verkaufen. Es geht also um Glaubwürdigkeit. Einige Dinge sind bei der Trägerrakete und bei der Geschichte der OTRAG doch etwas widersprüchlich. Lutz Kayser hat Antworten auf alle Fragen, doch manchmal bekommt man ein ungutes Gefühl. Nehmen wir mal das Libyen Abenteuer: Es kommt dort zu 14 Tests nur mit einzelnen Modulen, obgleich er so nicht seiner Trägerversion näher kommt. Offizieller Grund ist laut Kayser das "Trägertechnologie-Kontrollregime" (Missle Technology Control Regime; MTCR) Gesetz der G7 Staaten. Es verbietet den Export von Technologie für Raketen mit über 300 km Reichweite in Entwicklungsländer. Nur: Nach den Seiten des Auswärtigen Amtes wurde dieses Gesetz erst im April 1987 beschlossen, 4 Jahre nach Ende des Libyen Abenteuers.

Das gleiche findet man bei den technischen Daten. Es ist nicht vertrauensvoll, wenn man unterschiedliche Daten von ein und derselben Person bekommt. Wichtige Daten des Triebwerks stuft Kayser als geheim ein, weil er Angst hat man könnte seine Technologie stehlen. So bekam ich kein Schnittbild eines Triebwerks. Ich erfuhr von anderen OTRAG Mitarbeitern aber, dass man ein Triebwerk dem Deutschen Museum geschenkt hat und Herr Kayser nicht die Rechte an der Technologie hat. Das ist doch alles etwas seltsam.

Andere Dinge, die ich erst sehr suspekt fand, zum Beispiel dass Herr Kayser glaubt Breschnew, Schmidt und Giscard d'Estaing hätten seine Firma in den Ruin getrieben, erschienen nach der Recherche glaubhaft. Es gibt zwar keine direkten Beweise für die Einflussnahme der oben genannten Politiker, aber es gibt Berichte von der der Einflussnahme hoher Stellen wie dem BND.

Nach meiner Einschätzung kann man mit diesem Konzept keinen Satelliten in einen Orbit bringen. Nach meinen Gesprächen mit OTRAG Mitarbeitern glaubte dies aber Herr Kayser. Es ging aber auch darum mit diesem Konzept Geld zu akquirieren und dies gelang auch. Zuerst mit der OTRAG als Firma. Heute sucht Kayser in den USA nach Venture Kapital. Kayser vertrat zwar immer die Ansicht, seine Technologie würde eine sehr preiswerte Rakete ermöglichen. Vergleicht man aber die verbrauchten Mittel von 150 Millionen DM in 7 Jahren und was man damit erreicht hat (18 Starts, davon nur 4 mit mehr als einem Triebwerk) so war zumindest die Entwicklung sehr kostenintensiv. Nicht einmal die Zwischenziele eines 16 oder 32 Modultests, geschweige denn eine mehrstufige suborbitale Version wurden erreicht.

Wer sich für Kaysers Version interessiert, der kann sich den Artikel auf Mark Wades Enzyklopädie ansehen. Dort findet man im wesentlichen alles was auch Kayser mir gegenüber äußerte. Mark Wade hat sich nicht die Mühe gemacht die Angaben zu hinterfragen. Der Wortlaut lässt darauf schließen, dass Kayser selbst den Artikel verfasst hat, denn man findet besondere Formulierungen die auch Kayser im E-Mail Verkehr benutzte, dort zuhauf.

Heute gibt es Parallelen zur OTRAG. Die Firma SpaceX welche die "Falcon" Trägerrakete baut will die Triebwerke massiv bündeln. Für ihre großen Versionen sollen in der ersten Stufe zwei Booster und eine Zentralstufe mit jeweils 9 Triebwerken gezündet werden. Dies ist zwar weit von den bis zu 500 Triebwerken der OTRAG entfernt, aber es sind deutlich mehr als bei den meisten vorhandenen Trägern. Auch setzt die Falcon 1 in ihrer zweiten Stufe ein Triebwerk ein das nur druckgefördert ist und ohne Kühlung auskommt. Anders als das OTRAG Triebwerk arbeitet es aber mit den teuren Werkstoffen (Niob und Tantal, weil hochtemperaturbeständig) und mit einer großen Düse, und nutzt daher den Treibstoff effizienter als die OTRAG aus.

© des Textes: Bernd Leitenberger. © der Bilder Lutz Kayser. © der Bilder Lutz Kayser.

Bücher des Autors über Trägerraketen

Wie man an dem Umfang der Website sieht, sind Trägerraketen eines meiner Hauptinteressen. Es gibt inzwischen eine Reihe von Büchern von mir, auch weil ich in den letzten Jahren aufgrund neuer Träger oder weiterer Informationen über alte Projekte die Bücher neu aufgelegt habe. Sie finden eine Gesamtübersicht aller Bücher von mir bei Amazon und hier beim Verlag.

Ich beschränke mich in diesem Abschnitt auf die aktuellen Werke. Für die in Europa entwickelten Trägerraketen gibt es von mir zwei Werke:

Europäische Trägerraketen 1 behandelt die Vergangenheit (also bei Drucklegung): Das sind die nationalen Raketen Diamant, OTRAG und Black Arrow und die europäischen Träger Ariane 1 bis 4 und Europarakete.

Europäische Trägerraketen 2 behandelt die zur Drucklegung 2015 aktuellen Träger: Ariane 5, Vega und die damaligen Pläne für Vega C und Ariane 6.

Wer sich nur für einen der in den beiden besprochenen Träger interessiert, findet auch jeweils eine Monografie, die inhaltlich identisch mit dem Kapitel in den Sammelbänden ist, nur eben als Auskopplung.

Weiter gehend, alle Raketen die es weltweit gibt, behandelnd, gehen zwei Bände:

US-Trägerraketen

und

Internationale Trägerraketen (im Sinne von allen anderen Raketen weltweit)

Auch hier habe ich 2023 begonnen, die Bände aufzusplitten, einfach weil der Umfang für eine Aktualisierung sonst weder handelbar wäre bzw. an die Seitengrenze stößt, die der Verlag setzt. Ich habe auch bei den Einzelbänden nochmals recherchiert und den Umfang erweitert. Bisher sind erschienen:

US Trägerraketen 1 mit den frühen, kleinen Trägern (Vanguard, Juno, Scout)

US Trägerraketen 2 mit der Titan-Familie

2023 wird noch die erste Auskopplung aus den internationalen Raketen über russische Träger erscheinen. Nach und nach werden alle Raketen dann in einzelnen Monografien geordnet nach Trägerfamilien oder Nationen dann aktualisiert auf den aktuellen Stand, so besprochen.

Für die Saturns gibt es noch einen Sonderband, den ersten in der Reihe über das Apolloprogramm.

Alle bisherigen Bücher sind gerichtet an Leute, die wie ich sich nicht mit oberflächlichen Informationen oder Zusammenfassung der Wikipedia zufriedengeben. Wenn sie sich nicht für Technik interessieren, sondern nette Anekdoten hören wollen, dann sind die bisherigen Bücher nichts für Sie. Für dieses Publikum gibt es das Buch „Fotosafari durch den Raketenwald“ bei dem jeder Träger genau eine Doppelseite mit einem Foto und einer Beschreibung hat. (Also etwa ein Zehntel der Seitenzahl auf den ich ihn bei den beiden obigen Bänden abhandelte). Das Buch ist anders als die anderen Bände in Farbe. Ab und an macht BOD als Print on Demand Dienstleister Mist und verschickt es nur in Schwarz-Weiß, bitte reklamieren sie dann, ich als Autor kann dies nicht beeinflussen.

Als Autor würde ich mich freuen, wenn sie direkt beim Verlag bestellen, da ich da eine etwas größere Marge erhalte. Dank Buchpreisbindung und kostenlosem Versand ist das genauso teuer wie bei Amazon, Libri und iTunes oder im Buchhandel. Über eine ehrliche Kritik würde ich mich freuen.

Alle Bücher sind auch als E-Book erschienen, üblicherweise zu 2/3 des Preises der Printausgabe – ich würde sie gerne billiger anbieten, doch da der Gesetzgeber E-Books mit 19 Prozent Mehrwertsteuer besteuert, Bücher aber mit nur 7 Prozent, geht das leider nicht. Ein Vorteil der E-Books - neben dem einfacher recherchierbaren Text ist, das alle Abbildungen, die im Originalmanuskript in Farbe, sind auch in Farbe sind, während ich sonst - um Druckkosten zu sparen - meist auf Farbe verzichte. Sie brauchen einen pdf-fähigen Reader um die Bücher zu lesen. Sofern der Verlag nicht weiter für bestimmte Geräte (Kindle) konvertiert ist das Standardformat der E-Books ein DRM-geschütztes PDF.

Mehr über meine Bücher finden sie auf der Website Raumfahrtbuecher.de und eine Liste aller Veröffentlichungen findet sich auch bei meinem Wikipediaeintrag.

 


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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